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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Das Reformprogramm des preußischen Kultusministcriums

liegt das daran, darf kein Personenwechsel an leitender Stelle eine gleichstarke
-Herausforderung >an das geistige Deutschland bedeutete, wie die Berufung -- oder
soll man sagen: Kaltstellung? -- Adolf Hoffmanns ausgerechnet auf diesen
Posten. Bei einem Akte seiner Regierung hat allerdings der neue Kultur-
gewaltige die begeisterte Beistimmung der öffentlichen Meinung gefunden,
nämlich als er bei seinem Amtsantritt kindlich-zutraulich erklärte, daß ihm die
Bildungsvoraussetzungen für sein neues Amt gänzlich abgingen. Gut gebrüllt,
Löwe; nur war es bislang mit den guten Überlieferungen des Preußentums
nicht Wohl vereinbar, daß man sich zu Verantwortlicher Posten drängt, für die
man nicht den Kopf, sondern bloß das warme Herz mitbringt. Aber wir haben
Revolution, da gelten ja Wohl neue Grundsätze.

Neben dieser Personenfrage ist es vor allem der politisch einschneidendste
Programmpunkt der neuen Machthaber, die beabsichtigte Trennung von Kirche
und Staat, wodurch in breiten Schichten unseres Volkes eine alarmierende
Wirkung ausgeübt worden und sogar politisch bereits eine verhängnisvolle Rück¬
wirkung auf die Loslösungsbestrebungen des katholischen Westens zutage getreten
ist. Das ungeheuer verwickelte Problem des Zusammenhanges von Kirche und
Staat, wie er sich unter dem Einfluß der Reformation im Geiste des frühneuzeit-
lichen autoritären Machtstaates herausgebildet hat, kann hier nicht von allen
Seiten beleuchtet werden. In glücklicher Weise hat kürzlich der bekannte Kirchen¬
rechtler Kahl die verschiedenen Teilprobleme der Frage auseinandergegliedert.
Soviel ist ober jedenfalls zu sagen, daß gerade die ausgesprochen autoritären
kirchlichen Gruppen, insbesondere also der Katholizismus, kein Interesse an einer
allzu engen Bindung an einen grundsätzlich autoritätsfeindlichen, demokratisch-
gleichmacherischen Staat haben, wie er sich -- als geschichtliche Übergangsform
zum mindestens -- zunächst bei uns herausgestalten wird. Was die finanzielle
Seite anlangt, so müßten die kirchlichen Körperschaften den Anspruch aus Wieder¬
erstattung der Vermögensstücke beim Staat anmelden, die er einstmals dem kirch¬
lichen Bermögensbestande entzogen hat. Im Zeitalter der Reformation hatte
sich die Kirche beim Staat gewissermaßen in Leibrente begeben. Kündigt der
Staat einseitig diese Rente, so ist er auch zur teilweisen Rückgabe der eingezahlten
Vermögensbestände verpflichtet. Auf dieser Linie werden sich jedenfalls die
finanzrechtlichen Verhandlungen zwischen Staat und Kirche bewegen müsse::.
Nicht nur die Nationalisierung, auch die Entnationalisierung wie im vorliegenden
Falle muß sich aus dem Wege von Abfindungen vollziehen. Im übrigen wird
sich jetzt zeigen müssen, ob das kirchliche Leben in Deutschland in der Tat nur
noch vom Staat künstlich gestützt wird, oder ob es noch in sich selbst lebensfähig ist.
Möglicherweise wird die Entziehung dieser Krücken sogar lebendige Kräfte in ihm
entbinden, von deren Existenz wir lange nichts mehr gespürt haben. Und wenn
die neue offizielle Kulturpolitik tatsächlich den ganzen Aertranenskredit bei den
bürgerlichen Massen verwirtschaften sollte, könnten den kirchlichen Körperschaften
auch wieder die kulturellen Aufgaben zuwachsen, die im Mittelalter in ihren
Händen nicht so übel aufgehoben waren, wie eins gewisse aufgeklärte Geschichts¬
schreibung uns das noch immer glauben machen will.
"

Die "Freiheit hat kürzlich ein Programm des Kultusministeriums ver¬
öffentlicht. Eine nachträgliche Tesavonierung seitens des Ministeriums bezog
sich nicht sowohl auf seinen sachlichen Inhalt, als aus die Tatsache der Veröffent¬
lichung. Es scheint den Herren nicht lieb gewesen zu sein, daß irgend ein Über¬
eifriger aus der Schule geplaudert hat. Es handelt sich nach dieser amtlichen
Richtigstellung bei diesem Programm nicht um eine endgültige Fassung, sondern
nur um vorläufige Richtlinien. Dieser Vorbehalt gilt also auch sür die Kritik,
die wir an dieses Programm knüpfen.

Zunächst tritt darin die Rückwirkung der Trennung von Kirche und Staat
auf den Schulbetrieb in Erscheinung, indem die geistliche Schulaufsicht auf¬
gehoben und die Ersetzung des konfessionellen Religionsunterrichts durch einen
konfessionslosen Moralunterricht vorbereitet wird. An diesem Punkt müssen wir
einen Rückfall in die längst überwundenen Verirrungen der Aufklärung, also


Das Reformprogramm des preußischen Kultusministcriums

liegt das daran, darf kein Personenwechsel an leitender Stelle eine gleichstarke
-Herausforderung >an das geistige Deutschland bedeutete, wie die Berufung — oder
soll man sagen: Kaltstellung? — Adolf Hoffmanns ausgerechnet auf diesen
Posten. Bei einem Akte seiner Regierung hat allerdings der neue Kultur-
gewaltige die begeisterte Beistimmung der öffentlichen Meinung gefunden,
nämlich als er bei seinem Amtsantritt kindlich-zutraulich erklärte, daß ihm die
Bildungsvoraussetzungen für sein neues Amt gänzlich abgingen. Gut gebrüllt,
Löwe; nur war es bislang mit den guten Überlieferungen des Preußentums
nicht Wohl vereinbar, daß man sich zu Verantwortlicher Posten drängt, für die
man nicht den Kopf, sondern bloß das warme Herz mitbringt. Aber wir haben
Revolution, da gelten ja Wohl neue Grundsätze.

Neben dieser Personenfrage ist es vor allem der politisch einschneidendste
Programmpunkt der neuen Machthaber, die beabsichtigte Trennung von Kirche
und Staat, wodurch in breiten Schichten unseres Volkes eine alarmierende
Wirkung ausgeübt worden und sogar politisch bereits eine verhängnisvolle Rück¬
wirkung auf die Loslösungsbestrebungen des katholischen Westens zutage getreten
ist. Das ungeheuer verwickelte Problem des Zusammenhanges von Kirche und
Staat, wie er sich unter dem Einfluß der Reformation im Geiste des frühneuzeit-
lichen autoritären Machtstaates herausgebildet hat, kann hier nicht von allen
Seiten beleuchtet werden. In glücklicher Weise hat kürzlich der bekannte Kirchen¬
rechtler Kahl die verschiedenen Teilprobleme der Frage auseinandergegliedert.
Soviel ist ober jedenfalls zu sagen, daß gerade die ausgesprochen autoritären
kirchlichen Gruppen, insbesondere also der Katholizismus, kein Interesse an einer
allzu engen Bindung an einen grundsätzlich autoritätsfeindlichen, demokratisch-
gleichmacherischen Staat haben, wie er sich — als geschichtliche Übergangsform
zum mindestens — zunächst bei uns herausgestalten wird. Was die finanzielle
Seite anlangt, so müßten die kirchlichen Körperschaften den Anspruch aus Wieder¬
erstattung der Vermögensstücke beim Staat anmelden, die er einstmals dem kirch¬
lichen Bermögensbestande entzogen hat. Im Zeitalter der Reformation hatte
sich die Kirche beim Staat gewissermaßen in Leibrente begeben. Kündigt der
Staat einseitig diese Rente, so ist er auch zur teilweisen Rückgabe der eingezahlten
Vermögensbestände verpflichtet. Auf dieser Linie werden sich jedenfalls die
finanzrechtlichen Verhandlungen zwischen Staat und Kirche bewegen müsse::.
Nicht nur die Nationalisierung, auch die Entnationalisierung wie im vorliegenden
Falle muß sich aus dem Wege von Abfindungen vollziehen. Im übrigen wird
sich jetzt zeigen müssen, ob das kirchliche Leben in Deutschland in der Tat nur
noch vom Staat künstlich gestützt wird, oder ob es noch in sich selbst lebensfähig ist.
Möglicherweise wird die Entziehung dieser Krücken sogar lebendige Kräfte in ihm
entbinden, von deren Existenz wir lange nichts mehr gespürt haben. Und wenn
die neue offizielle Kulturpolitik tatsächlich den ganzen Aertranenskredit bei den
bürgerlichen Massen verwirtschaften sollte, könnten den kirchlichen Körperschaften
auch wieder die kulturellen Aufgaben zuwachsen, die im Mittelalter in ihren
Händen nicht so übel aufgehoben waren, wie eins gewisse aufgeklärte Geschichts¬
schreibung uns das noch immer glauben machen will.
"

Die „Freiheit hat kürzlich ein Programm des Kultusministeriums ver¬
öffentlicht. Eine nachträgliche Tesavonierung seitens des Ministeriums bezog
sich nicht sowohl auf seinen sachlichen Inhalt, als aus die Tatsache der Veröffent¬
lichung. Es scheint den Herren nicht lieb gewesen zu sein, daß irgend ein Über¬
eifriger aus der Schule geplaudert hat. Es handelt sich nach dieser amtlichen
Richtigstellung bei diesem Programm nicht um eine endgültige Fassung, sondern
nur um vorläufige Richtlinien. Dieser Vorbehalt gilt also auch sür die Kritik,
die wir an dieses Programm knüpfen.

Zunächst tritt darin die Rückwirkung der Trennung von Kirche und Staat
auf den Schulbetrieb in Erscheinung, indem die geistliche Schulaufsicht auf¬
gehoben und die Ersetzung des konfessionellen Religionsunterrichts durch einen
konfessionslosen Moralunterricht vorbereitet wird. An diesem Punkt müssen wir
einen Rückfall in die längst überwundenen Verirrungen der Aufklärung, also


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[0270] Das Reformprogramm des preußischen Kultusministcriums liegt das daran, darf kein Personenwechsel an leitender Stelle eine gleichstarke -Herausforderung >an das geistige Deutschland bedeutete, wie die Berufung — oder soll man sagen: Kaltstellung? — Adolf Hoffmanns ausgerechnet auf diesen Posten. Bei einem Akte seiner Regierung hat allerdings der neue Kultur- gewaltige die begeisterte Beistimmung der öffentlichen Meinung gefunden, nämlich als er bei seinem Amtsantritt kindlich-zutraulich erklärte, daß ihm die Bildungsvoraussetzungen für sein neues Amt gänzlich abgingen. Gut gebrüllt, Löwe; nur war es bislang mit den guten Überlieferungen des Preußentums nicht Wohl vereinbar, daß man sich zu Verantwortlicher Posten drängt, für die man nicht den Kopf, sondern bloß das warme Herz mitbringt. Aber wir haben Revolution, da gelten ja Wohl neue Grundsätze. Neben dieser Personenfrage ist es vor allem der politisch einschneidendste Programmpunkt der neuen Machthaber, die beabsichtigte Trennung von Kirche und Staat, wodurch in breiten Schichten unseres Volkes eine alarmierende Wirkung ausgeübt worden und sogar politisch bereits eine verhängnisvolle Rück¬ wirkung auf die Loslösungsbestrebungen des katholischen Westens zutage getreten ist. Das ungeheuer verwickelte Problem des Zusammenhanges von Kirche und Staat, wie er sich unter dem Einfluß der Reformation im Geiste des frühneuzeit- lichen autoritären Machtstaates herausgebildet hat, kann hier nicht von allen Seiten beleuchtet werden. In glücklicher Weise hat kürzlich der bekannte Kirchen¬ rechtler Kahl die verschiedenen Teilprobleme der Frage auseinandergegliedert. Soviel ist ober jedenfalls zu sagen, daß gerade die ausgesprochen autoritären kirchlichen Gruppen, insbesondere also der Katholizismus, kein Interesse an einer allzu engen Bindung an einen grundsätzlich autoritätsfeindlichen, demokratisch- gleichmacherischen Staat haben, wie er sich — als geschichtliche Übergangsform zum mindestens — zunächst bei uns herausgestalten wird. Was die finanzielle Seite anlangt, so müßten die kirchlichen Körperschaften den Anspruch aus Wieder¬ erstattung der Vermögensstücke beim Staat anmelden, die er einstmals dem kirch¬ lichen Bermögensbestande entzogen hat. Im Zeitalter der Reformation hatte sich die Kirche beim Staat gewissermaßen in Leibrente begeben. Kündigt der Staat einseitig diese Rente, so ist er auch zur teilweisen Rückgabe der eingezahlten Vermögensbestände verpflichtet. Auf dieser Linie werden sich jedenfalls die finanzrechtlichen Verhandlungen zwischen Staat und Kirche bewegen müsse::. Nicht nur die Nationalisierung, auch die Entnationalisierung wie im vorliegenden Falle muß sich aus dem Wege von Abfindungen vollziehen. Im übrigen wird sich jetzt zeigen müssen, ob das kirchliche Leben in Deutschland in der Tat nur noch vom Staat künstlich gestützt wird, oder ob es noch in sich selbst lebensfähig ist. Möglicherweise wird die Entziehung dieser Krücken sogar lebendige Kräfte in ihm entbinden, von deren Existenz wir lange nichts mehr gespürt haben. Und wenn die neue offizielle Kulturpolitik tatsächlich den ganzen Aertranenskredit bei den bürgerlichen Massen verwirtschaften sollte, könnten den kirchlichen Körperschaften auch wieder die kulturellen Aufgaben zuwachsen, die im Mittelalter in ihren Händen nicht so übel aufgehoben waren, wie eins gewisse aufgeklärte Geschichts¬ schreibung uns das noch immer glauben machen will. " Die „Freiheit hat kürzlich ein Programm des Kultusministeriums ver¬ öffentlicht. Eine nachträgliche Tesavonierung seitens des Ministeriums bezog sich nicht sowohl auf seinen sachlichen Inhalt, als aus die Tatsache der Veröffent¬ lichung. Es scheint den Herren nicht lieb gewesen zu sein, daß irgend ein Über¬ eifriger aus der Schule geplaudert hat. Es handelt sich nach dieser amtlichen Richtigstellung bei diesem Programm nicht um eine endgültige Fassung, sondern nur um vorläufige Richtlinien. Dieser Vorbehalt gilt also auch sür die Kritik, die wir an dieses Programm knüpfen. Zunächst tritt darin die Rückwirkung der Trennung von Kirche und Staat auf den Schulbetrieb in Erscheinung, indem die geistliche Schulaufsicht auf¬ gehoben und die Ersetzung des konfessionellen Religionsunterrichts durch einen konfessionslosen Moralunterricht vorbereitet wird. An diesem Punkt müssen wir einen Rückfall in die längst überwundenen Verirrungen der Aufklärung, also

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/270>, abgerufen am 23.07.2024.