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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.

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Ueber die Zukunft Llsaß-Lothringens

Aber verschwinden wird es nie; und als Bodensatz wird nicht Franzosen-, sondern
Deutschenfeindlichkeit bleiben. Daran werden auch die Gemeinden des nördlichen
Elsaß, namentlich die protestantischen, nicht viel ändern. Dort sind die Städte
voran Straßburg und Zabern, doch tonangebend, und wo die katholische Geistlichkeit'
die ganz gewiß nichts ungeschehen läßt, um für die Neutralität Stimmung zu
machen, regiert, ist für Deutschland in alle Ewigkeit nichts zu erreichen. Man
darf nicht vergessen, daß Elsaß-Lothringen ein Glied der Kette Roms ist, die es
um das protestantische Deutschland her besitzt, von Westfalen bis Basel und vom
Bodensee über Bayern, Böhmen und Schlesien bis nach Westpreußen I

Wir dürfen uns auch nichts von einem allmählichen Deutschwerden erträumen,
weder was das Landvolk noch was die Städter angeht. Die Autonomisten werden
zwar das Französische wieder zurückschrauben, aber sie werden das Elsaß dennoch
zweisprachig machen. Das halten sie für ein besonderes Kennzeichen seiner
Eigenart. Ob sie im französisch sprechenden Lothringen ebenso die deutsche Sprache
in den Schulen einführen, muß sich erst zeigen. Auf alle Fälle aber ist nicht
daran zu denken, daß der größere, französische Teil von Lothringen, der deutschen
Industrie beraubt, jemals von selbst nach Deutschland zurückgreifen wird. Ebenso
wird das Oberelsaß, französischer Sympathien und deutschen Hasses voll, An¬
näherung niemals nach Deutschland, sondern nach der Schweiz suchen. Es blieben
also auch unter diesem Gesichtspunkt wieder nur die paar nördlichen, vor allem
die ehemals hessisch-hananischen Kantone.

Wie wird es, neben dieser eingesessener Bevölkerung, die keine Einheitlichkeit
aufweist, künftig -- die Neutralität vorausgesetzt -- mit der Einwanderung
beschaffen sein?

Zweifellos werden die Franzosen nicht ruhen, ihr Bestes zu tun. Vor-
gearbeitet wurde ja schon während des Krieges genug. Ein förmliches Netz über¬
spannte die elsässischen Städte. Geld hierfür wird auch später vorhanden sein.
Ob allerdings Frankreich viele Menschen abgeben würde, ist eine andere Frage.
Es hat keinen Überfluß daran, und herbeiziehen wird man sie nicht gerade. Die¬
jenigen, die in Betracht kämen, sind den entsprechenden deutschen Elementen doch
nicht ebenbürtig. Das weiß der Elsässer sehr wohl. Wenn er also Menschen,
besonders Arbeiter, braucht, so sucht er sie vielleicht bei Deutschland?

Diese Gefahr liegt nahe. Ich sage, diese Gefahr. Denn auch Deutschland
braucht seine Arbeiter selbst. Es wird ohnedies leider wieder zu den Italienern
greifen. Eine starke Abwanderung nach dem Elsaß und den lothringischen Hütten¬
werken wäre volkswirtschaftlich für das Elsaß ebenso wichtig wie es für Deutsch-
land schädlich wäre. Auf die angeblich deutschfreundliche Mülhanser Kundgebung,
die nur eine Lohnbewegung war, darf man nichts geben. Aber es wurde im
Zusammenhang damit doch schon darauf hingewiesen, daß fast ein Viertel der
ganzen in Elsaß-Lothringen verbleibenden Bevölkerung deutsche Arbeiter seien.
Kann man darauf oder auf noch weitere Zuwanderung irgend etwas, was einer
deutschen Hoffnung ähnlich sieht, aufbauen? Ich glaube kaum. Es ist leider wahr,
obschon betrübend: diese Arbeiter -- die überdies sozialistisch, also nicht bestimmt
deutsch gerichtet sind --, werden alle dem Deutschtum verloren gehen. In der
zweiten Generation sind sie Elsässer und Lothringer. Und was heißt das dann?
Sie werden jedenfalls nach Deutschland nichts mehr fragen. Sie werden niemals
einen Sauerteig bilden, aus dem eine deutsche Richtung im neutralen Elsaß-
Lothringen erwachsen könnte. Und überdies wird schon in der zweiten Generation
etwas von dem bemerkbar werden, was wohl zweifellos das Schicksal des Landes
sein wird: eS werden sich neben den Eingesessenen in ihren verschiedenen Abarten
und neben den ansässig gewordenen Deutschen und Franzosen auch sonst allerlei
Elemente im Lande zusammenfinden. Das ist ja in diesen kleinen Grenzgebieten
überall so. Und aus diesem Gemisch wird sich ein Etwas herausbilden, welches
in Ton und Bildung den Luxemburgern und Belgiern sehr ähnlich werden wird.
Der Elsässer ist zu einer solchen Ungeschliffenheit schon heute geneigt. Und es wird
daher das Schicksal dieser Bevölkerung sein, eine im allgemeinen wenig hochstehende'


Ueber die Zukunft Llsaß-Lothringens

Aber verschwinden wird es nie; und als Bodensatz wird nicht Franzosen-, sondern
Deutschenfeindlichkeit bleiben. Daran werden auch die Gemeinden des nördlichen
Elsaß, namentlich die protestantischen, nicht viel ändern. Dort sind die Städte
voran Straßburg und Zabern, doch tonangebend, und wo die katholische Geistlichkeit'
die ganz gewiß nichts ungeschehen läßt, um für die Neutralität Stimmung zu
machen, regiert, ist für Deutschland in alle Ewigkeit nichts zu erreichen. Man
darf nicht vergessen, daß Elsaß-Lothringen ein Glied der Kette Roms ist, die es
um das protestantische Deutschland her besitzt, von Westfalen bis Basel und vom
Bodensee über Bayern, Böhmen und Schlesien bis nach Westpreußen I

Wir dürfen uns auch nichts von einem allmählichen Deutschwerden erträumen,
weder was das Landvolk noch was die Städter angeht. Die Autonomisten werden
zwar das Französische wieder zurückschrauben, aber sie werden das Elsaß dennoch
zweisprachig machen. Das halten sie für ein besonderes Kennzeichen seiner
Eigenart. Ob sie im französisch sprechenden Lothringen ebenso die deutsche Sprache
in den Schulen einführen, muß sich erst zeigen. Auf alle Fälle aber ist nicht
daran zu denken, daß der größere, französische Teil von Lothringen, der deutschen
Industrie beraubt, jemals von selbst nach Deutschland zurückgreifen wird. Ebenso
wird das Oberelsaß, französischer Sympathien und deutschen Hasses voll, An¬
näherung niemals nach Deutschland, sondern nach der Schweiz suchen. Es blieben
also auch unter diesem Gesichtspunkt wieder nur die paar nördlichen, vor allem
die ehemals hessisch-hananischen Kantone.

Wie wird es, neben dieser eingesessener Bevölkerung, die keine Einheitlichkeit
aufweist, künftig — die Neutralität vorausgesetzt — mit der Einwanderung
beschaffen sein?

Zweifellos werden die Franzosen nicht ruhen, ihr Bestes zu tun. Vor-
gearbeitet wurde ja schon während des Krieges genug. Ein förmliches Netz über¬
spannte die elsässischen Städte. Geld hierfür wird auch später vorhanden sein.
Ob allerdings Frankreich viele Menschen abgeben würde, ist eine andere Frage.
Es hat keinen Überfluß daran, und herbeiziehen wird man sie nicht gerade. Die¬
jenigen, die in Betracht kämen, sind den entsprechenden deutschen Elementen doch
nicht ebenbürtig. Das weiß der Elsässer sehr wohl. Wenn er also Menschen,
besonders Arbeiter, braucht, so sucht er sie vielleicht bei Deutschland?

Diese Gefahr liegt nahe. Ich sage, diese Gefahr. Denn auch Deutschland
braucht seine Arbeiter selbst. Es wird ohnedies leider wieder zu den Italienern
greifen. Eine starke Abwanderung nach dem Elsaß und den lothringischen Hütten¬
werken wäre volkswirtschaftlich für das Elsaß ebenso wichtig wie es für Deutsch-
land schädlich wäre. Auf die angeblich deutschfreundliche Mülhanser Kundgebung,
die nur eine Lohnbewegung war, darf man nichts geben. Aber es wurde im
Zusammenhang damit doch schon darauf hingewiesen, daß fast ein Viertel der
ganzen in Elsaß-Lothringen verbleibenden Bevölkerung deutsche Arbeiter seien.
Kann man darauf oder auf noch weitere Zuwanderung irgend etwas, was einer
deutschen Hoffnung ähnlich sieht, aufbauen? Ich glaube kaum. Es ist leider wahr,
obschon betrübend: diese Arbeiter — die überdies sozialistisch, also nicht bestimmt
deutsch gerichtet sind —, werden alle dem Deutschtum verloren gehen. In der
zweiten Generation sind sie Elsässer und Lothringer. Und was heißt das dann?
Sie werden jedenfalls nach Deutschland nichts mehr fragen. Sie werden niemals
einen Sauerteig bilden, aus dem eine deutsche Richtung im neutralen Elsaß-
Lothringen erwachsen könnte. Und überdies wird schon in der zweiten Generation
etwas von dem bemerkbar werden, was wohl zweifellos das Schicksal des Landes
sein wird: eS werden sich neben den Eingesessenen in ihren verschiedenen Abarten
und neben den ansässig gewordenen Deutschen und Franzosen auch sonst allerlei
Elemente im Lande zusammenfinden. Das ist ja in diesen kleinen Grenzgebieten
überall so. Und aus diesem Gemisch wird sich ein Etwas herausbilden, welches
in Ton und Bildung den Luxemburgern und Belgiern sehr ähnlich werden wird.
Der Elsässer ist zu einer solchen Ungeschliffenheit schon heute geneigt. Und es wird
daher das Schicksal dieser Bevölkerung sein, eine im allgemeinen wenig hochstehende'


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[0119] Ueber die Zukunft Llsaß-Lothringens Aber verschwinden wird es nie; und als Bodensatz wird nicht Franzosen-, sondern Deutschenfeindlichkeit bleiben. Daran werden auch die Gemeinden des nördlichen Elsaß, namentlich die protestantischen, nicht viel ändern. Dort sind die Städte voran Straßburg und Zabern, doch tonangebend, und wo die katholische Geistlichkeit' die ganz gewiß nichts ungeschehen läßt, um für die Neutralität Stimmung zu machen, regiert, ist für Deutschland in alle Ewigkeit nichts zu erreichen. Man darf nicht vergessen, daß Elsaß-Lothringen ein Glied der Kette Roms ist, die es um das protestantische Deutschland her besitzt, von Westfalen bis Basel und vom Bodensee über Bayern, Böhmen und Schlesien bis nach Westpreußen I Wir dürfen uns auch nichts von einem allmählichen Deutschwerden erträumen, weder was das Landvolk noch was die Städter angeht. Die Autonomisten werden zwar das Französische wieder zurückschrauben, aber sie werden das Elsaß dennoch zweisprachig machen. Das halten sie für ein besonderes Kennzeichen seiner Eigenart. Ob sie im französisch sprechenden Lothringen ebenso die deutsche Sprache in den Schulen einführen, muß sich erst zeigen. Auf alle Fälle aber ist nicht daran zu denken, daß der größere, französische Teil von Lothringen, der deutschen Industrie beraubt, jemals von selbst nach Deutschland zurückgreifen wird. Ebenso wird das Oberelsaß, französischer Sympathien und deutschen Hasses voll, An¬ näherung niemals nach Deutschland, sondern nach der Schweiz suchen. Es blieben also auch unter diesem Gesichtspunkt wieder nur die paar nördlichen, vor allem die ehemals hessisch-hananischen Kantone. Wie wird es, neben dieser eingesessener Bevölkerung, die keine Einheitlichkeit aufweist, künftig — die Neutralität vorausgesetzt — mit der Einwanderung beschaffen sein? Zweifellos werden die Franzosen nicht ruhen, ihr Bestes zu tun. Vor- gearbeitet wurde ja schon während des Krieges genug. Ein förmliches Netz über¬ spannte die elsässischen Städte. Geld hierfür wird auch später vorhanden sein. Ob allerdings Frankreich viele Menschen abgeben würde, ist eine andere Frage. Es hat keinen Überfluß daran, und herbeiziehen wird man sie nicht gerade. Die¬ jenigen, die in Betracht kämen, sind den entsprechenden deutschen Elementen doch nicht ebenbürtig. Das weiß der Elsässer sehr wohl. Wenn er also Menschen, besonders Arbeiter, braucht, so sucht er sie vielleicht bei Deutschland? Diese Gefahr liegt nahe. Ich sage, diese Gefahr. Denn auch Deutschland braucht seine Arbeiter selbst. Es wird ohnedies leider wieder zu den Italienern greifen. Eine starke Abwanderung nach dem Elsaß und den lothringischen Hütten¬ werken wäre volkswirtschaftlich für das Elsaß ebenso wichtig wie es für Deutsch- land schädlich wäre. Auf die angeblich deutschfreundliche Mülhanser Kundgebung, die nur eine Lohnbewegung war, darf man nichts geben. Aber es wurde im Zusammenhang damit doch schon darauf hingewiesen, daß fast ein Viertel der ganzen in Elsaß-Lothringen verbleibenden Bevölkerung deutsche Arbeiter seien. Kann man darauf oder auf noch weitere Zuwanderung irgend etwas, was einer deutschen Hoffnung ähnlich sieht, aufbauen? Ich glaube kaum. Es ist leider wahr, obschon betrübend: diese Arbeiter — die überdies sozialistisch, also nicht bestimmt deutsch gerichtet sind —, werden alle dem Deutschtum verloren gehen. In der zweiten Generation sind sie Elsässer und Lothringer. Und was heißt das dann? Sie werden jedenfalls nach Deutschland nichts mehr fragen. Sie werden niemals einen Sauerteig bilden, aus dem eine deutsche Richtung im neutralen Elsaß- Lothringen erwachsen könnte. Und überdies wird schon in der zweiten Generation etwas von dem bemerkbar werden, was wohl zweifellos das Schicksal des Landes sein wird: eS werden sich neben den Eingesessenen in ihren verschiedenen Abarten und neben den ansässig gewordenen Deutschen und Franzosen auch sonst allerlei Elemente im Lande zusammenfinden. Das ist ja in diesen kleinen Grenzgebieten überall so. Und aus diesem Gemisch wird sich ein Etwas herausbilden, welches in Ton und Bildung den Luxemburgern und Belgiern sehr ähnlich werden wird. Der Elsässer ist zu einer solchen Ungeschliffenheit schon heute geneigt. Und es wird daher das Schicksal dieser Bevölkerung sein, eine im allgemeinen wenig hochstehende'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335181/119>, abgerufen am 05.02.2025.