Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

seinen verschiedenen Nationalitäten, ruht aus¬
schließlich auf dem gemeinsamen Staats¬
gedanken. Wenn von der äußerlich sichtbaren
Verkörperung dieses Staatsgedankens selbst
die Rehabilitierung der Kämpfer gegen diesen
Gedanken erfolgt, so muß eine allgemeine
Auflösung die Folge sein.

Jetzt werden die Zügel kaum mehr auf"
genommen werden können. "Zu spät" steht
über den Lammasch- und Karolyischen Zufalls"
kombinationen, beinahe möchte man sagen
Verzweiflungskombinationen. Das Viel¬
gespann rast schon in verschiedenen Richtungen
auseinander. Wehe dem Wagen. Ihm droht
Zertrümmerung.

Unsere Sympathien gelten den deutschen
Parteien in Österreich. Sie sind durch eine
harte Schule des Kampfes um ihr Dasein
gegangen. Das Slawentum in seiner schärfsten
Kampfausprägung stand ihnen gegenüber und
bedrohte sie in ihrem Dasein. Und doch
hatten die Deutschen alles für diesen Staat
getan. Ihr Fluch war die Uneinigkeit. Dieser
Fluch ist jetzt durch den Zusammenschluß der
deutschen Parteien, auch der Arbeiterparteien,
hoffentlich für immer beseitigt.

Zitternd für diese jungen, geeinten Kämpfer
und mitfühlend verfolgen wir ihren Weg.
Möchte er in dieser Zeit der gewaltigsten
Jdeenumwälzungen zum Ziele führen.

Unsere deutschen Stammesbrüder werden
sich, ihrer Kraft in Sammlung bewußt, Freiheit
und Selbstbestimmung erobern.

Revolution.

Es steht eine unheimliche
Kraft vor Europas Toren, lauernd um Einlaß
begehrend und wie der Aasgeier den richtigen
Moment zum niederstoßen abwartend -- die
russische Revolution.

Die Rückwirkung der deutschen letzten Er¬
eignisse auf Rußland war ungeheuer. Es
regte sich unter den Bolschewiken. Morgenrot
witternd glaubten sie die Zeit gekommen, wo
eine rote Flut Moskau und Berlin vereinigen
würde, um von dort aus zündend auf die
übrige Welt weiterzugreifen und alles in
Flammen zu setzen.

Wir wollen und werden das Experiment
nicht machen. Es gibt einen anderen Weg
zur Freiheit als den, den das russische Per¬
verse Denken gegangen ist. Freiheit nicht
durch Revolution, sondern durch Evolution.

[Spaltenumbruch]

Rußlands gegenwärtiger Zustand hat mit
Demokratie und Sozialismus nichts zu tun.
Was wir dort in schrecklichster Form Schem¬
ihl aus Schwäche geborene Anarchie, die einige
Oligarchen mittels eines nie dagewesenen
Terrors und mit Hilfe einer bezahlten Unter¬
organisation roter Tschinowniki und Räuber
meistern. Alles kulturelle Leben, alles Schöne
und Edle, alles, was das Leben lebenSwert
macht, ist von dieser Oligarchenbande in den
Staub getreten worden und wird von ihnen
dauernd weiter zerstört. Die Idealisten unter
diesen Oligarchen träumen von Freiheit
nach Vernichtung aller ihrer Gegner: durch
Blut, Leichen und Zerstörung wollen sie zum
bolschewistischen Zukunftsstaat, wo nur noch
fieberphantasierende, leergebrannte Hirne in
einer entgötterten Welt zurückbleiben; die
Materialisten füllen sich die Taschen, Viel
schlimmer als es jemals die Tschinowniki zur
Zarenzeit taten. Diese nährten sich von den
Abfällen des blühenden staatlichen Lebens,
jene tasten Produktion und Produktionsmittel
selber an, weil nichts anderes da ist, was sie
rauben und stehlen können.

Das geistige Leben ist tot, keine unab¬
hängige Zeitung, leine Zeitschrift, keine lite¬
rarische Produktion ist mehr vorhanden.

Der Geist liegt am Boden und der Körper
wälzt sich im Dreck. Keinen verständigen
Deutschen wird dieses Beispiel locken. Mit Ab"
scheu werden und müssen unsere sozialistischen
Führer das ihnen von Moskau gestellte An¬
sinnen, besorgt um die Zukunft des deutschen
Arbeiters, abweisen.

Wir wollen den, Versucher vom Fellen
seiner Hoffahrt und Unflat in die Tiefe
G. T. stürzen.



Drmagogrntum.

Das "Berliner Tage¬
blatt" bringt in Ur. S22 vom 12. Oktober
an erster Stelle folgenden Artikel. Überschrift:
"Die Absendung der Antwortnote an Wilson.
Die abwesendenBundeSratSmitglieder." Dann
heißt es: "Die Antwort auf die drei Fragen
Wilsons ist gestern abend endgültig fertiggestellt
worden. Auf heute vormittag ist der Bundes¬
ratsausschuß für auswärtige Angelegenheiten
einberufen worden. ... Falls der Bundesrats-
ausschuß gestern hätte tagen können, wäre es
möglich gewesen, die Note noch gestern ab-

[Ende Spaltensatz]
Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

seinen verschiedenen Nationalitäten, ruht aus¬
schließlich auf dem gemeinsamen Staats¬
gedanken. Wenn von der äußerlich sichtbaren
Verkörperung dieses Staatsgedankens selbst
die Rehabilitierung der Kämpfer gegen diesen
Gedanken erfolgt, so muß eine allgemeine
Auflösung die Folge sein.

Jetzt werden die Zügel kaum mehr auf»
genommen werden können. „Zu spät" steht
über den Lammasch- und Karolyischen Zufalls»
kombinationen, beinahe möchte man sagen
Verzweiflungskombinationen. Das Viel¬
gespann rast schon in verschiedenen Richtungen
auseinander. Wehe dem Wagen. Ihm droht
Zertrümmerung.

Unsere Sympathien gelten den deutschen
Parteien in Österreich. Sie sind durch eine
harte Schule des Kampfes um ihr Dasein
gegangen. Das Slawentum in seiner schärfsten
Kampfausprägung stand ihnen gegenüber und
bedrohte sie in ihrem Dasein. Und doch
hatten die Deutschen alles für diesen Staat
getan. Ihr Fluch war die Uneinigkeit. Dieser
Fluch ist jetzt durch den Zusammenschluß der
deutschen Parteien, auch der Arbeiterparteien,
hoffentlich für immer beseitigt.

Zitternd für diese jungen, geeinten Kämpfer
und mitfühlend verfolgen wir ihren Weg.
Möchte er in dieser Zeit der gewaltigsten
Jdeenumwälzungen zum Ziele führen.

Unsere deutschen Stammesbrüder werden
sich, ihrer Kraft in Sammlung bewußt, Freiheit
und Selbstbestimmung erobern.

Revolution.

Es steht eine unheimliche
Kraft vor Europas Toren, lauernd um Einlaß
begehrend und wie der Aasgeier den richtigen
Moment zum niederstoßen abwartend — die
russische Revolution.

Die Rückwirkung der deutschen letzten Er¬
eignisse auf Rußland war ungeheuer. Es
regte sich unter den Bolschewiken. Morgenrot
witternd glaubten sie die Zeit gekommen, wo
eine rote Flut Moskau und Berlin vereinigen
würde, um von dort aus zündend auf die
übrige Welt weiterzugreifen und alles in
Flammen zu setzen.

Wir wollen und werden das Experiment
nicht machen. Es gibt einen anderen Weg
zur Freiheit als den, den das russische Per¬
verse Denken gegangen ist. Freiheit nicht
durch Revolution, sondern durch Evolution.

[Spaltenumbruch]

Rußlands gegenwärtiger Zustand hat mit
Demokratie und Sozialismus nichts zu tun.
Was wir dort in schrecklichster Form Schem¬
ihl aus Schwäche geborene Anarchie, die einige
Oligarchen mittels eines nie dagewesenen
Terrors und mit Hilfe einer bezahlten Unter¬
organisation roter Tschinowniki und Räuber
meistern. Alles kulturelle Leben, alles Schöne
und Edle, alles, was das Leben lebenSwert
macht, ist von dieser Oligarchenbande in den
Staub getreten worden und wird von ihnen
dauernd weiter zerstört. Die Idealisten unter
diesen Oligarchen träumen von Freiheit
nach Vernichtung aller ihrer Gegner: durch
Blut, Leichen und Zerstörung wollen sie zum
bolschewistischen Zukunftsstaat, wo nur noch
fieberphantasierende, leergebrannte Hirne in
einer entgötterten Welt zurückbleiben; die
Materialisten füllen sich die Taschen, Viel
schlimmer als es jemals die Tschinowniki zur
Zarenzeit taten. Diese nährten sich von den
Abfällen des blühenden staatlichen Lebens,
jene tasten Produktion und Produktionsmittel
selber an, weil nichts anderes da ist, was sie
rauben und stehlen können.

Das geistige Leben ist tot, keine unab¬
hängige Zeitung, leine Zeitschrift, keine lite¬
rarische Produktion ist mehr vorhanden.

Der Geist liegt am Boden und der Körper
wälzt sich im Dreck. Keinen verständigen
Deutschen wird dieses Beispiel locken. Mit Ab»
scheu werden und müssen unsere sozialistischen
Führer das ihnen von Moskau gestellte An¬
sinnen, besorgt um die Zukunft des deutschen
Arbeiters, abweisen.

Wir wollen den, Versucher vom Fellen
seiner Hoffahrt und Unflat in die Tiefe
G. T. stürzen.



Drmagogrntum.

Das „Berliner Tage¬
blatt" bringt in Ur. S22 vom 12. Oktober
an erster Stelle folgenden Artikel. Überschrift:
„Die Absendung der Antwortnote an Wilson.
Die abwesendenBundeSratSmitglieder." Dann
heißt es: „Die Antwort auf die drei Fragen
Wilsons ist gestern abend endgültig fertiggestellt
worden. Auf heute vormittag ist der Bundes¬
ratsausschuß für auswärtige Angelegenheiten
einberufen worden. ... Falls der Bundesrats-
ausschuß gestern hätte tagen können, wäre es
möglich gewesen, die Note noch gestern ab-

[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0089" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/88327"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <cb type="start"/>
            <p xml:id="ID_334" prev="#ID_333"> seinen verschiedenen Nationalitäten, ruht aus¬<lb/>
schließlich auf dem gemeinsamen Staats¬<lb/>
gedanken. Wenn von der äußerlich sichtbaren<lb/>
Verkörperung dieses Staatsgedankens selbst<lb/>
die Rehabilitierung der Kämpfer gegen diesen<lb/>
Gedanken erfolgt, so muß eine allgemeine<lb/>
Auflösung die Folge sein.</p>
            <p xml:id="ID_335"> Jetzt werden die Zügel kaum mehr auf»<lb/>
genommen werden können. &#x201E;Zu spät" steht<lb/>
über den Lammasch- und Karolyischen Zufalls»<lb/>
kombinationen, beinahe möchte man sagen<lb/>
Verzweiflungskombinationen. Das Viel¬<lb/>
gespann rast schon in verschiedenen Richtungen<lb/>
auseinander. Wehe dem Wagen. Ihm droht<lb/>
Zertrümmerung.</p>
            <p xml:id="ID_336"> Unsere Sympathien gelten den deutschen<lb/>
Parteien in Österreich. Sie sind durch eine<lb/>
harte Schule des Kampfes um ihr Dasein<lb/>
gegangen. Das Slawentum in seiner schärfsten<lb/>
Kampfausprägung stand ihnen gegenüber und<lb/>
bedrohte sie in ihrem Dasein. Und doch<lb/>
hatten die Deutschen alles für diesen Staat<lb/>
getan. Ihr Fluch war die Uneinigkeit. Dieser<lb/>
Fluch ist jetzt durch den Zusammenschluß der<lb/>
deutschen Parteien, auch der Arbeiterparteien,<lb/>
hoffentlich für immer beseitigt.</p>
            <p xml:id="ID_337"> Zitternd für diese jungen, geeinten Kämpfer<lb/>
und mitfühlend verfolgen wir ihren Weg.<lb/>
Möchte er in dieser Zeit der gewaltigsten<lb/>
Jdeenumwälzungen zum Ziele führen.</p>
            <p xml:id="ID_338"> Unsere deutschen Stammesbrüder werden<lb/>
sich, ihrer Kraft in Sammlung bewußt, Freiheit<lb/>
und Selbstbestimmung erobern.</p>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Revolution.</head>
            <p xml:id="ID_339"> Es steht eine unheimliche<lb/>
Kraft vor Europas Toren, lauernd um Einlaß<lb/>
begehrend und wie der Aasgeier den richtigen<lb/>
Moment zum niederstoßen abwartend &#x2014; die<lb/>
russische Revolution.</p>
            <p xml:id="ID_340"> Die Rückwirkung der deutschen letzten Er¬<lb/>
eignisse auf Rußland war ungeheuer. Es<lb/>
regte sich unter den Bolschewiken. Morgenrot<lb/>
witternd glaubten sie die Zeit gekommen, wo<lb/>
eine rote Flut Moskau und Berlin vereinigen<lb/>
würde, um von dort aus zündend auf die<lb/>
übrige Welt weiterzugreifen und alles in<lb/>
Flammen zu setzen.</p>
            <p xml:id="ID_341" next="#ID_342"> Wir wollen und werden das Experiment<lb/>
nicht machen. Es gibt einen anderen Weg<lb/>
zur Freiheit als den, den das russische Per¬<lb/>
verse Denken gegangen ist. Freiheit nicht<lb/>
durch Revolution, sondern durch Evolution.</p>
            <cb/><lb/>
            <p xml:id="ID_342" prev="#ID_341"> Rußlands gegenwärtiger Zustand hat mit<lb/>
Demokratie und Sozialismus nichts zu tun.<lb/>
Was wir dort in schrecklichster Form Schem¬<lb/>
ihl aus Schwäche geborene Anarchie, die einige<lb/>
Oligarchen mittels eines nie dagewesenen<lb/>
Terrors und mit Hilfe einer bezahlten Unter¬<lb/>
organisation roter Tschinowniki und Räuber<lb/>
meistern. Alles kulturelle Leben, alles Schöne<lb/>
und Edle, alles, was das Leben lebenSwert<lb/>
macht, ist von dieser Oligarchenbande in den<lb/>
Staub getreten worden und wird von ihnen<lb/>
dauernd weiter zerstört. Die Idealisten unter<lb/>
diesen Oligarchen träumen von Freiheit<lb/>
nach Vernichtung aller ihrer Gegner: durch<lb/>
Blut, Leichen und Zerstörung wollen sie zum<lb/>
bolschewistischen Zukunftsstaat, wo nur noch<lb/>
fieberphantasierende, leergebrannte Hirne in<lb/>
einer entgötterten Welt zurückbleiben; die<lb/>
Materialisten füllen sich die Taschen, Viel<lb/>
schlimmer als es jemals die Tschinowniki zur<lb/>
Zarenzeit taten. Diese nährten sich von den<lb/>
Abfällen des blühenden staatlichen Lebens,<lb/>
jene tasten Produktion und Produktionsmittel<lb/>
selber an, weil nichts anderes da ist, was sie<lb/>
rauben und stehlen können.</p>
            <p xml:id="ID_343"> Das geistige Leben ist tot, keine unab¬<lb/>
hängige Zeitung, leine Zeitschrift, keine lite¬<lb/>
rarische Produktion ist mehr vorhanden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_344"> Der Geist liegt am Boden und der Körper<lb/>
wälzt sich im Dreck. Keinen verständigen<lb/>
Deutschen wird dieses Beispiel locken. Mit Ab»<lb/>
scheu werden und müssen unsere sozialistischen<lb/>
Führer das ihnen von Moskau gestellte An¬<lb/>
sinnen, besorgt um die Zukunft des deutschen<lb/>
Arbeiters, abweisen.</p>
            <p xml:id="ID_345"> Wir wollen den, Versucher vom Fellen<lb/>
seiner Hoffahrt und Unflat in die Tiefe<lb/><note type="byline"> G. T.</note> stürzen. </p>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Drmagogrntum.</head>
            <p xml:id="ID_346" next="#ID_347"> Das &#x201E;Berliner Tage¬<lb/>
blatt" bringt in Ur. S22 vom 12. Oktober<lb/>
an erster Stelle folgenden Artikel. Überschrift:<lb/>
&#x201E;Die Absendung der Antwortnote an Wilson.<lb/>
Die abwesendenBundeSratSmitglieder." Dann<lb/>
heißt es: &#x201E;Die Antwort auf die drei Fragen<lb/>
Wilsons ist gestern abend endgültig fertiggestellt<lb/>
worden. Auf heute vormittag ist der Bundes¬<lb/>
ratsausschuß für auswärtige Angelegenheiten<lb/>
einberufen worden. ... Falls der Bundesrats-<lb/>
ausschuß gestern hätte tagen können, wäre es<lb/>
möglich gewesen, die Note noch gestern ab-</p>
            <cb type="end"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0089] Maßgebliches und Unmaßgebliches seinen verschiedenen Nationalitäten, ruht aus¬ schließlich auf dem gemeinsamen Staats¬ gedanken. Wenn von der äußerlich sichtbaren Verkörperung dieses Staatsgedankens selbst die Rehabilitierung der Kämpfer gegen diesen Gedanken erfolgt, so muß eine allgemeine Auflösung die Folge sein. Jetzt werden die Zügel kaum mehr auf» genommen werden können. „Zu spät" steht über den Lammasch- und Karolyischen Zufalls» kombinationen, beinahe möchte man sagen Verzweiflungskombinationen. Das Viel¬ gespann rast schon in verschiedenen Richtungen auseinander. Wehe dem Wagen. Ihm droht Zertrümmerung. Unsere Sympathien gelten den deutschen Parteien in Österreich. Sie sind durch eine harte Schule des Kampfes um ihr Dasein gegangen. Das Slawentum in seiner schärfsten Kampfausprägung stand ihnen gegenüber und bedrohte sie in ihrem Dasein. Und doch hatten die Deutschen alles für diesen Staat getan. Ihr Fluch war die Uneinigkeit. Dieser Fluch ist jetzt durch den Zusammenschluß der deutschen Parteien, auch der Arbeiterparteien, hoffentlich für immer beseitigt. Zitternd für diese jungen, geeinten Kämpfer und mitfühlend verfolgen wir ihren Weg. Möchte er in dieser Zeit der gewaltigsten Jdeenumwälzungen zum Ziele führen. Unsere deutschen Stammesbrüder werden sich, ihrer Kraft in Sammlung bewußt, Freiheit und Selbstbestimmung erobern. Revolution. Es steht eine unheimliche Kraft vor Europas Toren, lauernd um Einlaß begehrend und wie der Aasgeier den richtigen Moment zum niederstoßen abwartend — die russische Revolution. Die Rückwirkung der deutschen letzten Er¬ eignisse auf Rußland war ungeheuer. Es regte sich unter den Bolschewiken. Morgenrot witternd glaubten sie die Zeit gekommen, wo eine rote Flut Moskau und Berlin vereinigen würde, um von dort aus zündend auf die übrige Welt weiterzugreifen und alles in Flammen zu setzen. Wir wollen und werden das Experiment nicht machen. Es gibt einen anderen Weg zur Freiheit als den, den das russische Per¬ verse Denken gegangen ist. Freiheit nicht durch Revolution, sondern durch Evolution. Rußlands gegenwärtiger Zustand hat mit Demokratie und Sozialismus nichts zu tun. Was wir dort in schrecklichster Form Schem¬ ihl aus Schwäche geborene Anarchie, die einige Oligarchen mittels eines nie dagewesenen Terrors und mit Hilfe einer bezahlten Unter¬ organisation roter Tschinowniki und Räuber meistern. Alles kulturelle Leben, alles Schöne und Edle, alles, was das Leben lebenSwert macht, ist von dieser Oligarchenbande in den Staub getreten worden und wird von ihnen dauernd weiter zerstört. Die Idealisten unter diesen Oligarchen träumen von Freiheit nach Vernichtung aller ihrer Gegner: durch Blut, Leichen und Zerstörung wollen sie zum bolschewistischen Zukunftsstaat, wo nur noch fieberphantasierende, leergebrannte Hirne in einer entgötterten Welt zurückbleiben; die Materialisten füllen sich die Taschen, Viel schlimmer als es jemals die Tschinowniki zur Zarenzeit taten. Diese nährten sich von den Abfällen des blühenden staatlichen Lebens, jene tasten Produktion und Produktionsmittel selber an, weil nichts anderes da ist, was sie rauben und stehlen können. Das geistige Leben ist tot, keine unab¬ hängige Zeitung, leine Zeitschrift, keine lite¬ rarische Produktion ist mehr vorhanden. Der Geist liegt am Boden und der Körper wälzt sich im Dreck. Keinen verständigen Deutschen wird dieses Beispiel locken. Mit Ab» scheu werden und müssen unsere sozialistischen Führer das ihnen von Moskau gestellte An¬ sinnen, besorgt um die Zukunft des deutschen Arbeiters, abweisen. Wir wollen den, Versucher vom Fellen seiner Hoffahrt und Unflat in die Tiefe G. T. stürzen. Drmagogrntum. Das „Berliner Tage¬ blatt" bringt in Ur. S22 vom 12. Oktober an erster Stelle folgenden Artikel. Überschrift: „Die Absendung der Antwortnote an Wilson. Die abwesendenBundeSratSmitglieder." Dann heißt es: „Die Antwort auf die drei Fragen Wilsons ist gestern abend endgültig fertiggestellt worden. Auf heute vormittag ist der Bundes¬ ratsausschuß für auswärtige Angelegenheiten einberufen worden. ... Falls der Bundesrats- ausschuß gestern hätte tagen können, wäre es möglich gewesen, die Note noch gestern ab-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/89
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/89>, abgerufen am 24.11.2024.