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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Völkerbund "ut neuer Weltkrieg

gegen Deutschland oder gar an eine Teilnahme am europäischen Kriege dachte
damals in Amerika kein Mensch.

Inzwischen gaben sich die Amerikaner, da sie anderweitig nicht beschäftigt
waren, der bei ihnen mit Recht so beliebten Tätigkeit deS Klone^ UaKinZ hin.
Sie hätten gern für beide Teile Kriegsmaterial geliefert, da auf diese Weise noch
viel mehr zu verdienen gewesen wäre. Leider war zu den Mittemächten der Weg
versperrt. Während Wilson noch kurz zuvor im mexikanischen Bürgerkriege Waffen¬
lieferungen im Interesse der Neutralität verboten hatte, mußte er nunmehr mit
den Trustmagnaten rechnen, die eben Geld verdienen wollten. In Deutschland
wurde den Amerikanern diese einseitige Ohnseitigkeit sehr verübelt. Und Wilson
selbst empfand sie wegen der von ihm erhofften schiedsrichterlichen Stellung un¬
angenehm. In jener Zeit war ein Freund Wilsons bei mir, um auch nach meiner
Ansicht zu fragen, ob das deutsche Volk sich nicht trotzdem noch die Friedens¬
vermittlung des Präsidenten der Vereinigten Staaten als des Oberhauptes der
einzigen großen neutralen Macht gefallen lassen würde. Ich konnte ihm aller¬
dings in dieser Hinsicht mein Bedenken nicht verhehlen und empfahl dringend
Einstellung der Kriegslieferungen. Dazu fehlte Wilson gegenüber dem amerika¬
nischen Kapitalismus augenscheinlich die Macht. Aber man sieht doch, daß von
einer grundsätzlichen Feindschaft gegen Deutschland keine Rede war. Inzwischen
steckte Amerika immer mehr Geld in das Ententeunternehmen. Damit legten sich
die amerikanischen Interessen auch immer mehr auf die Ententeseite. Denn es
ist ein altes Wort: "Wo dein Geld ist, da ist auch dein Herz."

Amerika hatte jedenfalls durch die Unterlassungen unserer Diplomatie volle
Freiheit erhalten, sich den europäischen Händeln zu widmen. Andererseits war
die Entwicklung einer starken Rüstungsindustrie auch vom amerikanischen Stand¬
punkt als ein Vorteil zu betrachten. Konnte man sie doch, wenn der europäische
Krieg zu Ende war, ohne weiteres als eine geeignete Grundlage benutzen für die
drohende Auseinandersetzung mit Japan.

Der uneingeschränkte Unterseebootkrieg bot dann für Amerika zwar nicht
den inneren prumb, aber den äußeren Anlaß zum Eintritts in den Weltkrieg.
Auch hier handelte unsere Diplomatie mit unbegreiflich er Kurzsichtigkeit. So lange
Wilson noch vor der Wiederwahl stand und gewiß keinen Krieg erklärt hätte, da
er nur als Friedenspräsident gewählt werden konnte, wich man vor dem ameri¬
kanischen Widerspruche zurück. Als er aber wiedergewählt war und keinerlei Rück¬
sichten mehr zu nehmen hatte, erklärte man den unbeschränkten Unterseebootkrieg
und bot damit die erwünschte Veranlassung zum Kriege.

Und nun soll ein Völkerbund, der Lieblingsgedanke des Präsidenten Wilson,
allen künftigen Kriegen vorbeugen.

Es ist menschlich begreiflich, daß man nach dem Elende eines Jahre langen
Weltkrieges nach Mitteln und Wegen sucht, künftig ähnliches Unheil von der
Menschheit sern zu halten. Tatsächlich läßt jeder große Krieg eine hochgradige
politische Spannung zurück, und, wenn wir eine gewisse Gewähr für eine längere
Friedensdauer erhoffen könnten, so wäre es bis auf weiteres nur die allgemeine
Erschöpfung der kriegführenden Völker. Doch man sucht nach einer größeren
Sicherheit und glaubt diese verheißen zu können in dem allgemeinen Völkerbunde,
der sich gegen jeden künftigen Friedensbrecher mit der gesamten Macht der im
Völkerbunde geeinten Menschheit wenden soll.

Lassen wir zunächst einmal die Sicherheit dieser Gewähr dahingestellt. Ge¬
wiß ist, daß der Völkerbund auch für die Zukunft Kriege nicht aus der Welt
schafft, ja daß sich an den jetzigen Weltkrieg unmittelbar der um die Herrschaft
des Stillen Ozeans anschließen muß. Der amerikanisch-japanische Gegensatz wird
vorläufig nur künstlich verdeckt dadurch, daß beide Mächte, nicht ohne unsere
Schuld, widernatürlich in dasselbe Bündnis hineingezwängt sind.

Weshalb hat Amerika sich überhaupt am Kriege beteiligt, der den alten
Überlieferungen der Monroe-Lehre und der eingewurzelten Gegnerschaft der Ver¬
einigten Staaten zu England so schnurstracks zuwiderlief?


Völkerbund »ut neuer Weltkrieg

gegen Deutschland oder gar an eine Teilnahme am europäischen Kriege dachte
damals in Amerika kein Mensch.

Inzwischen gaben sich die Amerikaner, da sie anderweitig nicht beschäftigt
waren, der bei ihnen mit Recht so beliebten Tätigkeit deS Klone^ UaKinZ hin.
Sie hätten gern für beide Teile Kriegsmaterial geliefert, da auf diese Weise noch
viel mehr zu verdienen gewesen wäre. Leider war zu den Mittemächten der Weg
versperrt. Während Wilson noch kurz zuvor im mexikanischen Bürgerkriege Waffen¬
lieferungen im Interesse der Neutralität verboten hatte, mußte er nunmehr mit
den Trustmagnaten rechnen, die eben Geld verdienen wollten. In Deutschland
wurde den Amerikanern diese einseitige Ohnseitigkeit sehr verübelt. Und Wilson
selbst empfand sie wegen der von ihm erhofften schiedsrichterlichen Stellung un¬
angenehm. In jener Zeit war ein Freund Wilsons bei mir, um auch nach meiner
Ansicht zu fragen, ob das deutsche Volk sich nicht trotzdem noch die Friedens¬
vermittlung des Präsidenten der Vereinigten Staaten als des Oberhauptes der
einzigen großen neutralen Macht gefallen lassen würde. Ich konnte ihm aller¬
dings in dieser Hinsicht mein Bedenken nicht verhehlen und empfahl dringend
Einstellung der Kriegslieferungen. Dazu fehlte Wilson gegenüber dem amerika¬
nischen Kapitalismus augenscheinlich die Macht. Aber man sieht doch, daß von
einer grundsätzlichen Feindschaft gegen Deutschland keine Rede war. Inzwischen
steckte Amerika immer mehr Geld in das Ententeunternehmen. Damit legten sich
die amerikanischen Interessen auch immer mehr auf die Ententeseite. Denn es
ist ein altes Wort: „Wo dein Geld ist, da ist auch dein Herz."

Amerika hatte jedenfalls durch die Unterlassungen unserer Diplomatie volle
Freiheit erhalten, sich den europäischen Händeln zu widmen. Andererseits war
die Entwicklung einer starken Rüstungsindustrie auch vom amerikanischen Stand¬
punkt als ein Vorteil zu betrachten. Konnte man sie doch, wenn der europäische
Krieg zu Ende war, ohne weiteres als eine geeignete Grundlage benutzen für die
drohende Auseinandersetzung mit Japan.

Der uneingeschränkte Unterseebootkrieg bot dann für Amerika zwar nicht
den inneren prumb, aber den äußeren Anlaß zum Eintritts in den Weltkrieg.
Auch hier handelte unsere Diplomatie mit unbegreiflich er Kurzsichtigkeit. So lange
Wilson noch vor der Wiederwahl stand und gewiß keinen Krieg erklärt hätte, da
er nur als Friedenspräsident gewählt werden konnte, wich man vor dem ameri¬
kanischen Widerspruche zurück. Als er aber wiedergewählt war und keinerlei Rück¬
sichten mehr zu nehmen hatte, erklärte man den unbeschränkten Unterseebootkrieg
und bot damit die erwünschte Veranlassung zum Kriege.

Und nun soll ein Völkerbund, der Lieblingsgedanke des Präsidenten Wilson,
allen künftigen Kriegen vorbeugen.

Es ist menschlich begreiflich, daß man nach dem Elende eines Jahre langen
Weltkrieges nach Mitteln und Wegen sucht, künftig ähnliches Unheil von der
Menschheit sern zu halten. Tatsächlich läßt jeder große Krieg eine hochgradige
politische Spannung zurück, und, wenn wir eine gewisse Gewähr für eine längere
Friedensdauer erhoffen könnten, so wäre es bis auf weiteres nur die allgemeine
Erschöpfung der kriegführenden Völker. Doch man sucht nach einer größeren
Sicherheit und glaubt diese verheißen zu können in dem allgemeinen Völkerbunde,
der sich gegen jeden künftigen Friedensbrecher mit der gesamten Macht der im
Völkerbunde geeinten Menschheit wenden soll.

Lassen wir zunächst einmal die Sicherheit dieser Gewähr dahingestellt. Ge¬
wiß ist, daß der Völkerbund auch für die Zukunft Kriege nicht aus der Welt
schafft, ja daß sich an den jetzigen Weltkrieg unmittelbar der um die Herrschaft
des Stillen Ozeans anschließen muß. Der amerikanisch-japanische Gegensatz wird
vorläufig nur künstlich verdeckt dadurch, daß beide Mächte, nicht ohne unsere
Schuld, widernatürlich in dasselbe Bündnis hineingezwängt sind.

Weshalb hat Amerika sich überhaupt am Kriege beteiligt, der den alten
Überlieferungen der Monroe-Lehre und der eingewurzelten Gegnerschaft der Ver¬
einigten Staaten zu England so schnurstracks zuwiderlief?


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/70>, abgerufen am 22.07.2024.