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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Geroalt und Recht

Dienst dieser Sache stellten, deren Gesamtmachtwillen sich in der Person des
Monarchen symbolisch verkörperte. Wo diese reale Macht aufhörte, hinter 'dem
staatsrechtlichen Begriffe "Krone" zu stehen, da hat es nie lange gedauert, bis
dieser Begriff selber aus dem geltenden Staatsrechte verschwand. Denn nur das
Recht ist lebensfähig, hinter dem eine reale Macht, letzten Endes eine physische
Gewalt steht, bereit, sich mit allen Mitteln für seinen Schutz einzusetzen. Noch
präziser gefaßt: nur das Recht ist eine reale Macht, hinter dem eine physische
Gewalt steht; und genau proportional der Größe dieser Gewalt ist die Macht
des Rechtes.

Es gibt ewige und unveräußerliche Menschheitsrechte -- ich gebe zu, als
unentbehrliches Requisit der demokratischen Rhetorik sind sie reichlich diskreditiert.
Nicht deswegen glaube ich an sie. weil sie als Beiiandteil der prästabilierten de¬
mokratischen Weltharmonie irgendwo in den Sternen geschrieben stehen, sondern
weil die Geschichte dies lehrt: in der Beschaffenheit der Menschennatur selber ist
der Wirkung-smöglichkeit der Gewalt eine Grenze gesetzt. Es gibt Gewaltakte, die
sich auf die Dauer einzelne oder Völker nicht gefallen lassen, mögen sie
noch so erschöpft, so erniedrigt, so verlklavt. mögen sie noch so, objektiv und
subjektiv, ehrlos geworden sein. Wie die Kompressibilität einer jeden Materie
physikalisch begrenzt ist. so ist der Leidensfähigkeit der Menschen"atur, ihrer
Fähigkeit Gewalt zu dulden, eine physiologische Grenze gesetzt. Wird sie über¬
schritten, so erzeugt die Gewalt in dem Leidenden selber notwendig die Gegen¬
gewalt; er kann nicht anders als sich zur Wehr setzen, mag er noch so sehr Angst
vor der eigenen Courage haben Selbst bei den russischen Leibeigenen, den Ur-
zeiten eine" Volkes von schier unbegrenzter Leidens'ähigkeit, kam es vor, das; ein
gewalttätiger Herr die Grerue ihrer Leidensmöglichkeit überschritt. Dann erzeugte
der unerträglich gewordene Druck der Gewalt in ihnen notwendig, automatisch,
den Willen zur Gegengewalt; dos Lus bestimmte einen aus ihrer Mette, der an
dem Herrn die Verletzung ihrer Menschenrechte ahndete. Dies ist alio der Sinn
der ewigen Menschheitsrechte: sie umgrenzen schützend ein physisches und
moralisches Existenzminimum, dessen gewaltsame Schmälerung notwendig eine
physische Gewalt zu ihrer Verteidigung erzeugt. Allein durch diese Gewalt werden
die Menschheitsrechte legitimiert; steht sie nicht hinter ihnen, so sind sie nichts als
eine hohle Phrase, der kein noch so wind"loses Jammern zu real r Macht ver¬
hilft Ein jeder, einzelner oder Volk der sich auf sie beruft, muß die Berechtigung
seines Anspruches von neuem dadurch nachweisen, daß er sich bereitet, die gesamte
Physische Gewalt, die ihm zur Verfügung steht, zu ihrer Verteidigung einzusetzen;
und sein Anspruch auf ihre Venvirklichung entspricht genau der Größe der Opfer,
die für sie zu bringen er bereit ist.

Der durch die Verfassung geschaffene ideale Gleichgewichts- und Ruhezustand
zwischen den staatlichen Gewalten ist also faktisch nie vorhanden. Im besten Falle
oszillnren sie beständig um ihn herum; zwischen dem Jdealzustande und der
Wirklichkeit bestehen fortwährend schwächere oder stärkere Spannungen. Jede
solche Spannung ist eine Gefahr für das geltende Staatswesen, Kleine
Spannungen lassen sich meist dadurch ausgleichen, daß die Interpretation deS
geltenden Rechtes diesem eine gewisse Elastizität verschafft; die Partei, die gerade
die Ob rhand hat. wird versuchen, dnrch eine ihr günstige Interpretation ihren
Macht-.uwachs zu realisie en. Aber es kann zu Spannungen kommen, die an die
Elasti'liat des elastischen Siaatt-rechtes zu hohe Forderungen stellen. Denn hat
es noch immer geheißen: läßt du dich nicht mehr beugen, so wird man dich
brechen müssen.

Die Politik von Krone und Parlament -- und von der Politik der Pcirla-
mentöparteien gilt dasselbe -- läßt sich vergleichen mit dem Verhalten einer in
einem wichtigen Neckttstreiie begriffenen mächtigen Organisation, aber eines
großen Syndikats. Zuerst bieten die Anwälte ihren inalektischcn Scharfsinn auf.
um einer ihrem Klienten günstigen Interpretation des geltenden Rechtes zum
Siege zu verhelfen. Führt das nicht zum Ziele, so wird der Klient, falls eine


Geroalt und Recht

Dienst dieser Sache stellten, deren Gesamtmachtwillen sich in der Person des
Monarchen symbolisch verkörperte. Wo diese reale Macht aufhörte, hinter 'dem
staatsrechtlichen Begriffe „Krone" zu stehen, da hat es nie lange gedauert, bis
dieser Begriff selber aus dem geltenden Staatsrechte verschwand. Denn nur das
Recht ist lebensfähig, hinter dem eine reale Macht, letzten Endes eine physische
Gewalt steht, bereit, sich mit allen Mitteln für seinen Schutz einzusetzen. Noch
präziser gefaßt: nur das Recht ist eine reale Macht, hinter dem eine physische
Gewalt steht; und genau proportional der Größe dieser Gewalt ist die Macht
des Rechtes.

Es gibt ewige und unveräußerliche Menschheitsrechte — ich gebe zu, als
unentbehrliches Requisit der demokratischen Rhetorik sind sie reichlich diskreditiert.
Nicht deswegen glaube ich an sie. weil sie als Beiiandteil der prästabilierten de¬
mokratischen Weltharmonie irgendwo in den Sternen geschrieben stehen, sondern
weil die Geschichte dies lehrt: in der Beschaffenheit der Menschennatur selber ist
der Wirkung-smöglichkeit der Gewalt eine Grenze gesetzt. Es gibt Gewaltakte, die
sich auf die Dauer einzelne oder Völker nicht gefallen lassen, mögen sie
noch so erschöpft, so erniedrigt, so verlklavt. mögen sie noch so, objektiv und
subjektiv, ehrlos geworden sein. Wie die Kompressibilität einer jeden Materie
physikalisch begrenzt ist. so ist der Leidensfähigkeit der Menschen»atur, ihrer
Fähigkeit Gewalt zu dulden, eine physiologische Grenze gesetzt. Wird sie über¬
schritten, so erzeugt die Gewalt in dem Leidenden selber notwendig die Gegen¬
gewalt; er kann nicht anders als sich zur Wehr setzen, mag er noch so sehr Angst
vor der eigenen Courage haben Selbst bei den russischen Leibeigenen, den Ur-
zeiten eine« Volkes von schier unbegrenzter Leidens'ähigkeit, kam es vor, das; ein
gewalttätiger Herr die Grerue ihrer Leidensmöglichkeit überschritt. Dann erzeugte
der unerträglich gewordene Druck der Gewalt in ihnen notwendig, automatisch,
den Willen zur Gegengewalt; dos Lus bestimmte einen aus ihrer Mette, der an
dem Herrn die Verletzung ihrer Menschenrechte ahndete. Dies ist alio der Sinn
der ewigen Menschheitsrechte: sie umgrenzen schützend ein physisches und
moralisches Existenzminimum, dessen gewaltsame Schmälerung notwendig eine
physische Gewalt zu ihrer Verteidigung erzeugt. Allein durch diese Gewalt werden
die Menschheitsrechte legitimiert; steht sie nicht hinter ihnen, so sind sie nichts als
eine hohle Phrase, der kein noch so wind«loses Jammern zu real r Macht ver¬
hilft Ein jeder, einzelner oder Volk der sich auf sie beruft, muß die Berechtigung
seines Anspruches von neuem dadurch nachweisen, daß er sich bereitet, die gesamte
Physische Gewalt, die ihm zur Verfügung steht, zu ihrer Verteidigung einzusetzen;
und sein Anspruch auf ihre Venvirklichung entspricht genau der Größe der Opfer,
die für sie zu bringen er bereit ist.

Der durch die Verfassung geschaffene ideale Gleichgewichts- und Ruhezustand
zwischen den staatlichen Gewalten ist also faktisch nie vorhanden. Im besten Falle
oszillnren sie beständig um ihn herum; zwischen dem Jdealzustande und der
Wirklichkeit bestehen fortwährend schwächere oder stärkere Spannungen. Jede
solche Spannung ist eine Gefahr für das geltende Staatswesen, Kleine
Spannungen lassen sich meist dadurch ausgleichen, daß die Interpretation deS
geltenden Rechtes diesem eine gewisse Elastizität verschafft; die Partei, die gerade
die Ob rhand hat. wird versuchen, dnrch eine ihr günstige Interpretation ihren
Macht-.uwachs zu realisie en. Aber es kann zu Spannungen kommen, die an die
Elasti'liat des elastischen Siaatt-rechtes zu hohe Forderungen stellen. Denn hat
es noch immer geheißen: läßt du dich nicht mehr beugen, so wird man dich
brechen müssen.

Die Politik von Krone und Parlament — und von der Politik der Pcirla-
mentöparteien gilt dasselbe — läßt sich vergleichen mit dem Verhalten einer in
einem wichtigen Neckttstreiie begriffenen mächtigen Organisation, aber eines
großen Syndikats. Zuerst bieten die Anwälte ihren inalektischcn Scharfsinn auf.
um einer ihrem Klienten günstigen Interpretation des geltenden Rechtes zum
Siege zu verhelfen. Führt das nicht zum Ziele, so wird der Klient, falls eine


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[0136] Geroalt und Recht Dienst dieser Sache stellten, deren Gesamtmachtwillen sich in der Person des Monarchen symbolisch verkörperte. Wo diese reale Macht aufhörte, hinter 'dem staatsrechtlichen Begriffe „Krone" zu stehen, da hat es nie lange gedauert, bis dieser Begriff selber aus dem geltenden Staatsrechte verschwand. Denn nur das Recht ist lebensfähig, hinter dem eine reale Macht, letzten Endes eine physische Gewalt steht, bereit, sich mit allen Mitteln für seinen Schutz einzusetzen. Noch präziser gefaßt: nur das Recht ist eine reale Macht, hinter dem eine physische Gewalt steht; und genau proportional der Größe dieser Gewalt ist die Macht des Rechtes. Es gibt ewige und unveräußerliche Menschheitsrechte — ich gebe zu, als unentbehrliches Requisit der demokratischen Rhetorik sind sie reichlich diskreditiert. Nicht deswegen glaube ich an sie. weil sie als Beiiandteil der prästabilierten de¬ mokratischen Weltharmonie irgendwo in den Sternen geschrieben stehen, sondern weil die Geschichte dies lehrt: in der Beschaffenheit der Menschennatur selber ist der Wirkung-smöglichkeit der Gewalt eine Grenze gesetzt. Es gibt Gewaltakte, die sich auf die Dauer einzelne oder Völker nicht gefallen lassen, mögen sie noch so erschöpft, so erniedrigt, so verlklavt. mögen sie noch so, objektiv und subjektiv, ehrlos geworden sein. Wie die Kompressibilität einer jeden Materie physikalisch begrenzt ist. so ist der Leidensfähigkeit der Menschen»atur, ihrer Fähigkeit Gewalt zu dulden, eine physiologische Grenze gesetzt. Wird sie über¬ schritten, so erzeugt die Gewalt in dem Leidenden selber notwendig die Gegen¬ gewalt; er kann nicht anders als sich zur Wehr setzen, mag er noch so sehr Angst vor der eigenen Courage haben Selbst bei den russischen Leibeigenen, den Ur- zeiten eine« Volkes von schier unbegrenzter Leidens'ähigkeit, kam es vor, das; ein gewalttätiger Herr die Grerue ihrer Leidensmöglichkeit überschritt. Dann erzeugte der unerträglich gewordene Druck der Gewalt in ihnen notwendig, automatisch, den Willen zur Gegengewalt; dos Lus bestimmte einen aus ihrer Mette, der an dem Herrn die Verletzung ihrer Menschenrechte ahndete. Dies ist alio der Sinn der ewigen Menschheitsrechte: sie umgrenzen schützend ein physisches und moralisches Existenzminimum, dessen gewaltsame Schmälerung notwendig eine physische Gewalt zu ihrer Verteidigung erzeugt. Allein durch diese Gewalt werden die Menschheitsrechte legitimiert; steht sie nicht hinter ihnen, so sind sie nichts als eine hohle Phrase, der kein noch so wind«loses Jammern zu real r Macht ver¬ hilft Ein jeder, einzelner oder Volk der sich auf sie beruft, muß die Berechtigung seines Anspruches von neuem dadurch nachweisen, daß er sich bereitet, die gesamte Physische Gewalt, die ihm zur Verfügung steht, zu ihrer Verteidigung einzusetzen; und sein Anspruch auf ihre Venvirklichung entspricht genau der Größe der Opfer, die für sie zu bringen er bereit ist. Der durch die Verfassung geschaffene ideale Gleichgewichts- und Ruhezustand zwischen den staatlichen Gewalten ist also faktisch nie vorhanden. Im besten Falle oszillnren sie beständig um ihn herum; zwischen dem Jdealzustande und der Wirklichkeit bestehen fortwährend schwächere oder stärkere Spannungen. Jede solche Spannung ist eine Gefahr für das geltende Staatswesen, Kleine Spannungen lassen sich meist dadurch ausgleichen, daß die Interpretation deS geltenden Rechtes diesem eine gewisse Elastizität verschafft; die Partei, die gerade die Ob rhand hat. wird versuchen, dnrch eine ihr günstige Interpretation ihren Macht-.uwachs zu realisie en. Aber es kann zu Spannungen kommen, die an die Elasti'liat des elastischen Siaatt-rechtes zu hohe Forderungen stellen. Denn hat es noch immer geheißen: läßt du dich nicht mehr beugen, so wird man dich brechen müssen. Die Politik von Krone und Parlament — und von der Politik der Pcirla- mentöparteien gilt dasselbe — läßt sich vergleichen mit dem Verhalten einer in einem wichtigen Neckttstreiie begriffenen mächtigen Organisation, aber eines großen Syndikats. Zuerst bieten die Anwälte ihren inalektischcn Scharfsinn auf. um einer ihrem Klienten günstigen Interpretation des geltenden Rechtes zum Siege zu verhelfen. Führt das nicht zum Ziele, so wird der Klient, falls eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/136>, abgerufen am 15.01.2025.