Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.Soll die Provinz Posen dem polnischen Staate einverleibt werden? von etwa 29000 Quadratkilometern und etwa zwei Millionen Einwohnern mit Während an den meisten anderen Stellen unserer Erde, wenn man über an Roggen .... etwa 18,3 Doppelzentner .. Weizen.....,22 " Gerste .... " 23,4 " Hafer .... " 22,0 " " Kartoffeln ... " 1S5,8 " stellen sich diese Zahlen für Polen nach polnischer Angabe (nach der russischen air Roggen .... etwa 10,0 Doppelzentner " Weizen....., 11,3 " Gerste.....,10,7 " Hafer . . . . " 11,4 " Kartoffeln ... " 95.8 Analog sind die Unterschiede in der Viehhaltung, in bezug auf das maschinelle Kann es unter solchen Umständen ein Friedenskongreß, auf dem eine aus- Soll die Provinz Posen dem polnischen Staate einverleibt werden? von etwa 29000 Quadratkilometern und etwa zwei Millionen Einwohnern mit Während an den meisten anderen Stellen unserer Erde, wenn man über an Roggen .... etwa 18,3 Doppelzentner .. Weizen.....,22 „ Gerste .... „ 23,4 „ Hafer .... „ 22,0 „ „ Kartoffeln ... „ 1S5,8 „ stellen sich diese Zahlen für Polen nach polnischer Angabe (nach der russischen air Roggen .... etwa 10,0 Doppelzentner „ Weizen....., 11,3 „ Gerste.....,10,7 „ Hafer . . . . „ 11,4 „ Kartoffeln ... „ 95.8 Analog sind die Unterschiede in der Viehhaltung, in bezug auf das maschinelle Kann es unter solchen Umständen ein Friedenskongreß, auf dem eine aus- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0143" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335553"/> <fw type="header" place="top"> Soll die Provinz Posen dem polnischen Staate einverleibt werden?</fw><lb/> <p xml:id="ID_578" prev="#ID_577"> von etwa 29000 Quadratkilometern und etwa zwei Millionen Einwohnern mit<lb/> einem großen, etwa 400000 Quadratkilometer umfassenden Staate zusammen-<lb/> geschmolzen werden, der in bezug auf administrative, wirtschaftliche, soziale und<lb/> sonstige Kultur klaftertief unter der Provinz Posen ficht, Wie groß der Unterschied<lb/> ist, kann nur derjenige beurteilen, der einmal — besonders zu normaler Zeit,<lb/> d. h, vor Beginn des Weltkrieges — von Posen aus über die Grenze gefahren ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_579" next="#ID_580"> Während an den meisten anderen Stellen unserer Erde, wenn man über<lb/> eine Landesgrenze, ja selbst, wenn man von einem Erdteil nach dem andern fährt,<lb/> der Übergang von einer höheren in eine niedrigere Kultur ein allmählicher ist,<lb/> glaubt sich derjenige, der von Posen aus nach Russisch.Polen fährt, sobald er die<lb/> Grenze überschritten hat, in eine ganz andere Welt versetzt! Das wird selbst<lb/> demjenigen sofort klar, der sonst weder gewöhnt noch sähig ist, derartige Dinge<lb/> zu beobachten. Posen ist eine agrarische Provinz, die infolge ihrer Zugehörigkeit<lb/> zu der hochentwickelten Volkswirtschaft Deutschlands durchweg eine intensive Be¬<lb/> wirtschaftung des Bodens ausweist Die Provinz steht in bezug auf Verbrauch<lb/> von künstlichen Düngemitteln, also von Kali, Phosphorsäure und Stickstoff mit an<lb/> der Spitze aller preußischen Provinzen, und es wird überall dem Boden an<lb/> Erträgnissen soviel entlockt, als es nach dem heutigen Stande der landwirtschaft¬<lb/> lichen Technik möglich ist. Überschreitet man aber die deutsch-russische Grenze, so<lb/> sieht der Kundige sofort, daß es sich dort um eine durchweg extensive Wirtschaftsweise<lb/> handelt. Das bedingt auch schon der große Mangel an Eisenbahnen, Chausseen usw.<lb/> Dementsprechend verschieden sind auch die Bodenertrögnisse. Wahrend beispiels¬<lb/> weise in der Provinz Posen, obwohl die Böden zu einem reichlichen Drittel Sand¬<lb/> boden sind, vom Hektar im Jahre 1918 geerntet wurden:</p><lb/> <list> <item> an Roggen .... etwa 18,3 Doppelzentner</item> <item> .. 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Für das Schulwesen in der Provinz<lb/> Posen hat der preußische Staat seit vielen Jahrzehnten enorme Aufwendungen<lb/> gemacht, so daß es in dieser Provinz selbstverständlich ebensowenig wie in anderen<lb/> Bezirken Deutschlands Analphabeten gibt. In Polen aber ist ihr Prozentsatz<lb/> bekanntlich ein ganz besonders hoher. Auch in hygienischer Beziehung ist für die<lb/> Provinz alles geschehen, was nach dem heutigen Stande der Wissenschaft möglich<lb/> ist- Hingegen sind in Polen, besonders in den kleinen Städten und auf dem<lb/> Lande, kaum embryonale Anfänge davon vorhanden. Gänzlich aber fehlen die<lb/> Maßnahmen sozialer Fürsorge (Jnvaliditäts-, Alters-, Krankenversicherung usw.).<lb/> Ku-iUm, der Unterschied ist ein so augenfälliger, daß, wie schon oben erwähnt,<lb/> felbst der in volkswirtschaftlichen Dingen absolut laienhafte Reisende, sobald er<lb/> die Grenze überschreitet, das Gefühl hat, in einer andern Welt zu sein. Hier<lb/> Europa — dort Asien! 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Soll die Provinz Posen dem polnischen Staate einverleibt werden?
von etwa 29000 Quadratkilometern und etwa zwei Millionen Einwohnern mit
einem großen, etwa 400000 Quadratkilometer umfassenden Staate zusammen-
geschmolzen werden, der in bezug auf administrative, wirtschaftliche, soziale und
sonstige Kultur klaftertief unter der Provinz Posen ficht, Wie groß der Unterschied
ist, kann nur derjenige beurteilen, der einmal — besonders zu normaler Zeit,
d. h, vor Beginn des Weltkrieges — von Posen aus über die Grenze gefahren ist.
Während an den meisten anderen Stellen unserer Erde, wenn man über
eine Landesgrenze, ja selbst, wenn man von einem Erdteil nach dem andern fährt,
der Übergang von einer höheren in eine niedrigere Kultur ein allmählicher ist,
glaubt sich derjenige, der von Posen aus nach Russisch.Polen fährt, sobald er die
Grenze überschritten hat, in eine ganz andere Welt versetzt! Das wird selbst
demjenigen sofort klar, der sonst weder gewöhnt noch sähig ist, derartige Dinge
zu beobachten. Posen ist eine agrarische Provinz, die infolge ihrer Zugehörigkeit
zu der hochentwickelten Volkswirtschaft Deutschlands durchweg eine intensive Be¬
wirtschaftung des Bodens ausweist Die Provinz steht in bezug auf Verbrauch
von künstlichen Düngemitteln, also von Kali, Phosphorsäure und Stickstoff mit an
der Spitze aller preußischen Provinzen, und es wird überall dem Boden an
Erträgnissen soviel entlockt, als es nach dem heutigen Stande der landwirtschaft¬
lichen Technik möglich ist. Überschreitet man aber die deutsch-russische Grenze, so
sieht der Kundige sofort, daß es sich dort um eine durchweg extensive Wirtschaftsweise
handelt. Das bedingt auch schon der große Mangel an Eisenbahnen, Chausseen usw.
Dementsprechend verschieden sind auch die Bodenertrögnisse. Wahrend beispiels¬
weise in der Provinz Posen, obwohl die Böden zu einem reichlichen Drittel Sand¬
boden sind, vom Hektar im Jahre 1918 geerntet wurden:
an Roggen .... etwa 18,3 Doppelzentner
.. Weizen.....,22
„ Gerste .... „ 23,4
„ Hafer .... „ 22,0 „
„ Kartoffeln ... „ 1S5,8 „
stellen sich diese Zahlen für Polen nach polnischer Angabe (nach der russischen
Statistik stellt sich die Produktion Polens im Vergleich zu der Posens noch
ungünstiger dar) ungefähr wie folgt:
air Roggen .... etwa 10,0 Doppelzentner
„ Weizen....., 11,3
„ Gerste.....,10,7
„ Hafer . . . . „ 11,4
„ Kartoffeln ... „ 95.8
Analog sind die Unterschiede in der Viehhaltung, in bezug auf das maschinelle
Inventar usw. Ebenso sind die Unterschiede in bezug auf Schulwesen, Hygiene,
soziale Fürsorge geradezu ungeheuere. Für das Schulwesen in der Provinz
Posen hat der preußische Staat seit vielen Jahrzehnten enorme Aufwendungen
gemacht, so daß es in dieser Provinz selbstverständlich ebensowenig wie in anderen
Bezirken Deutschlands Analphabeten gibt. In Polen aber ist ihr Prozentsatz
bekanntlich ein ganz besonders hoher. Auch in hygienischer Beziehung ist für die
Provinz alles geschehen, was nach dem heutigen Stande der Wissenschaft möglich
ist- Hingegen sind in Polen, besonders in den kleinen Städten und auf dem
Lande, kaum embryonale Anfänge davon vorhanden. Gänzlich aber fehlen die
Maßnahmen sozialer Fürsorge (Jnvaliditäts-, Alters-, Krankenversicherung usw.).
Ku-iUm, der Unterschied ist ein so augenfälliger, daß, wie schon oben erwähnt,
felbst der in volkswirtschaftlichen Dingen absolut laienhafte Reisende, sobald er
die Grenze überschreitet, das Gefühl hat, in einer andern Welt zu sein. Hier
Europa — dort Asien! II
Kann es unter solchen Umständen ein Friedenskongreß, auf dem eine aus-
erlesene Schar von Männern über das Schicksal der europäischen Völker zu
entscheiden hat, verantworten, eine in jeder Beziehung so hochstehende Provinz,
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