Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die neue Aera

lichkeiten des neuen Kabinetts entschieden, sondern den Wünschen des Reichs¬
tags, die staatsrechtlich bislang keine Rolle spielten, Rechnung getragen. Der
Verlauf der Dinge war doch folgender:

Es lag ein mehr oder weniger bestimmtes Programm der Mehrheits¬
parteien vor, dessen Durchführung der bisherige Kanzler Graf Hertling selber
nicht übernehmen wollte, dessen Verwirklichung er aber im Interesse des
Staatsganzen unter den herrschenden Zeitumständen für dringend geboten er¬
achtete. Dementsprechend hat er die Krone beraten und diese hat daraufhin als
ihren freien WillenSentschluL eine parlamentarische Regierungsweise in die
Wege zu leiten befohlen. Graf Hertling hat die Wünsche des Kaisers an den
Vizekanzler von Paher zur Ausführung weitergegeben. Dieser beschloß, soviel
bis jetzt feststeht, ') von vornherein das Ministerium einseitig aus den Mehr¬
heitsparteien zu bilden und erhielt von ihnen eine Vertraueuskundgcbung für
seine eigene Person. Da er selber das höchste Reichsamt zu übernehmen nicht
gewillt war, bezeichnete er Krone und Parteien den Prinzen Max von Baden
als auf dem Boden des Mehrheitsprogrammes stehende und daher geeignete
Führerpersönlichkeit.

Ohne Krage wird Art. 18 der N.-V. verletzt, denn wenn man sich mich
nicht die schroffe Formulierung der "Kreuzzeitung" zu eigen machen will, zum
mindesten ist doch neben Am monarchischen ein neuer Faktor in Gestall des
Parlaments getreten, der bei der Wahl der Exekutive entscheidend mitspielt.
Aber bekanntlich laufen die Dinge nicht immer schön in den Gleisen der Ver¬
fassungsartikel. Wie neben dem fixierten Staatsrecht sich allenthalben ein un¬
geschriebenes Recht entwickelt hat, so zeigt auch ferner sein anscheinend fester
Bau gewisse Lücken, wo die Macht politischer Tatsachen an die Stelle wohl¬
gefügter Rechtssätze tritt. Beim Verfassungskonflikt der sechziger Jahre hat
Bismarck diese Lage im Interesse von Krone und Negierung auszuwerten ver¬
standen, heute wiederholt sich der Fall zugunsten des Parlaments, und hier wie
dqrt bedeutet es eine höhere Stufe des Erkennens, sich der Grenzen des Staats¬
rechts bewußt zu werden, als über ihre Verletzung Beschwerde zu führen.

Bestände die Neuerung übrigens in nichts anderem, als in dem Mitent-
scheidungsrecht des Reichsmges' vel, der Auswahl der Reichslntmig. so könnte
man dem ohne weiteres als einem erfreulichen und notwendigen Fortschritt zu¬
stimmen. Denn ein solcher ist es wirklich, wenn der Zufall bei Minister¬
ernennungen von nun an ausgeschaltet wird. ") Natürlich handelt es sich um
weit mehr. Die neue Epoche in Deutschlands innerer Geschichte, die Prinz
Max von Baden seit dem September-Erlaß datiert, bedeutet -- darüber wollen
wir uns klar sein -- eine beträchtliche Verschiebung des Schwerpunktes unseres
Berfassungslebens in Bund und Einzelstaaten. Die eigentümliche deutsche
Regierungsform, die durch das starke Übergewicht des monarchischen Elements
gegenüber dem parlamentarischen gekennzeichnet war, gehört, nach den Worten
des Reichskanzlers wird man sagen müssen: endgültig der Vergangenheit an.
In dem uralten Rivalitätskampf zwischen Herrschaft und Genossenschaft, wie
er das Leben der Völker erfüllt, haben die Stürme des Weltkrieges auch für den
Herzstaat Europas die Entscheidung zugunsten des zweiten Faktors gebracht.
Die monarchisch-konstitutionelle Regierungsweise, me für Preußen in jenem
oben erwähnten Verfafsungskonflikt von 1862 ins 1866 ihre Feuerprobe bestand,
und die, wenn auch unter Berücksichtigung der bundesstaatlichen Verhältnisse,
1867 bis 1871 auf den Gesamtstaat übertragen wurde, hat sich bei der neuen
Prüfung nicht mehr widerstandsfähig genug gezeigt. Und zwar erfolgt, wie




^) Die Behauptung des Abgeordneten Hcnchmann in Ur. 503 des "Berliner Tage¬
blattes", Herr von Payer habe alle Fraktionen gehört, laßt sich mit der Mitteilung des
Grafen Westarp (Ur. 513 der "Kreuzzeitung"), daß man mit der konservativen Partei
nicht "erhandelt und ihr das sogenannte Regierungsprogmmm nicht mitgeteilt habe, kaum
vereinigen.'
-h Vgl. Grenzboten, Heft 30, S. 88.
Die neue Aera

lichkeiten des neuen Kabinetts entschieden, sondern den Wünschen des Reichs¬
tags, die staatsrechtlich bislang keine Rolle spielten, Rechnung getragen. Der
Verlauf der Dinge war doch folgender:

Es lag ein mehr oder weniger bestimmtes Programm der Mehrheits¬
parteien vor, dessen Durchführung der bisherige Kanzler Graf Hertling selber
nicht übernehmen wollte, dessen Verwirklichung er aber im Interesse des
Staatsganzen unter den herrschenden Zeitumständen für dringend geboten er¬
achtete. Dementsprechend hat er die Krone beraten und diese hat daraufhin als
ihren freien WillenSentschluL eine parlamentarische Regierungsweise in die
Wege zu leiten befohlen. Graf Hertling hat die Wünsche des Kaisers an den
Vizekanzler von Paher zur Ausführung weitergegeben. Dieser beschloß, soviel
bis jetzt feststeht, ') von vornherein das Ministerium einseitig aus den Mehr¬
heitsparteien zu bilden und erhielt von ihnen eine Vertraueuskundgcbung für
seine eigene Person. Da er selber das höchste Reichsamt zu übernehmen nicht
gewillt war, bezeichnete er Krone und Parteien den Prinzen Max von Baden
als auf dem Boden des Mehrheitsprogrammes stehende und daher geeignete
Führerpersönlichkeit.

Ohne Krage wird Art. 18 der N.-V. verletzt, denn wenn man sich mich
nicht die schroffe Formulierung der „Kreuzzeitung" zu eigen machen will, zum
mindesten ist doch neben Am monarchischen ein neuer Faktor in Gestall des
Parlaments getreten, der bei der Wahl der Exekutive entscheidend mitspielt.
Aber bekanntlich laufen die Dinge nicht immer schön in den Gleisen der Ver¬
fassungsartikel. Wie neben dem fixierten Staatsrecht sich allenthalben ein un¬
geschriebenes Recht entwickelt hat, so zeigt auch ferner sein anscheinend fester
Bau gewisse Lücken, wo die Macht politischer Tatsachen an die Stelle wohl¬
gefügter Rechtssätze tritt. Beim Verfassungskonflikt der sechziger Jahre hat
Bismarck diese Lage im Interesse von Krone und Negierung auszuwerten ver¬
standen, heute wiederholt sich der Fall zugunsten des Parlaments, und hier wie
dqrt bedeutet es eine höhere Stufe des Erkennens, sich der Grenzen des Staats¬
rechts bewußt zu werden, als über ihre Verletzung Beschwerde zu führen.

Bestände die Neuerung übrigens in nichts anderem, als in dem Mitent-
scheidungsrecht des Reichsmges' vel, der Auswahl der Reichslntmig. so könnte
man dem ohne weiteres als einem erfreulichen und notwendigen Fortschritt zu¬
stimmen. Denn ein solcher ist es wirklich, wenn der Zufall bei Minister¬
ernennungen von nun an ausgeschaltet wird. ") Natürlich handelt es sich um
weit mehr. Die neue Epoche in Deutschlands innerer Geschichte, die Prinz
Max von Baden seit dem September-Erlaß datiert, bedeutet — darüber wollen
wir uns klar sein — eine beträchtliche Verschiebung des Schwerpunktes unseres
Berfassungslebens in Bund und Einzelstaaten. Die eigentümliche deutsche
Regierungsform, die durch das starke Übergewicht des monarchischen Elements
gegenüber dem parlamentarischen gekennzeichnet war, gehört, nach den Worten
des Reichskanzlers wird man sagen müssen: endgültig der Vergangenheit an.
In dem uralten Rivalitätskampf zwischen Herrschaft und Genossenschaft, wie
er das Leben der Völker erfüllt, haben die Stürme des Weltkrieges auch für den
Herzstaat Europas die Entscheidung zugunsten des zweiten Faktors gebracht.
Die monarchisch-konstitutionelle Regierungsweise, me für Preußen in jenem
oben erwähnten Verfafsungskonflikt von 1862 ins 1866 ihre Feuerprobe bestand,
und die, wenn auch unter Berücksichtigung der bundesstaatlichen Verhältnisse,
1867 bis 1871 auf den Gesamtstaat übertragen wurde, hat sich bei der neuen
Prüfung nicht mehr widerstandsfähig genug gezeigt. Und zwar erfolgt, wie




^) Die Behauptung des Abgeordneten Hcnchmann in Ur. 503 des „Berliner Tage¬
blattes", Herr von Payer habe alle Fraktionen gehört, laßt sich mit der Mitteilung des
Grafen Westarp (Ur. 513 der „Kreuzzeitung"), daß man mit der konservativen Partei
nicht »erhandelt und ihr das sogenannte Regierungsprogmmm nicht mitgeteilt habe, kaum
vereinigen.'
-h Vgl. Grenzboten, Heft 30, S. 88.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0081" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/88319"/>
          <fw type="header" place="top"> Die neue Aera</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_307" prev="#ID_306"> lichkeiten des neuen Kabinetts entschieden, sondern den Wünschen des Reichs¬<lb/>
tags, die staatsrechtlich bislang keine Rolle spielten, Rechnung getragen. Der<lb/>
Verlauf der Dinge war doch folgender:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_308"> Es lag ein mehr oder weniger bestimmtes Programm der Mehrheits¬<lb/>
parteien vor, dessen Durchführung der bisherige Kanzler Graf Hertling selber<lb/>
nicht übernehmen wollte, dessen Verwirklichung er aber im Interesse des<lb/>
Staatsganzen unter den herrschenden Zeitumständen für dringend geboten er¬<lb/>
achtete. Dementsprechend hat er die Krone beraten und diese hat daraufhin als<lb/>
ihren freien WillenSentschluL eine parlamentarische Regierungsweise in die<lb/>
Wege zu leiten befohlen. Graf Hertling hat die Wünsche des Kaisers an den<lb/>
Vizekanzler von Paher zur Ausführung weitergegeben. Dieser beschloß, soviel<lb/>
bis jetzt feststeht, ') von vornherein das Ministerium einseitig aus den Mehr¬<lb/>
heitsparteien zu bilden und erhielt von ihnen eine Vertraueuskundgcbung für<lb/>
seine eigene Person. Da er selber das höchste Reichsamt zu übernehmen nicht<lb/>
gewillt war, bezeichnete er Krone und Parteien den Prinzen Max von Baden<lb/>
als auf dem Boden des Mehrheitsprogrammes stehende und daher geeignete<lb/>
Führerpersönlichkeit.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_309"> Ohne Krage wird Art. 18 der N.-V. verletzt, denn wenn man sich mich<lb/>
nicht die schroffe Formulierung der &#x201E;Kreuzzeitung" zu eigen machen will, zum<lb/>
mindesten ist doch neben Am monarchischen ein neuer Faktor in Gestall des<lb/>
Parlaments getreten, der bei der Wahl der Exekutive entscheidend mitspielt.<lb/>
Aber bekanntlich laufen die Dinge nicht immer schön in den Gleisen der Ver¬<lb/>
fassungsartikel. Wie neben dem fixierten Staatsrecht sich allenthalben ein un¬<lb/>
geschriebenes Recht entwickelt hat, so zeigt auch ferner sein anscheinend fester<lb/>
Bau gewisse Lücken, wo die Macht politischer Tatsachen an die Stelle wohl¬<lb/>
gefügter Rechtssätze tritt. Beim Verfassungskonflikt der sechziger Jahre hat<lb/>
Bismarck diese Lage im Interesse von Krone und Negierung auszuwerten ver¬<lb/>
standen, heute wiederholt sich der Fall zugunsten des Parlaments, und hier wie<lb/>
dqrt bedeutet es eine höhere Stufe des Erkennens, sich der Grenzen des Staats¬<lb/>
rechts bewußt zu werden, als über ihre Verletzung Beschwerde zu führen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_310" next="#ID_311"> Bestände die Neuerung übrigens in nichts anderem, als in dem Mitent-<lb/>
scheidungsrecht des Reichsmges' vel, der Auswahl der Reichslntmig. so könnte<lb/>
man dem ohne weiteres als einem erfreulichen und notwendigen Fortschritt zu¬<lb/>
stimmen. Denn ein solcher ist es wirklich, wenn der Zufall bei Minister¬<lb/>
ernennungen von nun an ausgeschaltet wird. ") Natürlich handelt es sich um<lb/>
weit mehr. Die neue Epoche in Deutschlands innerer Geschichte, die Prinz<lb/>
Max von Baden seit dem September-Erlaß datiert, bedeutet &#x2014; darüber wollen<lb/>
wir uns klar sein &#x2014; eine beträchtliche Verschiebung des Schwerpunktes unseres<lb/>
Berfassungslebens in Bund und Einzelstaaten. Die eigentümliche deutsche<lb/>
Regierungsform, die durch das starke Übergewicht des monarchischen Elements<lb/>
gegenüber dem parlamentarischen gekennzeichnet war, gehört, nach den Worten<lb/>
des Reichskanzlers wird man sagen müssen: endgültig der Vergangenheit an.<lb/>
In dem uralten Rivalitätskampf zwischen Herrschaft und Genossenschaft, wie<lb/>
er das Leben der Völker erfüllt, haben die Stürme des Weltkrieges auch für den<lb/>
Herzstaat Europas die Entscheidung zugunsten des zweiten Faktors gebracht.<lb/>
Die monarchisch-konstitutionelle Regierungsweise, me für Preußen in jenem<lb/>
oben erwähnten Verfafsungskonflikt von 1862 ins 1866 ihre Feuerprobe bestand,<lb/>
und die, wenn auch unter Berücksichtigung der bundesstaatlichen Verhältnisse,<lb/>
1867 bis 1871 auf den Gesamtstaat übertragen wurde, hat sich bei der neuen<lb/>
Prüfung nicht mehr widerstandsfähig genug gezeigt. Und zwar erfolgt, wie</p><lb/>
          <note xml:id="FID_17" place="foot"> ^) Die Behauptung des Abgeordneten Hcnchmann in Ur. 503 des &#x201E;Berliner Tage¬<lb/>
blattes", Herr von Payer habe alle Fraktionen gehört, laßt sich mit der Mitteilung des<lb/>
Grafen Westarp (Ur. 513 der &#x201E;Kreuzzeitung"), daß man mit der konservativen Partei<lb/>
nicht »erhandelt und ihr das sogenannte Regierungsprogmmm nicht mitgeteilt habe, kaum<lb/>
vereinigen.'</note><lb/>
          <note xml:id="FID_18" place="foot"> -h Vgl. Grenzboten, Heft 30, S. 88.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0081] Die neue Aera lichkeiten des neuen Kabinetts entschieden, sondern den Wünschen des Reichs¬ tags, die staatsrechtlich bislang keine Rolle spielten, Rechnung getragen. Der Verlauf der Dinge war doch folgender: Es lag ein mehr oder weniger bestimmtes Programm der Mehrheits¬ parteien vor, dessen Durchführung der bisherige Kanzler Graf Hertling selber nicht übernehmen wollte, dessen Verwirklichung er aber im Interesse des Staatsganzen unter den herrschenden Zeitumständen für dringend geboten er¬ achtete. Dementsprechend hat er die Krone beraten und diese hat daraufhin als ihren freien WillenSentschluL eine parlamentarische Regierungsweise in die Wege zu leiten befohlen. Graf Hertling hat die Wünsche des Kaisers an den Vizekanzler von Paher zur Ausführung weitergegeben. Dieser beschloß, soviel bis jetzt feststeht, ') von vornherein das Ministerium einseitig aus den Mehr¬ heitsparteien zu bilden und erhielt von ihnen eine Vertraueuskundgcbung für seine eigene Person. Da er selber das höchste Reichsamt zu übernehmen nicht gewillt war, bezeichnete er Krone und Parteien den Prinzen Max von Baden als auf dem Boden des Mehrheitsprogrammes stehende und daher geeignete Führerpersönlichkeit. Ohne Krage wird Art. 18 der N.-V. verletzt, denn wenn man sich mich nicht die schroffe Formulierung der „Kreuzzeitung" zu eigen machen will, zum mindesten ist doch neben Am monarchischen ein neuer Faktor in Gestall des Parlaments getreten, der bei der Wahl der Exekutive entscheidend mitspielt. Aber bekanntlich laufen die Dinge nicht immer schön in den Gleisen der Ver¬ fassungsartikel. Wie neben dem fixierten Staatsrecht sich allenthalben ein un¬ geschriebenes Recht entwickelt hat, so zeigt auch ferner sein anscheinend fester Bau gewisse Lücken, wo die Macht politischer Tatsachen an die Stelle wohl¬ gefügter Rechtssätze tritt. Beim Verfassungskonflikt der sechziger Jahre hat Bismarck diese Lage im Interesse von Krone und Negierung auszuwerten ver¬ standen, heute wiederholt sich der Fall zugunsten des Parlaments, und hier wie dqrt bedeutet es eine höhere Stufe des Erkennens, sich der Grenzen des Staats¬ rechts bewußt zu werden, als über ihre Verletzung Beschwerde zu führen. Bestände die Neuerung übrigens in nichts anderem, als in dem Mitent- scheidungsrecht des Reichsmges' vel, der Auswahl der Reichslntmig. so könnte man dem ohne weiteres als einem erfreulichen und notwendigen Fortschritt zu¬ stimmen. Denn ein solcher ist es wirklich, wenn der Zufall bei Minister¬ ernennungen von nun an ausgeschaltet wird. ") Natürlich handelt es sich um weit mehr. Die neue Epoche in Deutschlands innerer Geschichte, die Prinz Max von Baden seit dem September-Erlaß datiert, bedeutet — darüber wollen wir uns klar sein — eine beträchtliche Verschiebung des Schwerpunktes unseres Berfassungslebens in Bund und Einzelstaaten. Die eigentümliche deutsche Regierungsform, die durch das starke Übergewicht des monarchischen Elements gegenüber dem parlamentarischen gekennzeichnet war, gehört, nach den Worten des Reichskanzlers wird man sagen müssen: endgültig der Vergangenheit an. In dem uralten Rivalitätskampf zwischen Herrschaft und Genossenschaft, wie er das Leben der Völker erfüllt, haben die Stürme des Weltkrieges auch für den Herzstaat Europas die Entscheidung zugunsten des zweiten Faktors gebracht. Die monarchisch-konstitutionelle Regierungsweise, me für Preußen in jenem oben erwähnten Verfafsungskonflikt von 1862 ins 1866 ihre Feuerprobe bestand, und die, wenn auch unter Berücksichtigung der bundesstaatlichen Verhältnisse, 1867 bis 1871 auf den Gesamtstaat übertragen wurde, hat sich bei der neuen Prüfung nicht mehr widerstandsfähig genug gezeigt. Und zwar erfolgt, wie ^) Die Behauptung des Abgeordneten Hcnchmann in Ur. 503 des „Berliner Tage¬ blattes", Herr von Payer habe alle Fraktionen gehört, laßt sich mit der Mitteilung des Grafen Westarp (Ur. 513 der „Kreuzzeitung"), daß man mit der konservativen Partei nicht »erhandelt und ihr das sogenannte Regierungsprogmmm nicht mitgeteilt habe, kaum vereinigen.' -h Vgl. Grenzboten, Heft 30, S. 88.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/81
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/81>, abgerufen am 24.11.2024.