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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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in Frankreich. Vorläufig verbleiben wir in
Kowel, ob für lange ist unbekannt, denn die
Bolschewisten find auf die Nachricht, daß
unser Milctär ankommt, gleich um 25 Kilo¬
meter zurückgegangen.

"Dzicmn! BcrlinsN" (Berlin) Ur. 104 vom
IN. Mai.

Der Untergang Deutschlands.

Die in Versailles der deutschen Abordnung
vorgelegten Friedensbedingungen sind für
Deutschland, welches bis zum letzten Augen¬
blick solche angenehmen Hoffnungen auf
Wilson hatte und jetzt so schändlich enttäuscht
worden ist, so schwer schmerzhaft und er¬
niedrigend, daß sie einemUntergange Deutsch¬
lands gleichen.

Am 8., einem schönen sonnigen Mai¬
morgen nach einigen kühlen und mürrischen
Tagen, verbreiteten sich Gerüchte über die
schweren Bedingungen in Berlin; in jenem
Berlin, welches sich gar nicht vergegenwärtigt,
was Deutschland trifft. Die Bevölkerung
dieser mächtigen und bis unlängst reichen
Preußischen und deutschen Residenz strömte
ans die Straßen, um sich an den Sonnen¬
strahlen zu erwärmen, um wie gewöhnlich
die bescheidenen Waren und Lebensmittel¬
artikel anzusehen, die mit hohen Preisen
ausgezeichnet find, füllte die Kaffeehäuser
und Straßen und kaufte auch wie gewöhnlich
von den Straßenhändlern die Zeitungen,
las sie, blieb aber teilnahmslos.

Kein Auflauf, kein Protest von elementarer
GewaltI Das Volk ist erstarrt ... zu Tode
gequält durch einen mehrjährigen Krieg,
erschreckt durch die blutigen Unruhen, welche
erst unlängst stattgefunden huben, aus¬
gehungert, mißtrauisch, weil so lange belogen,
verabschiedet es nicht schmerzerfüllt den
früheren Nahm und Macht der Waffen, das
Herz bricht ihm nicht, wo das Vaterland in
einen tiefen schwarzen Abgrund stürzt.

Wir Polen, obgleich unsere Gesichter
strahlen über die Nachricht, daß auf den
Trümmern der früheren Mächte ein wieder¬
geborenes und verjüngtes Polen aufersteht,
welches wir ersehnten und in der Tiefe
unserer Herzen bewahrten während aller
Jahre bürgerlichen Elends und politischen
Sklaventums, wir Polen, die wir aus Er¬

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fahrung wissen, was es bedeutet, ein Volk
in Politische und wirtschaftliche Fesseln zu
legen, wir Polen wollen die Tragödie
Deutschlands trotz allen Unrechts verstehen,
welches wir von denen ertragen haben, die
ein ähnliches, vielleicht schlechteres Los als
das unsrige zu erwarten haben. . . .

Wo ist die stolze Macht geblieben, die
nicht aufhörte zu drohen und mit den Waffen
zu klirren, die Schwächere bedrückte, die sich
ein Lager auf fremden Federn bettete, auf
fremden Ländereien und in fremdem Hause?
Wo ist denn die Macht, die gleich einem
Sturm über die zahlreichen großen Gebiete
Frankreichs und Flanderns unseres lieben
Polens und desNuthenenlandes. des Estlandes,
Ukraine und der slavischen Ländereien des
Balkans gegangen ist? Wo sind die schlag¬
fertigen und sklavenmäßig disziplinierten,
zahlreichen Armeen, wo sind die prachtvollen
Höfe, wo ist der Glanz der so zahlreichen
Kronen?

Wo ist der Monarch, der zu Anfang des
Krieges rief, daß das eigene Volk zu nicht
dagewesenen Höhen des Glanzes und des
Reichtums führen und andere Völker zertreten
wird? Er ist schmählich ausgestoßen wie
andere, die weniger schuld als er, und er¬
wartet das Los, welches die Sieger ihm
noch vestimmen werden.

"Gazeta Toruuska" (Thorn) Ur. 108 vom
9. Mai

Nachrichten aus dem Königreich Pole".
Man schreibt uns: Bei Personen, die von
hier aus nach dem Königreich kommen,
machen die dortigen Verhältnisse anfangs
einen niederschmetternder Emoruck. Man
sieht große Ratlosigkeit und daraus Er¬
scheinungen der Desorganisation. Die Be¬
völkerung ist an Gehorsam nicht gewöhnt,
der Administrator fehlen erfahrene Vollzugs¬
organe, alle sehen das Schlechte und wünschen
seine baldige Besserung. "Mögen nur die
Leute aus dem Posenschen zu uns kommen,
sie werden bald Ordnung machen", sagte
mir ein Kaufmann und ein gerade an¬
wesender Zollbeamter fügte hinzu: "Vielleicht
wird es auch uns selbst inzwischen gelingen,
eine Gesundung durchzuführen."

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in Frankreich. Vorläufig verbleiben wir in
Kowel, ob für lange ist unbekannt, denn die
Bolschewisten find auf die Nachricht, daß
unser Milctär ankommt, gleich um 25 Kilo¬
meter zurückgegangen.

„Dzicmn! BcrlinsN" (Berlin) Ur. 104 vom
IN. Mai.

Der Untergang Deutschlands.

Die in Versailles der deutschen Abordnung
vorgelegten Friedensbedingungen sind für
Deutschland, welches bis zum letzten Augen¬
blick solche angenehmen Hoffnungen auf
Wilson hatte und jetzt so schändlich enttäuscht
worden ist, so schwer schmerzhaft und er¬
niedrigend, daß sie einemUntergange Deutsch¬
lands gleichen.

Am 8., einem schönen sonnigen Mai¬
morgen nach einigen kühlen und mürrischen
Tagen, verbreiteten sich Gerüchte über die
schweren Bedingungen in Berlin; in jenem
Berlin, welches sich gar nicht vergegenwärtigt,
was Deutschland trifft. Die Bevölkerung
dieser mächtigen und bis unlängst reichen
Preußischen und deutschen Residenz strömte
ans die Straßen, um sich an den Sonnen¬
strahlen zu erwärmen, um wie gewöhnlich
die bescheidenen Waren und Lebensmittel¬
artikel anzusehen, die mit hohen Preisen
ausgezeichnet find, füllte die Kaffeehäuser
und Straßen und kaufte auch wie gewöhnlich
von den Straßenhändlern die Zeitungen,
las sie, blieb aber teilnahmslos.

Kein Auflauf, kein Protest von elementarer
GewaltI Das Volk ist erstarrt ... zu Tode
gequält durch einen mehrjährigen Krieg,
erschreckt durch die blutigen Unruhen, welche
erst unlängst stattgefunden huben, aus¬
gehungert, mißtrauisch, weil so lange belogen,
verabschiedet es nicht schmerzerfüllt den
früheren Nahm und Macht der Waffen, das
Herz bricht ihm nicht, wo das Vaterland in
einen tiefen schwarzen Abgrund stürzt.

Wir Polen, obgleich unsere Gesichter
strahlen über die Nachricht, daß auf den
Trümmern der früheren Mächte ein wieder¬
geborenes und verjüngtes Polen aufersteht,
welches wir ersehnten und in der Tiefe
unserer Herzen bewahrten während aller
Jahre bürgerlichen Elends und politischen
Sklaventums, wir Polen, die wir aus Er¬

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fahrung wissen, was es bedeutet, ein Volk
in Politische und wirtschaftliche Fesseln zu
legen, wir Polen wollen die Tragödie
Deutschlands trotz allen Unrechts verstehen,
welches wir von denen ertragen haben, die
ein ähnliches, vielleicht schlechteres Los als
das unsrige zu erwarten haben. . . .

Wo ist die stolze Macht geblieben, die
nicht aufhörte zu drohen und mit den Waffen
zu klirren, die Schwächere bedrückte, die sich
ein Lager auf fremden Federn bettete, auf
fremden Ländereien und in fremdem Hause?
Wo ist denn die Macht, die gleich einem
Sturm über die zahlreichen großen Gebiete
Frankreichs und Flanderns unseres lieben
Polens und desNuthenenlandes. des Estlandes,
Ukraine und der slavischen Ländereien des
Balkans gegangen ist? Wo sind die schlag¬
fertigen und sklavenmäßig disziplinierten,
zahlreichen Armeen, wo sind die prachtvollen
Höfe, wo ist der Glanz der so zahlreichen
Kronen?

Wo ist der Monarch, der zu Anfang des
Krieges rief, daß das eigene Volk zu nicht
dagewesenen Höhen des Glanzes und des
Reichtums führen und andere Völker zertreten
wird? Er ist schmählich ausgestoßen wie
andere, die weniger schuld als er, und er¬
wartet das Los, welches die Sieger ihm
noch vestimmen werden.

„Gazeta Toruuska" (Thorn) Ur. 108 vom
9. Mai

Nachrichten aus dem Königreich Pole».
Man schreibt uns: Bei Personen, die von
hier aus nach dem Königreich kommen,
machen die dortigen Verhältnisse anfangs
einen niederschmetternder Emoruck. Man
sieht große Ratlosigkeit und daraus Er¬
scheinungen der Desorganisation. Die Be¬
völkerung ist an Gehorsam nicht gewöhnt,
der Administrator fehlen erfahrene Vollzugs¬
organe, alle sehen das Schlechte und wünschen
seine baldige Besserung. „Mögen nur die
Leute aus dem Posenschen zu uns kommen,
sie werden bald Ordnung machen", sagte
mir ein Kaufmann und ein gerade an¬
wesender Zollbeamter fügte hinzu: „Vielleicht
wird es auch uns selbst inzwischen gelingen,
eine Gesundung durchzuführen."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/525>, abgerufen am 01.09.2024.