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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Pressestimmen

[Beginn Spaltensatz]

Lockerung des Gerechtigkeit- und Nechts-
gefühls in allen Kreisen und Sphären un¬
serer Allgemeinheit, ein den Mangel ein¬
mütiger Tätigkeit zwischen den verschiedenen
polnischen Gebieten ... an die Korruption
des Beamtenstandes von oben bis nach unten
und an die Anämie der jetzigen Regierung,
welche sich fürchtet, oder es nicht versteht, die
Strömungen zu beherrschen, welche die Existenz
des noch jungen Stnatsorgcmismus bedrohen.

Diesen Zustand der Dinge muß man der
Geschwindigkeit zuschreiben, mit welcher sich
das Leben unseres Vaterlandes bewegt . . .
wir hatten keine Zeit, uns borzubereiten,
uns zu sammeln. Wir haben aus den poli¬
tischen Kämpfen und Leiden keine Lehren
gezogen, die uns jetzt erlauben würden, ent¬
sprechende Konsequenzen zu ziehen. . .

Jedoch kann dieser Zustand nicht so lange
dauern, mit Rücksicht auf die Zukunft und
auf die Gefahren der Jetztzeit, die uns von
allen Seiten drohen.

Wir müssen uns aufraffen, um die Kraft
unseres Willens zum Ausdruck zu bringen,
um alle Energie anzusammeln, deren wir
fähig sind, um uns an die Richtschnur der
Politik und der Tat zu halten. . .

"Lech" (Gnesen) Ur. 99 vom 9. Mai.

Die Zeitung bringt unter dem Titel)
"Weitere Beschreibung der Reise unserer
Haller-Toldaten" u. a. folgendes: Aus Ka-
kolowo reisen wir um 9 Uhr weiter durch
Kobylin, Krotoschin und Ostrowo, von wo
wir nach einem einstündigem Aufenthalte
herzlichst Abschied nehmen, losfahren und am
nächsten Morgen in Kongreß-Polen erwachen.
Hier ist noch größere Armut wie in Sachsen.
Die Leute sind teilnahmslos, begrüßen uns
gar nicht. Lodz, eine schmutzige Stadt, Armut
und Bolschewismus. Einige Stunden lang
unterhalte ich mich mit Pseudoarbeitern:
ihre Anschauungen sind unklar, sie wissen
selbst nicht, was sie wollen. Sie verfluchen
die Juden, und Polen ist ihnen gleichgültig.
Der Einfluß der Moskowiter -- Nihilismus
-- ist das Gift, welches vielleicht noch lange
den Körper des Volkes mit seiner sprich¬
wörtlichen "sklavischen Uuproduktivitüt"
quälen wird, die allein die Eigenschaft des
unkultivierten Moskowiters ist. Nach War¬

[Spaltenumbruch]

schau kommen wir.mittags, derselbe nieder¬
schmetternde Eindruck: Kälte und Gleich¬
gültigkeit. Man hat uns in Ostrowo zu
Mitternacht bedeutend herzlicher bewill¬
kommnet, als in der Residenz Polens zur
Mittagszeit: Und das sind doch die ersten
Transporte der ersten Division. Ich bin ge¬
spannt, wie sie die nachfolgenden aufnehmen
werden. -- -- Wir sollten nach Motum
reisen, indessen fahren wir nach Demblin,
wo wir zu Mitternacht ankamen. Dann
Schlaf und Wecken schon in Chota. Wir
haben hier schon einen Teil unserer Truppen
angetroffen. Die Juden, waS hier gleich¬
bedeutend ist mit den Bolschewisten, von
denen 75 Prozent in der Stadt sind, wollten
sie nicht hineinlassen und haben sich mit be¬
waffneter Hand widersetzt. Man mußte über¬
zeugende Argumente anwenden und es ging,
obgleich es sich ohne Tote nicht machen ließ.
Wir sind jetzt aber in die traurigsten Ge¬
genden gekommen, in die Sümpfe. Zwar
sind es keine Sümpfe aus der Umgegend
von Pinsk, aber ähnliche. Abends am 24.
kamen wir in Kowoel an, wo wir auch vor¬
läufig verbleiben. Hier ist es genau so wie
in Chelm: ein Pole auf 18 Juden: Es ist
ganz schwarz davon! Und mit welchen
Augen sie uns und unsere Kanonen messen I
Das ist dabei nur die erste Batterie und alle
sechs Stunden kommt eine neue, bis jetzt
find schon 16 angekommen. Das Judentum
steckt seine Nase überall hinein und wie sie
herumquatschenI Das arbeitet den gcmzenTag
gar nicht, kocht nicht und ißt wahrscheinlich
auch nichts weiter außer Zwiebeln. Unsere
Pferde sind der Gegenstand ihrer größten
Entzückung -- und man muß nicht nur zur
Nacht-, sondern auch zur Tageszeit doppelte
Wachen hinstellen. Ebenso bewundern sie
die Uniformen, obgleich dies unsere alten
Uniformen aus Frankreich find und jeder
von uns drei ganz neue Uniformen im
Magazin besitzt. Sie nennen uns "reiches
Militär", denn wir unterscheiden uns sehr
von unseren Vorgängern, den verarmten
Legionären und Geld hat auch jeder von
uns; allerdings zählt ein Frank ganze vier
Kronen. Wenn man mit Kronen zahlt, Sö
ist es hier sehr teuer, wenn man aber mit
Franks zahlt, so ist es nicht viel teurer wie

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Lockerung des Gerechtigkeit- und Nechts-
gefühls in allen Kreisen und Sphären un¬
serer Allgemeinheit, ein den Mangel ein¬
mütiger Tätigkeit zwischen den verschiedenen
polnischen Gebieten ... an die Korruption
des Beamtenstandes von oben bis nach unten
und an die Anämie der jetzigen Regierung,
welche sich fürchtet, oder es nicht versteht, die
Strömungen zu beherrschen, welche die Existenz
des noch jungen Stnatsorgcmismus bedrohen.

Diesen Zustand der Dinge muß man der
Geschwindigkeit zuschreiben, mit welcher sich
das Leben unseres Vaterlandes bewegt . . .
wir hatten keine Zeit, uns borzubereiten,
uns zu sammeln. Wir haben aus den poli¬
tischen Kämpfen und Leiden keine Lehren
gezogen, die uns jetzt erlauben würden, ent¬
sprechende Konsequenzen zu ziehen. . .

Jedoch kann dieser Zustand nicht so lange
dauern, mit Rücksicht auf die Zukunft und
auf die Gefahren der Jetztzeit, die uns von
allen Seiten drohen.

Wir müssen uns aufraffen, um die Kraft
unseres Willens zum Ausdruck zu bringen,
um alle Energie anzusammeln, deren wir
fähig sind, um uns an die Richtschnur der
Politik und der Tat zu halten. . .

„Lech" (Gnesen) Ur. 99 vom 9. Mai.

Die Zeitung bringt unter dem Titel)
„Weitere Beschreibung der Reise unserer
Haller-Toldaten" u. a. folgendes: Aus Ka-
kolowo reisen wir um 9 Uhr weiter durch
Kobylin, Krotoschin und Ostrowo, von wo
wir nach einem einstündigem Aufenthalte
herzlichst Abschied nehmen, losfahren und am
nächsten Morgen in Kongreß-Polen erwachen.
Hier ist noch größere Armut wie in Sachsen.
Die Leute sind teilnahmslos, begrüßen uns
gar nicht. Lodz, eine schmutzige Stadt, Armut
und Bolschewismus. Einige Stunden lang
unterhalte ich mich mit Pseudoarbeitern:
ihre Anschauungen sind unklar, sie wissen
selbst nicht, was sie wollen. Sie verfluchen
die Juden, und Polen ist ihnen gleichgültig.
Der Einfluß der Moskowiter — Nihilismus
— ist das Gift, welches vielleicht noch lange
den Körper des Volkes mit seiner sprich¬
wörtlichen „sklavischen Uuproduktivitüt"
quälen wird, die allein die Eigenschaft des
unkultivierten Moskowiters ist. Nach War¬

[Spaltenumbruch]

schau kommen wir.mittags, derselbe nieder¬
schmetternde Eindruck: Kälte und Gleich¬
gültigkeit. Man hat uns in Ostrowo zu
Mitternacht bedeutend herzlicher bewill¬
kommnet, als in der Residenz Polens zur
Mittagszeit: Und das sind doch die ersten
Transporte der ersten Division. Ich bin ge¬
spannt, wie sie die nachfolgenden aufnehmen
werden. — — Wir sollten nach Motum
reisen, indessen fahren wir nach Demblin,
wo wir zu Mitternacht ankamen. Dann
Schlaf und Wecken schon in Chota. Wir
haben hier schon einen Teil unserer Truppen
angetroffen. Die Juden, waS hier gleich¬
bedeutend ist mit den Bolschewisten, von
denen 75 Prozent in der Stadt sind, wollten
sie nicht hineinlassen und haben sich mit be¬
waffneter Hand widersetzt. Man mußte über¬
zeugende Argumente anwenden und es ging,
obgleich es sich ohne Tote nicht machen ließ.
Wir sind jetzt aber in die traurigsten Ge¬
genden gekommen, in die Sümpfe. Zwar
sind es keine Sümpfe aus der Umgegend
von Pinsk, aber ähnliche. Abends am 24.
kamen wir in Kowoel an, wo wir auch vor¬
läufig verbleiben. Hier ist es genau so wie
in Chelm: ein Pole auf 18 Juden: Es ist
ganz schwarz davon! Und mit welchen
Augen sie uns und unsere Kanonen messen I
Das ist dabei nur die erste Batterie und alle
sechs Stunden kommt eine neue, bis jetzt
find schon 16 angekommen. Das Judentum
steckt seine Nase überall hinein und wie sie
herumquatschenI Das arbeitet den gcmzenTag
gar nicht, kocht nicht und ißt wahrscheinlich
auch nichts weiter außer Zwiebeln. Unsere
Pferde sind der Gegenstand ihrer größten
Entzückung — und man muß nicht nur zur
Nacht-, sondern auch zur Tageszeit doppelte
Wachen hinstellen. Ebenso bewundern sie
die Uniformen, obgleich dies unsere alten
Uniformen aus Frankreich find und jeder
von uns drei ganz neue Uniformen im
Magazin besitzt. Sie nennen uns „reiches
Militär", denn wir unterscheiden uns sehr
von unseren Vorgängern, den verarmten
Legionären und Geld hat auch jeder von
uns; allerdings zählt ein Frank ganze vier
Kronen. Wenn man mit Kronen zahlt, Sö
ist es hier sehr teuer, wenn man aber mit
Franks zahlt, so ist es nicht viel teurer wie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/524>, abgerufen am 01.09.2024.