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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Gewalt und Recht

günstige Entscheidung für ihn eine Lebensfrage bedeutet, keinen Augenblick Be¬
denken tragen, seine gesamte Macht für sie einzusetzen. Er wird sein Vergehen
nach dem Grade der Rechtssicherheit richten, die im Staate herrscht, das heißt,
nach der Qualität und Quantität der Gewalten, die sich zum Sctiuize des geltenden
Rechtes gegen ihn erheben werden./ In Mexiko und im Volksstaate Preußen
wird er keine Umwege wählen; er wird die Mängel in der Beweisführung seines
Anwoltes durch Handgranaten, Maschinengewehre und einen kleinen Minenwcrfcr
nachdrücklich und wirksam kompensieren. In den Vereinigten Staaten wird nackte
physische Gewalt als Stellvertreterin des Rechtes doch nicht mehr gern gesehen,
wenn es sich nicht um die harmlose Volksbelustigung der Lynchjustiz handelt.
Dort müßte der Klient schon den Richter zum Objekt mittelbarer physischer Ge¬
walt in der Form von Geld machen. In Frankreich wird er, falls die Vor¬
gänge die Preise nicht rettungslos verdorben haben, geneigt sein, sich durch das-
selbe Mittel eine kleine Kammermehrheit zu liefern die das geltende Recht zu
seinen Gunsten abändert -- ein teures, aber wirksames Verfahren. -- Nur in
England, wo die Nechtslusigkeit und ihr, wie immer, entsprechend die politische
Moral ja besonders hoch stehen, werden alle diese Mittel, die den schokiernden
Schweißgeruch der physischen Gewalt nicht ganz wegparfümieren können, nicht
zum Ziele führen. Dort wird dem Klienten nichts übrig bleiben, als durch die
Presse, diese unbestechliche Bilderin und Hüterin der öffentlichen Meinung, ver¬
breiten zu lassen, daß in dem Unternehmen seines Gegners de itsches Kapital in¬
vestiert sei, daß dessen Sieg also in einem für das gläubige Britenvolk unertiäg-
lichen Widersprüche mit der göttlichen Weltoidnu, g stände. Wie sollte sich die
englische Presse, wie das englische Volk nebst seinen Richtern der zwingenden
Logik dieser Argumentation verschließen könn n?

Auf die innere Politik übertragen: wenn bei einem der staatlichen Mnckt-
faktoren die Spannung zwischen seiner staatsrech.lich fixieiten und s.mer wirtlichen
Macht so groß wird, daß sie sich durch roch so willkürliche Auslegung des
geltenden Rechtes nicht mehr ausgleichen läßt, dann wird er notwend g eine
seinem Machtzuwachse Rechnung tragende Änderung des gellendem Rechtes zu
erzwingen suchen. Kann sie friedlich, ohne Unterbrechung der Rechtstontiiuntät.
bewirkt werden, um so besser; wenn nicht, dann wird sie sich durch gewaUMmen
Bruch des geltenden Rechtes, auf revolutionärem Wege also, durchzusetzen suchen.
Wird der Macht ihr Nechtskleid zu enge, dann sprengt sie es, wenn der Schneider
nicht beizeiten ein paar Nähte ausläßt.

Jetzt die Anwendung auf die große Politik, auf die Beziehungen der beiden
Staaten, die soeben einen solide aussehenden Frieden geschlossen haben. H-er
gilt erst recht der Satz: es gibt kein ruhendes Gleichgewicht der Mächte; es gibt
besten Falles ein beständiges Oszillieren um die im Friedensveurag festiesetzte
ideale Gleichgewichlsloge. Aufgabe der Diplomatie ist es, die fortwährend ent¬
stehenden Spannungen zwischen völkerrechtlicher Geltung und realer Macht
durch Interpretation des zwischenstaatlichen Rechtes zugunsten ihres Staates
auszugleichen. Kommt es aber zu größeren Spannungen. wächst zum
Beispiel die wirliche Macht des Besiegten aus ihrem völkerrechtlichen
Kleide heraus, so muß entweder der Sieger sich zu einer vertraglichen
Korrektur des Friedensmstrumentes herbeilassen, die dem Machtzuwachs des
Besiegten Rechnung trägt. Oder aber er unterläßt dies; dann kommt es auto¬
matisch -- ich betone immer wieder das Zwangsläufige, weil im Wesen aller
Macht notwendig begründete, dieser Entwicklung -- zur Sprengung des Rechts-
Neides, dem .der Besieg-e entwachsen ist. es kommt zu einem neuen Kriege, zu
einer gewaltsamen Korrektur des Friedensinstrumenies. das seine Dasems-
berechtigung verloren hat, weil es nickit mehr ein annähernd getreuer Ausdruck
des wirtlichen Machtverhältnisses ist. Will der Sieger nicht nachgeben, wenn der
Besiegte' friedliche Anerkennung seines Machtzuwachses fordert, will er aber auch
diesen Machtzuwachs uicht so groß werde" lassen, daß der Besiegte mit Aussicht
auf Erfolg zur gewaltsamen Revision des Friedensvertrages schreiten kann, dann


Gewalt und Recht

günstige Entscheidung für ihn eine Lebensfrage bedeutet, keinen Augenblick Be¬
denken tragen, seine gesamte Macht für sie einzusetzen. Er wird sein Vergehen
nach dem Grade der Rechtssicherheit richten, die im Staate herrscht, das heißt,
nach der Qualität und Quantität der Gewalten, die sich zum Sctiuize des geltenden
Rechtes gegen ihn erheben werden./ In Mexiko und im Volksstaate Preußen
wird er keine Umwege wählen; er wird die Mängel in der Beweisführung seines
Anwoltes durch Handgranaten, Maschinengewehre und einen kleinen Minenwcrfcr
nachdrücklich und wirksam kompensieren. In den Vereinigten Staaten wird nackte
physische Gewalt als Stellvertreterin des Rechtes doch nicht mehr gern gesehen,
wenn es sich nicht um die harmlose Volksbelustigung der Lynchjustiz handelt.
Dort müßte der Klient schon den Richter zum Objekt mittelbarer physischer Ge¬
walt in der Form von Geld machen. In Frankreich wird er, falls die Vor¬
gänge die Preise nicht rettungslos verdorben haben, geneigt sein, sich durch das-
selbe Mittel eine kleine Kammermehrheit zu liefern die das geltende Recht zu
seinen Gunsten abändert — ein teures, aber wirksames Verfahren. — Nur in
England, wo die Nechtslusigkeit und ihr, wie immer, entsprechend die politische
Moral ja besonders hoch stehen, werden alle diese Mittel, die den schokiernden
Schweißgeruch der physischen Gewalt nicht ganz wegparfümieren können, nicht
zum Ziele führen. Dort wird dem Klienten nichts übrig bleiben, als durch die
Presse, diese unbestechliche Bilderin und Hüterin der öffentlichen Meinung, ver¬
breiten zu lassen, daß in dem Unternehmen seines Gegners de itsches Kapital in¬
vestiert sei, daß dessen Sieg also in einem für das gläubige Britenvolk unertiäg-
lichen Widersprüche mit der göttlichen Weltoidnu, g stände. Wie sollte sich die
englische Presse, wie das englische Volk nebst seinen Richtern der zwingenden
Logik dieser Argumentation verschließen könn n?

Auf die innere Politik übertragen: wenn bei einem der staatlichen Mnckt-
faktoren die Spannung zwischen seiner staatsrech.lich fixieiten und s.mer wirtlichen
Macht so groß wird, daß sie sich durch roch so willkürliche Auslegung des
geltenden Rechtes nicht mehr ausgleichen läßt, dann wird er notwend g eine
seinem Machtzuwachse Rechnung tragende Änderung des gellendem Rechtes zu
erzwingen suchen. Kann sie friedlich, ohne Unterbrechung der Rechtstontiiuntät.
bewirkt werden, um so besser; wenn nicht, dann wird sie sich durch gewaUMmen
Bruch des geltenden Rechtes, auf revolutionärem Wege also, durchzusetzen suchen.
Wird der Macht ihr Nechtskleid zu enge, dann sprengt sie es, wenn der Schneider
nicht beizeiten ein paar Nähte ausläßt.

Jetzt die Anwendung auf die große Politik, auf die Beziehungen der beiden
Staaten, die soeben einen solide aussehenden Frieden geschlossen haben. H-er
gilt erst recht der Satz: es gibt kein ruhendes Gleichgewicht der Mächte; es gibt
besten Falles ein beständiges Oszillieren um die im Friedensveurag festiesetzte
ideale Gleichgewichlsloge. Aufgabe der Diplomatie ist es, die fortwährend ent¬
stehenden Spannungen zwischen völkerrechtlicher Geltung und realer Macht
durch Interpretation des zwischenstaatlichen Rechtes zugunsten ihres Staates
auszugleichen. Kommt es aber zu größeren Spannungen. wächst zum
Beispiel die wirliche Macht des Besiegten aus ihrem völkerrechtlichen
Kleide heraus, so muß entweder der Sieger sich zu einer vertraglichen
Korrektur des Friedensmstrumentes herbeilassen, die dem Machtzuwachs des
Besiegten Rechnung trägt. Oder aber er unterläßt dies; dann kommt es auto¬
matisch — ich betone immer wieder das Zwangsläufige, weil im Wesen aller
Macht notwendig begründete, dieser Entwicklung — zur Sprengung des Rechts-
Neides, dem .der Besieg-e entwachsen ist. es kommt zu einem neuen Kriege, zu
einer gewaltsamen Korrektur des Friedensinstrumenies. das seine Dasems-
berechtigung verloren hat, weil es nickit mehr ein annähernd getreuer Ausdruck
des wirtlichen Machtverhältnisses ist. Will der Sieger nicht nachgeben, wenn der
Besiegte' friedliche Anerkennung seines Machtzuwachses fordert, will er aber auch
diesen Machtzuwachs uicht so groß werde« lassen, daß der Besiegte mit Aussicht
auf Erfolg zur gewaltsamen Revision des Friedensvertrages schreiten kann, dann


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[0137] Gewalt und Recht günstige Entscheidung für ihn eine Lebensfrage bedeutet, keinen Augenblick Be¬ denken tragen, seine gesamte Macht für sie einzusetzen. Er wird sein Vergehen nach dem Grade der Rechtssicherheit richten, die im Staate herrscht, das heißt, nach der Qualität und Quantität der Gewalten, die sich zum Sctiuize des geltenden Rechtes gegen ihn erheben werden./ In Mexiko und im Volksstaate Preußen wird er keine Umwege wählen; er wird die Mängel in der Beweisführung seines Anwoltes durch Handgranaten, Maschinengewehre und einen kleinen Minenwcrfcr nachdrücklich und wirksam kompensieren. In den Vereinigten Staaten wird nackte physische Gewalt als Stellvertreterin des Rechtes doch nicht mehr gern gesehen, wenn es sich nicht um die harmlose Volksbelustigung der Lynchjustiz handelt. Dort müßte der Klient schon den Richter zum Objekt mittelbarer physischer Ge¬ walt in der Form von Geld machen. In Frankreich wird er, falls die Vor¬ gänge die Preise nicht rettungslos verdorben haben, geneigt sein, sich durch das- selbe Mittel eine kleine Kammermehrheit zu liefern die das geltende Recht zu seinen Gunsten abändert — ein teures, aber wirksames Verfahren. — Nur in England, wo die Nechtslusigkeit und ihr, wie immer, entsprechend die politische Moral ja besonders hoch stehen, werden alle diese Mittel, die den schokiernden Schweißgeruch der physischen Gewalt nicht ganz wegparfümieren können, nicht zum Ziele führen. Dort wird dem Klienten nichts übrig bleiben, als durch die Presse, diese unbestechliche Bilderin und Hüterin der öffentlichen Meinung, ver¬ breiten zu lassen, daß in dem Unternehmen seines Gegners de itsches Kapital in¬ vestiert sei, daß dessen Sieg also in einem für das gläubige Britenvolk unertiäg- lichen Widersprüche mit der göttlichen Weltoidnu, g stände. Wie sollte sich die englische Presse, wie das englische Volk nebst seinen Richtern der zwingenden Logik dieser Argumentation verschließen könn n? Auf die innere Politik übertragen: wenn bei einem der staatlichen Mnckt- faktoren die Spannung zwischen seiner staatsrech.lich fixieiten und s.mer wirtlichen Macht so groß wird, daß sie sich durch roch so willkürliche Auslegung des geltenden Rechtes nicht mehr ausgleichen läßt, dann wird er notwend g eine seinem Machtzuwachse Rechnung tragende Änderung des gellendem Rechtes zu erzwingen suchen. Kann sie friedlich, ohne Unterbrechung der Rechtstontiiuntät. bewirkt werden, um so besser; wenn nicht, dann wird sie sich durch gewaUMmen Bruch des geltenden Rechtes, auf revolutionärem Wege also, durchzusetzen suchen. Wird der Macht ihr Nechtskleid zu enge, dann sprengt sie es, wenn der Schneider nicht beizeiten ein paar Nähte ausläßt. Jetzt die Anwendung auf die große Politik, auf die Beziehungen der beiden Staaten, die soeben einen solide aussehenden Frieden geschlossen haben. H-er gilt erst recht der Satz: es gibt kein ruhendes Gleichgewicht der Mächte; es gibt besten Falles ein beständiges Oszillieren um die im Friedensveurag festiesetzte ideale Gleichgewichlsloge. Aufgabe der Diplomatie ist es, die fortwährend ent¬ stehenden Spannungen zwischen völkerrechtlicher Geltung und realer Macht durch Interpretation des zwischenstaatlichen Rechtes zugunsten ihres Staates auszugleichen. Kommt es aber zu größeren Spannungen. wächst zum Beispiel die wirliche Macht des Besiegten aus ihrem völkerrechtlichen Kleide heraus, so muß entweder der Sieger sich zu einer vertraglichen Korrektur des Friedensmstrumentes herbeilassen, die dem Machtzuwachs des Besiegten Rechnung trägt. Oder aber er unterläßt dies; dann kommt es auto¬ matisch — ich betone immer wieder das Zwangsläufige, weil im Wesen aller Macht notwendig begründete, dieser Entwicklung — zur Sprengung des Rechts- Neides, dem .der Besieg-e entwachsen ist. es kommt zu einem neuen Kriege, zu einer gewaltsamen Korrektur des Friedensinstrumenies. das seine Dasems- berechtigung verloren hat, weil es nickit mehr ein annähernd getreuer Ausdruck des wirtlichen Machtverhältnisses ist. Will der Sieger nicht nachgeben, wenn der Besiegte' friedliche Anerkennung seines Machtzuwachses fordert, will er aber auch diesen Machtzuwachs uicht so groß werde« lassen, daß der Besiegte mit Aussicht auf Erfolg zur gewaltsamen Revision des Friedensvertrages schreiten kann, dann

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/137>, abgerufen am 15.01.2025.