Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.Arbeit! lernt und hierdurch seiner eigenen Betätigung diejenige Weihe gibt, die sie ihm Sei es an diesen Beispielen genug! Die so dachten und schrieben, das Weshalb ich heute alte Erinnerungen ausgrabe? Weil ich es an der Zeit Damals, vor acht Jahren, stand unsere denische Industrie nach einer Periode Arbeit! Arbeit I so schallt es auch heute als Mahnruf. Arbeit, nicht um Das Gebot der Stunde ist Arbeit. Wenn wir unsere VetriebsstäLten nicht Mangel, Hunger, Elend, Zerfleischung, Sklaverei, Tod pochen an unsere Arbeit! lernt und hierdurch seiner eigenen Betätigung diejenige Weihe gibt, die sie ihm Sei es an diesen Beispielen genug! Die so dachten und schrieben, das Weshalb ich heute alte Erinnerungen ausgrabe? Weil ich es an der Zeit Damals, vor acht Jahren, stand unsere denische Industrie nach einer Periode Arbeit! Arbeit I so schallt es auch heute als Mahnruf. Arbeit, nicht um Das Gebot der Stunde ist Arbeit. Wenn wir unsere VetriebsstäLten nicht Mangel, Hunger, Elend, Zerfleischung, Sklaverei, Tod pochen an unsere <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0033" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335215"/> <fw type="header" place="top"> Arbeit!</fw><lb/> <p xml:id="ID_145" prev="#ID_144"> lernt und hierdurch seiner eigenen Betätigung diejenige Weihe gibt, die sie ihm<lb/> zur Lebensfreude werden lktzt. Der wirtschaftliche Wettbewerb der Völker setzt<lb/> solche gehobene Seelenkraft voraus. Das gesamte Kulturleben kaun nur dann<lb/> zur höchsten Entwicklung gelangen, wenn dieser Geist in der Lebensarbeit des<lb/> einzelnen sich betätigt. Die Idee, hohe menschliche Qualität zu schaffen, findet<lb/> gerade in der Arbeit des Alltags ihre prägnanteste Verkörperung. Sie ist es,<lb/> die die Erziehung zur Menschenwürde in sich birgt, im Menschen die Erkenntnis<lb/> seines Wertes als Kulturträger wachruft und ihn sonst bestimmt, sein bestes für<lb/> die Menschheit hinzugeben."</p><lb/> <p xml:id="ID_146"> Sei es an diesen Beispielen genug! Die so dachten und schrieben, das<lb/> waren nicht Bourgeois, die mit schöngesetzten Worten den Arbeitern die Arbeit<lb/> rühmten, sondern Proletarier. Nicht Männer in „gehobenen" Stellungen mit<lb/> Wenn und Aber und Einerseits—Andrerseits; dafür hatten schon die Organisationen<lb/> durch die Auswahl der Neiseteilnehmer gesorgt. Nicht „wirtschaftsfriedliche",<lb/> nicht Nurarbeiter, sondern klassenbewußte Männer, unter denen sich viele über-<lb/> zeugte Sozialisten befanden. Auch dieser .linke Flügel vergasz in den Tagen<lb/> freudigen Schaffens und Schaums seine Überzeugungen nicht. Bei Beratung<lb/> eines Festabends erfuhr ich, durch frühere Erfahrungen gewitzigt, auf vorsorgliche<lb/> Anfrage, daß die Leiter der deutschen Abteilung, wie sonst üblich, Trinksprüche<lb/> auf Fürstlichkeiten plänkelt. Mein Wunsch konnte es nicht sein, daß unser har¬<lb/> monisches Zusammenleben durch Überraschung mit einer Formalität gestört werde,<lb/> die gerade in den sie. ausübenden Kreisen schon längst als inhaltlos und banal<lb/> erkannt und nur als eine rein äußerliche, doch unnmgüngliche höfische Verbeugung<lb/> betrieben wurde, die mechanisch nach oben hin Gesinnung zeigen, nach unten bin<lb/> Gesinnung erwecken sollte. Ich verhütete daher die Trinksprüche und machte so<lb/> einer großen Anzahl von Reisegenossen, die andernfalls dem Abend fernzubleiben<lb/> entschlossen waren, die Beteiligung möglich.</p><lb/> <p xml:id="ID_147"> Weshalb ich heute alte Erinnerungen ausgrabe? Weil ich es an der Zeit<lb/> halte, daran zu erinnern, mit wie vollen Tönen damals das hohe Lied von<lb/> deutscher Arbeit erklang, und von welcher Art die Männer waren, die es sangen.<lb/> Wer möchte so klemdenkend und vermessen sein zu sagen, das Häuflein sei eine<lb/> vom Zufall zusammengewehie Ausnahmeerscheimmg gewesen, deren Anschauungen<lb/> von Pflicht und Ehre.' Arbeit und Stolz und Vaterland von der geschulten,<lb/> mganisiertcn, ihres Wertes bewußten deutscheu Arbeiterschaft uicht geteilt wurde?<lb/> War und bin ich ein unbelehrbarer Jdeolog«, so nannte man mich, daß ich aus<lb/> dein Geiste der 120 badischen Männer auf den Geist der deutschen Arbeiterschaft<lb/> schloß und auf ihn meine Zukunftshoffnungcn baute? ></p><lb/> <p xml:id="ID_148"> Damals, vor acht Jahren, stand unsere denische Industrie nach einer Periode<lb/> beispielloser Entwicklung aus einem biSner unerreichten Gipfel der Leistungsfähig¬<lb/> keit. Mit berechtigtem Selbstbewußtsein stellten deutsche Proletarier auf der<lb/> großen Völkerschau zu Brüssel den Anteil der arbeitenden Hand an dem Er¬<lb/> rungenen fest und gelobten, daß es anch in Zukunft nicht an ihnen fehlen solle,<lb/> denn, so erkannten sie, zum Festhalten des Vorsprunges bedürfte es der Arbeit<lb/> oller, der Arbeit aller also auch im Dienste der Evolution, die nur in blühender<lb/> Industrie Gewähr für Dauer findet. Arbeit! Arbeit!</p><lb/> <p xml:id="ID_149"> Arbeit! Arbeit I so schallt es auch heute als Mahnruf. Arbeit, nicht um<lb/> den stolzen Turm von damals in die Wollen emporzuführen, sondern um auf<lb/> öder Trümmerstätte das Fundament zu legen für einen soliden Bau, ein neues<lb/> Gemeinwohl.</p><lb/> <p xml:id="ID_150"> Das Gebot der Stunde ist Arbeit. Wenn wir unsere VetriebsstäLten nicht<lb/> so rasch als möglich auf Erzeugung von Friedensgütern wieder einrichten, wenn<lb/> wir nicht produziere!,, dann sind wir verloren! denn wir können Nahrungsmittel<lb/> und sonst alles, was uns das Ausland etwa zu liefern gewillt ist, nur mit<lb/> Fabrikaten bezahlen.</p><lb/> <p xml:id="ID_151" next="#ID_152"> Mangel, Hunger, Elend, Zerfleischung, Sklaverei, Tod pochen an unsere<lb/> Pforte. Grimm. Haß. Verblendung wollen die Öffnung der Tore erzwingen,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0033]
Arbeit!
lernt und hierdurch seiner eigenen Betätigung diejenige Weihe gibt, die sie ihm
zur Lebensfreude werden lktzt. Der wirtschaftliche Wettbewerb der Völker setzt
solche gehobene Seelenkraft voraus. Das gesamte Kulturleben kaun nur dann
zur höchsten Entwicklung gelangen, wenn dieser Geist in der Lebensarbeit des
einzelnen sich betätigt. Die Idee, hohe menschliche Qualität zu schaffen, findet
gerade in der Arbeit des Alltags ihre prägnanteste Verkörperung. Sie ist es,
die die Erziehung zur Menschenwürde in sich birgt, im Menschen die Erkenntnis
seines Wertes als Kulturträger wachruft und ihn sonst bestimmt, sein bestes für
die Menschheit hinzugeben."
Sei es an diesen Beispielen genug! Die so dachten und schrieben, das
waren nicht Bourgeois, die mit schöngesetzten Worten den Arbeitern die Arbeit
rühmten, sondern Proletarier. Nicht Männer in „gehobenen" Stellungen mit
Wenn und Aber und Einerseits—Andrerseits; dafür hatten schon die Organisationen
durch die Auswahl der Neiseteilnehmer gesorgt. Nicht „wirtschaftsfriedliche",
nicht Nurarbeiter, sondern klassenbewußte Männer, unter denen sich viele über-
zeugte Sozialisten befanden. Auch dieser .linke Flügel vergasz in den Tagen
freudigen Schaffens und Schaums seine Überzeugungen nicht. Bei Beratung
eines Festabends erfuhr ich, durch frühere Erfahrungen gewitzigt, auf vorsorgliche
Anfrage, daß die Leiter der deutschen Abteilung, wie sonst üblich, Trinksprüche
auf Fürstlichkeiten plänkelt. Mein Wunsch konnte es nicht sein, daß unser har¬
monisches Zusammenleben durch Überraschung mit einer Formalität gestört werde,
die gerade in den sie. ausübenden Kreisen schon längst als inhaltlos und banal
erkannt und nur als eine rein äußerliche, doch unnmgüngliche höfische Verbeugung
betrieben wurde, die mechanisch nach oben hin Gesinnung zeigen, nach unten bin
Gesinnung erwecken sollte. Ich verhütete daher die Trinksprüche und machte so
einer großen Anzahl von Reisegenossen, die andernfalls dem Abend fernzubleiben
entschlossen waren, die Beteiligung möglich.
Weshalb ich heute alte Erinnerungen ausgrabe? Weil ich es an der Zeit
halte, daran zu erinnern, mit wie vollen Tönen damals das hohe Lied von
deutscher Arbeit erklang, und von welcher Art die Männer waren, die es sangen.
Wer möchte so klemdenkend und vermessen sein zu sagen, das Häuflein sei eine
vom Zufall zusammengewehie Ausnahmeerscheimmg gewesen, deren Anschauungen
von Pflicht und Ehre.' Arbeit und Stolz und Vaterland von der geschulten,
mganisiertcn, ihres Wertes bewußten deutscheu Arbeiterschaft uicht geteilt wurde?
War und bin ich ein unbelehrbarer Jdeolog«, so nannte man mich, daß ich aus
dein Geiste der 120 badischen Männer auf den Geist der deutschen Arbeiterschaft
schloß und auf ihn meine Zukunftshoffnungcn baute? >
Damals, vor acht Jahren, stand unsere denische Industrie nach einer Periode
beispielloser Entwicklung aus einem biSner unerreichten Gipfel der Leistungsfähig¬
keit. Mit berechtigtem Selbstbewußtsein stellten deutsche Proletarier auf der
großen Völkerschau zu Brüssel den Anteil der arbeitenden Hand an dem Er¬
rungenen fest und gelobten, daß es anch in Zukunft nicht an ihnen fehlen solle,
denn, so erkannten sie, zum Festhalten des Vorsprunges bedürfte es der Arbeit
oller, der Arbeit aller also auch im Dienste der Evolution, die nur in blühender
Industrie Gewähr für Dauer findet. Arbeit! Arbeit!
Arbeit! Arbeit I so schallt es auch heute als Mahnruf. Arbeit, nicht um
den stolzen Turm von damals in die Wollen emporzuführen, sondern um auf
öder Trümmerstätte das Fundament zu legen für einen soliden Bau, ein neues
Gemeinwohl.
Das Gebot der Stunde ist Arbeit. Wenn wir unsere VetriebsstäLten nicht
so rasch als möglich auf Erzeugung von Friedensgütern wieder einrichten, wenn
wir nicht produziere!,, dann sind wir verloren! denn wir können Nahrungsmittel
und sonst alles, was uns das Ausland etwa zu liefern gewillt ist, nur mit
Fabrikaten bezahlen.
Mangel, Hunger, Elend, Zerfleischung, Sklaverei, Tod pochen an unsere
Pforte. Grimm. Haß. Verblendung wollen die Öffnung der Tore erzwingen,
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