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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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G, von Iagow's Buch

Grenzen. Kaiser Wilhelm der Zweite sucht sich mit den Verbündeten zu verständigen,
wahrt während des russisch-japanischen Krieges wohlwollende Neutralität, schließt
das Potsdamer Abkommen, vermittelt im böhmischen Konflikt und gibt Jswolski
die Möglichkeit, sich aus der Sackgasse zu ziehen, in die er geraten war:
"Das war ein großer Dienst, den Deutschland Rußland geleistet hat" sagte
damals Tscharykow, der Adjoiut des Ministers. Alles umsonstI Unser freund-
schaftliches Verhältnis zur Türkei, das unsere Bagdadpolitik trägt, durchkreuzt den
Wunsch Rußlands, sich Konstantinopels zu bemächtigen. Die Entsendung einer
deutschen Militärmission zur Reorganisation der türkischen Armee namentlich die
Übertragung des Oberbefehls über das in Konstantinopel garnisoinerende I. Armee¬
korps an Linon von Sanders ruft in Rußland ungeheure Erregung hervor,
während die Übertragung einer Reorganisation der Flotte an eine englische
Marmemission nicht beanstandet wird. Die russische Presse hetzt gegen Deutschland
und wird offenbar amtlich gespeist. Den deutschen Unternehmern werden Negierungs-
bestellunqen entzogen, eine neue französische Anleihe wird abgeschlossen, bei der
sich Frankreich ausbedinge, daß die Gelder hauptsächlich zum Bau strategischer
Bahnen gegen Deutschland und Österreich verwendet werden sollen. Am
21. Februar 1914 spricht Sasonow in einer Sitzung, an der der Marineminister,
der Chef des Generalstabs, der Botschafter in Konstantinopel usw. teilnehmen, von der
Möglichkeit, daß vielleicht schon in naher Zukunft Ereignisse ins Auge gefaßt
werden müssen die die Lage der Meerengen von Konstantinopel von Grund aus
verändern könnten. Die Herrschaft über die Meerengen wird als die historische
Ausgabe Rußlands bezeichnet. Einen günstigen politischen Boden für den Kampf
um Konstantinopel, der aller Wahrscheinlichkeit nach nur wahrend eines euro¬
päischen Krieges möglich sein werde, bilde gegenwärtig die Aufgabe der ziel-
bewußter Arbeit des Ministeriums des Äußeren Sasonow Nimmt an, daß
Serbien sich im .Kriegsfalle mit seiner ganzen Macht gegen Österreich-Ungarn
werfen werde und bezweifelt, daß Rumänien gegen Rußland kämpfen werde, trotz
snneö gegen Rußland gerichteten Militärbündnisses. Wenige Monate später reist
der Zar nach Rumänien und noch vor Kriegsausbruch finden Verhandlungen mit
dem rumänischen Ministerpräsidenten Bratianu über eine Militärkonvention für
den Krieg gegen Osterreich statt. Die militärischen Maßnahmen der russischen
Regierung in den letzten Jahren vor dem Kriege, besonders seit dem Frühling
1914, sind augenfällig. ..Planmäßige Steigerung der Bestellungen auf kurzfristige
Lieferung, großzügige Materialbeschaffung im Auslande, sowie Erhöhung der
Kohlcnbcstände ist' während des Frühjahrs 1913 und bis ins Frühjahr 1914
deutlich zu verfolgen. Die Arsenale arbeiten mit Hochdruck, der Ausbau der
Festungen wurde mit allen Kräften beschleunigt. Pferdeausfuhrverbote 1912 und
?l>14 (einen Monat vor Kriegsausbruch) gingen mit umfangreichen Pferdeerntaufen
un Ausland Hand in Hand. Im Frühjahr 1914 genehmigte die Duma in
geheimer Sitzung -- im Anschluß an ähnliche Vorlagen der Vorjahre -- große
Mittel zur Vervollständigung der Heeresrüstung. Daneben wurde die gewaltige
Heeresvermehrung durch Mehreinstellung von jährlich 135000 Rekruten genehimgi.
Der noch unlängst von Kokowzow als ,unversehrter Schatz für den Kriegsfall'
bezeichnete Barbestand von 500 Millionen Rubel wurde für diese Zwecke aus-
geschüttet. Aber schon vorher war es durch geheime Erhöhung des Nelrnten-
kontingents 1913 ermöglicht worden, gewisse Hilfsformationen. besonders für die
Kavallerie, zu bilden und mit der verschleierten Ausstellung von Neuformatiouen
den Ausbau neuer Korps einzuleiten, sowie Etatserhöhungen der an der West-
s^nze stehenden Korps vorzunehmen. In besonders bedrohlicher Form wurde
während der Winterhalbjahre 1912/13 und 1913/14 die Kriegsbereitschaft des
Heeres durch Zurückhaltung des ältesten gesetzlich zur Entlastung bestimmten
Jahrgangs erhöht. Nach und trotz seiner Entlassung im Frühjahr 1914 wurde
der erhöhte Mannschaftsbestand durch Einziehung zahlreicher Reservisten und
Reichswehrleute erhalten. Diese Tatsache ist durch zahlreiche Gefangenenaussaaeu
bestätigt worden. Man war bestrebt, durch besondere Maßnahmen die Schlag-


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Grenzen. Kaiser Wilhelm der Zweite sucht sich mit den Verbündeten zu verständigen,
wahrt während des russisch-japanischen Krieges wohlwollende Neutralität, schließt
das Potsdamer Abkommen, vermittelt im böhmischen Konflikt und gibt Jswolski
die Möglichkeit, sich aus der Sackgasse zu ziehen, in die er geraten war:
„Das war ein großer Dienst, den Deutschland Rußland geleistet hat" sagte
damals Tscharykow, der Adjoiut des Ministers. Alles umsonstI Unser freund-
schaftliches Verhältnis zur Türkei, das unsere Bagdadpolitik trägt, durchkreuzt den
Wunsch Rußlands, sich Konstantinopels zu bemächtigen. Die Entsendung einer
deutschen Militärmission zur Reorganisation der türkischen Armee namentlich die
Übertragung des Oberbefehls über das in Konstantinopel garnisoinerende I. Armee¬
korps an Linon von Sanders ruft in Rußland ungeheure Erregung hervor,
während die Übertragung einer Reorganisation der Flotte an eine englische
Marmemission nicht beanstandet wird. Die russische Presse hetzt gegen Deutschland
und wird offenbar amtlich gespeist. Den deutschen Unternehmern werden Negierungs-
bestellunqen entzogen, eine neue französische Anleihe wird abgeschlossen, bei der
sich Frankreich ausbedinge, daß die Gelder hauptsächlich zum Bau strategischer
Bahnen gegen Deutschland und Österreich verwendet werden sollen. Am
21. Februar 1914 spricht Sasonow in einer Sitzung, an der der Marineminister,
der Chef des Generalstabs, der Botschafter in Konstantinopel usw. teilnehmen, von der
Möglichkeit, daß vielleicht schon in naher Zukunft Ereignisse ins Auge gefaßt
werden müssen die die Lage der Meerengen von Konstantinopel von Grund aus
verändern könnten. Die Herrschaft über die Meerengen wird als die historische
Ausgabe Rußlands bezeichnet. Einen günstigen politischen Boden für den Kampf
um Konstantinopel, der aller Wahrscheinlichkeit nach nur wahrend eines euro¬
päischen Krieges möglich sein werde, bilde gegenwärtig die Aufgabe der ziel-
bewußter Arbeit des Ministeriums des Äußeren Sasonow Nimmt an, daß
Serbien sich im .Kriegsfalle mit seiner ganzen Macht gegen Österreich-Ungarn
werfen werde und bezweifelt, daß Rumänien gegen Rußland kämpfen werde, trotz
snneö gegen Rußland gerichteten Militärbündnisses. Wenige Monate später reist
der Zar nach Rumänien und noch vor Kriegsausbruch finden Verhandlungen mit
dem rumänischen Ministerpräsidenten Bratianu über eine Militärkonvention für
den Krieg gegen Osterreich statt. Die militärischen Maßnahmen der russischen
Regierung in den letzten Jahren vor dem Kriege, besonders seit dem Frühling
1914, sind augenfällig. ..Planmäßige Steigerung der Bestellungen auf kurzfristige
Lieferung, großzügige Materialbeschaffung im Auslande, sowie Erhöhung der
Kohlcnbcstände ist' während des Frühjahrs 1913 und bis ins Frühjahr 1914
deutlich zu verfolgen. Die Arsenale arbeiten mit Hochdruck, der Ausbau der
Festungen wurde mit allen Kräften beschleunigt. Pferdeausfuhrverbote 1912 und
?l>14 (einen Monat vor Kriegsausbruch) gingen mit umfangreichen Pferdeerntaufen
un Ausland Hand in Hand. Im Frühjahr 1914 genehmigte die Duma in
geheimer Sitzung — im Anschluß an ähnliche Vorlagen der Vorjahre — große
Mittel zur Vervollständigung der Heeresrüstung. Daneben wurde die gewaltige
Heeresvermehrung durch Mehreinstellung von jährlich 135000 Rekruten genehimgi.
Der noch unlängst von Kokowzow als ,unversehrter Schatz für den Kriegsfall'
bezeichnete Barbestand von 500 Millionen Rubel wurde für diese Zwecke aus-
geschüttet. Aber schon vorher war es durch geheime Erhöhung des Nelrnten-
kontingents 1913 ermöglicht worden, gewisse Hilfsformationen. besonders für die
Kavallerie, zu bilden und mit der verschleierten Ausstellung von Neuformatiouen
den Ausbau neuer Korps einzuleiten, sowie Etatserhöhungen der an der West-
s^nze stehenden Korps vorzunehmen. In besonders bedrohlicher Form wurde
während der Winterhalbjahre 1912/13 und 1913/14 die Kriegsbereitschaft des
Heeres durch Zurückhaltung des ältesten gesetzlich zur Entlastung bestimmten
Jahrgangs erhöht. Nach und trotz seiner Entlassung im Frühjahr 1914 wurde
der erhöhte Mannschaftsbestand durch Einziehung zahlreicher Reservisten und
Reichswehrleute erhalten. Diese Tatsache ist durch zahlreiche Gefangenenaussaaeu
bestätigt worden. Man war bestrebt, durch besondere Maßnahmen die Schlag-


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[0239] G, von Iagow's Buch Grenzen. Kaiser Wilhelm der Zweite sucht sich mit den Verbündeten zu verständigen, wahrt während des russisch-japanischen Krieges wohlwollende Neutralität, schließt das Potsdamer Abkommen, vermittelt im böhmischen Konflikt und gibt Jswolski die Möglichkeit, sich aus der Sackgasse zu ziehen, in die er geraten war: „Das war ein großer Dienst, den Deutschland Rußland geleistet hat" sagte damals Tscharykow, der Adjoiut des Ministers. Alles umsonstI Unser freund- schaftliches Verhältnis zur Türkei, das unsere Bagdadpolitik trägt, durchkreuzt den Wunsch Rußlands, sich Konstantinopels zu bemächtigen. Die Entsendung einer deutschen Militärmission zur Reorganisation der türkischen Armee namentlich die Übertragung des Oberbefehls über das in Konstantinopel garnisoinerende I. Armee¬ korps an Linon von Sanders ruft in Rußland ungeheure Erregung hervor, während die Übertragung einer Reorganisation der Flotte an eine englische Marmemission nicht beanstandet wird. Die russische Presse hetzt gegen Deutschland und wird offenbar amtlich gespeist. Den deutschen Unternehmern werden Negierungs- bestellunqen entzogen, eine neue französische Anleihe wird abgeschlossen, bei der sich Frankreich ausbedinge, daß die Gelder hauptsächlich zum Bau strategischer Bahnen gegen Deutschland und Österreich verwendet werden sollen. Am 21. Februar 1914 spricht Sasonow in einer Sitzung, an der der Marineminister, der Chef des Generalstabs, der Botschafter in Konstantinopel usw. teilnehmen, von der Möglichkeit, daß vielleicht schon in naher Zukunft Ereignisse ins Auge gefaßt werden müssen die die Lage der Meerengen von Konstantinopel von Grund aus verändern könnten. Die Herrschaft über die Meerengen wird als die historische Ausgabe Rußlands bezeichnet. Einen günstigen politischen Boden für den Kampf um Konstantinopel, der aller Wahrscheinlichkeit nach nur wahrend eines euro¬ päischen Krieges möglich sein werde, bilde gegenwärtig die Aufgabe der ziel- bewußter Arbeit des Ministeriums des Äußeren Sasonow Nimmt an, daß Serbien sich im .Kriegsfalle mit seiner ganzen Macht gegen Österreich-Ungarn werfen werde und bezweifelt, daß Rumänien gegen Rußland kämpfen werde, trotz snneö gegen Rußland gerichteten Militärbündnisses. Wenige Monate später reist der Zar nach Rumänien und noch vor Kriegsausbruch finden Verhandlungen mit dem rumänischen Ministerpräsidenten Bratianu über eine Militärkonvention für den Krieg gegen Osterreich statt. Die militärischen Maßnahmen der russischen Regierung in den letzten Jahren vor dem Kriege, besonders seit dem Frühling 1914, sind augenfällig. ..Planmäßige Steigerung der Bestellungen auf kurzfristige Lieferung, großzügige Materialbeschaffung im Auslande, sowie Erhöhung der Kohlcnbcstände ist' während des Frühjahrs 1913 und bis ins Frühjahr 1914 deutlich zu verfolgen. Die Arsenale arbeiten mit Hochdruck, der Ausbau der Festungen wurde mit allen Kräften beschleunigt. Pferdeausfuhrverbote 1912 und ?l>14 (einen Monat vor Kriegsausbruch) gingen mit umfangreichen Pferdeerntaufen un Ausland Hand in Hand. Im Frühjahr 1914 genehmigte die Duma in geheimer Sitzung — im Anschluß an ähnliche Vorlagen der Vorjahre — große Mittel zur Vervollständigung der Heeresrüstung. Daneben wurde die gewaltige Heeresvermehrung durch Mehreinstellung von jährlich 135000 Rekruten genehimgi. Der noch unlängst von Kokowzow als ,unversehrter Schatz für den Kriegsfall' bezeichnete Barbestand von 500 Millionen Rubel wurde für diese Zwecke aus- geschüttet. Aber schon vorher war es durch geheime Erhöhung des Nelrnten- kontingents 1913 ermöglicht worden, gewisse Hilfsformationen. besonders für die Kavallerie, zu bilden und mit der verschleierten Ausstellung von Neuformatiouen den Ausbau neuer Korps einzuleiten, sowie Etatserhöhungen der an der West- s^nze stehenden Korps vorzunehmen. In besonders bedrohlicher Form wurde während der Winterhalbjahre 1912/13 und 1913/14 die Kriegsbereitschaft des Heeres durch Zurückhaltung des ältesten gesetzlich zur Entlastung bestimmten Jahrgangs erhöht. Nach und trotz seiner Entlassung im Frühjahr 1914 wurde der erhöhte Mannschaftsbestand durch Einziehung zahlreicher Reservisten und Reichswehrleute erhalten. Diese Tatsache ist durch zahlreiche Gefangenenaussaaeu bestätigt worden. Man war bestrebt, durch besondere Maßnahmen die Schlag-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/239>, abgerufen am 01.09.2024.