Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.seis Stacitstheattt Garantie für den Geist der Leitung einer Anstalt, die, wie keine andere, der Die Zukunft des deutschen Theaters schien verloren, wenn nicht die Nation Aus der großen Zahl von Schriften, die dieser Anregung ihre Entstehung Das sind die Hauptrichtlinien des Neformplanes, der den Vorzug hat, von Grenzboten II 101" Is
seis Stacitstheattt Garantie für den Geist der Leitung einer Anstalt, die, wie keine andere, der Die Zukunft des deutschen Theaters schien verloren, wenn nicht die Nation Aus der großen Zahl von Schriften, die dieser Anregung ihre Entstehung Das sind die Hauptrichtlinien des Neformplanes, der den Vorzug hat, von Grenzboten II 101» Is
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0221" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335631"/> <fw type="header" place="top"> seis Stacitstheattt</fw><lb/> <p xml:id="ID_914" prev="#ID_913"> Garantie für den Geist der Leitung einer Anstalt, die, wie keine andere, der<lb/> Ausdruck der höheren geistigen Tätigkeit der gesamten Nation zu sein beansprucht.<lb/> Die nachteiligen Folgen traten denn auch nur zu bald in die Erscheinung. Nach<lb/> dem kurzen, überraschenden Aufblühen des deutschen Theaters stellten sich in<lb/> erhöhtem Maße alle jene Symptome einer künstlerischen Demoralisation ein, die<lb/> man soeben noch überwunden zu haben glaubte und die nun dem modernen<lb/> Theaterwesen das charakteristische Gepräge verliehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_915"> Die Zukunft des deutschen Theaters schien verloren, wenn nicht die Nation<lb/> sich im gegebenen Moment ihres höchsten Anrechts entsann, auf das sie in so<lb/> unverantwortlicher Weise verzichtet hatte, ihrer Rechte, die hier wie nirgends<lb/> zugleich ihre höchsten Pflichten waren. Ganz offenbar, die Lebenskraft des<lb/> deutschen Theaters stand und fiel mit dem Lebenswillen der Nation. Und eben<lb/> jetzt regte sich dieser Lebenswille, der so lange geschlummert hatte, in einer Stärke,<lb/> die keinen Zweifel darüber ließ, daß sie sich reif dünkte, ihr Schicksal selbst zu<lb/> schmieden. Die Nation schien gewillt zu sein, sich die volle, freie Beteiligung aller<lb/> ihrer geistigen und sittlichen Kräfte auf allen Lebensgebieten nicht mehr ver¬<lb/> kümmern zu lassen, sie schien auch gewillt, diese freie Beteiligung in die Organi¬<lb/> sation des Theaters miteinzuschließen. Es war deshalb von größter Tragweite,<lb/> als 1848 im Frankfurter Parlament der preußische Kultusminister von Ladenberg<lb/> den Gesetzentwurf einbrachte, „den Einfluß aller Künste aus das Volksleben in<lb/> Übereinstimmung zu setzen und zu organisieren", und wenn er zu diesem Zweck<lb/> eine öffentliche Aufforderung an Theatersachverständige erließ, ihm Vorschläge zu<lb/> unterbreiten, die geeignet seien, dem Theater eine seiner sozialen Bedeutung ent¬<lb/> sprechende Gestaltung zu geben.</p><lb/> <p xml:id="ID_916"> Aus der großen Zahl von Schriften, die dieser Anregung ihre Entstehung<lb/> verdankten, ragt das Reformprogramm hervor, welches Eduard Devrient unter<lb/> dem Titel: „Das Nationaltheater des neuen Deutschlands" 1849 veröffentlichte.<lb/> Devrient zieht in diesem Entwurf das Fazit aus seiner Geschichte der deutschen<lb/> Schauspielkunst und kommt zu folgender Überzeugung : Die Bühne übt einen<lb/> gewaltigen Einfluß auf die Bildung der Nation aus, sie muß deshalb eine der<lb/> wichtigsten Bildungsanstalten des neuen Staates werden, überall wo die Existenz<lb/> des Theaters von dem Geschmack und den Launen des Publikums abgehangen<lb/> hat, ist die Kunst in tätlicher Gefahr gewesen, zum Handwerk herabzusinken, der<lb/> Spekulation zu dienen, sich und das Publikum zu verderben. Daher müssen alle<lb/> Haupttheater Nationaltheater werden, Staatsinstitute, dem Ministerium der Volks¬<lb/> bildung untergeordnet, mit bestimmtem Zuschuß aus den Staatskassen. Die Ver¬<lb/> fassung des Theaters muß eine künstlerische Selbstregierung durch Vertretung und<lb/> unter Vorständen sein, welche aus freiem Vertrauen gewählt und der Landes¬<lb/> regierung für das künstlerische Niveau des ihnen anvertrauten Instituts verant¬<lb/> wortlich sind. Nur durch solche Konstitution kann die künstlerische Gesinnung,<lb/> der Gesamtgeist, gekräftigt und das selbstsüchtige Sonderinteresse einzelner Talente<lb/> unterdrückt werden. Die Direktion wird stark sein, weil sie sich auf das Vertrauen<lb/> der künstlerischen Genossenschaft stützt und dem Ministerium nur die Bestätigung<lb/> des Etats bleiben darf. „Bei jedem, wenn nur irgend gesicherten, hohen oder<lb/> niedrigen Einnahmeetat ist ein Theater herzustellen, in dem der Geist lebendig ist."<lb/> Aber auch die verschiedenen Theater desselben Staates, mit Einschluß der Stadt¬<lb/> theater bis hinab zu der kleinsten Wanderbühne, dürfen nach Devrients Ansicht<lb/> Arche mehr isoliert stehen, sondern müssen in der Leitung durch das Gesamt-<lb/> uUnisterium eine organische Verbindung finden, aus welcher sich für das künstlerische<lb/> ^eben der einzelnen Institute unberechenbare Vorteile ergeben.</p><lb/> <p xml:id="ID_917" next="#ID_918"> Das sind die Hauptrichtlinien des Neformplanes, der den Vorzug hat, von<lb/> einem Manne herzurühren, der aus eigener Praxis und gründlicher Kenntnis der<lb/> putschen Theatergeschichte das Notwendige und Mögliche erkannt hatte. Seine<lb/> Vorschläge fanden denn auch in weiten Kreisen lebhaften Anklang. Die „Grenz-<lb/> Voten" mit Gustav Freytag an der Spitze erklärten sich mit allen wesentlichen<lb/> dunklen des Entwurfs einverstanden und empfahlen ihn den Regierungen dringend</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 101» Is</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0221]
seis Stacitstheattt
Garantie für den Geist der Leitung einer Anstalt, die, wie keine andere, der
Ausdruck der höheren geistigen Tätigkeit der gesamten Nation zu sein beansprucht.
Die nachteiligen Folgen traten denn auch nur zu bald in die Erscheinung. Nach
dem kurzen, überraschenden Aufblühen des deutschen Theaters stellten sich in
erhöhtem Maße alle jene Symptome einer künstlerischen Demoralisation ein, die
man soeben noch überwunden zu haben glaubte und die nun dem modernen
Theaterwesen das charakteristische Gepräge verliehen.
Die Zukunft des deutschen Theaters schien verloren, wenn nicht die Nation
sich im gegebenen Moment ihres höchsten Anrechts entsann, auf das sie in so
unverantwortlicher Weise verzichtet hatte, ihrer Rechte, die hier wie nirgends
zugleich ihre höchsten Pflichten waren. Ganz offenbar, die Lebenskraft des
deutschen Theaters stand und fiel mit dem Lebenswillen der Nation. Und eben
jetzt regte sich dieser Lebenswille, der so lange geschlummert hatte, in einer Stärke,
die keinen Zweifel darüber ließ, daß sie sich reif dünkte, ihr Schicksal selbst zu
schmieden. Die Nation schien gewillt zu sein, sich die volle, freie Beteiligung aller
ihrer geistigen und sittlichen Kräfte auf allen Lebensgebieten nicht mehr ver¬
kümmern zu lassen, sie schien auch gewillt, diese freie Beteiligung in die Organi¬
sation des Theaters miteinzuschließen. Es war deshalb von größter Tragweite,
als 1848 im Frankfurter Parlament der preußische Kultusminister von Ladenberg
den Gesetzentwurf einbrachte, „den Einfluß aller Künste aus das Volksleben in
Übereinstimmung zu setzen und zu organisieren", und wenn er zu diesem Zweck
eine öffentliche Aufforderung an Theatersachverständige erließ, ihm Vorschläge zu
unterbreiten, die geeignet seien, dem Theater eine seiner sozialen Bedeutung ent¬
sprechende Gestaltung zu geben.
Aus der großen Zahl von Schriften, die dieser Anregung ihre Entstehung
verdankten, ragt das Reformprogramm hervor, welches Eduard Devrient unter
dem Titel: „Das Nationaltheater des neuen Deutschlands" 1849 veröffentlichte.
Devrient zieht in diesem Entwurf das Fazit aus seiner Geschichte der deutschen
Schauspielkunst und kommt zu folgender Überzeugung : Die Bühne übt einen
gewaltigen Einfluß auf die Bildung der Nation aus, sie muß deshalb eine der
wichtigsten Bildungsanstalten des neuen Staates werden, überall wo die Existenz
des Theaters von dem Geschmack und den Launen des Publikums abgehangen
hat, ist die Kunst in tätlicher Gefahr gewesen, zum Handwerk herabzusinken, der
Spekulation zu dienen, sich und das Publikum zu verderben. Daher müssen alle
Haupttheater Nationaltheater werden, Staatsinstitute, dem Ministerium der Volks¬
bildung untergeordnet, mit bestimmtem Zuschuß aus den Staatskassen. Die Ver¬
fassung des Theaters muß eine künstlerische Selbstregierung durch Vertretung und
unter Vorständen sein, welche aus freiem Vertrauen gewählt und der Landes¬
regierung für das künstlerische Niveau des ihnen anvertrauten Instituts verant¬
wortlich sind. Nur durch solche Konstitution kann die künstlerische Gesinnung,
der Gesamtgeist, gekräftigt und das selbstsüchtige Sonderinteresse einzelner Talente
unterdrückt werden. Die Direktion wird stark sein, weil sie sich auf das Vertrauen
der künstlerischen Genossenschaft stützt und dem Ministerium nur die Bestätigung
des Etats bleiben darf. „Bei jedem, wenn nur irgend gesicherten, hohen oder
niedrigen Einnahmeetat ist ein Theater herzustellen, in dem der Geist lebendig ist."
Aber auch die verschiedenen Theater desselben Staates, mit Einschluß der Stadt¬
theater bis hinab zu der kleinsten Wanderbühne, dürfen nach Devrients Ansicht
Arche mehr isoliert stehen, sondern müssen in der Leitung durch das Gesamt-
uUnisterium eine organische Verbindung finden, aus welcher sich für das künstlerische
^eben der einzelnen Institute unberechenbare Vorteile ergeben.
Das sind die Hauptrichtlinien des Neformplanes, der den Vorzug hat, von
einem Manne herzurühren, der aus eigener Praxis und gründlicher Kenntnis der
putschen Theatergeschichte das Notwendige und Mögliche erkannt hatte. Seine
Vorschläge fanden denn auch in weiten Kreisen lebhaften Anklang. Die „Grenz-
Voten" mit Gustav Freytag an der Spitze erklärten sich mit allen wesentlichen
dunklen des Entwurfs einverstanden und empfahlen ihn den Regierungen dringend
Grenzboten II 101» Is
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |