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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Die Frage der Beteiligung des Papstes an den Friedenskonferenzen

Hatten etwa diese Mitteilungen der beiden angesehenen Presseorgane Londons
und Paris' den Zweck, Wünsche ihrer Regierungen zu Ausdruck zum bringen, daß
dem Papste die Möglichkeit einer Vertretung aus dein Friedenskongreß gewährt
werde? Daß italienische Presseorgane dagegen Widerspruch erheben würden, war
zu erwarten. Die "Perseveranza" vom 13. Dezember verwies auf das "Garantie¬
gesetz" vom 13. Mai 1871, welches das äußerste Entgegenkommen an Zugeständ¬
nissen von selten Italiens gegenüber dem Apostolischen Stuhle darstelle und
seinen Zweck während 47 Jahren vollauf erfüllt habe. Die "Perseveranza" gab
dabei zu bedenken, daß eine extreme antiklerikale Richtung in Italien auf die
Beseitigung des Garantiegesetzes und auf die Unterstellung des Oberhauptes der
katholischen Kirche unter das italienische Landesgesetz hinarbeite. Das Blatt stellte
auch bei der Kurie die Absicht in Abrede, ans ihren Widerspruch in der römischen
Frage zu verzichten, und nahm als sicher an, daß auf dein Friedenskongreß kein
Vertreter des Papstes erscheinen werde.

Während hier die "Perseveranza" eine Aktion des Vatikans auf der Friedens¬
konferenz, die Möglichkeit einer dortigen Teilnahme überhaupt als unwahrscheinlich
darstellte, sah sie sich zwölf Tage, später doch veranlaßt, auf jenen Gegenstand
zurückzukommen und wenigstens ein Zugeständnis zu machen:

Was an dem Gerücht wahres ist, daß der Vatikan auf der Friedenskonferenz
versuchen werde, die römische Frage zu lösen, ist schwer zu sagen. Fest steht
wohl nur, daß unbeschadet der Rechte Italiens, auf dem Friedenskongresse die
juridische Seite der Frage ihre. Regelung finden wird.

Die "Perseveranza" hätte sich zu weit bedeutenderen Zugeständnissen ver¬
stehen dürfen, angesichts eines inzwischen erschienenen Artikels des osfiziösen Re¬
gierungsorgans, des "Giornale d'Italia" vom 17. Dezember, in welchem darge¬
legt wurde, daß die, Verwandlung des Garantiegesetzes in ein Konkordat erwogen
werde. Auch der Vatikan sei dieser auf einen Friedensschluß mit dem Königreich
Italien hinauslaufenden Lösung geneigt. Nur wünsche er gewisse kleine Ände¬
rungen in den ihm zugestandenen Rechten und Befugnissen, darunter eine größere
Freiheit bei der Ernennung der Bischöfe, das Eigentumsrecht an den vatikanischen
Palästen, statt ihrer bloßen Nutznießung, nicht zuletzt eine Modifizierung der ihm
reservierten finanziellen Bezüge, damit sie nicht wie eine Besoldung von selten
Italiens erschienen. Dabei soll sogar die Aufhebung der selbstgewählten Ge-
fangenschcist des Papstes in Erwägung gezogen werden, gemäß dringenden
Wünschen, die in katholischen Kreisen mehr und mehr an Boden gewinnen. Hin¬
gegen gehöre die territoriale Forderung eines Seehafens und des zu ihm reichenden
Korridors in das Reich der Fabel.

Diese Ausführungen des "Giornale d'Italia" und ähnlicher anderer Blätter
hinsichtlich einer Neuorientierung des Vatikans lehnte das Organ des letzteren, der
"Osservatore Romano", in Bausch und Bogen, als phantastisch und nicht ernst zu
nehmen, ab. Das gleiche Schicksal, nur in schärferen Formen, hatte auch die
Anregung jenes Sonnino-Vlattes, die diplomatischen Vertretungen beim Heiligen
Stuhle mit denen beim Quirinal zu vereinigen; um die damals befürchtete Er-
richiung eitler amerikanischen Vertretung beim Vatikan zu hintertreiben, wäre
diesem ein wertvolles Souveränitätsrecht entzogen worden!

Zu weitgehend und augenscheinlich unberechtigt waren die Auslassungen
der "l'Jnformcttion" vom 28. Dezember über einen Verzicht des Heiligen Stuhles,
an der Friedenskonferenz teilzunehmen, der den Zweck habe, den katholischen
Gruppen in Italien völlige Aktionsfreiheit bei ihren politischen Handlungen
zu lassen.

Da ward der Besuch des Präsidenten der Vereinigten Staaten Nordamerikas,
Woodrow Wilson, bei Papst Benedikt dein Fünfzehnten.am 4. Januar 19 !9 Ereignis.
Daß der angeblich vom Papst gewünschte Besuch, auf Grund der offiziellen Ankündi¬
gung von feiten der amerikanischen Botschaft, im Vatikan mit großer Spannung
erwartet werde, verriet der "Secolo" vom 3. Januar. Denn nach guten Imso"


Die Frage der Beteiligung des Papstes an den Friedenskonferenzen

Hatten etwa diese Mitteilungen der beiden angesehenen Presseorgane Londons
und Paris' den Zweck, Wünsche ihrer Regierungen zu Ausdruck zum bringen, daß
dem Papste die Möglichkeit einer Vertretung aus dein Friedenskongreß gewährt
werde? Daß italienische Presseorgane dagegen Widerspruch erheben würden, war
zu erwarten. Die „Perseveranza" vom 13. Dezember verwies auf das „Garantie¬
gesetz" vom 13. Mai 1871, welches das äußerste Entgegenkommen an Zugeständ¬
nissen von selten Italiens gegenüber dem Apostolischen Stuhle darstelle und
seinen Zweck während 47 Jahren vollauf erfüllt habe. Die „Perseveranza" gab
dabei zu bedenken, daß eine extreme antiklerikale Richtung in Italien auf die
Beseitigung des Garantiegesetzes und auf die Unterstellung des Oberhauptes der
katholischen Kirche unter das italienische Landesgesetz hinarbeite. Das Blatt stellte
auch bei der Kurie die Absicht in Abrede, ans ihren Widerspruch in der römischen
Frage zu verzichten, und nahm als sicher an, daß auf dein Friedenskongreß kein
Vertreter des Papstes erscheinen werde.

Während hier die „Perseveranza" eine Aktion des Vatikans auf der Friedens¬
konferenz, die Möglichkeit einer dortigen Teilnahme überhaupt als unwahrscheinlich
darstellte, sah sie sich zwölf Tage, später doch veranlaßt, auf jenen Gegenstand
zurückzukommen und wenigstens ein Zugeständnis zu machen:

Was an dem Gerücht wahres ist, daß der Vatikan auf der Friedenskonferenz
versuchen werde, die römische Frage zu lösen, ist schwer zu sagen. Fest steht
wohl nur, daß unbeschadet der Rechte Italiens, auf dem Friedenskongresse die
juridische Seite der Frage ihre. Regelung finden wird.

Die „Perseveranza" hätte sich zu weit bedeutenderen Zugeständnissen ver¬
stehen dürfen, angesichts eines inzwischen erschienenen Artikels des osfiziösen Re¬
gierungsorgans, des „Giornale d'Italia" vom 17. Dezember, in welchem darge¬
legt wurde, daß die, Verwandlung des Garantiegesetzes in ein Konkordat erwogen
werde. Auch der Vatikan sei dieser auf einen Friedensschluß mit dem Königreich
Italien hinauslaufenden Lösung geneigt. Nur wünsche er gewisse kleine Ände¬
rungen in den ihm zugestandenen Rechten und Befugnissen, darunter eine größere
Freiheit bei der Ernennung der Bischöfe, das Eigentumsrecht an den vatikanischen
Palästen, statt ihrer bloßen Nutznießung, nicht zuletzt eine Modifizierung der ihm
reservierten finanziellen Bezüge, damit sie nicht wie eine Besoldung von selten
Italiens erschienen. Dabei soll sogar die Aufhebung der selbstgewählten Ge-
fangenschcist des Papstes in Erwägung gezogen werden, gemäß dringenden
Wünschen, die in katholischen Kreisen mehr und mehr an Boden gewinnen. Hin¬
gegen gehöre die territoriale Forderung eines Seehafens und des zu ihm reichenden
Korridors in das Reich der Fabel.

Diese Ausführungen des „Giornale d'Italia" und ähnlicher anderer Blätter
hinsichtlich einer Neuorientierung des Vatikans lehnte das Organ des letzteren, der
„Osservatore Romano", in Bausch und Bogen, als phantastisch und nicht ernst zu
nehmen, ab. Das gleiche Schicksal, nur in schärferen Formen, hatte auch die
Anregung jenes Sonnino-Vlattes, die diplomatischen Vertretungen beim Heiligen
Stuhle mit denen beim Quirinal zu vereinigen; um die damals befürchtete Er-
richiung eitler amerikanischen Vertretung beim Vatikan zu hintertreiben, wäre
diesem ein wertvolles Souveränitätsrecht entzogen worden!

Zu weitgehend und augenscheinlich unberechtigt waren die Auslassungen
der „l'Jnformcttion" vom 28. Dezember über einen Verzicht des Heiligen Stuhles,
an der Friedenskonferenz teilzunehmen, der den Zweck habe, den katholischen
Gruppen in Italien völlige Aktionsfreiheit bei ihren politischen Handlungen
zu lassen.

Da ward der Besuch des Präsidenten der Vereinigten Staaten Nordamerikas,
Woodrow Wilson, bei Papst Benedikt dein Fünfzehnten.am 4. Januar 19 !9 Ereignis.
Daß der angeblich vom Papst gewünschte Besuch, auf Grund der offiziellen Ankündi¬
gung von feiten der amerikanischen Botschaft, im Vatikan mit großer Spannung
erwartet werde, verriet der „Secolo" vom 3. Januar. Denn nach guten Imso»


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[0138] Die Frage der Beteiligung des Papstes an den Friedenskonferenzen Hatten etwa diese Mitteilungen der beiden angesehenen Presseorgane Londons und Paris' den Zweck, Wünsche ihrer Regierungen zu Ausdruck zum bringen, daß dem Papste die Möglichkeit einer Vertretung aus dein Friedenskongreß gewährt werde? Daß italienische Presseorgane dagegen Widerspruch erheben würden, war zu erwarten. Die „Perseveranza" vom 13. Dezember verwies auf das „Garantie¬ gesetz" vom 13. Mai 1871, welches das äußerste Entgegenkommen an Zugeständ¬ nissen von selten Italiens gegenüber dem Apostolischen Stuhle darstelle und seinen Zweck während 47 Jahren vollauf erfüllt habe. Die „Perseveranza" gab dabei zu bedenken, daß eine extreme antiklerikale Richtung in Italien auf die Beseitigung des Garantiegesetzes und auf die Unterstellung des Oberhauptes der katholischen Kirche unter das italienische Landesgesetz hinarbeite. Das Blatt stellte auch bei der Kurie die Absicht in Abrede, ans ihren Widerspruch in der römischen Frage zu verzichten, und nahm als sicher an, daß auf dein Friedenskongreß kein Vertreter des Papstes erscheinen werde. Während hier die „Perseveranza" eine Aktion des Vatikans auf der Friedens¬ konferenz, die Möglichkeit einer dortigen Teilnahme überhaupt als unwahrscheinlich darstellte, sah sie sich zwölf Tage, später doch veranlaßt, auf jenen Gegenstand zurückzukommen und wenigstens ein Zugeständnis zu machen: Was an dem Gerücht wahres ist, daß der Vatikan auf der Friedenskonferenz versuchen werde, die römische Frage zu lösen, ist schwer zu sagen. Fest steht wohl nur, daß unbeschadet der Rechte Italiens, auf dem Friedenskongresse die juridische Seite der Frage ihre. Regelung finden wird. Die „Perseveranza" hätte sich zu weit bedeutenderen Zugeständnissen ver¬ stehen dürfen, angesichts eines inzwischen erschienenen Artikels des osfiziösen Re¬ gierungsorgans, des „Giornale d'Italia" vom 17. Dezember, in welchem darge¬ legt wurde, daß die, Verwandlung des Garantiegesetzes in ein Konkordat erwogen werde. Auch der Vatikan sei dieser auf einen Friedensschluß mit dem Königreich Italien hinauslaufenden Lösung geneigt. Nur wünsche er gewisse kleine Ände¬ rungen in den ihm zugestandenen Rechten und Befugnissen, darunter eine größere Freiheit bei der Ernennung der Bischöfe, das Eigentumsrecht an den vatikanischen Palästen, statt ihrer bloßen Nutznießung, nicht zuletzt eine Modifizierung der ihm reservierten finanziellen Bezüge, damit sie nicht wie eine Besoldung von selten Italiens erschienen. Dabei soll sogar die Aufhebung der selbstgewählten Ge- fangenschcist des Papstes in Erwägung gezogen werden, gemäß dringenden Wünschen, die in katholischen Kreisen mehr und mehr an Boden gewinnen. Hin¬ gegen gehöre die territoriale Forderung eines Seehafens und des zu ihm reichenden Korridors in das Reich der Fabel. Diese Ausführungen des „Giornale d'Italia" und ähnlicher anderer Blätter hinsichtlich einer Neuorientierung des Vatikans lehnte das Organ des letzteren, der „Osservatore Romano", in Bausch und Bogen, als phantastisch und nicht ernst zu nehmen, ab. Das gleiche Schicksal, nur in schärferen Formen, hatte auch die Anregung jenes Sonnino-Vlattes, die diplomatischen Vertretungen beim Heiligen Stuhle mit denen beim Quirinal zu vereinigen; um die damals befürchtete Er- richiung eitler amerikanischen Vertretung beim Vatikan zu hintertreiben, wäre diesem ein wertvolles Souveränitätsrecht entzogen worden! Zu weitgehend und augenscheinlich unberechtigt waren die Auslassungen der „l'Jnformcttion" vom 28. Dezember über einen Verzicht des Heiligen Stuhles, an der Friedenskonferenz teilzunehmen, der den Zweck habe, den katholischen Gruppen in Italien völlige Aktionsfreiheit bei ihren politischen Handlungen zu lassen. Da ward der Besuch des Präsidenten der Vereinigten Staaten Nordamerikas, Woodrow Wilson, bei Papst Benedikt dein Fünfzehnten.am 4. Januar 19 !9 Ereignis. Daß der angeblich vom Papst gewünschte Besuch, auf Grund der offiziellen Ankündi¬ gung von feiten der amerikanischen Botschaft, im Vatikan mit großer Spannung erwartet werde, verriet der „Secolo" vom 3. Januar. Denn nach guten Imso»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/138>, abgerufen am 12.11.2024.