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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Zur Friedcnslage

auf einen solchen Verständigungsfrieden geradezu hingewirkt habe, kann man
nicht sagen. Man darf aber auch nicht verkennen, daß nicht alle Fäden, die
unmerklich zu dieser Gefahr hinführen können, sorgsam abgeschnitten wären. DaS
Verfahren, den Frieden, weichend der Gewalt unter innerem Protest sofort
anzunehmen, wäre das einfachste gewesen, um diese Klippe zu umschiffen. Diesen
Weg nachträglich eingehender zu erörtern, führt zu keiner neuen Beleuchtung der
Lage. Man wird aber auch zugeben müssen, daß die Negierung den Versuch,
zu einem Friedensschluß zu kommen, unter allen Uniständen ehrlich machen
mußte. Ließ die Regierung sich aber auf Verhandlungen ein, dann durfte man
sich unter keinen Umständen zu einer Überstürzung so einschneidender Beschlüsse
drängen lassen, wie sie die Abfassung der deutschen Gegenvorschläge bilden.
Genau so wenig, wie seinerzeit die Entente deshalb den Waffenstillstand
gekündigt hätte, weil Erzberger erklärt hätte, in so kurzer Zeit eine Entscheidung
nicht fassen zu köunen. genan so wenig hätten die Alliierten eine Erklärung
Vrockdorff-Nantzaus, erst in vier Wochen die eingehende Antwort der deutschen
Fnedensdelegation überreichen zu können, zum Anlaß des Abbruchs der V-r-
Handlungen gemacht. Aber der Fehler ist leider gemacht. Und er ist nicht ohne
Einfluß auf die innere Geschlossenheit der deutschen Gegenvorschlage geblieben.
Will man den deutschen Gegenvorschlägen gerecht werden, so muß man von
folgender Erwägung ausgehen: Zweifellos wäre für die deutsche Negierung der
Weg gangbar gewesen, zu erklären, die Friedensbedingungen stellten einen Bruch
des feierlichen Abkommens, durch das sich beide Parteien auf dre Einhaltung der
Wilsvnschen Friedensarundlage geeinigt haben, dar; dieses Abkommen ser daher
mich für die deutsche'Negierung nicht mehr maßgebend: die deutsche Regierung
könne also für ihre weiteren Entscheidungen die Wilsonsche Friedensgrundlage,
die den deutschen Lebensinteressen schon an sich nicht gerecht wurde, nicht mehr
zum Ausgangspunkt nehmen. Die Regierung hat die Verantwortung für die
Folgen eines solchen Verhaltens nicht tragen wollen und memes Erachtens mit
Recht. Dann blieben zwei Möglichkeiten. Entweder man kam nach alter Diplomaten-
"re mit Vorschlägen heraus, die von den Bedingungen der Entente so weit
entfernt waren daß man hoffen konnte, die Mitte würde für Deutschland erträgliche
Bedingungen ergeben. Gerade ein solches Verhalten schloß eine ganz gewaltige
Gefahr in sich, zu einem Verständigungsfrieden zu kommen, der innerlich von
Deutschland nicht anerkannt werden kann, aber doch eben den Charakter des
Verständignngsfriedens trägt. Der Weg. den die Regierung gewählt hat, ist --
wir hoffen es jedenfalls -- der andere. Man hat sich gesagt: Wir stellen uns
°uf den Boden der vierzehn Punkte, und wir sind bereit, alles zu tun, um zu einem
Ergebnis zu kommen. Wir machen deshalb auf der Grundlchze der vierzehn Punkte
alle nur irgend möglichen Zugeständnisse. Damit ist aber die äußerste Grenze
unseres Entgegenkommens erreicht. Ihr habt die Wahl, durch die Annahme
dieser unserer Bedingungen den Weltkrieg zu liquidieren oder dadurch, daß ihr
uns zur Ablehnung eures unannehmbaren Friedensvertrages zwingt, eine welt¬
geschichtliche Entwicklung einzuleiten, deren Ziel ihr so wenig kennt, wie wir.
^ete andere Politik ist innerlich erlogen und bringt uns um den letzten Rest von
vertrauen und um den letzten Nest eigenen Glaubens an uns. Der Versuch, das
"Unannehmbar", das die Regierung und in der überwältigenden Mehrheit das
Volk mit allein Aufwand von Entschlossenheit aufgestellt hat, nachträglich dahin
umzudeuten, daß nur diese Friedensbedingungen, nicht aber andere mehr oder
weniger nicht jedoch in allen Grundlagen gemilderte unannehmbar seien, wurde unserer
Moralischen Stellung innerlich und äußerlich den letzten Stoß geben'

Was bedeutet es nun aber, wenn wir jetzt nicht zum Friedensschluß kommen?
Die Vertreter des Untcrzeichnens um jeden Preis haben damit ganz recht, daß
es ruchlos ist, einer Ablehnung das Wort zu reden, ohne sich über die Folgen
Mrz nüchtern klar zu werden. Wir müssen uns da in erster Lune vor der weit-
verbreiteten Illusion hüten, als liege es im Interesse und in der Absicht der
Entente, uns lebensfähig zu erhalten. Daß auch solche Ansichten innerhalb der


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Zur Friedcnslage

auf einen solchen Verständigungsfrieden geradezu hingewirkt habe, kann man
nicht sagen. Man darf aber auch nicht verkennen, daß nicht alle Fäden, die
unmerklich zu dieser Gefahr hinführen können, sorgsam abgeschnitten wären. DaS
Verfahren, den Frieden, weichend der Gewalt unter innerem Protest sofort
anzunehmen, wäre das einfachste gewesen, um diese Klippe zu umschiffen. Diesen
Weg nachträglich eingehender zu erörtern, führt zu keiner neuen Beleuchtung der
Lage. Man wird aber auch zugeben müssen, daß die Negierung den Versuch,
zu einem Friedensschluß zu kommen, unter allen Uniständen ehrlich machen
mußte. Ließ die Regierung sich aber auf Verhandlungen ein, dann durfte man
sich unter keinen Umständen zu einer Überstürzung so einschneidender Beschlüsse
drängen lassen, wie sie die Abfassung der deutschen Gegenvorschläge bilden.
Genau so wenig, wie seinerzeit die Entente deshalb den Waffenstillstand
gekündigt hätte, weil Erzberger erklärt hätte, in so kurzer Zeit eine Entscheidung
nicht fassen zu köunen. genan so wenig hätten die Alliierten eine Erklärung
Vrockdorff-Nantzaus, erst in vier Wochen die eingehende Antwort der deutschen
Fnedensdelegation überreichen zu können, zum Anlaß des Abbruchs der V-r-
Handlungen gemacht. Aber der Fehler ist leider gemacht. Und er ist nicht ohne
Einfluß auf die innere Geschlossenheit der deutschen Gegenvorschlage geblieben.
Will man den deutschen Gegenvorschlägen gerecht werden, so muß man von
folgender Erwägung ausgehen: Zweifellos wäre für die deutsche Negierung der
Weg gangbar gewesen, zu erklären, die Friedensbedingungen stellten einen Bruch
des feierlichen Abkommens, durch das sich beide Parteien auf dre Einhaltung der
Wilsvnschen Friedensarundlage geeinigt haben, dar; dieses Abkommen ser daher
mich für die deutsche'Negierung nicht mehr maßgebend: die deutsche Regierung
könne also für ihre weiteren Entscheidungen die Wilsonsche Friedensgrundlage,
die den deutschen Lebensinteressen schon an sich nicht gerecht wurde, nicht mehr
zum Ausgangspunkt nehmen. Die Regierung hat die Verantwortung für die
Folgen eines solchen Verhaltens nicht tragen wollen und memes Erachtens mit
Recht. Dann blieben zwei Möglichkeiten. Entweder man kam nach alter Diplomaten-
«re mit Vorschlägen heraus, die von den Bedingungen der Entente so weit
entfernt waren daß man hoffen konnte, die Mitte würde für Deutschland erträgliche
Bedingungen ergeben. Gerade ein solches Verhalten schloß eine ganz gewaltige
Gefahr in sich, zu einem Verständigungsfrieden zu kommen, der innerlich von
Deutschland nicht anerkannt werden kann, aber doch eben den Charakter des
Verständignngsfriedens trägt. Der Weg. den die Regierung gewählt hat, ist —
wir hoffen es jedenfalls — der andere. Man hat sich gesagt: Wir stellen uns
°uf den Boden der vierzehn Punkte, und wir sind bereit, alles zu tun, um zu einem
Ergebnis zu kommen. Wir machen deshalb auf der Grundlchze der vierzehn Punkte
alle nur irgend möglichen Zugeständnisse. Damit ist aber die äußerste Grenze
unseres Entgegenkommens erreicht. Ihr habt die Wahl, durch die Annahme
dieser unserer Bedingungen den Weltkrieg zu liquidieren oder dadurch, daß ihr
uns zur Ablehnung eures unannehmbaren Friedensvertrages zwingt, eine welt¬
geschichtliche Entwicklung einzuleiten, deren Ziel ihr so wenig kennt, wie wir.
^ete andere Politik ist innerlich erlogen und bringt uns um den letzten Rest von
vertrauen und um den letzten Nest eigenen Glaubens an uns. Der Versuch, das
«Unannehmbar", das die Regierung und in der überwältigenden Mehrheit das
Volk mit allein Aufwand von Entschlossenheit aufgestellt hat, nachträglich dahin
umzudeuten, daß nur diese Friedensbedingungen, nicht aber andere mehr oder
weniger nicht jedoch in allen Grundlagen gemilderte unannehmbar seien, wurde unserer
Moralischen Stellung innerlich und äußerlich den letzten Stoß geben'

Was bedeutet es nun aber, wenn wir jetzt nicht zum Friedensschluß kommen?
Die Vertreter des Untcrzeichnens um jeden Preis haben damit ganz recht, daß
es ruchlos ist, einer Ablehnung das Wort zu reden, ohne sich über die Folgen
Mrz nüchtern klar zu werden. Wir müssen uns da in erster Lune vor der weit-
verbreiteten Illusion hüten, als liege es im Interesse und in der Absicht der
Entente, uns lebensfähig zu erhalten. Daß auch solche Ansichten innerhalb der


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[0247] Zur Friedcnslage auf einen solchen Verständigungsfrieden geradezu hingewirkt habe, kann man nicht sagen. Man darf aber auch nicht verkennen, daß nicht alle Fäden, die unmerklich zu dieser Gefahr hinführen können, sorgsam abgeschnitten wären. DaS Verfahren, den Frieden, weichend der Gewalt unter innerem Protest sofort anzunehmen, wäre das einfachste gewesen, um diese Klippe zu umschiffen. Diesen Weg nachträglich eingehender zu erörtern, führt zu keiner neuen Beleuchtung der Lage. Man wird aber auch zugeben müssen, daß die Negierung den Versuch, zu einem Friedensschluß zu kommen, unter allen Uniständen ehrlich machen mußte. Ließ die Regierung sich aber auf Verhandlungen ein, dann durfte man sich unter keinen Umständen zu einer Überstürzung so einschneidender Beschlüsse drängen lassen, wie sie die Abfassung der deutschen Gegenvorschläge bilden. Genau so wenig, wie seinerzeit die Entente deshalb den Waffenstillstand gekündigt hätte, weil Erzberger erklärt hätte, in so kurzer Zeit eine Entscheidung nicht fassen zu köunen. genan so wenig hätten die Alliierten eine Erklärung Vrockdorff-Nantzaus, erst in vier Wochen die eingehende Antwort der deutschen Fnedensdelegation überreichen zu können, zum Anlaß des Abbruchs der V-r- Handlungen gemacht. Aber der Fehler ist leider gemacht. Und er ist nicht ohne Einfluß auf die innere Geschlossenheit der deutschen Gegenvorschlage geblieben. Will man den deutschen Gegenvorschlägen gerecht werden, so muß man von folgender Erwägung ausgehen: Zweifellos wäre für die deutsche Negierung der Weg gangbar gewesen, zu erklären, die Friedensbedingungen stellten einen Bruch des feierlichen Abkommens, durch das sich beide Parteien auf dre Einhaltung der Wilsvnschen Friedensarundlage geeinigt haben, dar; dieses Abkommen ser daher mich für die deutsche'Negierung nicht mehr maßgebend: die deutsche Regierung könne also für ihre weiteren Entscheidungen die Wilsonsche Friedensgrundlage, die den deutschen Lebensinteressen schon an sich nicht gerecht wurde, nicht mehr zum Ausgangspunkt nehmen. Die Regierung hat die Verantwortung für die Folgen eines solchen Verhaltens nicht tragen wollen und memes Erachtens mit Recht. Dann blieben zwei Möglichkeiten. Entweder man kam nach alter Diplomaten- «re mit Vorschlägen heraus, die von den Bedingungen der Entente so weit entfernt waren daß man hoffen konnte, die Mitte würde für Deutschland erträgliche Bedingungen ergeben. Gerade ein solches Verhalten schloß eine ganz gewaltige Gefahr in sich, zu einem Verständigungsfrieden zu kommen, der innerlich von Deutschland nicht anerkannt werden kann, aber doch eben den Charakter des Verständignngsfriedens trägt. Der Weg. den die Regierung gewählt hat, ist — wir hoffen es jedenfalls — der andere. Man hat sich gesagt: Wir stellen uns °uf den Boden der vierzehn Punkte, und wir sind bereit, alles zu tun, um zu einem Ergebnis zu kommen. Wir machen deshalb auf der Grundlchze der vierzehn Punkte alle nur irgend möglichen Zugeständnisse. Damit ist aber die äußerste Grenze unseres Entgegenkommens erreicht. Ihr habt die Wahl, durch die Annahme dieser unserer Bedingungen den Weltkrieg zu liquidieren oder dadurch, daß ihr uns zur Ablehnung eures unannehmbaren Friedensvertrages zwingt, eine welt¬ geschichtliche Entwicklung einzuleiten, deren Ziel ihr so wenig kennt, wie wir. ^ete andere Politik ist innerlich erlogen und bringt uns um den letzten Rest von vertrauen und um den letzten Nest eigenen Glaubens an uns. Der Versuch, das «Unannehmbar", das die Regierung und in der überwältigenden Mehrheit das Volk mit allein Aufwand von Entschlossenheit aufgestellt hat, nachträglich dahin umzudeuten, daß nur diese Friedensbedingungen, nicht aber andere mehr oder weniger nicht jedoch in allen Grundlagen gemilderte unannehmbar seien, wurde unserer Moralischen Stellung innerlich und äußerlich den letzten Stoß geben' Was bedeutet es nun aber, wenn wir jetzt nicht zum Friedensschluß kommen? Die Vertreter des Untcrzeichnens um jeden Preis haben damit ganz recht, daß es ruchlos ist, einer Ablehnung das Wort zu reden, ohne sich über die Folgen Mrz nüchtern klar zu werden. Wir müssen uns da in erster Lune vor der weit- verbreiteten Illusion hüten, als liege es im Interesse und in der Absicht der Entente, uns lebensfähig zu erhalten. Daß auch solche Ansichten innerhalb der 20*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/247>, abgerufen am 01.09.2024.