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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Fünfundzwanzig Jahre Deutscher Dstmarkenverein

hatte einst gesagt, daß ein selbständiges Polenreich eine französische Armee im
Osten bedeute. Vergebens tat der Verein alles, um diesen unglückseligen Schritt
zu verhüten. Noch kurz vor der Ausrufung des polnischen Königreichs begab
sich der Vorsitzende des Vereins, Herr von Tiedemann. in die Reichskanzlei, um
zu warnen. Dort aber wurde ihm die Mitteilung, daß Hindenburg und Luden-
dorff daraus bestehen, um neue Truppen zu gewinnen. Auf diese Mitteilung
mußte der Verein zurücktreten, er mußte die militärischen Maßnahmen gelten
lassen und durfte nicht durch laute Proteste den militärischen Führern in den
Rücken fallen. Die Nachricht aus der Reichskanzlei war, wie sich später heraus¬
gestellt hat. unrichtig, aber es war nichts mehr zu ändern.

Bei der Errichtung des Polenrcichs und der Verwaltung des neuen Staates
hat sich so recht die Zaghaftigkeit in der Wahrnehmung der deutschen Interessen
und die Unsicherheit der deutschen Politik gezeigt. Die Hoffnung auf ein polnisches
Hilfskorps, ovinus die Regierung hauptsächlich gerechnet hatte, erwies sich als
hinfällig. Die Polen, die durch deutsche Siege von der Russenherrschaft befreit
wurden, wollten den Deutschen nicht helfen.

Nach heldenmütigen Kämpfen der deutschen Heere, nach jahrelangen schweren
Entbehrungen des von der Welt abgeschnittenen deutschen Volkes und lei^» - )
durch innere Umtriebe geschwächt, brach Deutschland zusammen. Der Aar^'
mußte dein Thron entsagen, die Fürsten wurden vertrieben und eine sozial
demokratische Parteiregierung führte die Geschäfte. Ein Friede wurde geschlossen
mit so schweren und schmachvollen Bedingungen, wie die Welt sie wohl nie
gesehen hat. Der Friede traf am schwersten die Ostmark, Posen und fast ganz
Westpreußen fiel an das neue Polenreich, Danzig wurde ein Freistaat unter
Polnischer Oberhoheit. Die Ostmark, die der Deutsche Ostmarkenverein vor
Polnischer Überflutung hatte schützen wollen, kam in polnische Hand. Die
Deutschen im Osten, die vor den polnischen Umtrieben geschützt werden sollten,
wurden unter polnische Fremdherrschaft gezwungen, Ostpreußen wurde vom Reich
abgeschnitten. Noch bevor der Friedensvertrag durchgeführt wurde, während des
Waffenstillstandes, besetzten die Polen den größten Teil der Provinz Posen. Die
Regierung ließ deutsches Land und deutsche Leute im Stich.

Die Verhältnisse im Osten haben sich von Grund aus zum Nachteil des
Deutschtums geändert. Die fünfundzwanzigjährige Arbeit des Deutschen Ostmarken»
Vereins ging zu Bruch, wie so vieles im Deutschen Reich.

Wenn nun auch durch den Gewaltfrieden, dem Deutschland sich unterwarf,
der größte Teil der Ostmark vom Reich getrennt und im Osten die Stellung der
Deutschen zu den Polen völlig geändert ist, so ist dadurch dem Deutschen Ost-
warkenverein das Feld zu weiterer Tätigkeit nicht entzogen. Im Gegenteil, die
Aufgaben des Deutschen Ostmarkenvereins sind erweitert und vertieft.

Die Landesgrenzen sind verändert durch einen Machtspruch der Entente, der
unter Nichtachtung des Selbstbestimmungsrechts der Völker und unter Nichtachtung
der geschichtlichen Entwicklung gegen Recht und Gerechtigkeit allein das Ziel ver¬
folgte, Deutschland niederzuwerfen und sein Wiederaufkommen zu verhindern.
Em Werk, das aus so unsittlichen Beweggründen entstand, kann kein erspriesz-
Ucli^s sein, es ist unnatürlich und unhaltbar. Man kann wohl gewaltsam ein
KtuMvon dem Deutschen Reich losreißen, das deutsche Volk kann man nicht
teilen?, es bleibt ein Ganzes. Und wenn den Deutschen unter fremdem Joch auch
alles geraubt wird, das Recht, deutsch zu bleiben, kann ihnen nicht genommen
werden. Die Gefahr für das Deutschtum im Osten ist ungeheuer gewachsen, die
deutschen im abgetrennten Teil werden ihre Rechte hartnäckig verteidigen müssen
und die Deutschen im Reich müssen ihnen auf alle Weise helfen. Hierbei zu
wohnen, zu fördern, zu vermitteln und die Zukunft vorzubereiten, das wird die
künftige Aufgabe des Deutschen Ostmarkenvereins sein. Er wird nach fünfund¬
zwanzig jähriger Arbeit, die nicht ohne Erfolg war. auf neuen Wegen sein altes
Ziel verfolgen: Schutz und Förderung des Deutschtums im Osten.




Grenzboten IV 191916

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/193>, abgerufen am 22.01.2025.