Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.Das Kernproblem des neuen Entwurfs der Reichsverfassung auch auf ihrem Grund und Boden zur Anwendung gebracht werden sollen, so Ist aber das die Perspektive unserer Zukunft, und wir vermögen sie beim Auf dem von Preuß empfohlenen Wege wird das "Kernproblem" der Preuß selbst wird der letzte sein, der diesen Stimmen Gehör verweigert, wollte Auch hier gibt es jedenfalls einen evolutionistischen Weg. ähnlich wie bei der Dieser Gedanke erscheint uns sehr beachtenswert; wir möchten daher zum Das Kernproblem des neuen Entwurfs der Reichsverfassung auch auf ihrem Grund und Boden zur Anwendung gebracht werden sollen, so Ist aber das die Perspektive unserer Zukunft, und wir vermögen sie beim Auf dem von Preuß empfohlenen Wege wird das „Kernproblem" der Preuß selbst wird der letzte sein, der diesen Stimmen Gehör verweigert, wollte Auch hier gibt es jedenfalls einen evolutionistischen Weg. ähnlich wie bei der Dieser Gedanke erscheint uns sehr beachtenswert; wir möchten daher zum <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0100" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335282"/> <fw type="header" place="top"> Das Kernproblem des neuen Entwurfs der Reichsverfassung</fw><lb/> <p xml:id="ID_399" prev="#ID_398"> auch auf ihrem Grund und Boden zur Anwendung gebracht werden sollen, so<lb/> Bayern in Bezug auf die Pfalz! Selbst das noch vergleichsweise harmlose Ver¬<lb/> halten der Württemberger, die aus Angst vor dem größeren Übel einer zentralen<lb/> Reichsgewalt das kleinere des kompakten Großpreußens ertragen wollen, spricht<lb/> doch im Hinblick auf unsere Frage Bände. Jedenfalls dürfte jener Satz der<lb/> Denkschrift, daß „mit der preußischen Hegemonie füglich ihre Reflexwirkungen, die<lb/> süddeutschen Reservate, überhaupt fortfallen", stark optimistisch empfunden werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_400"> Ist aber das die Perspektive unserer Zukunft, und wir vermögen sie beim<lb/> besten Willen nicht anders zu sehen, so erscheint der Zweifel voll berechtigt, ob<lb/> das von Preußen einseitig verlangte Opfer dem schließlichen Erfolge entspricht,<lb/> ob sich nicht vielmehr die fatale Situation ergibt, daß wir dann die Teile in der<lb/> Hand haben, doch ohne das zentralistisch-kraftvolle nationale Band. Gewiß glich<lb/> der preußische Staat einem „Notbau, der als Surrogat des fehlenden deutschen<lb/> Staates durch die herrschende Dynastie mit ihrem Heere und Beamtentum<lb/> zusammengezwungen" wurde (Denkschrift), aber noch ist es, fürchten wir, nicht<lb/> an der Zuk, das schützende und stützende Gerüst zu entfernen, noch hat dieser<lb/> „Zwingherr zurDeutschheit", dieser Erzieher eines unbändig partikularistisch gesonnener<lb/> Volkes seine Rolle nicht ausgespielt, trotzdem eifrige Zeitgenossen behaupten, daß<lb/> er schon zu lange gelebt habe. Es schreiten nicht alle frei, die ihrer Krücken<lb/> spottenI Dazu ist es, Handelsminister Fischbeck erinnerte daran, doch ein etwas<lb/> merkwürdiges Verfahren, den Unitarismus damit zu beginnen, daß man eine<lb/> bestehende Einheit — eben die preußische — auflöst. In Frankreich, das uns<lb/> hier doch bis zu einem gewissen Grade als Muster dienen kann, hat man es<lb/> jedenfalls bei der Entwicklung vom äuLlre cis I^räNLS zum ro^fünf cle I^rariLe<lb/> anders gehalten!</p><lb/> <p xml:id="ID_401"> Auf dem von Preuß empfohlenen Wege wird das „Kernproblem" der<lb/> binnendeutschen Staatenbildung schwerlich gelöst, höchstens durch ein neues noch<lb/> bedenklicheres ersetzt. Von allen Seiten mehren sich heute die Stimmen des<lb/> Protestes und Zweifels, während ich vor vier Wochen an dieser Stelle bereits auf<lb/> verlorenem Posten zu kämpfen schien.</p><lb/> <p xml:id="ID_402"> Preuß selbst wird der letzte sein, der diesen Stimmen Gehör verweigert, wollte<lb/> er doch ausdrücklich seine Neuordnung nicht von oben herab dekretieren, sondern<lb/> der freien Selbstbestimmung der Bevölkerung überlassen. In dieser Hinsicht wird<lb/> man die weitere Entwickelung, insbesondere die konstituierenden — für Preußen<lb/> eigentlich mehr „destituierenden" — Nationalversammlungen abzuwarten haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_403"> Auch hier gibt es jedenfalls einen evolutionistischen Weg. ähnlich wie bei der<lb/> jetzt so rege erörterten Frage der Sozialisierung. Der Vorwärts, der sich sonst<lb/> energisch für die Vorschläge des Staatssekretärs einsetzt, bemerkt doch gelegentlich:<lb/> es frage sich, ob dem an sich erstrebenswerten Ziel — einer inneren Neugliederung<lb/> des Reiches nach dem Selbstbestimmungsrecht der deutschen Stämme — nicht<lb/> richtiger durch eine Stärkung der Reichsgewalt auf der einen und der provinziellen<lb/> Selbstverwaltung auf der anderen Seite näher zu kommen sein werde.</p><lb/> <p xml:id="ID_404" next="#ID_405"> Dieser Gedanke erscheint uns sehr beachtenswert; wir möchten daher zum<lb/> Schlüsse die in ihrer Kürze nicht ohne weiteres verständliche Forderung deutlicher<lb/> gestalten. Wir wiederholen zunächst: alles kommt darauf an, den Übergang der<lb/> Hegemonie von Preußen auf das Reich sicher zu verbürgen. Um im Gleichnis<lb/> zu reden: beim Stafettenlauf, wie er in unserem Turnspiel üblich ist, erfolgt die<lb/> Übergabe der „Botschaft" (durch einen Stab markiert) in der Weise, daß der<lb/> Empfänger eine Strecke neben den: Überbringer herläuft, auf der dieser seine<lb/> Höchstgeschwindigkeit allmählich verringert, während jener gleichzeitig dieselbe<lb/> allmählich entfaltet. Während dieses Nebeneinanders geht der Stab von der Hand<lb/> des einen in die des anderen über, und es wird dadurch sein Zubodcnfallen ver¬<lb/> mieden, was leicht eintritt, wenn der bisherige Läufer mit höchster Kraft plötzlich<lb/> abstoppen muß und sich dann erst (nach der Übergabe) der folgende in Bewegung setzt.<lb/> Dieselbe Gefahr aber droht, wenn man Preußen matt setzt, bevor das Reich im<lb/> Sattel ist. Zu leicht kann im Augenblicke jenes toten Punktes der Stab, hier die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0100]
Das Kernproblem des neuen Entwurfs der Reichsverfassung
auch auf ihrem Grund und Boden zur Anwendung gebracht werden sollen, so
Bayern in Bezug auf die Pfalz! Selbst das noch vergleichsweise harmlose Ver¬
halten der Württemberger, die aus Angst vor dem größeren Übel einer zentralen
Reichsgewalt das kleinere des kompakten Großpreußens ertragen wollen, spricht
doch im Hinblick auf unsere Frage Bände. Jedenfalls dürfte jener Satz der
Denkschrift, daß „mit der preußischen Hegemonie füglich ihre Reflexwirkungen, die
süddeutschen Reservate, überhaupt fortfallen", stark optimistisch empfunden werden.
Ist aber das die Perspektive unserer Zukunft, und wir vermögen sie beim
besten Willen nicht anders zu sehen, so erscheint der Zweifel voll berechtigt, ob
das von Preußen einseitig verlangte Opfer dem schließlichen Erfolge entspricht,
ob sich nicht vielmehr die fatale Situation ergibt, daß wir dann die Teile in der
Hand haben, doch ohne das zentralistisch-kraftvolle nationale Band. Gewiß glich
der preußische Staat einem „Notbau, der als Surrogat des fehlenden deutschen
Staates durch die herrschende Dynastie mit ihrem Heere und Beamtentum
zusammengezwungen" wurde (Denkschrift), aber noch ist es, fürchten wir, nicht
an der Zuk, das schützende und stützende Gerüst zu entfernen, noch hat dieser
„Zwingherr zurDeutschheit", dieser Erzieher eines unbändig partikularistisch gesonnener
Volkes seine Rolle nicht ausgespielt, trotzdem eifrige Zeitgenossen behaupten, daß
er schon zu lange gelebt habe. Es schreiten nicht alle frei, die ihrer Krücken
spottenI Dazu ist es, Handelsminister Fischbeck erinnerte daran, doch ein etwas
merkwürdiges Verfahren, den Unitarismus damit zu beginnen, daß man eine
bestehende Einheit — eben die preußische — auflöst. In Frankreich, das uns
hier doch bis zu einem gewissen Grade als Muster dienen kann, hat man es
jedenfalls bei der Entwicklung vom äuLlre cis I^räNLS zum ro^fünf cle I^rariLe
anders gehalten!
Auf dem von Preuß empfohlenen Wege wird das „Kernproblem" der
binnendeutschen Staatenbildung schwerlich gelöst, höchstens durch ein neues noch
bedenklicheres ersetzt. Von allen Seiten mehren sich heute die Stimmen des
Protestes und Zweifels, während ich vor vier Wochen an dieser Stelle bereits auf
verlorenem Posten zu kämpfen schien.
Preuß selbst wird der letzte sein, der diesen Stimmen Gehör verweigert, wollte
er doch ausdrücklich seine Neuordnung nicht von oben herab dekretieren, sondern
der freien Selbstbestimmung der Bevölkerung überlassen. In dieser Hinsicht wird
man die weitere Entwickelung, insbesondere die konstituierenden — für Preußen
eigentlich mehr „destituierenden" — Nationalversammlungen abzuwarten haben.
Auch hier gibt es jedenfalls einen evolutionistischen Weg. ähnlich wie bei der
jetzt so rege erörterten Frage der Sozialisierung. Der Vorwärts, der sich sonst
energisch für die Vorschläge des Staatssekretärs einsetzt, bemerkt doch gelegentlich:
es frage sich, ob dem an sich erstrebenswerten Ziel — einer inneren Neugliederung
des Reiches nach dem Selbstbestimmungsrecht der deutschen Stämme — nicht
richtiger durch eine Stärkung der Reichsgewalt auf der einen und der provinziellen
Selbstverwaltung auf der anderen Seite näher zu kommen sein werde.
Dieser Gedanke erscheint uns sehr beachtenswert; wir möchten daher zum
Schlüsse die in ihrer Kürze nicht ohne weiteres verständliche Forderung deutlicher
gestalten. Wir wiederholen zunächst: alles kommt darauf an, den Übergang der
Hegemonie von Preußen auf das Reich sicher zu verbürgen. Um im Gleichnis
zu reden: beim Stafettenlauf, wie er in unserem Turnspiel üblich ist, erfolgt die
Übergabe der „Botschaft" (durch einen Stab markiert) in der Weise, daß der
Empfänger eine Strecke neben den: Überbringer herläuft, auf der dieser seine
Höchstgeschwindigkeit allmählich verringert, während jener gleichzeitig dieselbe
allmählich entfaltet. Während dieses Nebeneinanders geht der Stab von der Hand
des einen in die des anderen über, und es wird dadurch sein Zubodcnfallen ver¬
mieden, was leicht eintritt, wenn der bisherige Läufer mit höchster Kraft plötzlich
abstoppen muß und sich dann erst (nach der Übergabe) der folgende in Bewegung setzt.
Dieselbe Gefahr aber droht, wenn man Preußen matt setzt, bevor das Reich im
Sattel ist. Zu leicht kann im Augenblicke jenes toten Punktes der Stab, hier die
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