Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.Lin Bericht über Frauenbostrebungen der Gegenwart Die gleiche Forderung kehrt nun wieder, wenn wir den Kreis der mit der Es find jedoch nicht jene in den erwähnten und ähnlichen mittleren Berufen Lin Bericht über Frauenbostrebungen der Gegenwart Die gleiche Forderung kehrt nun wieder, wenn wir den Kreis der mit der Es find jedoch nicht jene in den erwähnten und ähnlichen mittleren Berufen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0124" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335534"/> <fw type="header" place="top"> Lin Bericht über Frauenbostrebungen der Gegenwart</fw><lb/> <p xml:id="ID_477"> Die gleiche Forderung kehrt nun wieder, wenn wir den Kreis der mit der<lb/> Hand arbeitenden Frauen verlassen und uns den mechanischen Geistesarbeiterinnen<lb/> zuwenden, zu denen ein großer Teil der Privatangestellten und Beamtinnen zu<lb/> rechnen ist. Die Mechanisierung der Arbeit hat nicht nur die Industrie ergriffen,<lb/> sie zieht vielmehr überall in Handel und Wandel immer weitere Kreise, und mit<lb/> der Zunahme der Mechanisierung läuft die Verwendung der weiblichen Arbeitskraft<lb/> parallel. Bekanntlich können selbst weite Gebiete der wissenschaftlichen Forschung<lb/> die mehr oder weniger mechanisch arbeitende Hilfskraft nicht mehr entbehren.<lb/> Wir haben deshalb ein großes Heer von Bakteriologinnen, Chemotechniterinnen,<lb/> Röntgeliassistentinnen und sonstigen „wissenschaftlichen Hilfsarbeiterinnen", das sich<lb/> während des Krieges erheblich vergrößert hat, dessen qualitative Leistungen aber<lb/> wohl infolge allzu flüchtiger Ausbildung im großen und ganzen gesunken sind.<lb/> Im Handel hat die Mechanisierung der Arbeit durch Verwendung der Schreib¬<lb/> maschine und der Kurzschrift und die durch den Großbetrieb ermöglichte Arbeits¬<lb/> teilung die Nutzung weiblicher Arbeitskräfte in großem Maßstab bewirkt. Während<lb/> des Krieges hat sie noch erheblich zugenommen, doch ist als Neuerung lediglich<lb/> die ausgiebige Beanspruchung von Frauen durch die Banken zu verzeichnen. Vor<lb/> dem Kriege waren sie dort seltene Erscheinungen. Trotzdem die männlichen Kollegen<lb/> ihren Eintritt ungern sahen, werden sie nicht wieder verschwinden, um so weniger<lb/> als mit der Einstellung von ordnungsmäßigen weiblichen Banklehrlingen begonnen<lb/> worden ist, denen nach dreijähriger Lehrzeit grundsätzlich alle Aufstiegsmöglichkeiten<lb/> offen stehen. Ist hierdurch die gediegene Vorbildung als Voraussetzung einer<lb/> zweckmäßigen Auswertung der Frauenkraft anerkannt worden, so muß die Forderung<lb/> nach einer Reform der Verufsvorbildung und zwar nach gleicher Ausbildung beider<lb/> Geschlechter und entsprechendem Aufstieg ganz allgemein für alle Zweige der kauf¬<lb/> männischen Berufe erhoben werden, woraus dann die Folgerungen in betreff der<lb/> Enilohnung zu ziehen sind. Leider kämpft der Mann gegen die Frauenarbeit als<lb/> solche, statt gegen die für die Gesamtheit der Angestellten schädlichen Bedingungen,<lb/> unter denen sie erfolgt. Deshalb ist es die Hauptaufgabe der Zukunft, hier<lb/> Abhilfe zu schaffen, gegen die etwa sozialhhgienische und fürsorgliche Maßnahmen<lb/> der Sachlage gemäß zurücktreten können. Die llberfüllung des kaufmännischen<lb/> Berufs ist groß, dennoch werden ihm immer neue Scharen junger Mädchen<lb/> zustreben, denn es ist nicht jeder gegeben, sich in einem der sogenannten „weiblichen"<lb/> Berufe, als Kindergärtnerin, Hortnerin, Jugendleiterin, Elementarlehrerin, Kranken¬<lb/> pflegerin, Sozialbeamtin usw. mit innerer Anieilnahme zu betätigen. Wer aber<lb/> keine Neigung zu diesen Berufen hat, soll sie um der hilfsbedürftigen und leidenden<lb/> Menschheit willen meiden. An und für sich stößt die Frau hier naturgemäß am<lb/> wenigsten auf Hindernisse, wenn schon in bezug auf Ausbildung, soziale Stellung,<lb/> Entlohnung u. a. in. berechtigte Ansprüche auf Besserung erhoben werden, ins¬<lb/> besondere auch gegen die während der Kriegszeit um des dringenden Bedarfs<lb/> willen allzu schnell und demgemäß ungenügend vorgebildeten Kräfte protestiert<lb/> wird, deren ungehemmte Betätigung geeignet ist, das Vertrauen des Publikums<lb/> zu den Angehörigen dieser wichtigen Berufe zu untergraben.</p><lb/> <p xml:id="ID_478"> Es find jedoch nicht jene in den erwähnten und ähnlichen mittleren Berufen<lb/> wirkenden mehr oder weniger gebildeten Frauen, die ein soziales Problem unserer<lb/> Zeit bedeuten. Für sie handelt es sich zum großen Teil um berufständuche Fragen,<lb/> die -freilich mit der Konkurrenz der Geschlechter und damit dem Heiratsproblem in<lb/> engem Zusammenhang stehen, aber nicht unmittelbar an die tiefsten Nöte des<lb/> Volkslebens greifen. Steht ihre Tätigkeit einerseits unter zum Teil ganz anderen<lb/> wirtschaftlichen und sozialen Gesetzen als das der Industriearbeitern und Land-<lb/> mbeiterm und ist daher in ihrer Rückwirkung auf die Lebensbedingungen der<lb/> Gesamtheit weniger folgenschwer, so erreicht sie anderseits nicht das kulturelle<lb/> Gewicht, das dem Wollen und Wirken der in höheren geistigen Berufen arbeitenden<lb/> Frauen eigen ist. Deshalb wird erst die höhere Fräuenberufsarbeit wieder zum<lb/> bevorzugten Gegenstand der Erörterung von Politikern und Ärzten, aber auch von<lb/> Philosophen und Psychologen, kurz von allen, die an der Kulturentwicklung<lb/> bewußten Anteil nehmen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0124]
Lin Bericht über Frauenbostrebungen der Gegenwart
Die gleiche Forderung kehrt nun wieder, wenn wir den Kreis der mit der
Hand arbeitenden Frauen verlassen und uns den mechanischen Geistesarbeiterinnen
zuwenden, zu denen ein großer Teil der Privatangestellten und Beamtinnen zu
rechnen ist. Die Mechanisierung der Arbeit hat nicht nur die Industrie ergriffen,
sie zieht vielmehr überall in Handel und Wandel immer weitere Kreise, und mit
der Zunahme der Mechanisierung läuft die Verwendung der weiblichen Arbeitskraft
parallel. Bekanntlich können selbst weite Gebiete der wissenschaftlichen Forschung
die mehr oder weniger mechanisch arbeitende Hilfskraft nicht mehr entbehren.
Wir haben deshalb ein großes Heer von Bakteriologinnen, Chemotechniterinnen,
Röntgeliassistentinnen und sonstigen „wissenschaftlichen Hilfsarbeiterinnen", das sich
während des Krieges erheblich vergrößert hat, dessen qualitative Leistungen aber
wohl infolge allzu flüchtiger Ausbildung im großen und ganzen gesunken sind.
Im Handel hat die Mechanisierung der Arbeit durch Verwendung der Schreib¬
maschine und der Kurzschrift und die durch den Großbetrieb ermöglichte Arbeits¬
teilung die Nutzung weiblicher Arbeitskräfte in großem Maßstab bewirkt. Während
des Krieges hat sie noch erheblich zugenommen, doch ist als Neuerung lediglich
die ausgiebige Beanspruchung von Frauen durch die Banken zu verzeichnen. Vor
dem Kriege waren sie dort seltene Erscheinungen. Trotzdem die männlichen Kollegen
ihren Eintritt ungern sahen, werden sie nicht wieder verschwinden, um so weniger
als mit der Einstellung von ordnungsmäßigen weiblichen Banklehrlingen begonnen
worden ist, denen nach dreijähriger Lehrzeit grundsätzlich alle Aufstiegsmöglichkeiten
offen stehen. Ist hierdurch die gediegene Vorbildung als Voraussetzung einer
zweckmäßigen Auswertung der Frauenkraft anerkannt worden, so muß die Forderung
nach einer Reform der Verufsvorbildung und zwar nach gleicher Ausbildung beider
Geschlechter und entsprechendem Aufstieg ganz allgemein für alle Zweige der kauf¬
männischen Berufe erhoben werden, woraus dann die Folgerungen in betreff der
Enilohnung zu ziehen sind. Leider kämpft der Mann gegen die Frauenarbeit als
solche, statt gegen die für die Gesamtheit der Angestellten schädlichen Bedingungen,
unter denen sie erfolgt. Deshalb ist es die Hauptaufgabe der Zukunft, hier
Abhilfe zu schaffen, gegen die etwa sozialhhgienische und fürsorgliche Maßnahmen
der Sachlage gemäß zurücktreten können. Die llberfüllung des kaufmännischen
Berufs ist groß, dennoch werden ihm immer neue Scharen junger Mädchen
zustreben, denn es ist nicht jeder gegeben, sich in einem der sogenannten „weiblichen"
Berufe, als Kindergärtnerin, Hortnerin, Jugendleiterin, Elementarlehrerin, Kranken¬
pflegerin, Sozialbeamtin usw. mit innerer Anieilnahme zu betätigen. Wer aber
keine Neigung zu diesen Berufen hat, soll sie um der hilfsbedürftigen und leidenden
Menschheit willen meiden. An und für sich stößt die Frau hier naturgemäß am
wenigsten auf Hindernisse, wenn schon in bezug auf Ausbildung, soziale Stellung,
Entlohnung u. a. in. berechtigte Ansprüche auf Besserung erhoben werden, ins¬
besondere auch gegen die während der Kriegszeit um des dringenden Bedarfs
willen allzu schnell und demgemäß ungenügend vorgebildeten Kräfte protestiert
wird, deren ungehemmte Betätigung geeignet ist, das Vertrauen des Publikums
zu den Angehörigen dieser wichtigen Berufe zu untergraben.
Es find jedoch nicht jene in den erwähnten und ähnlichen mittleren Berufen
wirkenden mehr oder weniger gebildeten Frauen, die ein soziales Problem unserer
Zeit bedeuten. Für sie handelt es sich zum großen Teil um berufständuche Fragen,
die -freilich mit der Konkurrenz der Geschlechter und damit dem Heiratsproblem in
engem Zusammenhang stehen, aber nicht unmittelbar an die tiefsten Nöte des
Volkslebens greifen. Steht ihre Tätigkeit einerseits unter zum Teil ganz anderen
wirtschaftlichen und sozialen Gesetzen als das der Industriearbeitern und Land-
mbeiterm und ist daher in ihrer Rückwirkung auf die Lebensbedingungen der
Gesamtheit weniger folgenschwer, so erreicht sie anderseits nicht das kulturelle
Gewicht, das dem Wollen und Wirken der in höheren geistigen Berufen arbeitenden
Frauen eigen ist. Deshalb wird erst die höhere Fräuenberufsarbeit wieder zum
bevorzugten Gegenstand der Erörterung von Politikern und Ärzten, aber auch von
Philosophen und Psychologen, kurz von allen, die an der Kulturentwicklung
bewußten Anteil nehmen.
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