Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.Zur Neugestaltung des Veutschcn Volksstaates Demokratie, der Volksstaat aber lehrt uns doch Wohl ein anderes! Der Deutsche- Es ist jetzt die Rede vom Abschaffen z. B. der thüringischen Kleinstaaten; Wie nun aber, wenn an die Stelle dieser verschwindenden zweiten Vater- Zur Neugestaltung des Veutschcn Volksstaates Demokratie, der Volksstaat aber lehrt uns doch Wohl ein anderes! Der Deutsche- Es ist jetzt die Rede vom Abschaffen z. B. der thüringischen Kleinstaaten; Wie nun aber, wenn an die Stelle dieser verschwindenden zweiten Vater- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0076" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335258"/> <fw type="header" place="top"> Zur Neugestaltung des Veutschcn Volksstaates</fw><lb/> <p xml:id="ID_316" prev="#ID_315"> Demokratie, der Volksstaat aber lehrt uns doch Wohl ein anderes! Der Deutsche-<lb/> Volksstaat — möchte er doch so und nicht Republik genannt werden! — kann<lb/> ohne Mnerdeutsche Einzelstarten mit Selbstregierung im bisherigen Sinne sehr<lb/> wohl gedacht werden: Einheitlichkeit in den "wichtigsten Elementen des Staates,<lb/> z. B. in dem Maß der Unterordnung unter die Zentralbehörden des Reichs, in<lb/> den Gesetzen, im Ergiehungs-, Titel- und Anstellungswesen, wo es jetzt überall<lb/> chinesische Mauern gibt, im Steuevwesen, im Staatsbürgerrecht. Durch Auf¬<lb/> hebung gerade der Sonderbürgerrechte würden heute bestehende und gerade in<lb/> diesen Tagen wieder lebendige leidige und neidige Gegensätze einem großen<lb/> ideellen Gewinn für die Gesamtheit weichen. An die Stelle der als Regierungen<lb/> wirkenden Landesversammlungen müßten solche treten, die den Provinzialland-<lb/> tagen entsprächen. Dabei spielt freilich leine entscheidende Rolle die Gestaltung der<lb/> Einzellänider, aus denen das Reich bestehen würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_317"> Es ist jetzt die Rede vom Abschaffen z. B. der thüringischen Kleinstaaten;<lb/> man spricht von einer Teilung Preußens und andererseits von Verbindungen,<lb/> die zu natürlicheren Teilstaatsgebilden führen würden.. Es ist sehr ernstlich zu<lb/> erwägen, wie man dabei am besten zum Ziele komme,: würde. Es wäre ja ein<lb/> Segen, wenn von den fünfundzwanzig Staaten die kleinsten endlich verschwinden<lb/> würden. Es ist ein ungeheurer Fortschritt schon dadurch anaebahnt, dnß man<lb/> sich in diesem unsrem Deutschland überhaupt -— und wie es scheint, über alles<lb/> Erwarten rasch! — daran gewöhnt, zu begreifen, daß das Heil gewisser Gebiete<lb/> und Städte (z. B. Erfurt) nicht an der Zugehörigkeit zu dem bisherigen Teil¬<lb/> staat hängt; daß die ungeschichtlichen, meist durch dynastische Eroberungen und'<lb/> Feilschereien bis 1815 festgelegten Landesgrenzen auch durchbrochen und<lb/> geändert werden können. Wenn nun die kleinsten verschwinden, und mit ihnen<lb/> ihre unverhältnismäßig wichtigen Bundesratsstimmen (oder wie das im neuen<lb/> Reich heißen würde), — gibt es damit nicht mit einem Schlag ebensoviel weniger<lb/> Reibungen und Hemmungen? Das ist doch klar. Wird dadurch nicht auch aller¬<lb/> hand schönes Geld für sehr überflüssige Minister- und Präsidentenstühlchen und'<lb/> dergleichen gespart, die bis jetzt für unerläßlich galten? Seien wir doch ehrlich!<lb/> Der neue Geist, der sich da regt und ungeschmäht rufen darf: Weg damit! ist ein<lb/> großer Gewinn für die deutsche Einheit und damit für das künftige Deutsche'<lb/> Reich und Volk!</p><lb/> <p xml:id="ID_318"> Wie nun aber, wenn an die Stelle dieser verschwindenden zweiten Vater-<lb/> ländchen, die doch in vielem recht abhängig waren, fast ebensoviele größere<lb/> selbständige Einzelstaaten, namentlich aber auch auf Kosten Preußens, träten?<lb/> Da würden bald noch ganz andre Neibungsslächen, viel größere Schwierigkeiten<lb/> und viel größere Gefahren für einen Bestand des Reiches entstehen, als bisher!<lb/> Das müssen wir uns ganz klar machen. Man hatte in Deutschland bisher ein<lb/> durch PartiLularismüs diktiertes, lebhaftes „Aber" gegen alles, was<lb/> Zentralisation durch Preußen betraf, das eine auffangende Wirkung zu haben<lb/> zentrifugale Strömungen im Reiche. Seien wir auf -der Hut, ehe wir hier rufen:<lb/> Weg damit! Es find Mächte am Werk, die uns ganz insgeheim spalten wollen;<lb/> aber nicht aus deutschem Geist. Sei es gerade herausgesagt: Rom, dem das<lb/> protestantische Deutschland.verdammenswert ist, Rom ist heute schon am Werk!<lb/> Wir spüren es in Bayern schon lange, und neuerdings deutlich in Rheinland<lb/> und Westfalen. Je mehr größere, selbständige Volksstaaten Deutschland jedoch<lb/> enthält, ohne ein leitendes Hauptland, das auch Macht in die Wagschale werfen<lb/> kann, um so leichter werden die uns feindlichen Mächte ihr trennendes Spiel<lb/> auch in Zukunft spielen. — Andrerseits muß aber eine Vermehrung größerer<lb/> (selbständiger) Staaten die ganze Reichsmaschine aufs neue bedenklich hemmen<lb/> und belasten. Je größer an Gebiet die Teilstaaten, um so näher liegend sind<lb/> Svnderbunds'bestrebungen (Mainlinie!); um so heftiger die Geltendmachung^<lb/> „eigener Interessen" gegen die der'übrigen; daher um so weniger Einheitlichkeit,<lb/> der Interessen; und demgemäß auch um so weniger nationale Einheit, nationales..<lb/> Bewußtsein.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0076]
Zur Neugestaltung des Veutschcn Volksstaates
Demokratie, der Volksstaat aber lehrt uns doch Wohl ein anderes! Der Deutsche-
Volksstaat — möchte er doch so und nicht Republik genannt werden! — kann
ohne Mnerdeutsche Einzelstarten mit Selbstregierung im bisherigen Sinne sehr
wohl gedacht werden: Einheitlichkeit in den "wichtigsten Elementen des Staates,
z. B. in dem Maß der Unterordnung unter die Zentralbehörden des Reichs, in
den Gesetzen, im Ergiehungs-, Titel- und Anstellungswesen, wo es jetzt überall
chinesische Mauern gibt, im Steuevwesen, im Staatsbürgerrecht. Durch Auf¬
hebung gerade der Sonderbürgerrechte würden heute bestehende und gerade in
diesen Tagen wieder lebendige leidige und neidige Gegensätze einem großen
ideellen Gewinn für die Gesamtheit weichen. An die Stelle der als Regierungen
wirkenden Landesversammlungen müßten solche treten, die den Provinzialland-
tagen entsprächen. Dabei spielt freilich leine entscheidende Rolle die Gestaltung der
Einzellänider, aus denen das Reich bestehen würde.
Es ist jetzt die Rede vom Abschaffen z. B. der thüringischen Kleinstaaten;
man spricht von einer Teilung Preußens und andererseits von Verbindungen,
die zu natürlicheren Teilstaatsgebilden führen würden.. Es ist sehr ernstlich zu
erwägen, wie man dabei am besten zum Ziele komme,: würde. Es wäre ja ein
Segen, wenn von den fünfundzwanzig Staaten die kleinsten endlich verschwinden
würden. Es ist ein ungeheurer Fortschritt schon dadurch anaebahnt, dnß man
sich in diesem unsrem Deutschland überhaupt -— und wie es scheint, über alles
Erwarten rasch! — daran gewöhnt, zu begreifen, daß das Heil gewisser Gebiete
und Städte (z. B. Erfurt) nicht an der Zugehörigkeit zu dem bisherigen Teil¬
staat hängt; daß die ungeschichtlichen, meist durch dynastische Eroberungen und'
Feilschereien bis 1815 festgelegten Landesgrenzen auch durchbrochen und
geändert werden können. Wenn nun die kleinsten verschwinden, und mit ihnen
ihre unverhältnismäßig wichtigen Bundesratsstimmen (oder wie das im neuen
Reich heißen würde), — gibt es damit nicht mit einem Schlag ebensoviel weniger
Reibungen und Hemmungen? Das ist doch klar. Wird dadurch nicht auch aller¬
hand schönes Geld für sehr überflüssige Minister- und Präsidentenstühlchen und'
dergleichen gespart, die bis jetzt für unerläßlich galten? Seien wir doch ehrlich!
Der neue Geist, der sich da regt und ungeschmäht rufen darf: Weg damit! ist ein
großer Gewinn für die deutsche Einheit und damit für das künftige Deutsche'
Reich und Volk!
Wie nun aber, wenn an die Stelle dieser verschwindenden zweiten Vater-
ländchen, die doch in vielem recht abhängig waren, fast ebensoviele größere
selbständige Einzelstaaten, namentlich aber auch auf Kosten Preußens, träten?
Da würden bald noch ganz andre Neibungsslächen, viel größere Schwierigkeiten
und viel größere Gefahren für einen Bestand des Reiches entstehen, als bisher!
Das müssen wir uns ganz klar machen. Man hatte in Deutschland bisher ein
durch PartiLularismüs diktiertes, lebhaftes „Aber" gegen alles, was
Zentralisation durch Preußen betraf, das eine auffangende Wirkung zu haben
zentrifugale Strömungen im Reiche. Seien wir auf -der Hut, ehe wir hier rufen:
Weg damit! Es find Mächte am Werk, die uns ganz insgeheim spalten wollen;
aber nicht aus deutschem Geist. Sei es gerade herausgesagt: Rom, dem das
protestantische Deutschland.verdammenswert ist, Rom ist heute schon am Werk!
Wir spüren es in Bayern schon lange, und neuerdings deutlich in Rheinland
und Westfalen. Je mehr größere, selbständige Volksstaaten Deutschland jedoch
enthält, ohne ein leitendes Hauptland, das auch Macht in die Wagschale werfen
kann, um so leichter werden die uns feindlichen Mächte ihr trennendes Spiel
auch in Zukunft spielen. — Andrerseits muß aber eine Vermehrung größerer
(selbständiger) Staaten die ganze Reichsmaschine aufs neue bedenklich hemmen
und belasten. Je größer an Gebiet die Teilstaaten, um so näher liegend sind
Svnderbunds'bestrebungen (Mainlinie!); um so heftiger die Geltendmachung^
„eigener Interessen" gegen die der'übrigen; daher um so weniger Einheitlichkeit,
der Interessen; und demgemäß auch um so weniger nationale Einheit, nationales..
Bewußtsein.
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