Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Nationalversammlung und Parteien

ihrem Ehrgeiz, unreif in ihren Methoden hat die Deutsche Vaterlandspartei doch
immerhin aus weltpolitischen Antrieben heraus gedacht und gehandelt, während
sich die Kreise, aus denen sich die Gegengründung rekrutierte, dem Fortschritt der
Parlamentarisierung, der Entwicklung der preußischen Wahlrechtsfrage allzeit
mit brennendem Interesse folgten, für die Bedeutung Belgiens als englisches
Glacis, für das Problem der Balkanbrücke oder des Bollwerks im Osten aber
kaum zu erwärmen waren. Wenn alle Schuld am Mißerfolg heute auf die Hei߬
sporne aus jenem Lager gehäuft wird, dann muß um so lauter betont werden,
daß im Grunde die weltpolitische Gleichgültigkeit unseres Volkes zu diesem
namenlosen Zusammenbruch geführt hat.

Heute ist dieser Pazifismus obenauf. An den Verhandlungstisch, auf dem
sich das deutsche Geschick auf Jahrzehnte, vielleicht auf Jahrhunderte entscheiden
wird, sendet eine improvisierte deutsche Regierung ihre Vertreter, die konkrete
außenpolitische Ziele in ihrem Programm überhaupt nicht kennt, die in der impo¬
tenten Formel des Staws ano durch all die Kriegsjahre das Heil erblickte, die
den Krieg gar nicht als außenpolitisches Ereignis, die ihn nur um seiner Rück¬
wirkung nach innen als positiven Posten einzuschätzen weiß. Wir können es nur
als ein wahres Glück bezeichnen, daß die Entente wenigstens die abschließenden
Friedensverhandlungen erst nach dem Zusammentritt der Nationalversammlung,
erst nach der Wiedereinsetzung einer für unser Gesamtvolk haftenden Regierung
einleiten will. So werden wir vor demSchlimmsten hoffentlich bewahrt bleiben,
in der Friedenskonfernz lediglich durch sozialistische Utopisten und Doktrinäre
ohne weltpolitischen Blick, ohne Erfahrungen, Interessen und Kenntnisse auf dem
Gebiete der äußeren Politik vertreten zu fein. Zugleich zeigt sich hier aber auch
die Verantwortung für die nächste Zukunft, die der Arbeit der Nationalversamm¬
lung zugemessen ist. Ihre Aufgabe ist die verfafsungsgemäße Begründung einer
Regierungsgewalt, die die gedeihliche freiheitliche Entfaltung im Innern, zugleich
aber die kraftvolle Vertretung nach außen, die Wiederherstellung der einem
70 Millionen-Volk zukommenden Weltgeltung gewährleistet. Gegenüber den
gewaltigen Entscheidungen, vor denen die deutsche Nationalversammlung stehen
wird, versagen vie Programme der bestehenden Parteien, der Friedens- wie der
Kriegsparteien samt und sonders. Die Revolution des Staates muß notwendig
eine Revolutionierung der politischen Parteiung nach sich ziehen. Es fragt sich
nur noch, wie weit wenigstens deren Fundamente dem Wiederaufbau zunutze
kommen können.

Gegen die radikale Neugruppierung unserer politischen Kräfte spricht neben
der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit vor allem die Erwägung, daß nach
einem natürlichen Gesetz der historischen Trägheit die bestehenden Organisationen
nicht von heute auf morgen zu stürzen sind, daß bei der Schaffung neuer Par¬
teien durch das rudimemäre Fortbestehen ^er allen die Zersvlmeruim und die all¬
gemeine Verwirrung wachsen würde. Ein allzu großer Troß urteilsloser Mit¬
läufer, die in allen Parteien das Gros ausmachen, würde dann jeden Halt ver¬
lieren und politisch dem Schicksal von Buridans Esel verfallen. Unendlich viele
Stimmen gerade aus dem bürgerlichen Lager würden zersplittert oder der Wahl
überhaupt entzogen werden, den Vorteil hätte die radikale Linke, die hinter ihrem
heute offiziellem Parteiprogramm in geschlossenem Zuge zur Wahlurne mar¬
schieren würde.

Der Ausweg aus dem politischen Dilemma ist gewöhnlich der Kompromiß.
Daß die überkommene Parteiung ungenügend ist, wird allgemein empfunden und
anerkannt. Zur Bildung eines völlig neuen Parteisystems fehlt zunächst der Mut
und die Entschlußkraft. So sehen wir allenthalben Versuche am Werk, die Par¬
teiung durch Verschmelzung bestehender Gruppen zu -vereinfachen, durch Zu-
fcimmenballung zu gewichtigen Stimmenkvmplexen zu gelangen. Die liberalen
Parteien gehen voran, nun scheint auch im konservativen Lager eine Fusion be¬
vorzustehen. Es scheint also, daß wir einer Art von bürgerlichem TrialismuS
zusteuern, dem ebenfalls ein sozialistischer Trialismus entgegenstände.


t7"
Nationalversammlung und Parteien

ihrem Ehrgeiz, unreif in ihren Methoden hat die Deutsche Vaterlandspartei doch
immerhin aus weltpolitischen Antrieben heraus gedacht und gehandelt, während
sich die Kreise, aus denen sich die Gegengründung rekrutierte, dem Fortschritt der
Parlamentarisierung, der Entwicklung der preußischen Wahlrechtsfrage allzeit
mit brennendem Interesse folgten, für die Bedeutung Belgiens als englisches
Glacis, für das Problem der Balkanbrücke oder des Bollwerks im Osten aber
kaum zu erwärmen waren. Wenn alle Schuld am Mißerfolg heute auf die Hei߬
sporne aus jenem Lager gehäuft wird, dann muß um so lauter betont werden,
daß im Grunde die weltpolitische Gleichgültigkeit unseres Volkes zu diesem
namenlosen Zusammenbruch geführt hat.

Heute ist dieser Pazifismus obenauf. An den Verhandlungstisch, auf dem
sich das deutsche Geschick auf Jahrzehnte, vielleicht auf Jahrhunderte entscheiden
wird, sendet eine improvisierte deutsche Regierung ihre Vertreter, die konkrete
außenpolitische Ziele in ihrem Programm überhaupt nicht kennt, die in der impo¬
tenten Formel des Staws ano durch all die Kriegsjahre das Heil erblickte, die
den Krieg gar nicht als außenpolitisches Ereignis, die ihn nur um seiner Rück¬
wirkung nach innen als positiven Posten einzuschätzen weiß. Wir können es nur
als ein wahres Glück bezeichnen, daß die Entente wenigstens die abschließenden
Friedensverhandlungen erst nach dem Zusammentritt der Nationalversammlung,
erst nach der Wiedereinsetzung einer für unser Gesamtvolk haftenden Regierung
einleiten will. So werden wir vor demSchlimmsten hoffentlich bewahrt bleiben,
in der Friedenskonfernz lediglich durch sozialistische Utopisten und Doktrinäre
ohne weltpolitischen Blick, ohne Erfahrungen, Interessen und Kenntnisse auf dem
Gebiete der äußeren Politik vertreten zu fein. Zugleich zeigt sich hier aber auch
die Verantwortung für die nächste Zukunft, die der Arbeit der Nationalversamm¬
lung zugemessen ist. Ihre Aufgabe ist die verfafsungsgemäße Begründung einer
Regierungsgewalt, die die gedeihliche freiheitliche Entfaltung im Innern, zugleich
aber die kraftvolle Vertretung nach außen, die Wiederherstellung der einem
70 Millionen-Volk zukommenden Weltgeltung gewährleistet. Gegenüber den
gewaltigen Entscheidungen, vor denen die deutsche Nationalversammlung stehen
wird, versagen vie Programme der bestehenden Parteien, der Friedens- wie der
Kriegsparteien samt und sonders. Die Revolution des Staates muß notwendig
eine Revolutionierung der politischen Parteiung nach sich ziehen. Es fragt sich
nur noch, wie weit wenigstens deren Fundamente dem Wiederaufbau zunutze
kommen können.

Gegen die radikale Neugruppierung unserer politischen Kräfte spricht neben
der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit vor allem die Erwägung, daß nach
einem natürlichen Gesetz der historischen Trägheit die bestehenden Organisationen
nicht von heute auf morgen zu stürzen sind, daß bei der Schaffung neuer Par¬
teien durch das rudimemäre Fortbestehen ^er allen die Zersvlmeruim und die all¬
gemeine Verwirrung wachsen würde. Ein allzu großer Troß urteilsloser Mit¬
läufer, die in allen Parteien das Gros ausmachen, würde dann jeden Halt ver¬
lieren und politisch dem Schicksal von Buridans Esel verfallen. Unendlich viele
Stimmen gerade aus dem bürgerlichen Lager würden zersplittert oder der Wahl
überhaupt entzogen werden, den Vorteil hätte die radikale Linke, die hinter ihrem
heute offiziellem Parteiprogramm in geschlossenem Zuge zur Wahlurne mar¬
schieren würde.

Der Ausweg aus dem politischen Dilemma ist gewöhnlich der Kompromiß.
Daß die überkommene Parteiung ungenügend ist, wird allgemein empfunden und
anerkannt. Zur Bildung eines völlig neuen Parteisystems fehlt zunächst der Mut
und die Entschlußkraft. So sehen wir allenthalben Versuche am Werk, die Par¬
teiung durch Verschmelzung bestehender Gruppen zu -vereinfachen, durch Zu-
fcimmenballung zu gewichtigen Stimmenkvmplexen zu gelangen. Die liberalen
Parteien gehen voran, nun scheint auch im konservativen Lager eine Fusion be¬
vorzustehen. Es scheint also, daß wir einer Art von bürgerlichem TrialismuS
zusteuern, dem ebenfalls ein sozialistischer Trialismus entgegenstände.


t7»
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0211" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/88449"/>
          <fw type="header" place="top"> Nationalversammlung und Parteien</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_882" prev="#ID_881"> ihrem Ehrgeiz, unreif in ihren Methoden hat die Deutsche Vaterlandspartei doch<lb/>
immerhin aus weltpolitischen Antrieben heraus gedacht und gehandelt, während<lb/>
sich die Kreise, aus denen sich die Gegengründung rekrutierte, dem Fortschritt der<lb/>
Parlamentarisierung, der Entwicklung der preußischen Wahlrechtsfrage allzeit<lb/>
mit brennendem Interesse folgten, für die Bedeutung Belgiens als englisches<lb/>
Glacis, für das Problem der Balkanbrücke oder des Bollwerks im Osten aber<lb/>
kaum zu erwärmen waren. Wenn alle Schuld am Mißerfolg heute auf die Hei߬<lb/>
sporne aus jenem Lager gehäuft wird, dann muß um so lauter betont werden,<lb/>
daß im Grunde die weltpolitische Gleichgültigkeit unseres Volkes zu diesem<lb/>
namenlosen Zusammenbruch geführt hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_883"> Heute ist dieser Pazifismus obenauf. An den Verhandlungstisch, auf dem<lb/>
sich das deutsche Geschick auf Jahrzehnte, vielleicht auf Jahrhunderte entscheiden<lb/>
wird, sendet eine improvisierte deutsche Regierung ihre Vertreter, die konkrete<lb/>
außenpolitische Ziele in ihrem Programm überhaupt nicht kennt, die in der impo¬<lb/>
tenten Formel des Staws ano durch all die Kriegsjahre das Heil erblickte, die<lb/>
den Krieg gar nicht als außenpolitisches Ereignis, die ihn nur um seiner Rück¬<lb/>
wirkung nach innen als positiven Posten einzuschätzen weiß. Wir können es nur<lb/>
als ein wahres Glück bezeichnen, daß die Entente wenigstens die abschließenden<lb/>
Friedensverhandlungen erst nach dem Zusammentritt der Nationalversammlung,<lb/>
erst nach der Wiedereinsetzung einer für unser Gesamtvolk haftenden Regierung<lb/>
einleiten will. So werden wir vor demSchlimmsten hoffentlich bewahrt bleiben,<lb/>
in der Friedenskonfernz lediglich durch sozialistische Utopisten und Doktrinäre<lb/>
ohne weltpolitischen Blick, ohne Erfahrungen, Interessen und Kenntnisse auf dem<lb/>
Gebiete der äußeren Politik vertreten zu fein. Zugleich zeigt sich hier aber auch<lb/>
die Verantwortung für die nächste Zukunft, die der Arbeit der Nationalversamm¬<lb/>
lung zugemessen ist. Ihre Aufgabe ist die verfafsungsgemäße Begründung einer<lb/>
Regierungsgewalt, die die gedeihliche freiheitliche Entfaltung im Innern, zugleich<lb/>
aber die kraftvolle Vertretung nach außen, die Wiederherstellung der einem<lb/>
70 Millionen-Volk zukommenden Weltgeltung gewährleistet. Gegenüber den<lb/>
gewaltigen Entscheidungen, vor denen die deutsche Nationalversammlung stehen<lb/>
wird, versagen vie Programme der bestehenden Parteien, der Friedens- wie der<lb/>
Kriegsparteien samt und sonders. Die Revolution des Staates muß notwendig<lb/>
eine Revolutionierung der politischen Parteiung nach sich ziehen. Es fragt sich<lb/>
nur noch, wie weit wenigstens deren Fundamente dem Wiederaufbau zunutze<lb/>
kommen können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_884"> Gegen die radikale Neugruppierung unserer politischen Kräfte spricht neben<lb/>
der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit vor allem die Erwägung, daß nach<lb/>
einem natürlichen Gesetz der historischen Trägheit die bestehenden Organisationen<lb/>
nicht von heute auf morgen zu stürzen sind, daß bei der Schaffung neuer Par¬<lb/>
teien durch das rudimemäre Fortbestehen ^er allen die Zersvlmeruim und die all¬<lb/>
gemeine Verwirrung wachsen würde. Ein allzu großer Troß urteilsloser Mit¬<lb/>
läufer, die in allen Parteien das Gros ausmachen, würde dann jeden Halt ver¬<lb/>
lieren und politisch dem Schicksal von Buridans Esel verfallen. Unendlich viele<lb/>
Stimmen gerade aus dem bürgerlichen Lager würden zersplittert oder der Wahl<lb/>
überhaupt entzogen werden, den Vorteil hätte die radikale Linke, die hinter ihrem<lb/>
heute offiziellem Parteiprogramm in geschlossenem Zuge zur Wahlurne mar¬<lb/>
schieren würde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_885"> Der Ausweg aus dem politischen Dilemma ist gewöhnlich der Kompromiß.<lb/>
Daß die überkommene Parteiung ungenügend ist, wird allgemein empfunden und<lb/>
anerkannt. Zur Bildung eines völlig neuen Parteisystems fehlt zunächst der Mut<lb/>
und die Entschlußkraft. So sehen wir allenthalben Versuche am Werk, die Par¬<lb/>
teiung durch Verschmelzung bestehender Gruppen zu -vereinfachen, durch Zu-<lb/>
fcimmenballung zu gewichtigen Stimmenkvmplexen zu gelangen. Die liberalen<lb/>
Parteien gehen voran, nun scheint auch im konservativen Lager eine Fusion be¬<lb/>
vorzustehen. Es scheint also, daß wir einer Art von bürgerlichem TrialismuS<lb/>
zusteuern, dem ebenfalls ein sozialistischer Trialismus entgegenstände.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> t7»</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0211] Nationalversammlung und Parteien ihrem Ehrgeiz, unreif in ihren Methoden hat die Deutsche Vaterlandspartei doch immerhin aus weltpolitischen Antrieben heraus gedacht und gehandelt, während sich die Kreise, aus denen sich die Gegengründung rekrutierte, dem Fortschritt der Parlamentarisierung, der Entwicklung der preußischen Wahlrechtsfrage allzeit mit brennendem Interesse folgten, für die Bedeutung Belgiens als englisches Glacis, für das Problem der Balkanbrücke oder des Bollwerks im Osten aber kaum zu erwärmen waren. Wenn alle Schuld am Mißerfolg heute auf die Hei߬ sporne aus jenem Lager gehäuft wird, dann muß um so lauter betont werden, daß im Grunde die weltpolitische Gleichgültigkeit unseres Volkes zu diesem namenlosen Zusammenbruch geführt hat. Heute ist dieser Pazifismus obenauf. An den Verhandlungstisch, auf dem sich das deutsche Geschick auf Jahrzehnte, vielleicht auf Jahrhunderte entscheiden wird, sendet eine improvisierte deutsche Regierung ihre Vertreter, die konkrete außenpolitische Ziele in ihrem Programm überhaupt nicht kennt, die in der impo¬ tenten Formel des Staws ano durch all die Kriegsjahre das Heil erblickte, die den Krieg gar nicht als außenpolitisches Ereignis, die ihn nur um seiner Rück¬ wirkung nach innen als positiven Posten einzuschätzen weiß. Wir können es nur als ein wahres Glück bezeichnen, daß die Entente wenigstens die abschließenden Friedensverhandlungen erst nach dem Zusammentritt der Nationalversammlung, erst nach der Wiedereinsetzung einer für unser Gesamtvolk haftenden Regierung einleiten will. So werden wir vor demSchlimmsten hoffentlich bewahrt bleiben, in der Friedenskonfernz lediglich durch sozialistische Utopisten und Doktrinäre ohne weltpolitischen Blick, ohne Erfahrungen, Interessen und Kenntnisse auf dem Gebiete der äußeren Politik vertreten zu fein. Zugleich zeigt sich hier aber auch die Verantwortung für die nächste Zukunft, die der Arbeit der Nationalversamm¬ lung zugemessen ist. Ihre Aufgabe ist die verfafsungsgemäße Begründung einer Regierungsgewalt, die die gedeihliche freiheitliche Entfaltung im Innern, zugleich aber die kraftvolle Vertretung nach außen, die Wiederherstellung der einem 70 Millionen-Volk zukommenden Weltgeltung gewährleistet. Gegenüber den gewaltigen Entscheidungen, vor denen die deutsche Nationalversammlung stehen wird, versagen vie Programme der bestehenden Parteien, der Friedens- wie der Kriegsparteien samt und sonders. Die Revolution des Staates muß notwendig eine Revolutionierung der politischen Parteiung nach sich ziehen. Es fragt sich nur noch, wie weit wenigstens deren Fundamente dem Wiederaufbau zunutze kommen können. Gegen die radikale Neugruppierung unserer politischen Kräfte spricht neben der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit vor allem die Erwägung, daß nach einem natürlichen Gesetz der historischen Trägheit die bestehenden Organisationen nicht von heute auf morgen zu stürzen sind, daß bei der Schaffung neuer Par¬ teien durch das rudimemäre Fortbestehen ^er allen die Zersvlmeruim und die all¬ gemeine Verwirrung wachsen würde. Ein allzu großer Troß urteilsloser Mit¬ läufer, die in allen Parteien das Gros ausmachen, würde dann jeden Halt ver¬ lieren und politisch dem Schicksal von Buridans Esel verfallen. Unendlich viele Stimmen gerade aus dem bürgerlichen Lager würden zersplittert oder der Wahl überhaupt entzogen werden, den Vorteil hätte die radikale Linke, die hinter ihrem heute offiziellem Parteiprogramm in geschlossenem Zuge zur Wahlurne mar¬ schieren würde. Der Ausweg aus dem politischen Dilemma ist gewöhnlich der Kompromiß. Daß die überkommene Parteiung ungenügend ist, wird allgemein empfunden und anerkannt. Zur Bildung eines völlig neuen Parteisystems fehlt zunächst der Mut und die Entschlußkraft. So sehen wir allenthalben Versuche am Werk, die Par¬ teiung durch Verschmelzung bestehender Gruppen zu -vereinfachen, durch Zu- fcimmenballung zu gewichtigen Stimmenkvmplexen zu gelangen. Die liberalen Parteien gehen voran, nun scheint auch im konservativen Lager eine Fusion be¬ vorzustehen. Es scheint also, daß wir einer Art von bürgerlichem TrialismuS zusteuern, dem ebenfalls ein sozialistischer Trialismus entgegenstände. t7»

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/211
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/211>, abgerufen am 22.07.2024.