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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Ans den deutschen Volksräten

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und Sichdurchsetzen als Deutsche, ging die
Versammlung auseinander.

Die überaus bedeutsame Rede, die der
Borsitzende des Brombcrger VxllzugsauS-
, "usschusses Stößel in dessen Sitzung vom
2S, März gehalten hat und die auszugsweise
in der gesamten Reichspresse größte Beachtung
gesunden hat, enthielt nach dem -ausführ¬
lichen Bericht der Bromberger sozialdemo-
kratischen "Volksstimme" vom 27. März
folgende Ausführungen:

Der Redner erinnerte daran, daß die
Polnische Frage nicht vom inncrpolitischen,
sondern vom auszerpolitischen Standpunkt
aus beurteilt werden muß, Erzberger hat
leider bei den letzten Waffenstillstandsver¬
handlungen die Polnische Frage in denW.lsfen-
stillstand mit aufnehmen lassen und die in
unserem eigenen Lande befindliche polnische
Bevölkerung ist uns als feindliche Macht
oktroyiert worden. Frankreich fühlt sich mit
unseren polnischen Mitbürgern als verbündete
Macht, die Frage muß jetzt also von inter¬
nationalen Gesichtspunkten aus beurteilt
werden. Fons hat den Polen die Provinzen
Posen und Westpreußen versprochen. Er hat
weiter die völlige Zerrüttung unseres Reiches
im Auge. Nicht nur hier im Osten, auch
im Westen Deutschlands unterstützt er Ab-
sonderungsbestrebungen. Deutschland soll
eben unter allenUniständen geschwächt werden.
Wir haben erklärt, daß unsere militärische
Macht zusammengebrochen ist und wir nicht
darandenken, den Kampf gegen die Entente
wieder aufzunehmen. Frankreich scheint uns
das aber nicht glauben zu wollen. Es fragt
sich nun, ob ein solcher Frieden, wie ihn die
Entente uns vorzuschreiben gedenkt, über¬
haupt abgeschlossen werden kann. Erfreu¬
licherweise ist sich die Bevölkerung darüber
klar, daß ein Wiederaufbau Deutschlands in
40 bis ö0 Jahren nicht stattfinden kann,
wenn die drückende Hand Frankreichs auf
uns lastet. Auch die Arbeiterklasse will nicht,
baß sie 40 bis ö0 Jahre arbeiten soll, um
die Sieger zu befriedigen. Es greift eine
tiefe Bewegung um sich, die sich von Tag
Z" Tag zuspitzt. Unsere Vertreter haben er¬
klärt, ehe wir einen solchen Frieden akzeptieren,
wollen wir lieber gar keinen Frieden haben.
Das ist auch der Standpunkt aller Arbeiter,

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auch der hiesigen. Die besitzenden Klassen
werden in diesen Dingen freilich anderer
Ansicht sein. Die, arbeitende Klasse bildet
aber das Gros des deutschen Volkes und sie
wird zusammenstehen gegen ihre Bedrücker.
(Beifall.) Will die Entente uns die schärfsten
Bedingungen aufhalsen und die Arbeiter
öd Jahre Frondienste leisten lassen, so wird
diese die Arbeit niederlegen und dann sollen
sie kommen und sich selber die Werte schaffen.
(Lebhaftes Bravo I) -- Die 30 0^0 Mann,
die in Danzig gelandet werden sollen, um
angeblich nach Polen weiterbefördert zu
werden, sie sollen nur Danzig besetzen.
Dadurch würde der Bürgerkrieg in West-
Preußen ausbrechen und mit Recht hat sich
die Bevölkerung Vagegen aufgelehnt. Wenn
die Emente zu Zwangsmaßnahmen greisen
will, so soll sie das tun. In Ungarn hat
sie das auch getan und wir erleben das
Schauspiel, daß die Negierung die Räte¬
republik ausgerufen hat. Dadurch sind die
Abmachungen mit der Entente erledigt. Man
verbündet sich also mit Nutzland, um sich
der Bedrücker zu erwehren. Diese Tatsachen
können an uns nicht vorübergehen. Wir
haben im Vollzugsausschuß dazu Stellung
genommen und sind zu dem Schluß ge¬
kommen, daß wir gegebenenfalls keine andere
Politik treiben könnten. -- Czarnecki hat
uns vorgeworfen, wir treiben antipolnische
Politik. Es berührt eigentümlich, daß die
polnischen Arbeiterführer ihre Politik mit der
der polnischen Chauvinisten auf gleichen
Boden stellen. Dadurch sprechen sie aus,
daß sie Arbeiterinteressen nicht vertreten. --
Wenn die Polen ihre jetzt beliebte Sprache
gegen die frühere Regierung gerichtet hätten,
so hätte man das verstehen können. Wenn,
man das aber unserer heutigen sozialistischen
Negierung gegenüber tut, so ist das nur so
zu verstehen, daß die Polnischen Schlachzizeu
mit unseren sozialistischen Neuerungen nicht
einverstanden sind; sie wollen für Polen
keine demokratische Staatsform. Das nutz
ausgesprochen werden. Der Polnische Arbeiter
weitz nicht, wie die Dinge liegen. Er hätte
sonst keinen Grund, für diejenigen die Hand
ins Feuer zu legen, die ihn weiter bedrücken
wollen. -- Die Aussichten, ein selbständiges
Polnisches Reich zu werden, werden von Tag

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Ans den deutschen Volksräten

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und Sichdurchsetzen als Deutsche, ging die
Versammlung auseinander.

Die überaus bedeutsame Rede, die der
Borsitzende des Brombcrger VxllzugsauS-
, «usschusses Stößel in dessen Sitzung vom
2S, März gehalten hat und die auszugsweise
in der gesamten Reichspresse größte Beachtung
gesunden hat, enthielt nach dem -ausführ¬
lichen Bericht der Bromberger sozialdemo-
kratischen „Volksstimme" vom 27. März
folgende Ausführungen:

Der Redner erinnerte daran, daß die
Polnische Frage nicht vom inncrpolitischen,
sondern vom auszerpolitischen Standpunkt
aus beurteilt werden muß, Erzberger hat
leider bei den letzten Waffenstillstandsver¬
handlungen die Polnische Frage in denW.lsfen-
stillstand mit aufnehmen lassen und die in
unserem eigenen Lande befindliche polnische
Bevölkerung ist uns als feindliche Macht
oktroyiert worden. Frankreich fühlt sich mit
unseren polnischen Mitbürgern als verbündete
Macht, die Frage muß jetzt also von inter¬
nationalen Gesichtspunkten aus beurteilt
werden. Fons hat den Polen die Provinzen
Posen und Westpreußen versprochen. Er hat
weiter die völlige Zerrüttung unseres Reiches
im Auge. Nicht nur hier im Osten, auch
im Westen Deutschlands unterstützt er Ab-
sonderungsbestrebungen. Deutschland soll
eben unter allenUniständen geschwächt werden.
Wir haben erklärt, daß unsere militärische
Macht zusammengebrochen ist und wir nicht
darandenken, den Kampf gegen die Entente
wieder aufzunehmen. Frankreich scheint uns
das aber nicht glauben zu wollen. Es fragt
sich nun, ob ein solcher Frieden, wie ihn die
Entente uns vorzuschreiben gedenkt, über¬
haupt abgeschlossen werden kann. Erfreu¬
licherweise ist sich die Bevölkerung darüber
klar, daß ein Wiederaufbau Deutschlands in
40 bis ö0 Jahren nicht stattfinden kann,
wenn die drückende Hand Frankreichs auf
uns lastet. Auch die Arbeiterklasse will nicht,
baß sie 40 bis ö0 Jahre arbeiten soll, um
die Sieger zu befriedigen. Es greift eine
tiefe Bewegung um sich, die sich von Tag
Z" Tag zuspitzt. Unsere Vertreter haben er¬
klärt, ehe wir einen solchen Frieden akzeptieren,
wollen wir lieber gar keinen Frieden haben.
Das ist auch der Standpunkt aller Arbeiter,

[Spaltenumbruch]

auch der hiesigen. Die besitzenden Klassen
werden in diesen Dingen freilich anderer
Ansicht sein. Die, arbeitende Klasse bildet
aber das Gros des deutschen Volkes und sie
wird zusammenstehen gegen ihre Bedrücker.
(Beifall.) Will die Entente uns die schärfsten
Bedingungen aufhalsen und die Arbeiter
öd Jahre Frondienste leisten lassen, so wird
diese die Arbeit niederlegen und dann sollen
sie kommen und sich selber die Werte schaffen.
(Lebhaftes Bravo I) — Die 30 0^0 Mann,
die in Danzig gelandet werden sollen, um
angeblich nach Polen weiterbefördert zu
werden, sie sollen nur Danzig besetzen.
Dadurch würde der Bürgerkrieg in West-
Preußen ausbrechen und mit Recht hat sich
die Bevölkerung Vagegen aufgelehnt. Wenn
die Emente zu Zwangsmaßnahmen greisen
will, so soll sie das tun. In Ungarn hat
sie das auch getan und wir erleben das
Schauspiel, daß die Negierung die Räte¬
republik ausgerufen hat. Dadurch sind die
Abmachungen mit der Entente erledigt. Man
verbündet sich also mit Nutzland, um sich
der Bedrücker zu erwehren. Diese Tatsachen
können an uns nicht vorübergehen. Wir
haben im Vollzugsausschuß dazu Stellung
genommen und sind zu dem Schluß ge¬
kommen, daß wir gegebenenfalls keine andere
Politik treiben könnten. — Czarnecki hat
uns vorgeworfen, wir treiben antipolnische
Politik. Es berührt eigentümlich, daß die
polnischen Arbeiterführer ihre Politik mit der
der polnischen Chauvinisten auf gleichen
Boden stellen. Dadurch sprechen sie aus,
daß sie Arbeiterinteressen nicht vertreten. —
Wenn die Polen ihre jetzt beliebte Sprache
gegen die frühere Regierung gerichtet hätten,
so hätte man das verstehen können. Wenn,
man das aber unserer heutigen sozialistischen
Negierung gegenüber tut, so ist das nur so
zu verstehen, daß die Polnischen Schlachzizeu
mit unseren sozialistischen Neuerungen nicht
einverstanden sind; sie wollen für Polen
keine demokratische Staatsform. Das nutz
ausgesprochen werden. Der Polnische Arbeiter
weitz nicht, wie die Dinge liegen. Er hätte
sonst keinen Grund, für diejenigen die Hand
ins Feuer zu legen, die ihn weiter bedrücken
wollen. — Die Aussichten, ein selbständiges
Polnisches Reich zu werden, werden von Tag

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[0391] Ans den deutschen Volksräten und Sichdurchsetzen als Deutsche, ging die Versammlung auseinander. Die überaus bedeutsame Rede, die der Borsitzende des Brombcrger VxllzugsauS- , «usschusses Stößel in dessen Sitzung vom 2S, März gehalten hat und die auszugsweise in der gesamten Reichspresse größte Beachtung gesunden hat, enthielt nach dem -ausführ¬ lichen Bericht der Bromberger sozialdemo- kratischen „Volksstimme" vom 27. März folgende Ausführungen: Der Redner erinnerte daran, daß die Polnische Frage nicht vom inncrpolitischen, sondern vom auszerpolitischen Standpunkt aus beurteilt werden muß, Erzberger hat leider bei den letzten Waffenstillstandsver¬ handlungen die Polnische Frage in denW.lsfen- stillstand mit aufnehmen lassen und die in unserem eigenen Lande befindliche polnische Bevölkerung ist uns als feindliche Macht oktroyiert worden. Frankreich fühlt sich mit unseren polnischen Mitbürgern als verbündete Macht, die Frage muß jetzt also von inter¬ nationalen Gesichtspunkten aus beurteilt werden. Fons hat den Polen die Provinzen Posen und Westpreußen versprochen. Er hat weiter die völlige Zerrüttung unseres Reiches im Auge. Nicht nur hier im Osten, auch im Westen Deutschlands unterstützt er Ab- sonderungsbestrebungen. Deutschland soll eben unter allenUniständen geschwächt werden. Wir haben erklärt, daß unsere militärische Macht zusammengebrochen ist und wir nicht darandenken, den Kampf gegen die Entente wieder aufzunehmen. Frankreich scheint uns das aber nicht glauben zu wollen. Es fragt sich nun, ob ein solcher Frieden, wie ihn die Entente uns vorzuschreiben gedenkt, über¬ haupt abgeschlossen werden kann. Erfreu¬ licherweise ist sich die Bevölkerung darüber klar, daß ein Wiederaufbau Deutschlands in 40 bis ö0 Jahren nicht stattfinden kann, wenn die drückende Hand Frankreichs auf uns lastet. Auch die Arbeiterklasse will nicht, baß sie 40 bis ö0 Jahre arbeiten soll, um die Sieger zu befriedigen. Es greift eine tiefe Bewegung um sich, die sich von Tag Z" Tag zuspitzt. Unsere Vertreter haben er¬ klärt, ehe wir einen solchen Frieden akzeptieren, wollen wir lieber gar keinen Frieden haben. Das ist auch der Standpunkt aller Arbeiter, auch der hiesigen. Die besitzenden Klassen werden in diesen Dingen freilich anderer Ansicht sein. Die, arbeitende Klasse bildet aber das Gros des deutschen Volkes und sie wird zusammenstehen gegen ihre Bedrücker. (Beifall.) Will die Entente uns die schärfsten Bedingungen aufhalsen und die Arbeiter öd Jahre Frondienste leisten lassen, so wird diese die Arbeit niederlegen und dann sollen sie kommen und sich selber die Werte schaffen. (Lebhaftes Bravo I) — Die 30 0^0 Mann, die in Danzig gelandet werden sollen, um angeblich nach Polen weiterbefördert zu werden, sie sollen nur Danzig besetzen. Dadurch würde der Bürgerkrieg in West- Preußen ausbrechen und mit Recht hat sich die Bevölkerung Vagegen aufgelehnt. Wenn die Emente zu Zwangsmaßnahmen greisen will, so soll sie das tun. In Ungarn hat sie das auch getan und wir erleben das Schauspiel, daß die Negierung die Räte¬ republik ausgerufen hat. Dadurch sind die Abmachungen mit der Entente erledigt. Man verbündet sich also mit Nutzland, um sich der Bedrücker zu erwehren. Diese Tatsachen können an uns nicht vorübergehen. Wir haben im Vollzugsausschuß dazu Stellung genommen und sind zu dem Schluß ge¬ kommen, daß wir gegebenenfalls keine andere Politik treiben könnten. — Czarnecki hat uns vorgeworfen, wir treiben antipolnische Politik. Es berührt eigentümlich, daß die polnischen Arbeiterführer ihre Politik mit der der polnischen Chauvinisten auf gleichen Boden stellen. Dadurch sprechen sie aus, daß sie Arbeiterinteressen nicht vertreten. — Wenn die Polen ihre jetzt beliebte Sprache gegen die frühere Regierung gerichtet hätten, so hätte man das verstehen können. Wenn, man das aber unserer heutigen sozialistischen Negierung gegenüber tut, so ist das nur so zu verstehen, daß die Polnischen Schlachzizeu mit unseren sozialistischen Neuerungen nicht einverstanden sind; sie wollen für Polen keine demokratische Staatsform. Das nutz ausgesprochen werden. Der Polnische Arbeiter weitz nicht, wie die Dinge liegen. Er hätte sonst keinen Grund, für diejenigen die Hand ins Feuer zu legen, die ihn weiter bedrücken wollen. — Die Aussichten, ein selbständiges Polnisches Reich zu werden, werden von Tag

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/391>, abgerufen am 06.10.2024.