Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Der Sieg des Imperialismus den Hintergrund gedrängt zu sein. Es kann überdies sehr zweifelhaft sein, ob Hat England im Rahmen seiner Weltpolitik die Umklammerung Europas In Elsaß-Lothringen und den linksrheinischen Landen liegt die eine Nicht wesentlich anders liegen die Dinge im Osten. Die Knebelung Diese von Frankreich mit aller Kraft verfolgteZmilitärische und politische Der Sieg des Imperialismus den Hintergrund gedrängt zu sein. Es kann überdies sehr zweifelhaft sein, ob Hat England im Rahmen seiner Weltpolitik die Umklammerung Europas In Elsaß-Lothringen und den linksrheinischen Landen liegt die eine Nicht wesentlich anders liegen die Dinge im Osten. Die Knebelung Diese von Frankreich mit aller Kraft verfolgteZmilitärische und politische <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0014" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336304"/> <fw type="header" place="top"> Der Sieg des Imperialismus</fw><lb/> <p xml:id="ID_24" prev="#ID_23"> den Hintergrund gedrängt zu sein. Es kann überdies sehr zweifelhaft sein, ob<lb/> Frankreich nach seinem gewaltigen Aderlaß an Menschen und Gut jemals im¬<lb/> stande sein wird, die großen Aufgaben zu lösen, die ihm sein Riesenkolonial¬<lb/> reich bietet. Mit seiner gegenwärtig sehr einseitigen Betonung des Macht¬<lb/> imperialismus kommt es allerdings Englands Politik, vermutlich ungewollt,<lb/> entgegen, indem es sich mit seiner engen kontinentalgerichteten Politik als<lb/> britischen weltpolitischen Nebenbuhler, als der es in Afrika auftrat, selbst aus¬<lb/> schaltet. Sein Afrikareich scheint ihm in erster Linie ein Menschenreservoir sein<lb/> zu sollen, aus dem es bei dem Mangel an eigenen Kräften die Massen zieht,<lb/> die ihm zur Befriedigung seiner politischen Machtträume in Europa notwendig<lb/> erscheinen.</p><lb/> <p xml:id="ID_25"> Hat England im Rahmen seiner Weltpolitik die Umklammerung Europas<lb/> als ein weltpolitisches Ziel, nicht aber die unmittelbare Einwirkung auf den<lb/> Gang der europäischen Festlandspolttik um ihrer selbst willen im Auge, so<lb/> verengert die französische Politik den politisch umspannten und umklammerten<lb/> Raum auf Mitteleuropa. Die Umschnürung des deutschen Reiches, seine<lb/> Zerstückelung und wirtschaftliche, politische und militärische Ausschaltung ist das<lb/> A und O der französischen „Weltpolitik".</p><lb/> <p xml:id="ID_26"> In Elsaß-Lothringen und den linksrheinischen Landen liegt die eine<lb/> Zangenbacke, in Polen und den ehemals österreichischen Landen die zweite,<lb/> mit denen es Deutschland zu zwingen hofft. Mit dem Raub Elsaß-Lothringens,<lb/> den Frankreich mit gleicher Nichtachtung der geschichtlichen und geographischen<lb/> Tatsachen ableugnen wird, wie es den Raub Ludwigs des Vierzehnten niemals<lb/> eingestanden hat, glaubt französische „Revanche" den höchsten Triumph zu<lb/> feiern und seinem bestgehaßten Feinde den stärksten Schlag zu versetzen. Man<lb/> verkennt völlig, daß politische Gewalt auf die Dauer wirtschaftliche Notwendig¬<lb/> keiten, wie sie sich aus der geographischen Einheit der Lande zwischen Wasgen-<lb/> wald und Schwarzwald ergeben, niemals unterdrücken kann; die gewaltsam<lb/> getrennten Teile des mittelrheinischen Wirtschaftskörpers, mit deutschem Geist<lb/> erbaut und erfüllt, drängen naturnotwendig nach der Wiedervereinigung. Wo<lb/> bleibt hier der Geist des Völkerbundes?</p><lb/> <p xml:id="ID_27"> Nicht wesentlich anders liegen die Dinge im Osten. Die Knebelung<lb/> Deutsch-Österreichs geschieht nicht allein um der ehemals Habsburgischen Lande<lb/> willen, sondern um eine gefügige Provinz in Händen zu haben, von der aus<lb/> ein Druck gegen Deutschland auszuführen ist, den der hündisch-treue tschecho¬<lb/> slowakische Nachbar zu verstärken sich erboten hat. Aus dieser Maßregel der<lb/> ganzen Entente spricht nur französischer Geist. Ebenso kann Polens Imperialismus<lb/> mit seinem ausgesprochenen Grotzmachtsdünkel diesen französischen „Revanche"-<lb/> geiht nicht verleugnen. Mag auch manche politische Richtung im neuen Polen¬<lb/> staat dem französischen Einfluß mißbilligend gegenüberstehen und sich seiner<lb/> erwehren, Tatsache bleibt, daß Frankreich alles daran setzen wird, sich in dem<lb/> neuen Weichselstaat einen Helfer zu erhalten, der an Stelle des zertrümmerten<lb/> Rußland den Ostdruck auf das deutsche Reich übernimmt. Die gleiche<lb/> chauvinistische Färbung der Außenpolitik beider Staaten Deutschland gegenüber<lb/> sind das Bindemittel gegenseitigen Verständnisses und gemeinsamen Handels<lb/> bei der politischen Knebelung Deutschlands.</p><lb/> <p xml:id="ID_28" next="#ID_29"> Diese von Frankreich mit aller Kraft verfolgteZmilitärische und politische<lb/> Einkreisung des zu Boden geschlagenen Feindes enthüllt die weltpolitische<lb/> Schwäche der Republik. Frankreichs Entwicklung hat längst ihren Höhepunkt<lb/> überschritten und bewegt sich auf absteigender Linie; seine weltpolitische Sendung<lb/> erfüllte es im achtzehnten und der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0014]
Der Sieg des Imperialismus
den Hintergrund gedrängt zu sein. Es kann überdies sehr zweifelhaft sein, ob
Frankreich nach seinem gewaltigen Aderlaß an Menschen und Gut jemals im¬
stande sein wird, die großen Aufgaben zu lösen, die ihm sein Riesenkolonial¬
reich bietet. Mit seiner gegenwärtig sehr einseitigen Betonung des Macht¬
imperialismus kommt es allerdings Englands Politik, vermutlich ungewollt,
entgegen, indem es sich mit seiner engen kontinentalgerichteten Politik als
britischen weltpolitischen Nebenbuhler, als der es in Afrika auftrat, selbst aus¬
schaltet. Sein Afrikareich scheint ihm in erster Linie ein Menschenreservoir sein
zu sollen, aus dem es bei dem Mangel an eigenen Kräften die Massen zieht,
die ihm zur Befriedigung seiner politischen Machtträume in Europa notwendig
erscheinen.
Hat England im Rahmen seiner Weltpolitik die Umklammerung Europas
als ein weltpolitisches Ziel, nicht aber die unmittelbare Einwirkung auf den
Gang der europäischen Festlandspolttik um ihrer selbst willen im Auge, so
verengert die französische Politik den politisch umspannten und umklammerten
Raum auf Mitteleuropa. Die Umschnürung des deutschen Reiches, seine
Zerstückelung und wirtschaftliche, politische und militärische Ausschaltung ist das
A und O der französischen „Weltpolitik".
In Elsaß-Lothringen und den linksrheinischen Landen liegt die eine
Zangenbacke, in Polen und den ehemals österreichischen Landen die zweite,
mit denen es Deutschland zu zwingen hofft. Mit dem Raub Elsaß-Lothringens,
den Frankreich mit gleicher Nichtachtung der geschichtlichen und geographischen
Tatsachen ableugnen wird, wie es den Raub Ludwigs des Vierzehnten niemals
eingestanden hat, glaubt französische „Revanche" den höchsten Triumph zu
feiern und seinem bestgehaßten Feinde den stärksten Schlag zu versetzen. Man
verkennt völlig, daß politische Gewalt auf die Dauer wirtschaftliche Notwendig¬
keiten, wie sie sich aus der geographischen Einheit der Lande zwischen Wasgen-
wald und Schwarzwald ergeben, niemals unterdrücken kann; die gewaltsam
getrennten Teile des mittelrheinischen Wirtschaftskörpers, mit deutschem Geist
erbaut und erfüllt, drängen naturnotwendig nach der Wiedervereinigung. Wo
bleibt hier der Geist des Völkerbundes?
Nicht wesentlich anders liegen die Dinge im Osten. Die Knebelung
Deutsch-Österreichs geschieht nicht allein um der ehemals Habsburgischen Lande
willen, sondern um eine gefügige Provinz in Händen zu haben, von der aus
ein Druck gegen Deutschland auszuführen ist, den der hündisch-treue tschecho¬
slowakische Nachbar zu verstärken sich erboten hat. Aus dieser Maßregel der
ganzen Entente spricht nur französischer Geist. Ebenso kann Polens Imperialismus
mit seinem ausgesprochenen Grotzmachtsdünkel diesen französischen „Revanche"-
geiht nicht verleugnen. Mag auch manche politische Richtung im neuen Polen¬
staat dem französischen Einfluß mißbilligend gegenüberstehen und sich seiner
erwehren, Tatsache bleibt, daß Frankreich alles daran setzen wird, sich in dem
neuen Weichselstaat einen Helfer zu erhalten, der an Stelle des zertrümmerten
Rußland den Ostdruck auf das deutsche Reich übernimmt. Die gleiche
chauvinistische Färbung der Außenpolitik beider Staaten Deutschland gegenüber
sind das Bindemittel gegenseitigen Verständnisses und gemeinsamen Handels
bei der politischen Knebelung Deutschlands.
Diese von Frankreich mit aller Kraft verfolgteZmilitärische und politische
Einkreisung des zu Boden geschlagenen Feindes enthüllt die weltpolitische
Schwäche der Republik. Frankreichs Entwicklung hat längst ihren Höhepunkt
überschritten und bewegt sich auf absteigender Linie; seine weltpolitische Sendung
erfüllte es im achtzehnten und der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts,
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