Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Staat und volkstum und das Volk mehr Äer passive Teil. Solange das Volk aber gesund ist, zeigt sich Die auswärtige Politik eines Landes bann in keinem anderen Gerste ge¬ Was sahen diese Stellen als ihre Aufgabe an? Die Interessen des Staates Was waren unsere Aufgaben in der Welt? Sicherung unseres Staates, Wenn diese Ausführungen richtig find, so lehren sie uns, daß der Staat Es herrscht jetzt vielfach die Auffassung, daß diese Ereignisse zwangsläufig 17*
Staat und volkstum und das Volk mehr Äer passive Teil. Solange das Volk aber gesund ist, zeigt sich Die auswärtige Politik eines Landes bann in keinem anderen Gerste ge¬ Was sahen diese Stellen als ihre Aufgabe an? Die Interessen des Staates Was waren unsere Aufgaben in der Welt? Sicherung unseres Staates, Wenn diese Ausführungen richtig find, so lehren sie uns, daß der Staat Es herrscht jetzt vielfach die Auffassung, daß diese Ereignisse zwangsläufig 17*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0203" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336493"/> <fw type="header" place="top"> Staat und volkstum</fw><lb/> <p xml:id="ID_746" prev="#ID_745"> und das Volk mehr Äer passive Teil. Solange das Volk aber gesund ist, zeigt sich<lb/> seine Aktivität in dem dumpfen Drängen nach vorwärts und aufwärts, und darin,<lb/> daß es den Führer aus sich heraus erzeugt, der diesem Drängen Bahn und Klar¬<lb/> heit gibt. Soll Deutschland noch eine Persönlichkeit unter den Mächten der Erde<lb/> werden, so müssen wir endlich anfangen, ein Volk zu fein, ohne dabei auf die<lb/> Heldenverehrung verzichten zu müssen. Daraus zielten denn auch schon vor dem<lb/> Kriege Zukuuftsgläubige hin, soweit sie überhaupt an das Deutschtum anknüpfen<lb/> wollten. Aber sie verzweifelten daran, daß der alte Staat selbst dem unreifen<lb/> Volke, das aber nur in der Freiheit vom Staate und den selbstgewählten. Ge-<lb/> vnndenheiten reifen konnte, diese Bahn frei machen würde. Das geschah nicht<lb/> einmal im Kriege. Hier liegt die Unterlassung unserer inneren Politik, daß sie<lb/> ihre Zeit nicht verstand.</p><lb/> <p xml:id="ID_747"> Die auswärtige Politik eines Landes bann in keinem anderen Gerste ge¬<lb/> führt werden, als in dem, der in dem Lande herrscht. Während unsere innere<lb/> Politik durchaus nicht nur von Beamten geleitet worden ist, war die auswärtige<lb/> ihre unbestrittene Domäne. Die Geschäftsführung lag bei den Vertretungen<lb/> draußen und bei der Berliner Zentrale.</p><lb/> <p xml:id="ID_748"> Was sahen diese Stellen als ihre Aufgabe an? Die Interessen des Staates<lb/> wahrzunehmen. Das war, so lange Bismarck lebte, der von ihm geschaffene<lb/> Staat, dessen von außen drohende Gefahren er kannte und, fo lange er im Amte<lb/> war, zu bannen verstand. Als dann später der Staat vollends die große Aktien¬<lb/> gesellschaft geworden war, auch nach, außen hin mit den Gepflogenheiten einer<lb/> solchen, da fragte man beim Auswärtigen Amte nicht mehr nur danach, was dem<lb/> Staate, sondern was vor allem seiner Wirtschaft nützlich sei. Konnte man dafür<lb/> ein Verständnis des Volkes außer bei den Interessenten verlangen? Auf der<lb/> durch sie gebildeten schmalen Basis kann aber heutzutage keine Macht auswärtige<lb/> Politik treiben. Nicht einmal das Bürgertum vermochte über die Grenzpfähle<lb/> hinwegzusehen. Der hinter unserem Staate stehenden Macht mangelte es sowohl<lb/> an einem Ziele als auch an dem Willen, diese Macht zu gebrauchen. Erst jetzt bei<lb/> der bevorstehenden Auswanderung wird allgemein erkannt werden, wie sehr die<lb/> auswärtige Politik Sache jedes einzelnen ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_749"> Was waren unsere Aufgaben in der Welt? Sicherung unseres Staates,<lb/> Ausbreitung seiner „Macht", Bereicherung einzelner Angehörigen und damit<lb/> wirtschaftliche Hebung aller? Das konnten doch nur Mittel .sein. Was hoben<lb/> wir für unsere° Volksgenossen draußen getan, für ihre geistigen, kulturellen und<lb/> wirtschaftlichen Bedürfnisse? Unsere Gesandten und Konsuln waren nur für den<lb/> Staat da. Den Millionen Auslanddeutschen konnte der Staat nicht helfen, Wohl<lb/> aber das Reichsvolk selbst, wenn es nur wollte. Gerade auswärtige Politik wird<lb/> bei keiner Großmacht ausschließlich, vielleicht nicht einmal hauptsächlich, an der<lb/> offiziellen Stelle gemacht. Deshalb trifft auch unfern auswärtigen Dienst längst<lb/> nicht die Schuld, die ihm aufgebürdet wird. Unsere Nächstliegende Aufgabe war<lb/> der kulturelle Zusammenschluß aller Deutschen anf der Welt. Sie hätte aller¬<lb/> dings <-we andere Staatspolitik zur Voraussetzung gehabt. Daß der alte Staat<lb/> hierfür kein Verständnis gehabt.und keines wecken konnte, das ist feine Unter¬<lb/> lassung in der auswärtigen Politik gewesen.</p><lb/> <p xml:id="ID_750"> Wenn diese Ausführungen richtig find, so lehren sie uns, daß der Staat<lb/> als ein mechanistisches Gebilde,'für dessen Lebensäußerungen sich die Volksgenossen<lb/> N'ehe verantwortlich fühlten, feinen eigenen Weg gegangen ist, der ihn zum Kriege<lb/> unter den ungünstigsten Verhältnissen geführt hat, ferner, daß das Volt, vom<lb/> Staate losgelöst, seines Zusammenhaltes beraubt, nicht mehr em Gebilde, sondern<lb/> »ur noch ein Zustand gewesen ist, der nur eines äußeren -Anstoßes bedürfte, um<lb/> sich völlig zu verändern. . _„</p><lb/> <p xml:id="ID_751" next="#ID_752"> Es herrscht jetzt vielfach die Auffassung, daß diese Ereignisse zwangsläufig<lb/> so kommen mußten, daß sie nnr Teilerscheinungen eines Prozesses sind, dem die<lb/> ganze abendländische Welt unterliegt, und besten Ende ihr Untergang ist. Es ist</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 17*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0203]
Staat und volkstum
und das Volk mehr Äer passive Teil. Solange das Volk aber gesund ist, zeigt sich
seine Aktivität in dem dumpfen Drängen nach vorwärts und aufwärts, und darin,
daß es den Führer aus sich heraus erzeugt, der diesem Drängen Bahn und Klar¬
heit gibt. Soll Deutschland noch eine Persönlichkeit unter den Mächten der Erde
werden, so müssen wir endlich anfangen, ein Volk zu fein, ohne dabei auf die
Heldenverehrung verzichten zu müssen. Daraus zielten denn auch schon vor dem
Kriege Zukuuftsgläubige hin, soweit sie überhaupt an das Deutschtum anknüpfen
wollten. Aber sie verzweifelten daran, daß der alte Staat selbst dem unreifen
Volke, das aber nur in der Freiheit vom Staate und den selbstgewählten. Ge-
vnndenheiten reifen konnte, diese Bahn frei machen würde. Das geschah nicht
einmal im Kriege. Hier liegt die Unterlassung unserer inneren Politik, daß sie
ihre Zeit nicht verstand.
Die auswärtige Politik eines Landes bann in keinem anderen Gerste ge¬
führt werden, als in dem, der in dem Lande herrscht. Während unsere innere
Politik durchaus nicht nur von Beamten geleitet worden ist, war die auswärtige
ihre unbestrittene Domäne. Die Geschäftsführung lag bei den Vertretungen
draußen und bei der Berliner Zentrale.
Was sahen diese Stellen als ihre Aufgabe an? Die Interessen des Staates
wahrzunehmen. Das war, so lange Bismarck lebte, der von ihm geschaffene
Staat, dessen von außen drohende Gefahren er kannte und, fo lange er im Amte
war, zu bannen verstand. Als dann später der Staat vollends die große Aktien¬
gesellschaft geworden war, auch nach, außen hin mit den Gepflogenheiten einer
solchen, da fragte man beim Auswärtigen Amte nicht mehr nur danach, was dem
Staate, sondern was vor allem seiner Wirtschaft nützlich sei. Konnte man dafür
ein Verständnis des Volkes außer bei den Interessenten verlangen? Auf der
durch sie gebildeten schmalen Basis kann aber heutzutage keine Macht auswärtige
Politik treiben. Nicht einmal das Bürgertum vermochte über die Grenzpfähle
hinwegzusehen. Der hinter unserem Staate stehenden Macht mangelte es sowohl
an einem Ziele als auch an dem Willen, diese Macht zu gebrauchen. Erst jetzt bei
der bevorstehenden Auswanderung wird allgemein erkannt werden, wie sehr die
auswärtige Politik Sache jedes einzelnen ist.
Was waren unsere Aufgaben in der Welt? Sicherung unseres Staates,
Ausbreitung seiner „Macht", Bereicherung einzelner Angehörigen und damit
wirtschaftliche Hebung aller? Das konnten doch nur Mittel .sein. Was hoben
wir für unsere° Volksgenossen draußen getan, für ihre geistigen, kulturellen und
wirtschaftlichen Bedürfnisse? Unsere Gesandten und Konsuln waren nur für den
Staat da. Den Millionen Auslanddeutschen konnte der Staat nicht helfen, Wohl
aber das Reichsvolk selbst, wenn es nur wollte. Gerade auswärtige Politik wird
bei keiner Großmacht ausschließlich, vielleicht nicht einmal hauptsächlich, an der
offiziellen Stelle gemacht. Deshalb trifft auch unfern auswärtigen Dienst längst
nicht die Schuld, die ihm aufgebürdet wird. Unsere Nächstliegende Aufgabe war
der kulturelle Zusammenschluß aller Deutschen anf der Welt. Sie hätte aller¬
dings <-we andere Staatspolitik zur Voraussetzung gehabt. Daß der alte Staat
hierfür kein Verständnis gehabt.und keines wecken konnte, das ist feine Unter¬
lassung in der auswärtigen Politik gewesen.
Wenn diese Ausführungen richtig find, so lehren sie uns, daß der Staat
als ein mechanistisches Gebilde,'für dessen Lebensäußerungen sich die Volksgenossen
N'ehe verantwortlich fühlten, feinen eigenen Weg gegangen ist, der ihn zum Kriege
unter den ungünstigsten Verhältnissen geführt hat, ferner, daß das Volt, vom
Staate losgelöst, seines Zusammenhaltes beraubt, nicht mehr em Gebilde, sondern
»ur noch ein Zustand gewesen ist, der nur eines äußeren -Anstoßes bedürfte, um
sich völlig zu verändern. . _„
Es herrscht jetzt vielfach die Auffassung, daß diese Ereignisse zwangsläufig
so kommen mußten, daß sie nnr Teilerscheinungen eines Prozesses sind, dem die
ganze abendländische Welt unterliegt, und besten Ende ihr Untergang ist. Es ist
17*
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |