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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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G. von Icigow's Buch

fertigten des Heeres im Mobilmachungsfalle erheblich zu beschleunigen, indem
bereits im Frühjahr 1918 eine .Kriegsvorbereitungsperiode' eingeführt wurde.
Sie sollte .in der der Eröffnung der Feindseligkeiten vorausgehenden Episode
diplomatischer Verwicklungen einsetzen und zahlreiche Arbeiten der Mobilmachung
bereits vor deren offizieller Erklärung vorwegnehmen/ Die volle Tragweite dieser
Matznahmen ist erst durch erbeutetes Aktemnciterial während des Krieges bekannt
geworden. Offiziell ist der Beginn dieser .Periode' am 26. Juli 1914 eingetreten,
wie durch die Aussage des Generals Janukschewitsch im Suchomlinow-Prozeß
bekannt wurde. Weiteres Beutematerial lätzt aber erkennen, daß ganz wesentliche
Arbeiten, die dieser Periode bestimmungsgemäß vorbehalten waren, schon früher
in Angriff genommen worden sind. Auch lassen zahlreiche Gefangenenaussageu
und Beobachtungen von Reisenden den Schluß zu, daß anscheinend Teile der --
auch in Friedenszeit fast auf vollem Kriegsstat befindlichen -- sibirischen Korps
schon vor dem Kriegsausbruch in westlicher Richtung in Bewegung gesetzt
worden sind.

Auch für die Flotte wurden große Geldmittel aufgewandt; im Winter
1913/14 hatte Rußland -- allerdings vergeblich -- versucht, im Bau befindliche
(chilenische) Kriegsschiffe zu kaufen."

Im Juni l914 fällt der österreichische Thronfolger von Mörderhand. Er
galt für einen Freund der föderativem Lösung des österreichischen Problems. Wie
groß die Schwierigkeiten waren, die ihr entgegenstanden, ist bekannt. Immerhin
hätte sie im Falle ihrer Verwirklichung die ehrgeizigen Pläne Serbiens erschwert.
Wie der russische Gesandte in Belgrad diese Pläne begünstigt hat, liegt vor aller
Augen. Es ist nicht das erste Mal, daß ein Abgesandter Nutzlands sich in einer
Weise betätigt, wie es Hartwig getan hat: Im Jahre 1866 begünstigte der russische
Botschafter in Konstantinopel Jgnatiew den Wunsch der Griechen nach der Ver¬
einigung Kretas mit Griechenland. Der Aufstand in Kreta wurde von der
griechischen Regierung offen unterstützt. 1868 riß der Türkei die Geduld, und sie
stellte Griechenland ein Ultimatum, das seinen Treibereien ein Ende machen sollte.
Im Vertrauen auf russische Hilfe lehnte Griechenland ab, aber Gortschakow gab
sich nicht dazu her, einen europäischen Konflikt heraufzubeschwören. Jgnatiew
wurde desavouiert und der Brand im Keime erstickt. Sasonow hätte, wenn er
den europäischen Krieg wirklich vermeiden wollte, dem Beispiel Gortschakows
folgen können. Die Verhältnisse in Serbien logen nicht anders wie in Griechen¬
land, aber er erklärte dem österreichischen Botschafter, daß in diesem Falle die
serbischen Interessen eben "russische" seien. So kam der Stein ins Rollen. Es,
erübrigt sich, die Einzelheiten der kritischen Hochsommertage noch einmal ins Ge¬
dächtnis zu rufend) Der Kriegsminister Suchomlinow und der Generalstabschef
Janukschewitsch haben selbst zugegeben, daß der Krieg in der Umgebung Nikolaus
des Zweiten gewollt worden ist. Die verhängnisvolle Gesamtmobilmachung, die
uns zur Kriegserklärung zwang, wurde befohlen. Den Mut zum letzten Entschluß
schöpften die .Kriegstreiber aus der Zusicherung Englands, sich am Kriege zu
beteiligen. Als das Spiel verloren war und die Revolution ausbrach, war
Janukschewitsch völlig gebrochen und wurde von schweren Gewissensbissen geplagt.
Er gab zu, sich verrechnet zu haben.

England aber hat sich nicht verrechnet. Das außenpolitische Ergebnis
seiner Berechnung ist so günstig wie möglich ausgefallen. Rußland, der Bundes¬
genosse und verhaßte Rivale, ist für lange Zeit erledigt, uno der deutsche
Gegner ist tot."

Am 1. August 1914 schrieb die "Daily News: "Tatsächlich hält der Zar die
Wage in der Hand, aber wir halten unsererseits den Zaren in der Hand. Daher
hängt es schließlich von uns ab, ob Europa von Blut überfließen soll". An
dieser Stelle soll nicht den Schachzügen unserer Politik, die sich durch den Miß'
erfolg als fehlerhaft erwiesen haben, namentlich hinsichtlich der verpaßten G^"



2) Vergleiche hierzu den Aufsatz "Neues über die Kriegsschuld" in Heft 21 d. I.
G. von Icigow's Buch

fertigten des Heeres im Mobilmachungsfalle erheblich zu beschleunigen, indem
bereits im Frühjahr 1918 eine .Kriegsvorbereitungsperiode' eingeführt wurde.
Sie sollte .in der der Eröffnung der Feindseligkeiten vorausgehenden Episode
diplomatischer Verwicklungen einsetzen und zahlreiche Arbeiten der Mobilmachung
bereits vor deren offizieller Erklärung vorwegnehmen/ Die volle Tragweite dieser
Matznahmen ist erst durch erbeutetes Aktemnciterial während des Krieges bekannt
geworden. Offiziell ist der Beginn dieser .Periode' am 26. Juli 1914 eingetreten,
wie durch die Aussage des Generals Janukschewitsch im Suchomlinow-Prozeß
bekannt wurde. Weiteres Beutematerial lätzt aber erkennen, daß ganz wesentliche
Arbeiten, die dieser Periode bestimmungsgemäß vorbehalten waren, schon früher
in Angriff genommen worden sind. Auch lassen zahlreiche Gefangenenaussageu
und Beobachtungen von Reisenden den Schluß zu, daß anscheinend Teile der —
auch in Friedenszeit fast auf vollem Kriegsstat befindlichen — sibirischen Korps
schon vor dem Kriegsausbruch in westlicher Richtung in Bewegung gesetzt
worden sind.

Auch für die Flotte wurden große Geldmittel aufgewandt; im Winter
1913/14 hatte Rußland — allerdings vergeblich — versucht, im Bau befindliche
(chilenische) Kriegsschiffe zu kaufen."

Im Juni l914 fällt der österreichische Thronfolger von Mörderhand. Er
galt für einen Freund der föderativem Lösung des österreichischen Problems. Wie
groß die Schwierigkeiten waren, die ihr entgegenstanden, ist bekannt. Immerhin
hätte sie im Falle ihrer Verwirklichung die ehrgeizigen Pläne Serbiens erschwert.
Wie der russische Gesandte in Belgrad diese Pläne begünstigt hat, liegt vor aller
Augen. Es ist nicht das erste Mal, daß ein Abgesandter Nutzlands sich in einer
Weise betätigt, wie es Hartwig getan hat: Im Jahre 1866 begünstigte der russische
Botschafter in Konstantinopel Jgnatiew den Wunsch der Griechen nach der Ver¬
einigung Kretas mit Griechenland. Der Aufstand in Kreta wurde von der
griechischen Regierung offen unterstützt. 1868 riß der Türkei die Geduld, und sie
stellte Griechenland ein Ultimatum, das seinen Treibereien ein Ende machen sollte.
Im Vertrauen auf russische Hilfe lehnte Griechenland ab, aber Gortschakow gab
sich nicht dazu her, einen europäischen Konflikt heraufzubeschwören. Jgnatiew
wurde desavouiert und der Brand im Keime erstickt. Sasonow hätte, wenn er
den europäischen Krieg wirklich vermeiden wollte, dem Beispiel Gortschakows
folgen können. Die Verhältnisse in Serbien logen nicht anders wie in Griechen¬
land, aber er erklärte dem österreichischen Botschafter, daß in diesem Falle die
serbischen Interessen eben „russische" seien. So kam der Stein ins Rollen. Es,
erübrigt sich, die Einzelheiten der kritischen Hochsommertage noch einmal ins Ge¬
dächtnis zu rufend) Der Kriegsminister Suchomlinow und der Generalstabschef
Janukschewitsch haben selbst zugegeben, daß der Krieg in der Umgebung Nikolaus
des Zweiten gewollt worden ist. Die verhängnisvolle Gesamtmobilmachung, die
uns zur Kriegserklärung zwang, wurde befohlen. Den Mut zum letzten Entschluß
schöpften die .Kriegstreiber aus der Zusicherung Englands, sich am Kriege zu
beteiligen. Als das Spiel verloren war und die Revolution ausbrach, war
Janukschewitsch völlig gebrochen und wurde von schweren Gewissensbissen geplagt.
Er gab zu, sich verrechnet zu haben.

England aber hat sich nicht verrechnet. Das außenpolitische Ergebnis
seiner Berechnung ist so günstig wie möglich ausgefallen. Rußland, der Bundes¬
genosse und verhaßte Rivale, ist für lange Zeit erledigt, uno der deutsche
Gegner ist tot."

Am 1. August 1914 schrieb die „Daily News: „Tatsächlich hält der Zar die
Wage in der Hand, aber wir halten unsererseits den Zaren in der Hand. Daher
hängt es schließlich von uns ab, ob Europa von Blut überfließen soll". An
dieser Stelle soll nicht den Schachzügen unserer Politik, die sich durch den Miß'
erfolg als fehlerhaft erwiesen haben, namentlich hinsichtlich der verpaßten G^"



2) Vergleiche hierzu den Aufsatz „Neues über die Kriegsschuld" in Heft 21 d. I.
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[0240] G. von Icigow's Buch fertigten des Heeres im Mobilmachungsfalle erheblich zu beschleunigen, indem bereits im Frühjahr 1918 eine .Kriegsvorbereitungsperiode' eingeführt wurde. Sie sollte .in der der Eröffnung der Feindseligkeiten vorausgehenden Episode diplomatischer Verwicklungen einsetzen und zahlreiche Arbeiten der Mobilmachung bereits vor deren offizieller Erklärung vorwegnehmen/ Die volle Tragweite dieser Matznahmen ist erst durch erbeutetes Aktemnciterial während des Krieges bekannt geworden. Offiziell ist der Beginn dieser .Periode' am 26. Juli 1914 eingetreten, wie durch die Aussage des Generals Janukschewitsch im Suchomlinow-Prozeß bekannt wurde. Weiteres Beutematerial lätzt aber erkennen, daß ganz wesentliche Arbeiten, die dieser Periode bestimmungsgemäß vorbehalten waren, schon früher in Angriff genommen worden sind. Auch lassen zahlreiche Gefangenenaussageu und Beobachtungen von Reisenden den Schluß zu, daß anscheinend Teile der — auch in Friedenszeit fast auf vollem Kriegsstat befindlichen — sibirischen Korps schon vor dem Kriegsausbruch in westlicher Richtung in Bewegung gesetzt worden sind. Auch für die Flotte wurden große Geldmittel aufgewandt; im Winter 1913/14 hatte Rußland — allerdings vergeblich — versucht, im Bau befindliche (chilenische) Kriegsschiffe zu kaufen." Im Juni l914 fällt der österreichische Thronfolger von Mörderhand. Er galt für einen Freund der föderativem Lösung des österreichischen Problems. Wie groß die Schwierigkeiten waren, die ihr entgegenstanden, ist bekannt. Immerhin hätte sie im Falle ihrer Verwirklichung die ehrgeizigen Pläne Serbiens erschwert. Wie der russische Gesandte in Belgrad diese Pläne begünstigt hat, liegt vor aller Augen. Es ist nicht das erste Mal, daß ein Abgesandter Nutzlands sich in einer Weise betätigt, wie es Hartwig getan hat: Im Jahre 1866 begünstigte der russische Botschafter in Konstantinopel Jgnatiew den Wunsch der Griechen nach der Ver¬ einigung Kretas mit Griechenland. Der Aufstand in Kreta wurde von der griechischen Regierung offen unterstützt. 1868 riß der Türkei die Geduld, und sie stellte Griechenland ein Ultimatum, das seinen Treibereien ein Ende machen sollte. Im Vertrauen auf russische Hilfe lehnte Griechenland ab, aber Gortschakow gab sich nicht dazu her, einen europäischen Konflikt heraufzubeschwören. Jgnatiew wurde desavouiert und der Brand im Keime erstickt. Sasonow hätte, wenn er den europäischen Krieg wirklich vermeiden wollte, dem Beispiel Gortschakows folgen können. Die Verhältnisse in Serbien logen nicht anders wie in Griechen¬ land, aber er erklärte dem österreichischen Botschafter, daß in diesem Falle die serbischen Interessen eben „russische" seien. So kam der Stein ins Rollen. Es, erübrigt sich, die Einzelheiten der kritischen Hochsommertage noch einmal ins Ge¬ dächtnis zu rufend) Der Kriegsminister Suchomlinow und der Generalstabschef Janukschewitsch haben selbst zugegeben, daß der Krieg in der Umgebung Nikolaus des Zweiten gewollt worden ist. Die verhängnisvolle Gesamtmobilmachung, die uns zur Kriegserklärung zwang, wurde befohlen. Den Mut zum letzten Entschluß schöpften die .Kriegstreiber aus der Zusicherung Englands, sich am Kriege zu beteiligen. Als das Spiel verloren war und die Revolution ausbrach, war Janukschewitsch völlig gebrochen und wurde von schweren Gewissensbissen geplagt. Er gab zu, sich verrechnet zu haben. England aber hat sich nicht verrechnet. Das außenpolitische Ergebnis seiner Berechnung ist so günstig wie möglich ausgefallen. Rußland, der Bundes¬ genosse und verhaßte Rivale, ist für lange Zeit erledigt, uno der deutsche Gegner ist tot." Am 1. August 1914 schrieb die „Daily News: „Tatsächlich hält der Zar die Wage in der Hand, aber wir halten unsererseits den Zaren in der Hand. Daher hängt es schließlich von uns ab, ob Europa von Blut überfließen soll". An dieser Stelle soll nicht den Schachzügen unserer Politik, die sich durch den Miß' erfolg als fehlerhaft erwiesen haben, namentlich hinsichtlich der verpaßten G^" 2) Vergleiche hierzu den Aufsatz „Neues über die Kriegsschuld" in Heft 21 d. I.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/240>, abgerufen am 01.09.2024.