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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Fünfundzwanzig Jahre Deutscher Gstinarlcnverein

Durch alle diese Schwierigkeiten setzte sich der Osimarkenverein durch urit
er wurde, was er nach seinem Sinne werden sollte: der Sammelpunkt für alle
deutschen Patrioten, die das Polentum bekämpften, der Mittelpunkt für alle
nationalpoliiischen Bestrebungen zur Föideiung des Deutschtums in der Ostmark
und ein fester Damm gegen Gelüste, die deutsche Politik im Osten zu verlassen.

Seinen Höhepunkt halte der Ostmarkenverein wohl erreicht zur Zeit, als
von Bülow Reichskanzler war und Miguel und Nheinbaven Minister. Die Re¬
gierung hielt damals in der deutschen Politik im Osten einen festen Kurs und
der Osimarkenverein arbeitete neben ihr in gleicher Richtung. Die Deutschen in
der Ostmark fühlten sich gestützt und gehoben. Damals, es war im Jahre 1909,
sand der Deutsche Tag in Kattowitz statt. Auf ein Huldigungstelegramm des
Vereins antwortete der Kaiser:


"In dankbarer Anerkennung der Bestrebungen des Deutschen Ostmarkeil¬
vereins, das Deuischtnm auch in der Pivvinz Schlesien zu kräftigen und zu
fördern, spreche ich allen zum Deutschen Tage dort vereinten Patrioten für die
freundliche Begrüßung meinen wärmsten Dank aus. Mo^e der sür die Zukunft
und die Größe des deutschen Vaterlandes so bedeutungsvollen Arbeit Gottes
Wilhelm I. I?." Mb und Segen in reichem Maße beschieden sein.

Weniger günstig gestalteten sich die Verhältnisse, als Herr von Bethmann
Hollweg Reichskanzler geworden war. Es ist bezeichnend für die preußische
Polenpolitik, daß statt einer gleichmäßigen deutschen Richtung bei jedem Personen¬
wechsel in der Regierung die Frage auftauchte, wie nun weiter in den Ost-
provinzeu regiert würde, ob wie bisher, oder ob ein neuer Kurs eingeschlagen
würde. Zwar hatte der neue Reichskanzler auf ein Begrüßnngstclegrcunm des
Deutschen Ostmarkenvercins nu weiteres Zusammenarbeiten zugesichert und das
stolze Wort hinzugesetzt: "nunquLm retrorsum." Bald aber merkte man, daß
die feste Hand fehlte. An Stelle der Festigkeit trat Unschlüssigkeit. Nachgiebigkeit
und alsbald ein weites Entgegenkommen gigen die Polen. Der Oberpräsident
von Waldow und die Regierungspräsidenten in Posen, energische Wächter und
Schützer des Deutschtums, mußten ihre Posten verlassen, und bei den Ver¬
waltungsbeamten machte sich eine große Unsicherheit fühlbar. Man wußte nicht,
ob man den alten Kurs fahren sollte, oder ob von oben ein Entgegenkommen
gegen die Polen gewünscht würde. So wurde vieles vernachlässigt und manches
umgeworfen, was die Regierung und der Ostmarkenverein früher gebant und
angebahnt hatte.

Es kam das Jahr 1914. Der Deutsche Osimarkenverein veranstaltete einen
Deutschen Tag in Altenstein. Als die Tausende von Teilnehmern am 28. Juni
im Walde von Jakobsberg bei Altenstein versammelt waren, traf die Nachricht
von dem Mord in Serajewo ein. Die Anwesenden waren tief erschüttert, aber
keiner ahnte, daß das Ereignis so furchtbare Folgen nach sich ziehen würde, und
die Vorstandsmitglieder, die abends im alten Schloß des Kopernikus in Alten¬
stein, das Herr Regierungspräsident Hellmann stilgerecht ausgestattet hatte, zu¬
sammenkamen, ahnten nicht, daß zwei Monate später an demselben großen runden
Tisch auf den hochlehnigen Siühlen russische Offiziere sitzen würden.

Gleich nach Beginn des Krieges traf der Deutsche Ostmarkenverein- seine
Maßnahmen. Feindseligkeiten gegen die Polen mußten vermieden werden, um
nicht im Ausland den Anschein zu erwecken, daß das Deutsche Reich im Osten
innere Schwierigkeiten hätte, die Tätigkeit des Vereins wurde beschränkt, zumal
die meisten Mitglieder und Ortsgruppenführer bei den Fahnen waren. Die
Organe des Vereins und einzelne Beamte wurden in den Dienst des roten
Kreuzes gestellt. Der Geschäftsführende Ausschuß hielt aber regelmäßig alle Woche
eine Kricgssitzung ab, in der die Tagesereignisse, insbesondere die Haltung der
Polen besprochen wurde. Der Verein beteiligte sich lebhaft bei den Kriegsanleihen,
er zeichnete im ganzen 900000 Mark und half sonst aus, wo es nötig war.

Im Sommer 1916 kamen die ersten Gerüchte, daß ein Königreich Polen
errichtet werden sollte. Für jeden, der die Verhältnisse kannte, war es klar, daß
die Wiederaufrichtung des polnischen Staates ein Unglück sein würde. Bismarck


Fünfundzwanzig Jahre Deutscher Gstinarlcnverein

Durch alle diese Schwierigkeiten setzte sich der Osimarkenverein durch urit
er wurde, was er nach seinem Sinne werden sollte: der Sammelpunkt für alle
deutschen Patrioten, die das Polentum bekämpften, der Mittelpunkt für alle
nationalpoliiischen Bestrebungen zur Föideiung des Deutschtums in der Ostmark
und ein fester Damm gegen Gelüste, die deutsche Politik im Osten zu verlassen.

Seinen Höhepunkt halte der Ostmarkenverein wohl erreicht zur Zeit, als
von Bülow Reichskanzler war und Miguel und Nheinbaven Minister. Die Re¬
gierung hielt damals in der deutschen Politik im Osten einen festen Kurs und
der Osimarkenverein arbeitete neben ihr in gleicher Richtung. Die Deutschen in
der Ostmark fühlten sich gestützt und gehoben. Damals, es war im Jahre 1909,
sand der Deutsche Tag in Kattowitz statt. Auf ein Huldigungstelegramm des
Vereins antwortete der Kaiser:


„In dankbarer Anerkennung der Bestrebungen des Deutschen Ostmarkeil¬
vereins, das Deuischtnm auch in der Pivvinz Schlesien zu kräftigen und zu
fördern, spreche ich allen zum Deutschen Tage dort vereinten Patrioten für die
freundliche Begrüßung meinen wärmsten Dank aus. Mo^e der sür die Zukunft
und die Größe des deutschen Vaterlandes so bedeutungsvollen Arbeit Gottes
Wilhelm I. I?." Mb und Segen in reichem Maße beschieden sein.

Weniger günstig gestalteten sich die Verhältnisse, als Herr von Bethmann
Hollweg Reichskanzler geworden war. Es ist bezeichnend für die preußische
Polenpolitik, daß statt einer gleichmäßigen deutschen Richtung bei jedem Personen¬
wechsel in der Regierung die Frage auftauchte, wie nun weiter in den Ost-
provinzeu regiert würde, ob wie bisher, oder ob ein neuer Kurs eingeschlagen
würde. Zwar hatte der neue Reichskanzler auf ein Begrüßnngstclegrcunm des
Deutschen Ostmarkenvercins nu weiteres Zusammenarbeiten zugesichert und das
stolze Wort hinzugesetzt: „nunquLm retrorsum." Bald aber merkte man, daß
die feste Hand fehlte. An Stelle der Festigkeit trat Unschlüssigkeit. Nachgiebigkeit
und alsbald ein weites Entgegenkommen gigen die Polen. Der Oberpräsident
von Waldow und die Regierungspräsidenten in Posen, energische Wächter und
Schützer des Deutschtums, mußten ihre Posten verlassen, und bei den Ver¬
waltungsbeamten machte sich eine große Unsicherheit fühlbar. Man wußte nicht,
ob man den alten Kurs fahren sollte, oder ob von oben ein Entgegenkommen
gegen die Polen gewünscht würde. So wurde vieles vernachlässigt und manches
umgeworfen, was die Regierung und der Ostmarkenverein früher gebant und
angebahnt hatte.

Es kam das Jahr 1914. Der Deutsche Osimarkenverein veranstaltete einen
Deutschen Tag in Altenstein. Als die Tausende von Teilnehmern am 28. Juni
im Walde von Jakobsberg bei Altenstein versammelt waren, traf die Nachricht
von dem Mord in Serajewo ein. Die Anwesenden waren tief erschüttert, aber
keiner ahnte, daß das Ereignis so furchtbare Folgen nach sich ziehen würde, und
die Vorstandsmitglieder, die abends im alten Schloß des Kopernikus in Alten¬
stein, das Herr Regierungspräsident Hellmann stilgerecht ausgestattet hatte, zu¬
sammenkamen, ahnten nicht, daß zwei Monate später an demselben großen runden
Tisch auf den hochlehnigen Siühlen russische Offiziere sitzen würden.

Gleich nach Beginn des Krieges traf der Deutsche Ostmarkenverein- seine
Maßnahmen. Feindseligkeiten gegen die Polen mußten vermieden werden, um
nicht im Ausland den Anschein zu erwecken, daß das Deutsche Reich im Osten
innere Schwierigkeiten hätte, die Tätigkeit des Vereins wurde beschränkt, zumal
die meisten Mitglieder und Ortsgruppenführer bei den Fahnen waren. Die
Organe des Vereins und einzelne Beamte wurden in den Dienst des roten
Kreuzes gestellt. Der Geschäftsführende Ausschuß hielt aber regelmäßig alle Woche
eine Kricgssitzung ab, in der die Tagesereignisse, insbesondere die Haltung der
Polen besprochen wurde. Der Verein beteiligte sich lebhaft bei den Kriegsanleihen,
er zeichnete im ganzen 900000 Mark und half sonst aus, wo es nötig war.

Im Sommer 1916 kamen die ersten Gerüchte, daß ein Königreich Polen
errichtet werden sollte. Für jeden, der die Verhältnisse kannte, war es klar, daß
die Wiederaufrichtung des polnischen Staates ein Unglück sein würde. Bismarck


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[0192] Fünfundzwanzig Jahre Deutscher Gstinarlcnverein Durch alle diese Schwierigkeiten setzte sich der Osimarkenverein durch urit er wurde, was er nach seinem Sinne werden sollte: der Sammelpunkt für alle deutschen Patrioten, die das Polentum bekämpften, der Mittelpunkt für alle nationalpoliiischen Bestrebungen zur Föideiung des Deutschtums in der Ostmark und ein fester Damm gegen Gelüste, die deutsche Politik im Osten zu verlassen. Seinen Höhepunkt halte der Ostmarkenverein wohl erreicht zur Zeit, als von Bülow Reichskanzler war und Miguel und Nheinbaven Minister. Die Re¬ gierung hielt damals in der deutschen Politik im Osten einen festen Kurs und der Osimarkenverein arbeitete neben ihr in gleicher Richtung. Die Deutschen in der Ostmark fühlten sich gestützt und gehoben. Damals, es war im Jahre 1909, sand der Deutsche Tag in Kattowitz statt. Auf ein Huldigungstelegramm des Vereins antwortete der Kaiser: „In dankbarer Anerkennung der Bestrebungen des Deutschen Ostmarkeil¬ vereins, das Deuischtnm auch in der Pivvinz Schlesien zu kräftigen und zu fördern, spreche ich allen zum Deutschen Tage dort vereinten Patrioten für die freundliche Begrüßung meinen wärmsten Dank aus. Mo^e der sür die Zukunft und die Größe des deutschen Vaterlandes so bedeutungsvollen Arbeit Gottes Wilhelm I. I?." Mb und Segen in reichem Maße beschieden sein. Weniger günstig gestalteten sich die Verhältnisse, als Herr von Bethmann Hollweg Reichskanzler geworden war. Es ist bezeichnend für die preußische Polenpolitik, daß statt einer gleichmäßigen deutschen Richtung bei jedem Personen¬ wechsel in der Regierung die Frage auftauchte, wie nun weiter in den Ost- provinzeu regiert würde, ob wie bisher, oder ob ein neuer Kurs eingeschlagen würde. Zwar hatte der neue Reichskanzler auf ein Begrüßnngstclegrcunm des Deutschen Ostmarkenvercins nu weiteres Zusammenarbeiten zugesichert und das stolze Wort hinzugesetzt: „nunquLm retrorsum." Bald aber merkte man, daß die feste Hand fehlte. An Stelle der Festigkeit trat Unschlüssigkeit. Nachgiebigkeit und alsbald ein weites Entgegenkommen gigen die Polen. Der Oberpräsident von Waldow und die Regierungspräsidenten in Posen, energische Wächter und Schützer des Deutschtums, mußten ihre Posten verlassen, und bei den Ver¬ waltungsbeamten machte sich eine große Unsicherheit fühlbar. Man wußte nicht, ob man den alten Kurs fahren sollte, oder ob von oben ein Entgegenkommen gegen die Polen gewünscht würde. So wurde vieles vernachlässigt und manches umgeworfen, was die Regierung und der Ostmarkenverein früher gebant und angebahnt hatte. Es kam das Jahr 1914. Der Deutsche Osimarkenverein veranstaltete einen Deutschen Tag in Altenstein. Als die Tausende von Teilnehmern am 28. Juni im Walde von Jakobsberg bei Altenstein versammelt waren, traf die Nachricht von dem Mord in Serajewo ein. Die Anwesenden waren tief erschüttert, aber keiner ahnte, daß das Ereignis so furchtbare Folgen nach sich ziehen würde, und die Vorstandsmitglieder, die abends im alten Schloß des Kopernikus in Alten¬ stein, das Herr Regierungspräsident Hellmann stilgerecht ausgestattet hatte, zu¬ sammenkamen, ahnten nicht, daß zwei Monate später an demselben großen runden Tisch auf den hochlehnigen Siühlen russische Offiziere sitzen würden. Gleich nach Beginn des Krieges traf der Deutsche Ostmarkenverein- seine Maßnahmen. Feindseligkeiten gegen die Polen mußten vermieden werden, um nicht im Ausland den Anschein zu erwecken, daß das Deutsche Reich im Osten innere Schwierigkeiten hätte, die Tätigkeit des Vereins wurde beschränkt, zumal die meisten Mitglieder und Ortsgruppenführer bei den Fahnen waren. Die Organe des Vereins und einzelne Beamte wurden in den Dienst des roten Kreuzes gestellt. Der Geschäftsführende Ausschuß hielt aber regelmäßig alle Woche eine Kricgssitzung ab, in der die Tagesereignisse, insbesondere die Haltung der Polen besprochen wurde. Der Verein beteiligte sich lebhaft bei den Kriegsanleihen, er zeichnete im ganzen 900000 Mark und half sonst aus, wo es nötig war. Im Sommer 1916 kamen die ersten Gerüchte, daß ein Königreich Polen errichtet werden sollte. Für jeden, der die Verhältnisse kannte, war es klar, daß die Wiederaufrichtung des polnischen Staates ein Unglück sein würde. Bismarck

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/192>, abgerufen am 15.01.2025.