Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Friedcnslage

stand, nicht mehr handelnde Persönlichkeit in dem Gesamtspiel der Weltpolitik,
Die deutsche Revolutionsregierung sah sich vor eine Aufgabe gestellt, deren
Schwierigkeit zu schildern, die Worte und Bilder fehlen. So war denn auch ihr
erstes Verhalten, auch wenn man von der Revolution und dem Waffenstillstands¬
abschluß, Ereignisse, über die ein Urteil zu fällen, verfrüht ist, absieht, ein Fehler.
Die Regierung tat nichts, sie wartete ab und gab sich der Illusion hin, in der
Annahme der Wilsonschen Punkte durch die Entente eine sichere Grundlage für
ihre äußere Politik zu haben. Nun darf man aber annehmen, daß auch die
Gegenseite damals noch nicht dazu gekommen war, zu dem die kühnsten Er¬
wartungen übersteigenden Umschwung der Dinge eine klare innere Stellung zu
gewinnen. Auch hier herrschte Ratlosigkeit. Ratlosigkeit zwar, die in dem alios
betäubenden Gefühle des Sieges noch nicht als Qual empfunden wurde. Rat¬
losigkeit aber doch in der Unmöglichkeit, eine klare und besonders gemeinsame
Stellung zu den Schritten zu gewinnen, die in der nächsten Zukunft zu tun waren.
In diesem Augenblick bestand für die deutsche Regierung eine Möglichkeit, durch
das rasche Auftreten mit positiven Vorschlägen einen entscheidenden Einfluß ans
den Gang der Pariser interalliierten Verhandlungen zu gewinnein Gewiß nur
eine Möglichkeit. Aber sie hätte versucht werden müssen. Und es scheint keine
ganz utopische Annahme zu sein, daß eigene Vorschläge der deutschen Negierung,
die auch nur annähernd so weit wie die jetzigen Vorschläge gegangen wären, das
Ergebnis der Pariser Beschlüsse stark beeinflußt hätten.

Der Versuch unterblieb. Und so blieb den Alliierten Zeit genug, in voller
Ruhe zur Lage Stellung zu nehmen. Die deutsche WaffenstillstandSkommission
verstand es nicht, diese Ruhe dadurch zu stören, daß sie den Gegner vor die
Notwendigkeit neuer entscheidender Entschlüsse stellte. So warteten wir ab, und
wir ertrugen die Lage, soweit uns die innerpolitischen Ereignisse in Deutschland
überhaupt Zeit ließen, uns mit der Weltlage zu beschäftigen, in der Hoffnung auf
gegnerische Vertragstreue. Unterdessen kam es in Paris allmählich zum .Kom¬
promiß zwischen den Alliierten. Bruchstückweise erfuhren wir in Deutschland die
einzelnen Forderungen, aus denen der Kompromiß geschlossen werden mußte.
Wir lebten der Illusion, daß jeder Kompromiß in der Herabmilderung der sich
kreuzenden Forderungen bestehen müsse. Aber als uns die Bedingungen vorgelegt
wurden, da mußten wir erkennen, daß der Kompromiß darin bestand, daß die
Gesamtheit der gegnerischen Forderungen in kunstvollem Aufbau zusammengetragen
war. Es ist nun durchaus richtig, daß gerade die Art, wie der Kompromiß
zustande gekommen ist, einen Beweis für die innere Schwäche des Zusammenhalts
unter den Alliierten bildet. Es war eben nicht möglich, von den einzelnen
Forderungen zugunsten einheitlicher Ziele Abstriche zu machen, ohne daß sich tiefe
Risse im Bau gezeigt hätten. Aber wenn diese Schwäche im konstruktiven Ge¬
samtbau der uns gegenüberstehenden verbündeten Gruppe nachträglich die Ver¬
mutung rechtfertigt, daß es möglich gewesen wäre, auf die Art des Baues einen
Einfluß zu gewinnen, so muß gerade die Einsicht in diese Schwäche den Zweifel
erheblich stärken, ob es gelingen kann, jetzt einzelne Teile aus dem Ban heraus¬
zulösen.

Die Stellungnahme zu den Friedensbedingungen war und ist in der öffent¬
lichen Meinung Deutschlands im wesentlichen einheitlich, was die sachliche
Beurteilung seines Inhalts anbelangt. Versuche, die Bedingungen als erträglich
hinzustellen, sind bald aufgegeben, nachdem ihr Inhalt in allen Einzelheiten
bekannt wurde. Und die Stellungnahme würde noch einheitlicher sein, wenn die
Kenntnis der Bedingungen wirklich Allgemeingut wäre. Keine Einheitlichkeit
herrscht aber in der Stellungnahme, was zu tun ist. Für die deutsche Regierung
mußte es von vornherein ein völlig eiuwcindsfreies Ziel geben. Das Ziel
nämlich, unter allen Umständen zu verhindern, daß irgendein Friede, den wir
innerlich nicht anerkennen können, so abgeschlossen wird, daß es den Anschein
erwecken kann, als handle es sich um einen Frieden, der im Wege der Ver¬
ständigung zustande gekommen sei. Daß das bisherige Verhalten der Negierung


Zur Friedcnslage

stand, nicht mehr handelnde Persönlichkeit in dem Gesamtspiel der Weltpolitik,
Die deutsche Revolutionsregierung sah sich vor eine Aufgabe gestellt, deren
Schwierigkeit zu schildern, die Worte und Bilder fehlen. So war denn auch ihr
erstes Verhalten, auch wenn man von der Revolution und dem Waffenstillstands¬
abschluß, Ereignisse, über die ein Urteil zu fällen, verfrüht ist, absieht, ein Fehler.
Die Regierung tat nichts, sie wartete ab und gab sich der Illusion hin, in der
Annahme der Wilsonschen Punkte durch die Entente eine sichere Grundlage für
ihre äußere Politik zu haben. Nun darf man aber annehmen, daß auch die
Gegenseite damals noch nicht dazu gekommen war, zu dem die kühnsten Er¬
wartungen übersteigenden Umschwung der Dinge eine klare innere Stellung zu
gewinnen. Auch hier herrschte Ratlosigkeit. Ratlosigkeit zwar, die in dem alios
betäubenden Gefühle des Sieges noch nicht als Qual empfunden wurde. Rat¬
losigkeit aber doch in der Unmöglichkeit, eine klare und besonders gemeinsame
Stellung zu den Schritten zu gewinnen, die in der nächsten Zukunft zu tun waren.
In diesem Augenblick bestand für die deutsche Regierung eine Möglichkeit, durch
das rasche Auftreten mit positiven Vorschlägen einen entscheidenden Einfluß ans
den Gang der Pariser interalliierten Verhandlungen zu gewinnein Gewiß nur
eine Möglichkeit. Aber sie hätte versucht werden müssen. Und es scheint keine
ganz utopische Annahme zu sein, daß eigene Vorschläge der deutschen Negierung,
die auch nur annähernd so weit wie die jetzigen Vorschläge gegangen wären, das
Ergebnis der Pariser Beschlüsse stark beeinflußt hätten.

Der Versuch unterblieb. Und so blieb den Alliierten Zeit genug, in voller
Ruhe zur Lage Stellung zu nehmen. Die deutsche WaffenstillstandSkommission
verstand es nicht, diese Ruhe dadurch zu stören, daß sie den Gegner vor die
Notwendigkeit neuer entscheidender Entschlüsse stellte. So warteten wir ab, und
wir ertrugen die Lage, soweit uns die innerpolitischen Ereignisse in Deutschland
überhaupt Zeit ließen, uns mit der Weltlage zu beschäftigen, in der Hoffnung auf
gegnerische Vertragstreue. Unterdessen kam es in Paris allmählich zum .Kom¬
promiß zwischen den Alliierten. Bruchstückweise erfuhren wir in Deutschland die
einzelnen Forderungen, aus denen der Kompromiß geschlossen werden mußte.
Wir lebten der Illusion, daß jeder Kompromiß in der Herabmilderung der sich
kreuzenden Forderungen bestehen müsse. Aber als uns die Bedingungen vorgelegt
wurden, da mußten wir erkennen, daß der Kompromiß darin bestand, daß die
Gesamtheit der gegnerischen Forderungen in kunstvollem Aufbau zusammengetragen
war. Es ist nun durchaus richtig, daß gerade die Art, wie der Kompromiß
zustande gekommen ist, einen Beweis für die innere Schwäche des Zusammenhalts
unter den Alliierten bildet. Es war eben nicht möglich, von den einzelnen
Forderungen zugunsten einheitlicher Ziele Abstriche zu machen, ohne daß sich tiefe
Risse im Bau gezeigt hätten. Aber wenn diese Schwäche im konstruktiven Ge¬
samtbau der uns gegenüberstehenden verbündeten Gruppe nachträglich die Ver¬
mutung rechtfertigt, daß es möglich gewesen wäre, auf die Art des Baues einen
Einfluß zu gewinnen, so muß gerade die Einsicht in diese Schwäche den Zweifel
erheblich stärken, ob es gelingen kann, jetzt einzelne Teile aus dem Ban heraus¬
zulösen.

Die Stellungnahme zu den Friedensbedingungen war und ist in der öffent¬
lichen Meinung Deutschlands im wesentlichen einheitlich, was die sachliche
Beurteilung seines Inhalts anbelangt. Versuche, die Bedingungen als erträglich
hinzustellen, sind bald aufgegeben, nachdem ihr Inhalt in allen Einzelheiten
bekannt wurde. Und die Stellungnahme würde noch einheitlicher sein, wenn die
Kenntnis der Bedingungen wirklich Allgemeingut wäre. Keine Einheitlichkeit
herrscht aber in der Stellungnahme, was zu tun ist. Für die deutsche Regierung
mußte es von vornherein ein völlig eiuwcindsfreies Ziel geben. Das Ziel
nämlich, unter allen Umständen zu verhindern, daß irgendein Friede, den wir
innerlich nicht anerkennen können, so abgeschlossen wird, daß es den Anschein
erwecken kann, als handle es sich um einen Frieden, der im Wege der Ver¬
ständigung zustande gekommen sei. Daß das bisherige Verhalten der Negierung


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0246" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335656"/>
          <fw type="header" place="top"> Zur Friedcnslage</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1007" prev="#ID_1006"> stand, nicht mehr handelnde Persönlichkeit in dem Gesamtspiel der Weltpolitik,<lb/>
Die deutsche Revolutionsregierung sah sich vor eine Aufgabe gestellt, deren<lb/>
Schwierigkeit zu schildern, die Worte und Bilder fehlen. So war denn auch ihr<lb/>
erstes Verhalten, auch wenn man von der Revolution und dem Waffenstillstands¬<lb/>
abschluß, Ereignisse, über die ein Urteil zu fällen, verfrüht ist, absieht, ein Fehler.<lb/>
Die Regierung tat nichts, sie wartete ab und gab sich der Illusion hin, in der<lb/>
Annahme der Wilsonschen Punkte durch die Entente eine sichere Grundlage für<lb/>
ihre äußere Politik zu haben. Nun darf man aber annehmen, daß auch die<lb/>
Gegenseite damals noch nicht dazu gekommen war, zu dem die kühnsten Er¬<lb/>
wartungen übersteigenden Umschwung der Dinge eine klare innere Stellung zu<lb/>
gewinnen. Auch hier herrschte Ratlosigkeit. Ratlosigkeit zwar, die in dem alios<lb/>
betäubenden Gefühle des Sieges noch nicht als Qual empfunden wurde. Rat¬<lb/>
losigkeit aber doch in der Unmöglichkeit, eine klare und besonders gemeinsame<lb/>
Stellung zu den Schritten zu gewinnen, die in der nächsten Zukunft zu tun waren.<lb/>
In diesem Augenblick bestand für die deutsche Regierung eine Möglichkeit, durch<lb/>
das rasche Auftreten mit positiven Vorschlägen einen entscheidenden Einfluß ans<lb/>
den Gang der Pariser interalliierten Verhandlungen zu gewinnein Gewiß nur<lb/>
eine Möglichkeit. Aber sie hätte versucht werden müssen. Und es scheint keine<lb/>
ganz utopische Annahme zu sein, daß eigene Vorschläge der deutschen Negierung,<lb/>
die auch nur annähernd so weit wie die jetzigen Vorschläge gegangen wären, das<lb/>
Ergebnis der Pariser Beschlüsse stark beeinflußt hätten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1008"> Der Versuch unterblieb. Und so blieb den Alliierten Zeit genug, in voller<lb/>
Ruhe zur Lage Stellung zu nehmen. Die deutsche WaffenstillstandSkommission<lb/>
verstand es nicht, diese Ruhe dadurch zu stören, daß sie den Gegner vor die<lb/>
Notwendigkeit neuer entscheidender Entschlüsse stellte. So warteten wir ab, und<lb/>
wir ertrugen die Lage, soweit uns die innerpolitischen Ereignisse in Deutschland<lb/>
überhaupt Zeit ließen, uns mit der Weltlage zu beschäftigen, in der Hoffnung auf<lb/>
gegnerische Vertragstreue. Unterdessen kam es in Paris allmählich zum .Kom¬<lb/>
promiß zwischen den Alliierten. Bruchstückweise erfuhren wir in Deutschland die<lb/>
einzelnen Forderungen, aus denen der Kompromiß geschlossen werden mußte.<lb/>
Wir lebten der Illusion, daß jeder Kompromiß in der Herabmilderung der sich<lb/>
kreuzenden Forderungen bestehen müsse. Aber als uns die Bedingungen vorgelegt<lb/>
wurden, da mußten wir erkennen, daß der Kompromiß darin bestand, daß die<lb/>
Gesamtheit der gegnerischen Forderungen in kunstvollem Aufbau zusammengetragen<lb/>
war. Es ist nun durchaus richtig, daß gerade die Art, wie der Kompromiß<lb/>
zustande gekommen ist, einen Beweis für die innere Schwäche des Zusammenhalts<lb/>
unter den Alliierten bildet. Es war eben nicht möglich, von den einzelnen<lb/>
Forderungen zugunsten einheitlicher Ziele Abstriche zu machen, ohne daß sich tiefe<lb/>
Risse im Bau gezeigt hätten. Aber wenn diese Schwäche im konstruktiven Ge¬<lb/>
samtbau der uns gegenüberstehenden verbündeten Gruppe nachträglich die Ver¬<lb/>
mutung rechtfertigt, daß es möglich gewesen wäre, auf die Art des Baues einen<lb/>
Einfluß zu gewinnen, so muß gerade die Einsicht in diese Schwäche den Zweifel<lb/>
erheblich stärken, ob es gelingen kann, jetzt einzelne Teile aus dem Ban heraus¬<lb/>
zulösen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1009" next="#ID_1010"> Die Stellungnahme zu den Friedensbedingungen war und ist in der öffent¬<lb/>
lichen Meinung Deutschlands im wesentlichen einheitlich, was die sachliche<lb/>
Beurteilung seines Inhalts anbelangt. Versuche, die Bedingungen als erträglich<lb/>
hinzustellen, sind bald aufgegeben, nachdem ihr Inhalt in allen Einzelheiten<lb/>
bekannt wurde. Und die Stellungnahme würde noch einheitlicher sein, wenn die<lb/>
Kenntnis der Bedingungen wirklich Allgemeingut wäre. Keine Einheitlichkeit<lb/>
herrscht aber in der Stellungnahme, was zu tun ist. Für die deutsche Regierung<lb/>
mußte es von vornherein ein völlig eiuwcindsfreies Ziel geben. Das Ziel<lb/>
nämlich, unter allen Umständen zu verhindern, daß irgendein Friede, den wir<lb/>
innerlich nicht anerkennen können, so abgeschlossen wird, daß es den Anschein<lb/>
erwecken kann, als handle es sich um einen Frieden, der im Wege der Ver¬<lb/>
ständigung zustande gekommen sei. Daß das bisherige Verhalten der Negierung</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0246] Zur Friedcnslage stand, nicht mehr handelnde Persönlichkeit in dem Gesamtspiel der Weltpolitik, Die deutsche Revolutionsregierung sah sich vor eine Aufgabe gestellt, deren Schwierigkeit zu schildern, die Worte und Bilder fehlen. So war denn auch ihr erstes Verhalten, auch wenn man von der Revolution und dem Waffenstillstands¬ abschluß, Ereignisse, über die ein Urteil zu fällen, verfrüht ist, absieht, ein Fehler. Die Regierung tat nichts, sie wartete ab und gab sich der Illusion hin, in der Annahme der Wilsonschen Punkte durch die Entente eine sichere Grundlage für ihre äußere Politik zu haben. Nun darf man aber annehmen, daß auch die Gegenseite damals noch nicht dazu gekommen war, zu dem die kühnsten Er¬ wartungen übersteigenden Umschwung der Dinge eine klare innere Stellung zu gewinnen. Auch hier herrschte Ratlosigkeit. Ratlosigkeit zwar, die in dem alios betäubenden Gefühle des Sieges noch nicht als Qual empfunden wurde. Rat¬ losigkeit aber doch in der Unmöglichkeit, eine klare und besonders gemeinsame Stellung zu den Schritten zu gewinnen, die in der nächsten Zukunft zu tun waren. In diesem Augenblick bestand für die deutsche Regierung eine Möglichkeit, durch das rasche Auftreten mit positiven Vorschlägen einen entscheidenden Einfluß ans den Gang der Pariser interalliierten Verhandlungen zu gewinnein Gewiß nur eine Möglichkeit. Aber sie hätte versucht werden müssen. Und es scheint keine ganz utopische Annahme zu sein, daß eigene Vorschläge der deutschen Negierung, die auch nur annähernd so weit wie die jetzigen Vorschläge gegangen wären, das Ergebnis der Pariser Beschlüsse stark beeinflußt hätten. Der Versuch unterblieb. Und so blieb den Alliierten Zeit genug, in voller Ruhe zur Lage Stellung zu nehmen. Die deutsche WaffenstillstandSkommission verstand es nicht, diese Ruhe dadurch zu stören, daß sie den Gegner vor die Notwendigkeit neuer entscheidender Entschlüsse stellte. So warteten wir ab, und wir ertrugen die Lage, soweit uns die innerpolitischen Ereignisse in Deutschland überhaupt Zeit ließen, uns mit der Weltlage zu beschäftigen, in der Hoffnung auf gegnerische Vertragstreue. Unterdessen kam es in Paris allmählich zum .Kom¬ promiß zwischen den Alliierten. Bruchstückweise erfuhren wir in Deutschland die einzelnen Forderungen, aus denen der Kompromiß geschlossen werden mußte. Wir lebten der Illusion, daß jeder Kompromiß in der Herabmilderung der sich kreuzenden Forderungen bestehen müsse. Aber als uns die Bedingungen vorgelegt wurden, da mußten wir erkennen, daß der Kompromiß darin bestand, daß die Gesamtheit der gegnerischen Forderungen in kunstvollem Aufbau zusammengetragen war. Es ist nun durchaus richtig, daß gerade die Art, wie der Kompromiß zustande gekommen ist, einen Beweis für die innere Schwäche des Zusammenhalts unter den Alliierten bildet. Es war eben nicht möglich, von den einzelnen Forderungen zugunsten einheitlicher Ziele Abstriche zu machen, ohne daß sich tiefe Risse im Bau gezeigt hätten. Aber wenn diese Schwäche im konstruktiven Ge¬ samtbau der uns gegenüberstehenden verbündeten Gruppe nachträglich die Ver¬ mutung rechtfertigt, daß es möglich gewesen wäre, auf die Art des Baues einen Einfluß zu gewinnen, so muß gerade die Einsicht in diese Schwäche den Zweifel erheblich stärken, ob es gelingen kann, jetzt einzelne Teile aus dem Ban heraus¬ zulösen. Die Stellungnahme zu den Friedensbedingungen war und ist in der öffent¬ lichen Meinung Deutschlands im wesentlichen einheitlich, was die sachliche Beurteilung seines Inhalts anbelangt. Versuche, die Bedingungen als erträglich hinzustellen, sind bald aufgegeben, nachdem ihr Inhalt in allen Einzelheiten bekannt wurde. Und die Stellungnahme würde noch einheitlicher sein, wenn die Kenntnis der Bedingungen wirklich Allgemeingut wäre. Keine Einheitlichkeit herrscht aber in der Stellungnahme, was zu tun ist. Für die deutsche Regierung mußte es von vornherein ein völlig eiuwcindsfreies Ziel geben. Das Ziel nämlich, unter allen Umständen zu verhindern, daß irgendein Friede, den wir innerlich nicht anerkennen können, so abgeschlossen wird, daß es den Anschein erwecken kann, als handle es sich um einen Frieden, der im Wege der Ver¬ ständigung zustande gekommen sei. Daß das bisherige Verhalten der Negierung

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/246
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/246>, abgerufen am 18.12.2024.