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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Siraßburger Brief

Bänken verlesene gewundene Loyalitätserklärung, auf die ich kürzlich hier hin¬
wies, entzog Ricklin auch die letzten persönlichen und politischen Sympathien, die
er als Landtagspräsident eigentlich verkörpern müßte.

Köstlich in ihrer Einfachheit und Schlichtheit und doch mit tausend feinen
Nadelstichen geziert ist dazu die Lebensgeschichte, die AbbZ Wetterls vor einigen >
Monaten erst vom sicheren Zufluchtsort Paris aus von seinem alten Mitkämpfer
- gab. "l^es coulisses cku KsiLkstÄZ" heißt dos Werkchen, worin der alte Spötter
Freunde und Gegner, Regierung und Parlament im Reich teilweise einer solch
treffsicheren Kritik unterzieht, daß seine Lektüre auch in Berlin allen Politikern
herzhaft zu empfehlen ist. Mit einer bereits stark "belasteten" Vergangenheit, so
Wird Ricklin hier gezeichnet, kam der junge Eugen nach vollendetem Studium
in den heimatlichen Sundgau zurück, denn seit "seinem zehnten Jahre hatte er
unter der Obhut eines Stiefvaters in Bayern eine ganz deutsche Erziehung
genossen, von der zahlreiche schmisse beredtes Zeugnis ablegten.

In der Tat hatte er zunäctst auch in Dammertirch zahlreiche deutschfreund¬
liche Anwandlungen (it faisait etawZe as sentiments Zermanoplrilss), erschien
in seiner Sanitätsoffizieruniform beim Kaisergeburtstagsesscn und lebte in
ständiger Fehde mit seinem Ortspfarrer. Erst die Heirat mit einer sehr reichen
Base, die ihrerseits eine ganz französische Erziehung genossen hatte, übte einen
sehr wohltätigen Einfluß aus (une elieureuse inkluence). Die Notwendigkeit, seine
Anschauungen denen seiner künstigen Wähler anzupassen, vollendete die Bekehrung:
Ricklin wurde regierungsfeindlich und zugleich -- fromm I (cievint antiZouver-
nemental et.... ein le vit trennender - leg ollices reliZieux as la paroisse).
Als die Regierung ihm bald nach seiner Wahl die Bürgermeistergeschäfie von
Dammerkirch wieder abnahm, trat der Abgeordnete von Alttirch-Themm in die
entschiedenste Opposition.

Trotzdem traute man dem Renegaten nicht eben sonderlich in den "guten"
elsSssischen Kreisen. Aber Ricklin selbst verstand es 1911, die Freundschaft des
Staatssekretärs Zorn von Bulach zu gewinnen und damit den Aufstieg zum.
Präsidium der neuen zweiten Kammer, wo er zunächst seinem Patriotismus über¬
schäumenden Ausdruck verlieh. Im Anfang des Weltkrieges wußte er sich, nach
Wetterle, nickt genug zu tun in franzosenfeindlichen Reden, holte seine sorgfältig
im dunklen Winkel aufbewahrte Uniform wieder hervor und suchte sich liebes Kind
bei den Militärbehörden zu machen.

"KicKIin est sournois", so schließt das von Wetterlö entworfene Lebens¬
bild, "macire, mais egalement brutal. O'une ambition clemesuree, et'une evaries
sorclicke,' it ne reclierclie que l'Iumneur et I'arZent. ?our se les procurer, it
passe kacilement sur le corps cle ses meilleurs amis. Oe tous les rätlich it
est certainement le plus oclieux". (Ricklin ist ein schlauer, tückischer, zugleich
brutaler Bursche. Ueber die Maßen ehrgeizig, dazu schmutzig geizig, strebt er nur
nach Ehren und Geld. Um ihretwillen geht er schonungslos über seine besten
Freunde hinweg. Von allen dem Vaterland wieder Zugeführten ist er der ver¬
haßteste.)

Diese Charakteristik "von Freundeshand" sollte man auch im Reiche berück-
sichtigen, wenn man die Rede Ricklins ihrem moralischen Werte nach richtig ein¬
schätzen will. Denn gerade die brutale Art, wie Ricklin diese feierlich beschlossene
"Erklärung" des elsässischen Zentrums beiseite schob, um eine eigene Kriegsansage
in die Welt hinauszuschleudern, muß man wohl oder übel ebenfalls auf persön¬
liche Beweggründe zurückführen. Als Landtagspräsidcnt stand der Abgeordnete
des Wahlkreises Altkirch Thann außerhalb der elsaß-lothnngischcn Parteien. Nach
überlieferten parlamentarischen Brauch mußte die Regierung ihn also übergehen,
als sie Parteivertreter an die Spitze der Verwaltung berief. Sie ernannte den
nomineller Führer der stärksten Fraktion im Landtage, den Vuchdruckereibesitzer
Karl Hauß zum Staatssekretär und -- stieß damit den ehrgeizigen Nicklin so vor
den Kopf, daß dieser in ein Wutgeheul ausbrach, das heute als "Programm des
elsaß.lothringischen Volkes" durch die Welt geht!


Siraßburger Brief

Bänken verlesene gewundene Loyalitätserklärung, auf die ich kürzlich hier hin¬
wies, entzog Ricklin auch die letzten persönlichen und politischen Sympathien, die
er als Landtagspräsident eigentlich verkörpern müßte.

Köstlich in ihrer Einfachheit und Schlichtheit und doch mit tausend feinen
Nadelstichen geziert ist dazu die Lebensgeschichte, die AbbZ Wetterls vor einigen >
Monaten erst vom sicheren Zufluchtsort Paris aus von seinem alten Mitkämpfer
- gab. „l^es coulisses cku KsiLkstÄZ" heißt dos Werkchen, worin der alte Spötter
Freunde und Gegner, Regierung und Parlament im Reich teilweise einer solch
treffsicheren Kritik unterzieht, daß seine Lektüre auch in Berlin allen Politikern
herzhaft zu empfehlen ist. Mit einer bereits stark „belasteten" Vergangenheit, so
Wird Ricklin hier gezeichnet, kam der junge Eugen nach vollendetem Studium
in den heimatlichen Sundgau zurück, denn seit "seinem zehnten Jahre hatte er
unter der Obhut eines Stiefvaters in Bayern eine ganz deutsche Erziehung
genossen, von der zahlreiche schmisse beredtes Zeugnis ablegten.

In der Tat hatte er zunäctst auch in Dammertirch zahlreiche deutschfreund¬
liche Anwandlungen (it faisait etawZe as sentiments Zermanoplrilss), erschien
in seiner Sanitätsoffizieruniform beim Kaisergeburtstagsesscn und lebte in
ständiger Fehde mit seinem Ortspfarrer. Erst die Heirat mit einer sehr reichen
Base, die ihrerseits eine ganz französische Erziehung genossen hatte, übte einen
sehr wohltätigen Einfluß aus (une elieureuse inkluence). Die Notwendigkeit, seine
Anschauungen denen seiner künstigen Wähler anzupassen, vollendete die Bekehrung:
Ricklin wurde regierungsfeindlich und zugleich — fromm I (cievint antiZouver-
nemental et.... ein le vit trennender - leg ollices reliZieux as la paroisse).
Als die Regierung ihm bald nach seiner Wahl die Bürgermeistergeschäfie von
Dammerkirch wieder abnahm, trat der Abgeordnete von Alttirch-Themm in die
entschiedenste Opposition.

Trotzdem traute man dem Renegaten nicht eben sonderlich in den „guten"
elsSssischen Kreisen. Aber Ricklin selbst verstand es 1911, die Freundschaft des
Staatssekretärs Zorn von Bulach zu gewinnen und damit den Aufstieg zum.
Präsidium der neuen zweiten Kammer, wo er zunächst seinem Patriotismus über¬
schäumenden Ausdruck verlieh. Im Anfang des Weltkrieges wußte er sich, nach
Wetterle, nickt genug zu tun in franzosenfeindlichen Reden, holte seine sorgfältig
im dunklen Winkel aufbewahrte Uniform wieder hervor und suchte sich liebes Kind
bei den Militärbehörden zu machen.

„KicKIin est sournois", so schließt das von Wetterlö entworfene Lebens¬
bild, „macire, mais egalement brutal. O'une ambition clemesuree, et'une evaries
sorclicke,' it ne reclierclie que l'Iumneur et I'arZent. ?our se les procurer, it
passe kacilement sur le corps cle ses meilleurs amis. Oe tous les rätlich it
est certainement le plus oclieux". (Ricklin ist ein schlauer, tückischer, zugleich
brutaler Bursche. Ueber die Maßen ehrgeizig, dazu schmutzig geizig, strebt er nur
nach Ehren und Geld. Um ihretwillen geht er schonungslos über seine besten
Freunde hinweg. Von allen dem Vaterland wieder Zugeführten ist er der ver¬
haßteste.)

Diese Charakteristik „von Freundeshand" sollte man auch im Reiche berück-
sichtigen, wenn man die Rede Ricklins ihrem moralischen Werte nach richtig ein¬
schätzen will. Denn gerade die brutale Art, wie Ricklin diese feierlich beschlossene
„Erklärung" des elsässischen Zentrums beiseite schob, um eine eigene Kriegsansage
in die Welt hinauszuschleudern, muß man wohl oder übel ebenfalls auf persön¬
liche Beweggründe zurückführen. Als Landtagspräsidcnt stand der Abgeordnete
des Wahlkreises Altkirch Thann außerhalb der elsaß-lothnngischcn Parteien. Nach
überlieferten parlamentarischen Brauch mußte die Regierung ihn also übergehen,
als sie Parteivertreter an die Spitze der Verwaltung berief. Sie ernannte den
nomineller Führer der stärksten Fraktion im Landtage, den Vuchdruckereibesitzer
Karl Hauß zum Staatssekretär und — stieß damit den ehrgeizigen Nicklin so vor
den Kopf, daß dieser in ein Wutgeheul ausbrach, das heute als „Programm des
elsaß.lothringischen Volkes" durch die Welt geht!


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[0134] Siraßburger Brief Bänken verlesene gewundene Loyalitätserklärung, auf die ich kürzlich hier hin¬ wies, entzog Ricklin auch die letzten persönlichen und politischen Sympathien, die er als Landtagspräsident eigentlich verkörpern müßte. Köstlich in ihrer Einfachheit und Schlichtheit und doch mit tausend feinen Nadelstichen geziert ist dazu die Lebensgeschichte, die AbbZ Wetterls vor einigen > Monaten erst vom sicheren Zufluchtsort Paris aus von seinem alten Mitkämpfer - gab. „l^es coulisses cku KsiLkstÄZ" heißt dos Werkchen, worin der alte Spötter Freunde und Gegner, Regierung und Parlament im Reich teilweise einer solch treffsicheren Kritik unterzieht, daß seine Lektüre auch in Berlin allen Politikern herzhaft zu empfehlen ist. Mit einer bereits stark „belasteten" Vergangenheit, so Wird Ricklin hier gezeichnet, kam der junge Eugen nach vollendetem Studium in den heimatlichen Sundgau zurück, denn seit "seinem zehnten Jahre hatte er unter der Obhut eines Stiefvaters in Bayern eine ganz deutsche Erziehung genossen, von der zahlreiche schmisse beredtes Zeugnis ablegten. In der Tat hatte er zunäctst auch in Dammertirch zahlreiche deutschfreund¬ liche Anwandlungen (it faisait etawZe as sentiments Zermanoplrilss), erschien in seiner Sanitätsoffizieruniform beim Kaisergeburtstagsesscn und lebte in ständiger Fehde mit seinem Ortspfarrer. Erst die Heirat mit einer sehr reichen Base, die ihrerseits eine ganz französische Erziehung genossen hatte, übte einen sehr wohltätigen Einfluß aus (une elieureuse inkluence). Die Notwendigkeit, seine Anschauungen denen seiner künstigen Wähler anzupassen, vollendete die Bekehrung: Ricklin wurde regierungsfeindlich und zugleich — fromm I (cievint antiZouver- nemental et.... ein le vit trennender - leg ollices reliZieux as la paroisse). Als die Regierung ihm bald nach seiner Wahl die Bürgermeistergeschäfie von Dammerkirch wieder abnahm, trat der Abgeordnete von Alttirch-Themm in die entschiedenste Opposition. Trotzdem traute man dem Renegaten nicht eben sonderlich in den „guten" elsSssischen Kreisen. Aber Ricklin selbst verstand es 1911, die Freundschaft des Staatssekretärs Zorn von Bulach zu gewinnen und damit den Aufstieg zum. Präsidium der neuen zweiten Kammer, wo er zunächst seinem Patriotismus über¬ schäumenden Ausdruck verlieh. Im Anfang des Weltkrieges wußte er sich, nach Wetterle, nickt genug zu tun in franzosenfeindlichen Reden, holte seine sorgfältig im dunklen Winkel aufbewahrte Uniform wieder hervor und suchte sich liebes Kind bei den Militärbehörden zu machen. „KicKIin est sournois", so schließt das von Wetterlö entworfene Lebens¬ bild, „macire, mais egalement brutal. O'une ambition clemesuree, et'une evaries sorclicke,' it ne reclierclie que l'Iumneur et I'arZent. ?our se les procurer, it passe kacilement sur le corps cle ses meilleurs amis. Oe tous les rätlich it est certainement le plus oclieux". (Ricklin ist ein schlauer, tückischer, zugleich brutaler Bursche. Ueber die Maßen ehrgeizig, dazu schmutzig geizig, strebt er nur nach Ehren und Geld. Um ihretwillen geht er schonungslos über seine besten Freunde hinweg. Von allen dem Vaterland wieder Zugeführten ist er der ver¬ haßteste.) Diese Charakteristik „von Freundeshand" sollte man auch im Reiche berück- sichtigen, wenn man die Rede Ricklins ihrem moralischen Werte nach richtig ein¬ schätzen will. Denn gerade die brutale Art, wie Ricklin diese feierlich beschlossene „Erklärung" des elsässischen Zentrums beiseite schob, um eine eigene Kriegsansage in die Welt hinauszuschleudern, muß man wohl oder übel ebenfalls auf persön¬ liche Beweggründe zurückführen. Als Landtagspräsidcnt stand der Abgeordnete des Wahlkreises Altkirch Thann außerhalb der elsaß-lothnngischcn Parteien. Nach überlieferten parlamentarischen Brauch mußte die Regierung ihn also übergehen, als sie Parteivertreter an die Spitze der Verwaltung berief. Sie ernannte den nomineller Führer der stärksten Fraktion im Landtage, den Vuchdruckereibesitzer Karl Hauß zum Staatssekretär und — stieß damit den ehrgeizigen Nicklin so vor den Kopf, daß dieser in ein Wutgeheul ausbrach, das heute als „Programm des elsaß.lothringischen Volkes" durch die Welt geht!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/134>, abgerufen am 24.11.2024.