Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.Zur volkshochschnlfrage Viele llbelstände des Einzelvortrags werden nun durch Vortragsreihen ver¬ Denn es handelt sich hier gewiß nicht bloß um einheitliche Kurse für solch", Zur volkshochschnlfrage Viele llbelstände des Einzelvortrags werden nun durch Vortragsreihen ver¬ Denn es handelt sich hier gewiß nicht bloß um einheitliche Kurse für solch«, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0035" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335217"/> <fw type="header" place="top"> Zur volkshochschnlfrage</fw><lb/> <p xml:id="ID_156"> Viele llbelstände des Einzelvortrags werden nun durch Vortragsreihen ver¬<lb/> mieden, die freilich meist nur von einem am Ort ansässigen Redner abgehalten und<lb/> durch die stete Möglichkeit der Rückfrage fruchtbar gemacht werden können. So haben<lb/> sich denn in den Universitätsstädten vielfach Vereinigungen von Hochschullehrern<lb/> nach dem Vorbilde der englischen „vniversit^ Kxtension" gebildet, um in den<lb/> Abendstunden sich an weitere Kreise zu wenden. Damit ist' viel gutes geleistet<lb/> worden, aber ich bezweifle, ob es auf die Dauer genügen kann. Unsere Universitäts¬<lb/> lehrer müssen auf ihre Pflichtvorlesungen und vor allem auf die notwendige Vor¬<lb/> bereitung im engeren und im weitesten Sinne (d. h. ans ihre wissenschaftliche<lb/> Forschung) ein solches Maß von Arbeitskraft verwenden, und die Anforderungen,<lb/> die eine studentische Zuhörerschaft an sie stellt, sind von denen der Abendkurse so<lb/> verschieden, daß man ein so plötzliches Anstellen von ihnen nicht verlangen kann<lb/> und die Vorträge gerade der besten Universitätslehrer nicht immer Höchstleistungen<lb/> auf dem Gebiet der Vvlsbiloung bedeuten. Das Volkshochschulwesen aber er-<lb/> fordert die volle Kraft des Lehrers (oder der Lehrerin!) und sollte darum nicht<lb/> im Nebenamt, sondern als hauptamtliche, voll gewürdigte und dementsprechend<lb/> bezahlte Tätigkeit ausgeübt werden. Dann erst kann die Volkshochschule den<lb/> wichtigen und mannigfaltigen Aufgaben gerecht werden, die ihrer harren.</p><lb/> <p xml:id="ID_157" next="#ID_158"> Denn es handelt sich hier gewiß nicht bloß um einheitliche Kurse für solch«,<lb/> die eben erst die Volksschule verlassen haben und Fortbildung Sünderin Mittel-<lb/> Punkt jedes Noltsschulunterneymens wird immer die geistig strebende<lb/> Arbeiterschaft stehen. Diese aber weist, wie ich als langjähriger Lehrer in<lb/> Arbeilerbiidnngsknrsen versichern kann, ganz außerordentliche Verschiedenheiten in<lb/> den geistigen Voraussetzungen.und Anforderungen auf. Die Volkshochschule soll<lb/> sie alle berücksichtigen und soll einzeln e Hörer bis unmittelbar zur Universitätsbildung<lb/> hinfuhren. Ja, es schadet nicht/ wenn solche Einrichtungen an Orten, wo keine<lb/> Universitäten bestehen (und dahin gehören sie vor allen Dingen!) eine Art Vor-<lb/> scminar für den Hochschulunterricht im engsten Sinne darstellen, und wenn sie<lb/> endlich (was für den Unterrichtenden vielleicht der schönste Lohn für seine auf-<lb/> reibende Tätigkeit wäre), diejenigen, die von der Hochschule kommen, vor allem<lb/> etwa den Arzt, den Juristen, den Oberlehrer, auch den Geistlichen in stetem Zu¬<lb/> sammenhange mit den Fortschritte» seiner Wissenschaft und des wissenschaftlichen<lb/> Lebens überhaupt halten könnten. Wir haben gerade in Posen die Freude gehabt,<lb/> „junge Semester" in großer Zahl in das philologische Studium einzuführen,<lb/> denn den Studierenden des Deutschen und der neueren Sprachen wurden an<lb/> deutschen Universitäten zwei Posener Halbjahre voll angerechnet und mancher<lb/> junge Student ist aus unseren Übungen unmittelbar in die Seminare großer<lb/> deutscher Hochschulen hinübergerutscht; wir dursten uns aber auch rühmen. Fach¬<lb/> genossen in Amt und Würden, vor allem deutsche Oberlehrer, Richter und Ärzte<lb/> in unseren Vorlesungen und Übungen zu sehen und haben damit einer Aufgabe<lb/> vorgearbeitet, auf deren Notwendigkeit gerade heut mit vollem Recht nachdrücklich<lb/> hingewiesen wird: der dauernden Fortbildung des höheren Lehrers und Beamten,<lb/> dein steten Zusammenhange zwischen Wissenschaft und Praxis, «soweit also sollte<lb/> eine gute Volkshochschule reichen. Sie wird keine eigentliche Fachbildung geben,<lb/> auch keine seichte „Allgemeinbildung" anstreben wollen, sondern es dem einzelnen<lb/> ermöglichen, nach Maßstab seiner Kräfte und nach dein Leitfaden seiner Neigungen<lb/> sich in einzelnen Wissensgebieten gründlicher umzusehen. Dadurch aber wird es<lb/> ihm ermöglicht werden, nicht bloß zu seinem eigenen Heil über die Vildungsphrase<lb/> hinauszukommen, sondern vor allem die Kenntnisse, die sein Fach von ihm er¬<lb/> fordert, wirklich zu vertiefen, seine Lebensarbeit von höheren Gesichtspunkten aufzu¬<lb/> fassen, fiel bewußt in den Dienst der gesamten Kulturarbeit zu stellen, und nicht<lb/> bloß als Fachmensch, sondern als Mitglied einer freien Volksgemeinschaft „Quali¬<lb/> tätsarbeit" zu leisten, ohne die wir Deutsche nun einmal in Zukunft nicht mehr<lb/> werden bestehen können. Was kann eine gute Voltshochschule dem technischen<lb/> Arbeiter, was kann sie dem jungen Kaufmann, was dem bildungshungrigen<lb/> Bolksschullehrer geben, der, wie die Dinge noch liegen, mit seiner Seminarbildung,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0035]
Zur volkshochschnlfrage
Viele llbelstände des Einzelvortrags werden nun durch Vortragsreihen ver¬
mieden, die freilich meist nur von einem am Ort ansässigen Redner abgehalten und
durch die stete Möglichkeit der Rückfrage fruchtbar gemacht werden können. So haben
sich denn in den Universitätsstädten vielfach Vereinigungen von Hochschullehrern
nach dem Vorbilde der englischen „vniversit^ Kxtension" gebildet, um in den
Abendstunden sich an weitere Kreise zu wenden. Damit ist' viel gutes geleistet
worden, aber ich bezweifle, ob es auf die Dauer genügen kann. Unsere Universitäts¬
lehrer müssen auf ihre Pflichtvorlesungen und vor allem auf die notwendige Vor¬
bereitung im engeren und im weitesten Sinne (d. h. ans ihre wissenschaftliche
Forschung) ein solches Maß von Arbeitskraft verwenden, und die Anforderungen,
die eine studentische Zuhörerschaft an sie stellt, sind von denen der Abendkurse so
verschieden, daß man ein so plötzliches Anstellen von ihnen nicht verlangen kann
und die Vorträge gerade der besten Universitätslehrer nicht immer Höchstleistungen
auf dem Gebiet der Vvlsbiloung bedeuten. Das Volkshochschulwesen aber er-
fordert die volle Kraft des Lehrers (oder der Lehrerin!) und sollte darum nicht
im Nebenamt, sondern als hauptamtliche, voll gewürdigte und dementsprechend
bezahlte Tätigkeit ausgeübt werden. Dann erst kann die Volkshochschule den
wichtigen und mannigfaltigen Aufgaben gerecht werden, die ihrer harren.
Denn es handelt sich hier gewiß nicht bloß um einheitliche Kurse für solch«,
die eben erst die Volksschule verlassen haben und Fortbildung Sünderin Mittel-
Punkt jedes Noltsschulunterneymens wird immer die geistig strebende
Arbeiterschaft stehen. Diese aber weist, wie ich als langjähriger Lehrer in
Arbeilerbiidnngsknrsen versichern kann, ganz außerordentliche Verschiedenheiten in
den geistigen Voraussetzungen.und Anforderungen auf. Die Volkshochschule soll
sie alle berücksichtigen und soll einzeln e Hörer bis unmittelbar zur Universitätsbildung
hinfuhren. Ja, es schadet nicht/ wenn solche Einrichtungen an Orten, wo keine
Universitäten bestehen (und dahin gehören sie vor allen Dingen!) eine Art Vor-
scminar für den Hochschulunterricht im engsten Sinne darstellen, und wenn sie
endlich (was für den Unterrichtenden vielleicht der schönste Lohn für seine auf-
reibende Tätigkeit wäre), diejenigen, die von der Hochschule kommen, vor allem
etwa den Arzt, den Juristen, den Oberlehrer, auch den Geistlichen in stetem Zu¬
sammenhange mit den Fortschritte» seiner Wissenschaft und des wissenschaftlichen
Lebens überhaupt halten könnten. Wir haben gerade in Posen die Freude gehabt,
„junge Semester" in großer Zahl in das philologische Studium einzuführen,
denn den Studierenden des Deutschen und der neueren Sprachen wurden an
deutschen Universitäten zwei Posener Halbjahre voll angerechnet und mancher
junge Student ist aus unseren Übungen unmittelbar in die Seminare großer
deutscher Hochschulen hinübergerutscht; wir dursten uns aber auch rühmen. Fach¬
genossen in Amt und Würden, vor allem deutsche Oberlehrer, Richter und Ärzte
in unseren Vorlesungen und Übungen zu sehen und haben damit einer Aufgabe
vorgearbeitet, auf deren Notwendigkeit gerade heut mit vollem Recht nachdrücklich
hingewiesen wird: der dauernden Fortbildung des höheren Lehrers und Beamten,
dein steten Zusammenhange zwischen Wissenschaft und Praxis, «soweit also sollte
eine gute Volkshochschule reichen. Sie wird keine eigentliche Fachbildung geben,
auch keine seichte „Allgemeinbildung" anstreben wollen, sondern es dem einzelnen
ermöglichen, nach Maßstab seiner Kräfte und nach dein Leitfaden seiner Neigungen
sich in einzelnen Wissensgebieten gründlicher umzusehen. Dadurch aber wird es
ihm ermöglicht werden, nicht bloß zu seinem eigenen Heil über die Vildungsphrase
hinauszukommen, sondern vor allem die Kenntnisse, die sein Fach von ihm er¬
fordert, wirklich zu vertiefen, seine Lebensarbeit von höheren Gesichtspunkten aufzu¬
fassen, fiel bewußt in den Dienst der gesamten Kulturarbeit zu stellen, und nicht
bloß als Fachmensch, sondern als Mitglied einer freien Volksgemeinschaft „Quali¬
tätsarbeit" zu leisten, ohne die wir Deutsche nun einmal in Zukunft nicht mehr
werden bestehen können. Was kann eine gute Voltshochschule dem technischen
Arbeiter, was kann sie dem jungen Kaufmann, was dem bildungshungrigen
Bolksschullehrer geben, der, wie die Dinge noch liegen, mit seiner Seminarbildung,
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