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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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zusenden. Die Mitglieder des BundesratsauS-
schusseS befanden sich aber nicht in Berlin. ES
könnte eigentlich erwartet werden, daß in
hochpolitischen Tagen die Mitglieder des Aus¬
schusses, wenn er auch nicht in Permanenz
versammelt bleibt, in Berlin anwesend wären.
Es ist ein peinlicher Gedanke, daß die Ab¬
senkung einer Note von so weltgeschichtlicher
Bedeutung aus dem angegebenen Grunde
einen Tag verzögert werden mußte. ..."

Die im Tone höchster Bestimmtheit ab¬
gegebene Behauptung, daß der Ausschuß für
auswärtige Angelegenheiten nicht auf seinem
Posten gewesen sei, entspricht nicht den Tat¬
sachen. Wie die "norddeutsche Allgemeine
Zeitung" feststellt, konnte die Note gar nicht
früher zur Absenkung gelangen, weil die
Beratungen über ihren Wortlaut noch nicht
abgeschlossen waren.

Wieder'einmal ein Schulbeispiel, wie von
gewisser Seite die öffentliche Meinung irre¬
geführt und "bearbeitet" wird. Der harm¬
lose Leser -- und nicht nur er -- muß für
wahr halten, was ihm da vorgesetzt wird.
Er ist mit Recht empört über das Verhalten
der Ausschußmitglieder, die angeblich ihre
Pflicht versäumt haben. Man bemerke, wie
hier in geschickter Weise die schon nicht rosige
Stimmung gegenüber Vertretern des "alten
Systems" aufgestachelt wird. Der Zweck ist
erreicht, ganz gleich, ob ein Dementi folgt
oder nicht. DaS "B. T." hat es übrigens
bis jetzt nicht für nötig gehalten, seine Falsch¬
meldung zurückzunehmen und den verdächtigten
Ruf der betroffenen Persönlichkeiten wieder
herzustellen. Es ist auch wenig wahrschein¬
lich, daß es sich dieser "Peinlichen" Aufgabe
unterzieht. Und selbst, wenn dies noch der
Fall sein sollte, wieviele von den Zufalls-
lcscrn, auf deren Anschauung jener Artikel
vergiftend wirkte, bekommen das Dementi
zu Gesicht!? Man kann das "ancien r^ime"
mit sachlichen Gründen bekämpfen -- die
Methode des "B. T." ist übelste Demagogie,
die jene Kreise so gern am Gegner rügen.

h. V. M.
"Buchen".
"

W
enn man das schöne Wort
"hundelt liest -- man liest es jetzt täglich an die

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zehn Malt -- kommt eS eiiiem vor, als würde
unsere ganze öffentliche Meinung in einem
großen Kondor gemacht. Die Welt besteht doch
wahrhaftig noch aus anderen Leuten als Buch¬
haltern und Kommis. Aber heutzutage muß
alles "gebucht" werden. Man lese irgend¬
einen Aufsatz irgendeiner Zeitung oder Zeit¬
schrift: eS wird mindestens einmal, oft aber
noch viel häufiger in ihm "gebucht". Ein
KriegSbcrichterstatter schreibt: Trotz des Ver¬
lustes von Se. Quentin können wir in der
Abwehrschlacht im Westen große Erfolge
"hundelt". Der Feind aber muß schwere,
nein "schwerste" Verluste "hundelt". Erz-
berger kann einen Sieg über Hertling
"hundelt". Ganz kürzlich las ich sogar: "Der
... Drang zu einer gemeinsamen -- solida¬
rischen -- Entwicklung ist als ein lebens¬
starkes Element zu hundelt". Was muß das
für ein Hauptbuch sein, in dem levensstarke
Elemente gebucht werden!

Ich schlage in meinem Wustmann das
Kapitel: "Modewörter" auf. Da findet sich
das schöne Wort "hundelt" noch nicht mit auf¬
geführt. Wir können also wieder mal einen
Sprachfortschritt feststellen. Man hat den
Fortschritt auch gleich tüchtig demokratisiert.
Fast jede beliebige Seite bedruckten Papiers
bezeugt ihn. Nur ist leider auf stilistischen
Gebiete die allzu "hemmungslose" -- auch
ein schönes ModewortI -- Demokratisierung
eines zum ersten Male vielleicht ganz geist¬
reich verwendeten Ausdrucks eine arge Ge¬
schmacklosigkeit.

Es galt vier Kriegsjahre hindurch für
patriotisch, die Fremdwörter zu bekämpfen.
Indessen wirkt die Verwendung eines Fremd¬
wortes am rechten Orte nicht halb so ge¬
schmacklos, wie das Breittreten sprachlicher
Modetorheiten wie -- "vorn Schlägel" --
"hundelt". Hier wäre ein lohnendes Arbeits¬
feld für unsere Sprachschützen. Erfreulicher
aber wäre eS noch, wenn die geschmackvollen
Leute in Deutschland sich entschlössen, das
Wort "hundelt" und ähnliche Geschwister nur
ein halbes Jahr lang nicht mehr zu ver¬
wenden. Dann mag man es gelegentlich ja
R. B. wieder schreiben!

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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zusenden. Die Mitglieder des BundesratsauS-
schusseS befanden sich aber nicht in Berlin. ES
könnte eigentlich erwartet werden, daß in
hochpolitischen Tagen die Mitglieder des Aus¬
schusses, wenn er auch nicht in Permanenz
versammelt bleibt, in Berlin anwesend wären.
Es ist ein peinlicher Gedanke, daß die Ab¬
senkung einer Note von so weltgeschichtlicher
Bedeutung aus dem angegebenen Grunde
einen Tag verzögert werden mußte. ..."

Die im Tone höchster Bestimmtheit ab¬
gegebene Behauptung, daß der Ausschuß für
auswärtige Angelegenheiten nicht auf seinem
Posten gewesen sei, entspricht nicht den Tat¬
sachen. Wie die „norddeutsche Allgemeine
Zeitung" feststellt, konnte die Note gar nicht
früher zur Absenkung gelangen, weil die
Beratungen über ihren Wortlaut noch nicht
abgeschlossen waren.

Wieder'einmal ein Schulbeispiel, wie von
gewisser Seite die öffentliche Meinung irre¬
geführt und „bearbeitet" wird. Der harm¬
lose Leser — und nicht nur er — muß für
wahr halten, was ihm da vorgesetzt wird.
Er ist mit Recht empört über das Verhalten
der Ausschußmitglieder, die angeblich ihre
Pflicht versäumt haben. Man bemerke, wie
hier in geschickter Weise die schon nicht rosige
Stimmung gegenüber Vertretern des „alten
Systems" aufgestachelt wird. Der Zweck ist
erreicht, ganz gleich, ob ein Dementi folgt
oder nicht. DaS „B. T." hat es übrigens
bis jetzt nicht für nötig gehalten, seine Falsch¬
meldung zurückzunehmen und den verdächtigten
Ruf der betroffenen Persönlichkeiten wieder
herzustellen. Es ist auch wenig wahrschein¬
lich, daß es sich dieser „Peinlichen" Aufgabe
unterzieht. Und selbst, wenn dies noch der
Fall sein sollte, wieviele von den Zufalls-
lcscrn, auf deren Anschauung jener Artikel
vergiftend wirkte, bekommen das Dementi
zu Gesicht!? Man kann das „ancien r^ime"
mit sachlichen Gründen bekämpfen — die
Methode des „B. T." ist übelste Demagogie,
die jene Kreise so gern am Gegner rügen.

h. V. M.
„Buchen".
"

W
enn man das schöne Wort
„hundelt liest — man liest es jetzt täglich an die

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zehn Malt — kommt eS eiiiem vor, als würde
unsere ganze öffentliche Meinung in einem
großen Kondor gemacht. Die Welt besteht doch
wahrhaftig noch aus anderen Leuten als Buch¬
haltern und Kommis. Aber heutzutage muß
alles „gebucht" werden. Man lese irgend¬
einen Aufsatz irgendeiner Zeitung oder Zeit¬
schrift: eS wird mindestens einmal, oft aber
noch viel häufiger in ihm „gebucht". Ein
KriegSbcrichterstatter schreibt: Trotz des Ver¬
lustes von Se. Quentin können wir in der
Abwehrschlacht im Westen große Erfolge
„hundelt". Der Feind aber muß schwere,
nein „schwerste" Verluste „hundelt". Erz-
berger kann einen Sieg über Hertling
„hundelt". Ganz kürzlich las ich sogar: „Der
... Drang zu einer gemeinsamen — solida¬
rischen — Entwicklung ist als ein lebens¬
starkes Element zu hundelt". Was muß das
für ein Hauptbuch sein, in dem levensstarke
Elemente gebucht werden!

Ich schlage in meinem Wustmann das
Kapitel: „Modewörter" auf. Da findet sich
das schöne Wort „hundelt" noch nicht mit auf¬
geführt. Wir können also wieder mal einen
Sprachfortschritt feststellen. Man hat den
Fortschritt auch gleich tüchtig demokratisiert.
Fast jede beliebige Seite bedruckten Papiers
bezeugt ihn. Nur ist leider auf stilistischen
Gebiete die allzu „hemmungslose" — auch
ein schönes ModewortI — Demokratisierung
eines zum ersten Male vielleicht ganz geist¬
reich verwendeten Ausdrucks eine arge Ge¬
schmacklosigkeit.

Es galt vier Kriegsjahre hindurch für
patriotisch, die Fremdwörter zu bekämpfen.
Indessen wirkt die Verwendung eines Fremd¬
wortes am rechten Orte nicht halb so ge¬
schmacklos, wie das Breittreten sprachlicher
Modetorheiten wie — „vorn Schlägel" —
„hundelt". Hier wäre ein lohnendes Arbeits¬
feld für unsere Sprachschützen. Erfreulicher
aber wäre eS noch, wenn die geschmackvollen
Leute in Deutschland sich entschlössen, das
Wort „hundelt" und ähnliche Geschwister nur
ein halbes Jahr lang nicht mehr zu ver¬
wenden. Dann mag man es gelegentlich ja
R. B. wieder schreiben!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/90>, abgerufen am 22.07.2024.