Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.Ueber die Zukunft Elsaß-Lothringens Mischung zu werden, anstatt, was der deutsche Bundesstaat dem Volke geboten Also sehr sympathisch wird sich dies Nachbarland Badens und des Rhein¬ Aber große Hoffnungen setzt man auf die geringe Finanzkraft des Landes Man sieht, abgesehen von dem großen und auch moralisch nicht hoch genug Diese Gefahr droht uns Deutschen ja auch sonst, z. B. mit bisherigen Es wäre dalM nicht nur für den einzelnen verfehlt, sondern für das Reich, Ueber die Zukunft Elsaß-Lothringens Mischung zu werden, anstatt, was der deutsche Bundesstaat dem Volke geboten Also sehr sympathisch wird sich dies Nachbarland Badens und des Rhein¬ Aber große Hoffnungen setzt man auf die geringe Finanzkraft des Landes Man sieht, abgesehen von dem großen und auch moralisch nicht hoch genug Diese Gefahr droht uns Deutschen ja auch sonst, z. B. mit bisherigen Es wäre dalM nicht nur für den einzelnen verfehlt, sondern für das Reich, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0120" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335302"/> <fw type="header" place="top"> Ueber die Zukunft Elsaß-Lothringens</fw><lb/> <p xml:id="ID_469" prev="#ID_468"> Mischung zu werden, anstatt, was der deutsche Bundesstaat dem Volke geboten<lb/> hätte, eine bestimmt gerichtete und nach und nach an das Deutschtum fest angekittete<lb/> Einheit.</p><lb/> <p xml:id="ID_470"> Also sehr sympathisch wird sich dies Nachbarland Badens und des Rhein¬<lb/> lands nicht gerade gestalten und entwickeln, weder politisch noch völkisch. Es ist<lb/> da nicht viel, was uns versöhnen kann und uns ermuntern könnte, für die neutrale<lb/> Autonomie zu schwärmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_471"> Aber große Hoffnungen setzt man auf die geringe Finanzkraft des Landes<lb/> und auf wirtschaftliche Notwendigkeiten, die auf eine Annäherung > an Deutschland<lb/> zu weisen scheinen. Wenn man sich da nur nicht täuscht! Einmal werden auch<lb/> die anderen angrenzenden Staaten, nicht nur Deutschland, Wettbewerber ulu alles<lb/> sein, was Elsaß-Lothringen bieten kann. Sodann aber weiß man ja noch gar<lb/> nicht, in wessen Hände die Bodenschätze des Landes an Kali, Kohle, Eisen und<lb/> anderen Metallen übergehen werden? Wer der Hauptpächter wird? Das könnte<lb/> z. B. Almerika sein. Dann ist es mit der Hauptorientierung nach Deutsch¬<lb/> land vorbei.</p><lb/> <p xml:id="ID_472"> Man sieht, abgesehen von dem großen und auch moralisch nicht hoch genug<lb/> zu schätzenden Vorteil der für Frankreich verbleibenden bisherigen, d. h. vom Rhein<lb/> ferngehaltenen Grenze ist mit dem Begriff Autonomie für Deutschland wahrscheinlich<lb/> nicht viel gewonnen. Ob die Widerstände, die sich gerade gegen ein neues, z, B.<lb/> wirischaftliches Einvernehmen mit Deutschland erheben würden, leicht zu brechen<lb/> wären, ob überhaupt rein menschlich auf Jahrzehnte hinaus nicht eine Unmöglichkeit<lb/> der Wiederannäherung bleiben wird, ist sehr fraglich. Alle Straßburger Münster-<lb/> Romantik aber ist vom größten Übell Man mache den Schnitt, wie er verlaufen<lb/> wird, und glaube nicht an freundliche Begegnung der Abtrünnigen mit denen, von<lb/> denen sie abgefallen sind. Und behalten wir unsere Kräfte im LandeI Der Glaube<lb/> an friedliche Eroberung in fünfzig, hundert Jahren dürfte trügen. Wo der Deutsche<lb/> friedlich durchdringt, verliert er sich selbst. Und wir haben wirklich keine Ver¬<lb/> pflichtung, einem Staat, der glaubt, ohne uns bestehen zu können, das Kostbarste<lb/> — Menschenmaterial — dazu zu liefern.</p><lb/> <p xml:id="ID_473"> Diese Gefahr droht uns Deutschen ja auch sonst, z. B. mit bisherigen<lb/> Offizieren. Auch Techniker werden uns weggelockt werden. Das Elsaß und<lb/> Lothringen werden auf die Dauer gar nicht ohne deutsche Hand- und Kopfarbeiter<lb/> auskommen können. Der Weggang aller der fleißigen und guten Kräfte, welche<lb/> im Lande tätig waren, wird fast einer Katastrophe gleichkommen, wenn der künftige<lb/> Staat Elsaß-Lothringen auf der gleichen Höhe bleiben will, wie bisher. Was die<lb/> Universität und die damit zusammenhängenden Berufe anbetrifft, so ist dieser Glanz<lb/> und diese Tüchtigkeit unbedingt dahin. Man kennt jetzt schon Beispiele genug, wie<lb/> die politische Gesinnung das Ausschlaggebende sein wird für die Besetzung der<lb/> Stellen, und Ablehnung (oder Verleugnung) des Deutschtums wird die erste<lb/> Bedingung dafür sein, während Hinneigung zu Frankreich kein wesentliches<lb/> Hindernis bilden wird. Wenn das Land die Folgen zu. spüren anfängt, ist die<lb/> Bevölkerung weiterhin systematisch darauf erzogen worden, in Deutschland den<lb/> hauptsächlichsten Gegner zu sehen. Auch geistig wird man sich, um ja nicht die<lb/> früheren engen Bande, neu zu knüpfen, am allerwenigsten Deutschland nähern.<lb/> Was deutscher Gelehrtenfleiß für das Elsaß und Lothringen getan hat, ist ein<lb/> höchst rühmliches Kapitel. Was deutsche Technik geleistet hat, ebenso. Aber man<lb/> wollte in Elsaß-Lothringen, dem Ruf gemäß: „das Elsaß den ElsässernI" usw.<lb/> ja schon längst dieser Eingewanderten ledig werden, die als unbequeme „Gäste"<lb/> und als „Brotfresser" über den Rhein gewiesen wurden. Namentlich hat der Zentrums¬<lb/> führer, der Buchdrucker Hauß, darin als „Hausknecht des Elsasses" Erkleckliches<lb/> mit seinen Reden geleistet. Diese Stimmung gegen alles Altdeutsche, die sich auch<lb/> auf geistigem Gebiet zeigte und sich auch auf die Ablehnung deutscher Schrift¬<lb/> steller erstreckte, wird das Leitmotiv für den neuen Staat sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_474" next="#ID_475"> Es wäre dalM nicht nur für den einzelnen verfehlt, sondern für das Reich,<lb/> dem man den Laufpaß gegeben hat, unwürdig, wollte man dem Lande, welches</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0120]
Ueber die Zukunft Elsaß-Lothringens
Mischung zu werden, anstatt, was der deutsche Bundesstaat dem Volke geboten
hätte, eine bestimmt gerichtete und nach und nach an das Deutschtum fest angekittete
Einheit.
Also sehr sympathisch wird sich dies Nachbarland Badens und des Rhein¬
lands nicht gerade gestalten und entwickeln, weder politisch noch völkisch. Es ist
da nicht viel, was uns versöhnen kann und uns ermuntern könnte, für die neutrale
Autonomie zu schwärmen.
Aber große Hoffnungen setzt man auf die geringe Finanzkraft des Landes
und auf wirtschaftliche Notwendigkeiten, die auf eine Annäherung > an Deutschland
zu weisen scheinen. Wenn man sich da nur nicht täuscht! Einmal werden auch
die anderen angrenzenden Staaten, nicht nur Deutschland, Wettbewerber ulu alles
sein, was Elsaß-Lothringen bieten kann. Sodann aber weiß man ja noch gar
nicht, in wessen Hände die Bodenschätze des Landes an Kali, Kohle, Eisen und
anderen Metallen übergehen werden? Wer der Hauptpächter wird? Das könnte
z. B. Almerika sein. Dann ist es mit der Hauptorientierung nach Deutsch¬
land vorbei.
Man sieht, abgesehen von dem großen und auch moralisch nicht hoch genug
zu schätzenden Vorteil der für Frankreich verbleibenden bisherigen, d. h. vom Rhein
ferngehaltenen Grenze ist mit dem Begriff Autonomie für Deutschland wahrscheinlich
nicht viel gewonnen. Ob die Widerstände, die sich gerade gegen ein neues, z, B.
wirischaftliches Einvernehmen mit Deutschland erheben würden, leicht zu brechen
wären, ob überhaupt rein menschlich auf Jahrzehnte hinaus nicht eine Unmöglichkeit
der Wiederannäherung bleiben wird, ist sehr fraglich. Alle Straßburger Münster-
Romantik aber ist vom größten Übell Man mache den Schnitt, wie er verlaufen
wird, und glaube nicht an freundliche Begegnung der Abtrünnigen mit denen, von
denen sie abgefallen sind. Und behalten wir unsere Kräfte im LandeI Der Glaube
an friedliche Eroberung in fünfzig, hundert Jahren dürfte trügen. Wo der Deutsche
friedlich durchdringt, verliert er sich selbst. Und wir haben wirklich keine Ver¬
pflichtung, einem Staat, der glaubt, ohne uns bestehen zu können, das Kostbarste
— Menschenmaterial — dazu zu liefern.
Diese Gefahr droht uns Deutschen ja auch sonst, z. B. mit bisherigen
Offizieren. Auch Techniker werden uns weggelockt werden. Das Elsaß und
Lothringen werden auf die Dauer gar nicht ohne deutsche Hand- und Kopfarbeiter
auskommen können. Der Weggang aller der fleißigen und guten Kräfte, welche
im Lande tätig waren, wird fast einer Katastrophe gleichkommen, wenn der künftige
Staat Elsaß-Lothringen auf der gleichen Höhe bleiben will, wie bisher. Was die
Universität und die damit zusammenhängenden Berufe anbetrifft, so ist dieser Glanz
und diese Tüchtigkeit unbedingt dahin. Man kennt jetzt schon Beispiele genug, wie
die politische Gesinnung das Ausschlaggebende sein wird für die Besetzung der
Stellen, und Ablehnung (oder Verleugnung) des Deutschtums wird die erste
Bedingung dafür sein, während Hinneigung zu Frankreich kein wesentliches
Hindernis bilden wird. Wenn das Land die Folgen zu. spüren anfängt, ist die
Bevölkerung weiterhin systematisch darauf erzogen worden, in Deutschland den
hauptsächlichsten Gegner zu sehen. Auch geistig wird man sich, um ja nicht die
früheren engen Bande, neu zu knüpfen, am allerwenigsten Deutschland nähern.
Was deutscher Gelehrtenfleiß für das Elsaß und Lothringen getan hat, ist ein
höchst rühmliches Kapitel. Was deutsche Technik geleistet hat, ebenso. Aber man
wollte in Elsaß-Lothringen, dem Ruf gemäß: „das Elsaß den ElsässernI" usw.
ja schon längst dieser Eingewanderten ledig werden, die als unbequeme „Gäste"
und als „Brotfresser" über den Rhein gewiesen wurden. Namentlich hat der Zentrums¬
führer, der Buchdrucker Hauß, darin als „Hausknecht des Elsasses" Erkleckliches
mit seinen Reden geleistet. Diese Stimmung gegen alles Altdeutsche, die sich auch
auf geistigem Gebiet zeigte und sich auch auf die Ablehnung deutscher Schrift¬
steller erstreckte, wird das Leitmotiv für den neuen Staat sein.
Es wäre dalM nicht nur für den einzelnen verfehlt, sondern für das Reich,
dem man den Laufpaß gegeben hat, unwürdig, wollte man dem Lande, welches
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