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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Am Abgrund?

Posen zu strecken, ist mir völlig unbegreiflich. Wir sind seit Annahme der Waffen¬
stillstandsbedingungen zu einem Sklavenvott oder zu einer Kolonie der Westmächte
herabgesunken. Wir haben augenblicklich keinerlei Möglichkeit, den Gang der aus¬
wärtigen Politik wirksam zu beeinflussen. Die großen Richtungslinien in der
auswärtigen Politik für das, was in den nächsten Tagen und Wochen zu ge¬
schehen hat, werden uns von Herrn Wilson und der Entente vorgeschrieben. Und
wir haben, entwaffnet und eines bedeutenden Teils unserer Verkehrsmittel beraubt,
zu gehorchen I Wie diese Richtungslinien aussehen werden, wissen vielleicht die
Götter, -- wir wissen es jedenfalls nicht, da wir auch heute noch nicht ermessen
können, ob Wilson ein Freund der Gesamtmenschheit ist oder der Bannerträger
des modernen amerikanischen Kapitalismus. Was konnte es also frommen von
Dingen zu sprechen und über sie zu urteilen, für die wir keine Unterlagen haben.
In stummer Ergebenheit, wenn auch mit Zähneknirschen, gilt es hinzunehmen,
was im Rate der siegreichen Völker über uns beschlossen wird.




Um so energischer und um so hingebungsvoller gilt es, sich unseren inneren
Verhältnissen zuzuwenden, gilt es zuzugreifen, wo irgend nur eine Gelegenheit
sich bietet. Es gibt ihrer tausende für jeden deutschen Mann, der sein Volk liebt
und der in diesen erschütternden Stunden den Mut hat zu erkennen, daß die
furchtbarsten Prüfungen nicht etwa vorüber sind, sondern erst noch kommen. Die
große Masse, von vierjährigen unsäglichen Druck befreit, jauchzt, der Hölle im
Westen lebendig entronnen zu sein und die Freiheit wiedergewonnen zu haben.
Sie wird Wohl schon nach wenigen Wochen anfangen zu merken, in welche furcht¬
baren Verhältnisse das deutsche Wirtschaftsleben durch den Krieg und die Kapitu¬
lation, die Waffenstillstand genannt wird, geschleudert ist. Findet nicht eine sehr
starke Abwanderung aus den stillgelegten Industriezentren und Großstädten aufs
Land statt, und weiß die Bevölkerung sich im Verbrauch von Nahrungsmitteln
keine Müßigung aufzuerlegen, fo steht für Millionen das Gespenst des Hungers
auf. Hunger aber bedeutet Plünderung, Anarchie!

Dieser Gefahr und den aus ihr sich ergebenden ungeheueren Aufgaben
gegenüber muß jede Parteiansicht und jeder persönliche Gedanke zurücktreten.
Es gibt und darf nur eine Parole geben: bewahrt das Vaterland und das
deutsche Volk vor dem äußersteul

Die Revolution hat sich bisher, wo sie politisch geführt war, in Formen
abgespielt, die uns zum Teil Achtung abnötigen, weil eine elementare Zielstrebig¬
keit in ihr zum Ausdruck kommt. Wo vorübergehend der Straßenpöbel und sonstige
unlautere Elemente die Gewalt an sich bringen konnten, kam es daneben zu tief
beschämenden Auftritten. Wo die stellvertretenden Kommandierenden Generale
rechtzeitig die Lage erkannten und sich mit dem gesamten Behördeuapparat zur
Verfügung der Soldatenräte stellten, sind zunächst ernstere Zwischenfälle vermieden.
Eisenbahn, Post, Telegraph und Fernsprecher arbeiten bei einer selbst in Kriegs¬
zeiten ungewöhnlichen Überlastung in ganz hervorragender Weise. Jedenfalls hat
man den Eindruck, daß jeder beamtete Mann sein bestes hergibt, um den Zu¬
sammenbruch der Wirtschaft zu verhindern. Es kann ausgesprochen werden: die
so plötzlich zu einer völligen Freiheit gelangten Massen find durchaus nicht bös¬
artig, obwohl hier und da, besonders häufig naturgemäß in den großen Städten
und Berlin, Rachegefühle aus schlechten Einzelerfahrungen heraus auch zu Worte
kommen. Aus Gesprächen, im weiteren Kreise, wie sie gegenwärtig allenthalben
auf den Straßen geführt werden, habe ich in verschiedenen Städten des Ostens
über die Gesinnung der Soldaten und ihrer bisherigen Führer den besten Eindruck
gewonnen. Sie wollen tatsächlich Gutes I Vielfach kommt eine Stimmung zutage,
die sehr lebhaft an die erinnert, wie sie sich der an" schwerem Gefecht zurück¬
kommenden Mannschaften bemächtigt: reine, gutmütige Freude und Ausgelassenheit,
Frohsinn am wiedergeschenkten Leben, für das sie Stunden oder Tage hindurch
gezittert hatten.


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Am Abgrund?

Posen zu strecken, ist mir völlig unbegreiflich. Wir sind seit Annahme der Waffen¬
stillstandsbedingungen zu einem Sklavenvott oder zu einer Kolonie der Westmächte
herabgesunken. Wir haben augenblicklich keinerlei Möglichkeit, den Gang der aus¬
wärtigen Politik wirksam zu beeinflussen. Die großen Richtungslinien in der
auswärtigen Politik für das, was in den nächsten Tagen und Wochen zu ge¬
schehen hat, werden uns von Herrn Wilson und der Entente vorgeschrieben. Und
wir haben, entwaffnet und eines bedeutenden Teils unserer Verkehrsmittel beraubt,
zu gehorchen I Wie diese Richtungslinien aussehen werden, wissen vielleicht die
Götter, — wir wissen es jedenfalls nicht, da wir auch heute noch nicht ermessen
können, ob Wilson ein Freund der Gesamtmenschheit ist oder der Bannerträger
des modernen amerikanischen Kapitalismus. Was konnte es also frommen von
Dingen zu sprechen und über sie zu urteilen, für die wir keine Unterlagen haben.
In stummer Ergebenheit, wenn auch mit Zähneknirschen, gilt es hinzunehmen,
was im Rate der siegreichen Völker über uns beschlossen wird.




Um so energischer und um so hingebungsvoller gilt es, sich unseren inneren
Verhältnissen zuzuwenden, gilt es zuzugreifen, wo irgend nur eine Gelegenheit
sich bietet. Es gibt ihrer tausende für jeden deutschen Mann, der sein Volk liebt
und der in diesen erschütternden Stunden den Mut hat zu erkennen, daß die
furchtbarsten Prüfungen nicht etwa vorüber sind, sondern erst noch kommen. Die
große Masse, von vierjährigen unsäglichen Druck befreit, jauchzt, der Hölle im
Westen lebendig entronnen zu sein und die Freiheit wiedergewonnen zu haben.
Sie wird Wohl schon nach wenigen Wochen anfangen zu merken, in welche furcht¬
baren Verhältnisse das deutsche Wirtschaftsleben durch den Krieg und die Kapitu¬
lation, die Waffenstillstand genannt wird, geschleudert ist. Findet nicht eine sehr
starke Abwanderung aus den stillgelegten Industriezentren und Großstädten aufs
Land statt, und weiß die Bevölkerung sich im Verbrauch von Nahrungsmitteln
keine Müßigung aufzuerlegen, fo steht für Millionen das Gespenst des Hungers
auf. Hunger aber bedeutet Plünderung, Anarchie!

Dieser Gefahr und den aus ihr sich ergebenden ungeheueren Aufgaben
gegenüber muß jede Parteiansicht und jeder persönliche Gedanke zurücktreten.
Es gibt und darf nur eine Parole geben: bewahrt das Vaterland und das
deutsche Volk vor dem äußersteul

Die Revolution hat sich bisher, wo sie politisch geführt war, in Formen
abgespielt, die uns zum Teil Achtung abnötigen, weil eine elementare Zielstrebig¬
keit in ihr zum Ausdruck kommt. Wo vorübergehend der Straßenpöbel und sonstige
unlautere Elemente die Gewalt an sich bringen konnten, kam es daneben zu tief
beschämenden Auftritten. Wo die stellvertretenden Kommandierenden Generale
rechtzeitig die Lage erkannten und sich mit dem gesamten Behördeuapparat zur
Verfügung der Soldatenräte stellten, sind zunächst ernstere Zwischenfälle vermieden.
Eisenbahn, Post, Telegraph und Fernsprecher arbeiten bei einer selbst in Kriegs¬
zeiten ungewöhnlichen Überlastung in ganz hervorragender Weise. Jedenfalls hat
man den Eindruck, daß jeder beamtete Mann sein bestes hergibt, um den Zu¬
sammenbruch der Wirtschaft zu verhindern. Es kann ausgesprochen werden: die
so plötzlich zu einer völligen Freiheit gelangten Massen find durchaus nicht bös¬
artig, obwohl hier und da, besonders häufig naturgemäß in den großen Städten
und Berlin, Rachegefühle aus schlechten Einzelerfahrungen heraus auch zu Worte
kommen. Aus Gesprächen, im weiteren Kreise, wie sie gegenwärtig allenthalben
auf den Straßen geführt werden, habe ich in verschiedenen Städten des Ostens
über die Gesinnung der Soldaten und ihrer bisherigen Führer den besten Eindruck
gewonnen. Sie wollen tatsächlich Gutes I Vielfach kommt eine Stimmung zutage,
die sehr lebhaft an die erinnert, wie sie sich der an» schwerem Gefecht zurück¬
kommenden Mannschaften bemächtigt: reine, gutmütige Freude und Ausgelassenheit,
Frohsinn am wiedergeschenkten Leben, für das sie Stunden oder Tage hindurch
gezittert hatten.


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[0183] Am Abgrund? Posen zu strecken, ist mir völlig unbegreiflich. Wir sind seit Annahme der Waffen¬ stillstandsbedingungen zu einem Sklavenvott oder zu einer Kolonie der Westmächte herabgesunken. Wir haben augenblicklich keinerlei Möglichkeit, den Gang der aus¬ wärtigen Politik wirksam zu beeinflussen. Die großen Richtungslinien in der auswärtigen Politik für das, was in den nächsten Tagen und Wochen zu ge¬ schehen hat, werden uns von Herrn Wilson und der Entente vorgeschrieben. Und wir haben, entwaffnet und eines bedeutenden Teils unserer Verkehrsmittel beraubt, zu gehorchen I Wie diese Richtungslinien aussehen werden, wissen vielleicht die Götter, — wir wissen es jedenfalls nicht, da wir auch heute noch nicht ermessen können, ob Wilson ein Freund der Gesamtmenschheit ist oder der Bannerträger des modernen amerikanischen Kapitalismus. Was konnte es also frommen von Dingen zu sprechen und über sie zu urteilen, für die wir keine Unterlagen haben. In stummer Ergebenheit, wenn auch mit Zähneknirschen, gilt es hinzunehmen, was im Rate der siegreichen Völker über uns beschlossen wird. Um so energischer und um so hingebungsvoller gilt es, sich unseren inneren Verhältnissen zuzuwenden, gilt es zuzugreifen, wo irgend nur eine Gelegenheit sich bietet. Es gibt ihrer tausende für jeden deutschen Mann, der sein Volk liebt und der in diesen erschütternden Stunden den Mut hat zu erkennen, daß die furchtbarsten Prüfungen nicht etwa vorüber sind, sondern erst noch kommen. Die große Masse, von vierjährigen unsäglichen Druck befreit, jauchzt, der Hölle im Westen lebendig entronnen zu sein und die Freiheit wiedergewonnen zu haben. Sie wird Wohl schon nach wenigen Wochen anfangen zu merken, in welche furcht¬ baren Verhältnisse das deutsche Wirtschaftsleben durch den Krieg und die Kapitu¬ lation, die Waffenstillstand genannt wird, geschleudert ist. Findet nicht eine sehr starke Abwanderung aus den stillgelegten Industriezentren und Großstädten aufs Land statt, und weiß die Bevölkerung sich im Verbrauch von Nahrungsmitteln keine Müßigung aufzuerlegen, fo steht für Millionen das Gespenst des Hungers auf. Hunger aber bedeutet Plünderung, Anarchie! Dieser Gefahr und den aus ihr sich ergebenden ungeheueren Aufgaben gegenüber muß jede Parteiansicht und jeder persönliche Gedanke zurücktreten. Es gibt und darf nur eine Parole geben: bewahrt das Vaterland und das deutsche Volk vor dem äußersteul Die Revolution hat sich bisher, wo sie politisch geführt war, in Formen abgespielt, die uns zum Teil Achtung abnötigen, weil eine elementare Zielstrebig¬ keit in ihr zum Ausdruck kommt. Wo vorübergehend der Straßenpöbel und sonstige unlautere Elemente die Gewalt an sich bringen konnten, kam es daneben zu tief beschämenden Auftritten. Wo die stellvertretenden Kommandierenden Generale rechtzeitig die Lage erkannten und sich mit dem gesamten Behördeuapparat zur Verfügung der Soldatenräte stellten, sind zunächst ernstere Zwischenfälle vermieden. Eisenbahn, Post, Telegraph und Fernsprecher arbeiten bei einer selbst in Kriegs¬ zeiten ungewöhnlichen Überlastung in ganz hervorragender Weise. Jedenfalls hat man den Eindruck, daß jeder beamtete Mann sein bestes hergibt, um den Zu¬ sammenbruch der Wirtschaft zu verhindern. Es kann ausgesprochen werden: die so plötzlich zu einer völligen Freiheit gelangten Massen find durchaus nicht bös¬ artig, obwohl hier und da, besonders häufig naturgemäß in den großen Städten und Berlin, Rachegefühle aus schlechten Einzelerfahrungen heraus auch zu Worte kommen. Aus Gesprächen, im weiteren Kreise, wie sie gegenwärtig allenthalben auf den Straßen geführt werden, habe ich in verschiedenen Städten des Ostens über die Gesinnung der Soldaten und ihrer bisherigen Führer den besten Eindruck gewonnen. Sie wollen tatsächlich Gutes I Vielfach kommt eine Stimmung zutage, die sehr lebhaft an die erinnert, wie sie sich der an» schwerem Gefecht zurück¬ kommenden Mannschaften bemächtigt: reine, gutmütige Freude und Ausgelassenheit, Frohsinn am wiedergeschenkten Leben, für das sie Stunden oder Tage hindurch gezittert hatten. 14"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/183>, abgerufen am 22.07.2024.