Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Gewalt und Recht

an mißvergnügten Bazillen, die sich diese Wunde Stelle als willkommene An-
siedlungsfläche wählten, um von ihr aus den preußischen Staatskörper mit ihren
Toxinen zu vergiften. Solange er gesund und stark war, fiel es ihm nicht schwer,
das bißchen Gift unschädlich zu machen; aber wie, wenn Preußen 1870
unterlegen wäre? Dann hätte sich die Standhaftigkeit der Welsen bezahlt gemacht.
Ist die römische Kirche schlecht gefahren bei der staunenswerten, der moralischen
Größe nichts entbehrenden Konsequenz, mit der sie sich weigert, dem geringsten
ihrer weltlichen Machtansprüche formell zu entsagen? Nur Demokraten werden
es zu behaupten wagen. Hat nicht die Geschichte der Päpste immer wieder be-
wiesen, daß die Unbeugsamkeit in Prinzipienfragen eine große reale Macht ist?

Es ist schon so: unerschütterliche Konsequenz in Machtfragen, moralisch ge--
wertet: Willensstärke und Charattergrötze, machen sich in der Politik immer bezahlt;
denn sie allein ermöglichen die volle Auswirkung, die maximale Realisierung der
Macht. Willensstärke, Charaktergröße sind darum realpolitische Machtfaktoren
erster Ordnung; sie können, in der Handhabung der Macht, durch eine noch so
bedeutende Intelligenz niemals ersetzt werden.

Zurück zu, den beiden Staaten, die im Begriffe stehen, das in einem Kriege
neu ermittelte Verhältnis ihrer physischen Gewalten in neues Völkerrecht zu über¬
setzen und es dadurch von der Zeit unabhängig zu machen, es zu verewigen.
Daß es als ewig gedacht wende, ist ein wesentliches Attribut alles Rechtes; Recht
ist aber theoretisch die von der Zeit unabhängig gedachte, die dem Wechsel in der
Zeit nicht unterworfene Form der Macht. Praktisch bedeutet dies "ewige" nur:
das Recht soll so lange in Kraft bleiben, bis das in ihm fixierte Machtverhältnis
von neuem festgestellt wird. Jede Nechtschaffung bedient sich notwendig der
Fiktion, daß das durch sie stabilisierte Mächteverhältnis wirtlich stabil sei. In
Wahrheit gibt es keine stabile, keine ruhende, keine saturierte Macht; jede geschicht¬
liche Macht -- und von solcher ist hier die Rede -- ist notwendig aggressiv,
expansiv.

Der letzte Grund dieser Erkenntnis ist wohl dies: die Urzeiten, aus denen
sich jede historische Macht zusammensetzt, sind Menschen; und unerschüttlicher
Machthunger ist der Gnmdzug des menschlichen Wesens, er ist das, was die
christliche Lehre die radikale Sündhaftigkeit deS Menschen nennt. Es ist kein
Zufall, daß die Demokraten, die unverbesserlichen Stümper in der Behandlung
der Macht, zugleich die unbelehrbarer Optimisten hinsichtlich der Menschennatur
sind; eins ergibt sich notwendig aus dem andern.

Zunächst wieder ein Belag aus dem Gebiete des Staatsrechtes. In einer
bis dahin absoluten Monarchie ist eine neue Verteilung der staatlichen Gewalt
bewirkt und in einer feierlich beschworenen Verfassung verrechllicht, verewigt
worden. Was geschieht? Von dem Augenblicke an, wo die Verfassung in Kraft
tritt, suchen die beiden konkurrierenden Gewalten, die in ihr einen ewigen Frieden
geschlossen haben, ihre Geltung illusorisch zu machen. Das Parlament sucht not¬
wendig seine Macht über die ihr durch die Verfassung gesteckten Grenzen hinaus
zu erweitern. Verhält sich die Krone passiv, vertrauend auf den durch die Ver¬
fassung gewährleisteten Schutz ihres Machtanteiles, so wird bald hier, bald dort
das Parlament in ihre Machtsphäre übergreifen und, wenn seine Übergriffe ge¬
duldet werden, aus ihven Gewohnheitsrechte herleiten, das heißt, die neue Ver¬
schiebung der Macht zu seinen Gunsten verewigen. Es gehört also Vonseiten der
Krone beständiger aktiver Gegendruck dazu, ihren staatsrechtlich gewährleisteten
Besitzstand zu erhalten.

Ist umgekehrt daS Parlament passiv, so wird notwendig die Krone bestrebt
sein, ihre Machtsphäre zu erweitern. Es ist dazu gar nicht erforderlich, daß die
Person des Monarchen abnorm machthnngrig sei, seine Organe werden ihn zu
einer aggressiven Politik gegenüber dem Parlament zwingen. Denn hinter dem
staatsrechtlichen Begriffe "die Krone" stand ja zu allen Zeilen als reale Macht eine starke
Gemeinschaft von Menschen, die -- aus welchen Gründen auch immer - die Sache
der Krone als ihre Sache betrachteten, ihren individuellen Machtwillen in den


Gewalt und Recht

an mißvergnügten Bazillen, die sich diese Wunde Stelle als willkommene An-
siedlungsfläche wählten, um von ihr aus den preußischen Staatskörper mit ihren
Toxinen zu vergiften. Solange er gesund und stark war, fiel es ihm nicht schwer,
das bißchen Gift unschädlich zu machen; aber wie, wenn Preußen 1870
unterlegen wäre? Dann hätte sich die Standhaftigkeit der Welsen bezahlt gemacht.
Ist die römische Kirche schlecht gefahren bei der staunenswerten, der moralischen
Größe nichts entbehrenden Konsequenz, mit der sie sich weigert, dem geringsten
ihrer weltlichen Machtansprüche formell zu entsagen? Nur Demokraten werden
es zu behaupten wagen. Hat nicht die Geschichte der Päpste immer wieder be-
wiesen, daß die Unbeugsamkeit in Prinzipienfragen eine große reale Macht ist?

Es ist schon so: unerschütterliche Konsequenz in Machtfragen, moralisch ge--
wertet: Willensstärke und Charattergrötze, machen sich in der Politik immer bezahlt;
denn sie allein ermöglichen die volle Auswirkung, die maximale Realisierung der
Macht. Willensstärke, Charaktergröße sind darum realpolitische Machtfaktoren
erster Ordnung; sie können, in der Handhabung der Macht, durch eine noch so
bedeutende Intelligenz niemals ersetzt werden.

Zurück zu, den beiden Staaten, die im Begriffe stehen, das in einem Kriege
neu ermittelte Verhältnis ihrer physischen Gewalten in neues Völkerrecht zu über¬
setzen und es dadurch von der Zeit unabhängig zu machen, es zu verewigen.
Daß es als ewig gedacht wende, ist ein wesentliches Attribut alles Rechtes; Recht
ist aber theoretisch die von der Zeit unabhängig gedachte, die dem Wechsel in der
Zeit nicht unterworfene Form der Macht. Praktisch bedeutet dies „ewige" nur:
das Recht soll so lange in Kraft bleiben, bis das in ihm fixierte Machtverhältnis
von neuem festgestellt wird. Jede Nechtschaffung bedient sich notwendig der
Fiktion, daß das durch sie stabilisierte Mächteverhältnis wirtlich stabil sei. In
Wahrheit gibt es keine stabile, keine ruhende, keine saturierte Macht; jede geschicht¬
liche Macht — und von solcher ist hier die Rede — ist notwendig aggressiv,
expansiv.

Der letzte Grund dieser Erkenntnis ist wohl dies: die Urzeiten, aus denen
sich jede historische Macht zusammensetzt, sind Menschen; und unerschüttlicher
Machthunger ist der Gnmdzug des menschlichen Wesens, er ist das, was die
christliche Lehre die radikale Sündhaftigkeit deS Menschen nennt. Es ist kein
Zufall, daß die Demokraten, die unverbesserlichen Stümper in der Behandlung
der Macht, zugleich die unbelehrbarer Optimisten hinsichtlich der Menschennatur
sind; eins ergibt sich notwendig aus dem andern.

Zunächst wieder ein Belag aus dem Gebiete des Staatsrechtes. In einer
bis dahin absoluten Monarchie ist eine neue Verteilung der staatlichen Gewalt
bewirkt und in einer feierlich beschworenen Verfassung verrechllicht, verewigt
worden. Was geschieht? Von dem Augenblicke an, wo die Verfassung in Kraft
tritt, suchen die beiden konkurrierenden Gewalten, die in ihr einen ewigen Frieden
geschlossen haben, ihre Geltung illusorisch zu machen. Das Parlament sucht not¬
wendig seine Macht über die ihr durch die Verfassung gesteckten Grenzen hinaus
zu erweitern. Verhält sich die Krone passiv, vertrauend auf den durch die Ver¬
fassung gewährleisteten Schutz ihres Machtanteiles, so wird bald hier, bald dort
das Parlament in ihre Machtsphäre übergreifen und, wenn seine Übergriffe ge¬
duldet werden, aus ihven Gewohnheitsrechte herleiten, das heißt, die neue Ver¬
schiebung der Macht zu seinen Gunsten verewigen. Es gehört also Vonseiten der
Krone beständiger aktiver Gegendruck dazu, ihren staatsrechtlich gewährleisteten
Besitzstand zu erhalten.

Ist umgekehrt daS Parlament passiv, so wird notwendig die Krone bestrebt
sein, ihre Machtsphäre zu erweitern. Es ist dazu gar nicht erforderlich, daß die
Person des Monarchen abnorm machthnngrig sei, seine Organe werden ihn zu
einer aggressiven Politik gegenüber dem Parlament zwingen. Denn hinter dem
staatsrechtlichen Begriffe „die Krone" stand ja zu allen Zeilen als reale Macht eine starke
Gemeinschaft von Menschen, die — aus welchen Gründen auch immer - die Sache
der Krone als ihre Sache betrachteten, ihren individuellen Machtwillen in den


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0135" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336425"/>
          <fw type="header" place="top"> Gewalt und Recht</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_451" prev="#ID_450"> an mißvergnügten Bazillen, die sich diese Wunde Stelle als willkommene An-<lb/>
siedlungsfläche wählten, um von ihr aus den preußischen Staatskörper mit ihren<lb/>
Toxinen zu vergiften. Solange er gesund und stark war, fiel es ihm nicht schwer,<lb/>
das bißchen Gift unschädlich zu machen; aber wie, wenn Preußen 1870<lb/>
unterlegen wäre? Dann hätte sich die Standhaftigkeit der Welsen bezahlt gemacht.<lb/>
Ist die römische Kirche schlecht gefahren bei der staunenswerten, der moralischen<lb/>
Größe nichts entbehrenden Konsequenz, mit der sie sich weigert, dem geringsten<lb/>
ihrer weltlichen Machtansprüche formell zu entsagen? Nur Demokraten werden<lb/>
es zu behaupten wagen. Hat nicht die Geschichte der Päpste immer wieder be-<lb/>
wiesen, daß die Unbeugsamkeit in Prinzipienfragen eine große reale Macht ist?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_452"> Es ist schon so: unerschütterliche Konsequenz in Machtfragen, moralisch ge--<lb/>
wertet: Willensstärke und Charattergrötze, machen sich in der Politik immer bezahlt;<lb/>
denn sie allein ermöglichen die volle Auswirkung, die maximale Realisierung der<lb/>
Macht. Willensstärke, Charaktergröße sind darum realpolitische Machtfaktoren<lb/>
erster Ordnung; sie können, in der Handhabung der Macht, durch eine noch so<lb/>
bedeutende Intelligenz niemals ersetzt werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_453"> Zurück zu, den beiden Staaten, die im Begriffe stehen, das in einem Kriege<lb/>
neu ermittelte Verhältnis ihrer physischen Gewalten in neues Völkerrecht zu über¬<lb/>
setzen und es dadurch von der Zeit unabhängig zu machen, es zu verewigen.<lb/>
Daß es als ewig gedacht wende, ist ein wesentliches Attribut alles Rechtes; Recht<lb/>
ist aber theoretisch die von der Zeit unabhängig gedachte, die dem Wechsel in der<lb/>
Zeit nicht unterworfene Form der Macht. Praktisch bedeutet dies &#x201E;ewige" nur:<lb/>
das Recht soll so lange in Kraft bleiben, bis das in ihm fixierte Machtverhältnis<lb/>
von neuem festgestellt wird. Jede Nechtschaffung bedient sich notwendig der<lb/>
Fiktion, daß das durch sie stabilisierte Mächteverhältnis wirtlich stabil sei. In<lb/>
Wahrheit gibt es keine stabile, keine ruhende, keine saturierte Macht; jede geschicht¬<lb/>
liche Macht &#x2014; und von solcher ist hier die Rede &#x2014; ist notwendig aggressiv,<lb/>
expansiv.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_454"> Der letzte Grund dieser Erkenntnis ist wohl dies: die Urzeiten, aus denen<lb/>
sich jede historische Macht zusammensetzt, sind Menschen; und unerschüttlicher<lb/>
Machthunger ist der Gnmdzug des menschlichen Wesens, er ist das, was die<lb/>
christliche Lehre die radikale Sündhaftigkeit deS Menschen nennt. Es ist kein<lb/>
Zufall, daß die Demokraten, die unverbesserlichen Stümper in der Behandlung<lb/>
der Macht, zugleich die unbelehrbarer Optimisten hinsichtlich der Menschennatur<lb/>
sind; eins ergibt sich notwendig aus dem andern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_455"> Zunächst wieder ein Belag aus dem Gebiete des Staatsrechtes. In einer<lb/>
bis dahin absoluten Monarchie ist eine neue Verteilung der staatlichen Gewalt<lb/>
bewirkt und in einer feierlich beschworenen Verfassung verrechllicht, verewigt<lb/>
worden. Was geschieht? Von dem Augenblicke an, wo die Verfassung in Kraft<lb/>
tritt, suchen die beiden konkurrierenden Gewalten, die in ihr einen ewigen Frieden<lb/>
geschlossen haben, ihre Geltung illusorisch zu machen. Das Parlament sucht not¬<lb/>
wendig seine Macht über die ihr durch die Verfassung gesteckten Grenzen hinaus<lb/>
zu erweitern. Verhält sich die Krone passiv, vertrauend auf den durch die Ver¬<lb/>
fassung gewährleisteten Schutz ihres Machtanteiles, so wird bald hier, bald dort<lb/>
das Parlament in ihre Machtsphäre übergreifen und, wenn seine Übergriffe ge¬<lb/>
duldet werden, aus ihven Gewohnheitsrechte herleiten, das heißt, die neue Ver¬<lb/>
schiebung der Macht zu seinen Gunsten verewigen. Es gehört also Vonseiten der<lb/>
Krone beständiger aktiver Gegendruck dazu, ihren staatsrechtlich gewährleisteten<lb/>
Besitzstand zu erhalten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_456" next="#ID_457"> Ist umgekehrt daS Parlament passiv, so wird notwendig die Krone bestrebt<lb/>
sein, ihre Machtsphäre zu erweitern. Es ist dazu gar nicht erforderlich, daß die<lb/>
Person des Monarchen abnorm machthnngrig sei, seine Organe werden ihn zu<lb/>
einer aggressiven Politik gegenüber dem Parlament zwingen. Denn hinter dem<lb/>
staatsrechtlichen Begriffe &#x201E;die Krone" stand ja zu allen Zeilen als reale Macht eine starke<lb/>
Gemeinschaft von Menschen, die &#x2014; aus welchen Gründen auch immer - die Sache<lb/>
der Krone als ihre Sache betrachteten, ihren individuellen Machtwillen in den</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0135] Gewalt und Recht an mißvergnügten Bazillen, die sich diese Wunde Stelle als willkommene An- siedlungsfläche wählten, um von ihr aus den preußischen Staatskörper mit ihren Toxinen zu vergiften. Solange er gesund und stark war, fiel es ihm nicht schwer, das bißchen Gift unschädlich zu machen; aber wie, wenn Preußen 1870 unterlegen wäre? Dann hätte sich die Standhaftigkeit der Welsen bezahlt gemacht. Ist die römische Kirche schlecht gefahren bei der staunenswerten, der moralischen Größe nichts entbehrenden Konsequenz, mit der sie sich weigert, dem geringsten ihrer weltlichen Machtansprüche formell zu entsagen? Nur Demokraten werden es zu behaupten wagen. Hat nicht die Geschichte der Päpste immer wieder be- wiesen, daß die Unbeugsamkeit in Prinzipienfragen eine große reale Macht ist? Es ist schon so: unerschütterliche Konsequenz in Machtfragen, moralisch ge-- wertet: Willensstärke und Charattergrötze, machen sich in der Politik immer bezahlt; denn sie allein ermöglichen die volle Auswirkung, die maximale Realisierung der Macht. Willensstärke, Charaktergröße sind darum realpolitische Machtfaktoren erster Ordnung; sie können, in der Handhabung der Macht, durch eine noch so bedeutende Intelligenz niemals ersetzt werden. Zurück zu, den beiden Staaten, die im Begriffe stehen, das in einem Kriege neu ermittelte Verhältnis ihrer physischen Gewalten in neues Völkerrecht zu über¬ setzen und es dadurch von der Zeit unabhängig zu machen, es zu verewigen. Daß es als ewig gedacht wende, ist ein wesentliches Attribut alles Rechtes; Recht ist aber theoretisch die von der Zeit unabhängig gedachte, die dem Wechsel in der Zeit nicht unterworfene Form der Macht. Praktisch bedeutet dies „ewige" nur: das Recht soll so lange in Kraft bleiben, bis das in ihm fixierte Machtverhältnis von neuem festgestellt wird. Jede Nechtschaffung bedient sich notwendig der Fiktion, daß das durch sie stabilisierte Mächteverhältnis wirtlich stabil sei. In Wahrheit gibt es keine stabile, keine ruhende, keine saturierte Macht; jede geschicht¬ liche Macht — und von solcher ist hier die Rede — ist notwendig aggressiv, expansiv. Der letzte Grund dieser Erkenntnis ist wohl dies: die Urzeiten, aus denen sich jede historische Macht zusammensetzt, sind Menschen; und unerschüttlicher Machthunger ist der Gnmdzug des menschlichen Wesens, er ist das, was die christliche Lehre die radikale Sündhaftigkeit deS Menschen nennt. Es ist kein Zufall, daß die Demokraten, die unverbesserlichen Stümper in der Behandlung der Macht, zugleich die unbelehrbarer Optimisten hinsichtlich der Menschennatur sind; eins ergibt sich notwendig aus dem andern. Zunächst wieder ein Belag aus dem Gebiete des Staatsrechtes. In einer bis dahin absoluten Monarchie ist eine neue Verteilung der staatlichen Gewalt bewirkt und in einer feierlich beschworenen Verfassung verrechllicht, verewigt worden. Was geschieht? Von dem Augenblicke an, wo die Verfassung in Kraft tritt, suchen die beiden konkurrierenden Gewalten, die in ihr einen ewigen Frieden geschlossen haben, ihre Geltung illusorisch zu machen. Das Parlament sucht not¬ wendig seine Macht über die ihr durch die Verfassung gesteckten Grenzen hinaus zu erweitern. Verhält sich die Krone passiv, vertrauend auf den durch die Ver¬ fassung gewährleisteten Schutz ihres Machtanteiles, so wird bald hier, bald dort das Parlament in ihre Machtsphäre übergreifen und, wenn seine Übergriffe ge¬ duldet werden, aus ihven Gewohnheitsrechte herleiten, das heißt, die neue Ver¬ schiebung der Macht zu seinen Gunsten verewigen. Es gehört also Vonseiten der Krone beständiger aktiver Gegendruck dazu, ihren staatsrechtlich gewährleisteten Besitzstand zu erhalten. Ist umgekehrt daS Parlament passiv, so wird notwendig die Krone bestrebt sein, ihre Machtsphäre zu erweitern. Es ist dazu gar nicht erforderlich, daß die Person des Monarchen abnorm machthnngrig sei, seine Organe werden ihn zu einer aggressiven Politik gegenüber dem Parlament zwingen. Denn hinter dem staatsrechtlichen Begriffe „die Krone" stand ja zu allen Zeilen als reale Macht eine starke Gemeinschaft von Menschen, die — aus welchen Gründen auch immer - die Sache der Krone als ihre Sache betrachteten, ihren individuellen Machtwillen in den

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/135
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/135>, abgerufen am 15.01.2025.