Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Volkscharakter und Individuum

alles Zierliche, Graziöse schön, während man den Geschmack von vorgestern, der
vielleicht das Majestätische, Üppige liebte und in der Tracht auszudrücken suchte, >
nur lächerlich findet. Und wie der ästhetische Geschmack, so unterliegt auch das
ethische Urteil, ja jedes andere Urteil, solchen Modeschwankungen. Die sittlichen
Meinungen unserer Väter erscheinen der ganzen Generation der Söhne viel¬
leicht hausbacken und spießbürgerlich. Niemand kann sich, selbst wenn er bewußt
dagegen revoltiert, solchen Wandlungen des Zeitgeistes ganz entziehen. Ohne
den Ursachen dieser Erscheinung nachzugehen, stellen wir nur das Vorhandensein
solcher überindividuellen seelischen Agentien fest, die gleichsam in allen Indi¬
viduen mehr oder weniger eine zweite Subjektivität lausprägen, die sich vor die
individuelle Subjektivität stellt und diese bis zu einem gewissen Grade ausschaltet.




Daß es leinen solchen Volksgeist oder Volkscharakter (ich verwende den
ersteren Begriff mehr im Hinblick auf intellektuelle, den zweiten mehr im Hinblick
auf emotionale Funktionen) gibt, wird selten bestritten, ja die verschiedenen
historischen Wissenschaften arbeiten vielfach recht unkritisch damit. Man be¬
hauptet, irgend ein Dichter oder ein Bauwerk seien "typisch deutsch", ohne daß man
einen genauen Beweis dafür erbringen könnte. Die klare Festlegung des Volks¬
charakters bleibt noch der Zukunft vorbehalten.

Ebenso unkritisch aber verfährt man dort, wo man von der Begründung
oder der Entstehungsgeschichte dieses Bolkscharakters spricht (vorausgesetzt, daß
man hier überhaupt ein Problem sieht!). Um die beiden extremsten Ansichten
gleich zu konfrontieren, so können wir sagen, die einen fassen den Volkscharakter
als angeboren und vererbbar auf, die anderen wollen wenig von diesen Dingen
wissen und sehen nur eine von Geschlecht zu Geschlecht fortwirkende äußere Be¬
einflussung darin. Jenen erscheint der Volkscharakter als Auswirkung physio¬
logischer Momente, der Rasse, diesen als Ausfluß historisch-psychologischer, als
Tradition. Beide Ansichten scheinen uns nicht unrichtig, aber einseitig und auch
zusammengebogen noch unzureichend."

Was zunächst den schwankenden Begriff der "Rasse anlangt, den wir als
die physiologische Kontinuität einer physiologisch einheitlichen Gruppe fassen, so
dürfte an seinem Vorhandensein kein Zweifel bestehen. Daneben aber besteht
auch kein Zweifel, daß er eine ideale Konstruktion ist, die in der Wirklichkeit nur
sehr getrübt vorkommt. Denn erstens ist kaum ein einziges Volk wirklich eine
physiologische Einheit, noch gibt es ein solches, was sich ohne Mischung mit
anderen Volksangehörigen fortzupflanzen vermöchte. Wir kennen jedenfalls kein
einziges Volk der Geschichte, das seinem Ursprung nach oder in seiner Geschichte
als absolut rassenrein anzusehen wäre. Infolgedessen ist, selbst wenn man die
Bedeutung der Physis für den Charakter noch so hoch einschätzt, die Rasse als fest¬
greifbarer Faktor nur mit größter Vorsicht in volkspshchologische Betrachtungen
einzuführen. Wir sehen zum Beispiel an den Deutschen, wie sich die Phhsis be¬
ständig geändert hat, wie beinahe in allen Jahrhunderten starke Wellen frem¬
der Rassen sich mit der angeblich reinen deutschen Rasse gennscht haben, daß sich
also Ströme keltischen, römischen, slawischen, jüdischen Blutes mit dem deutschen
gemischt haben, was sich in den äußeren Rassemerkmalen ebenso ausprägt,
wie man das von den inneren, den intellektuellen und emotionalen Funktionen
annehmen muß. Aus keinen Fall kann der Nassebegriff als absolut konstanter
Faktor angesehen werden, der allein ausreichte, einen konstanten Volkscharakter
zu begründen.

Daneben kommt nämlich auch die ebenfalls unbestrittene Tatsache in Be¬
tracht, daß Einflüsse der Tradition, die ganz unabhängig sind von der Rasse¬
kontinuität, wenn sie sich auch in ihrer Wirkung mit dieser "useinanderzusetzen
haben, aufs stärkste den Bolksgsist und den Volkscharakter beeinflußt haben
Man erwäge nur, wie tief umbildend die jüdisch-christliche ebenso wie ti<
griechisch-römische Tradition die deutsche Art umgeformt haben. Wir geben
gern zu, daß das Christentum: auf deutschem Boden sicher ebenso stark germani-


Volkscharakter und Individuum

alles Zierliche, Graziöse schön, während man den Geschmack von vorgestern, der
vielleicht das Majestätische, Üppige liebte und in der Tracht auszudrücken suchte, >
nur lächerlich findet. Und wie der ästhetische Geschmack, so unterliegt auch das
ethische Urteil, ja jedes andere Urteil, solchen Modeschwankungen. Die sittlichen
Meinungen unserer Väter erscheinen der ganzen Generation der Söhne viel¬
leicht hausbacken und spießbürgerlich. Niemand kann sich, selbst wenn er bewußt
dagegen revoltiert, solchen Wandlungen des Zeitgeistes ganz entziehen. Ohne
den Ursachen dieser Erscheinung nachzugehen, stellen wir nur das Vorhandensein
solcher überindividuellen seelischen Agentien fest, die gleichsam in allen Indi¬
viduen mehr oder weniger eine zweite Subjektivität lausprägen, die sich vor die
individuelle Subjektivität stellt und diese bis zu einem gewissen Grade ausschaltet.




Daß es leinen solchen Volksgeist oder Volkscharakter (ich verwende den
ersteren Begriff mehr im Hinblick auf intellektuelle, den zweiten mehr im Hinblick
auf emotionale Funktionen) gibt, wird selten bestritten, ja die verschiedenen
historischen Wissenschaften arbeiten vielfach recht unkritisch damit. Man be¬
hauptet, irgend ein Dichter oder ein Bauwerk seien „typisch deutsch", ohne daß man
einen genauen Beweis dafür erbringen könnte. Die klare Festlegung des Volks¬
charakters bleibt noch der Zukunft vorbehalten.

Ebenso unkritisch aber verfährt man dort, wo man von der Begründung
oder der Entstehungsgeschichte dieses Bolkscharakters spricht (vorausgesetzt, daß
man hier überhaupt ein Problem sieht!). Um die beiden extremsten Ansichten
gleich zu konfrontieren, so können wir sagen, die einen fassen den Volkscharakter
als angeboren und vererbbar auf, die anderen wollen wenig von diesen Dingen
wissen und sehen nur eine von Geschlecht zu Geschlecht fortwirkende äußere Be¬
einflussung darin. Jenen erscheint der Volkscharakter als Auswirkung physio¬
logischer Momente, der Rasse, diesen als Ausfluß historisch-psychologischer, als
Tradition. Beide Ansichten scheinen uns nicht unrichtig, aber einseitig und auch
zusammengebogen noch unzureichend."

Was zunächst den schwankenden Begriff der „Rasse anlangt, den wir als
die physiologische Kontinuität einer physiologisch einheitlichen Gruppe fassen, so
dürfte an seinem Vorhandensein kein Zweifel bestehen. Daneben aber besteht
auch kein Zweifel, daß er eine ideale Konstruktion ist, die in der Wirklichkeit nur
sehr getrübt vorkommt. Denn erstens ist kaum ein einziges Volk wirklich eine
physiologische Einheit, noch gibt es ein solches, was sich ohne Mischung mit
anderen Volksangehörigen fortzupflanzen vermöchte. Wir kennen jedenfalls kein
einziges Volk der Geschichte, das seinem Ursprung nach oder in seiner Geschichte
als absolut rassenrein anzusehen wäre. Infolgedessen ist, selbst wenn man die
Bedeutung der Physis für den Charakter noch so hoch einschätzt, die Rasse als fest¬
greifbarer Faktor nur mit größter Vorsicht in volkspshchologische Betrachtungen
einzuführen. Wir sehen zum Beispiel an den Deutschen, wie sich die Phhsis be¬
ständig geändert hat, wie beinahe in allen Jahrhunderten starke Wellen frem¬
der Rassen sich mit der angeblich reinen deutschen Rasse gennscht haben, daß sich
also Ströme keltischen, römischen, slawischen, jüdischen Blutes mit dem deutschen
gemischt haben, was sich in den äußeren Rassemerkmalen ebenso ausprägt,
wie man das von den inneren, den intellektuellen und emotionalen Funktionen
annehmen muß. Aus keinen Fall kann der Nassebegriff als absolut konstanter
Faktor angesehen werden, der allein ausreichte, einen konstanten Volkscharakter
zu begründen.

Daneben kommt nämlich auch die ebenfalls unbestrittene Tatsache in Be¬
tracht, daß Einflüsse der Tradition, die ganz unabhängig sind von der Rasse¬
kontinuität, wenn sie sich auch in ihrer Wirkung mit dieser «useinanderzusetzen
haben, aufs stärkste den Bolksgsist und den Volkscharakter beeinflußt haben
Man erwäge nur, wie tief umbildend die jüdisch-christliche ebenso wie ti<
griechisch-römische Tradition die deutsche Art umgeformt haben. Wir geben
gern zu, daß das Christentum: auf deutschem Boden sicher ebenso stark germani-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0125" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/88363"/>
          <fw type="header" place="top"> Volkscharakter und Individuum</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_499" prev="#ID_498"> alles Zierliche, Graziöse schön, während man den Geschmack von vorgestern, der<lb/>
vielleicht das Majestätische, Üppige liebte und in der Tracht auszudrücken suchte, &gt;<lb/>
nur lächerlich findet. Und wie der ästhetische Geschmack, so unterliegt auch das<lb/>
ethische Urteil, ja jedes andere Urteil, solchen Modeschwankungen. Die sittlichen<lb/>
Meinungen unserer Väter erscheinen der ganzen Generation der Söhne viel¬<lb/>
leicht hausbacken und spießbürgerlich. Niemand kann sich, selbst wenn er bewußt<lb/>
dagegen revoltiert, solchen Wandlungen des Zeitgeistes ganz entziehen. Ohne<lb/>
den Ursachen dieser Erscheinung nachzugehen, stellen wir nur das Vorhandensein<lb/>
solcher überindividuellen seelischen Agentien fest, die gleichsam in allen Indi¬<lb/>
viduen mehr oder weniger eine zweite Subjektivität lausprägen, die sich vor die<lb/>
individuelle Subjektivität stellt und diese bis zu einem gewissen Grade ausschaltet.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_500"> Daß es leinen solchen Volksgeist oder Volkscharakter (ich verwende den<lb/>
ersteren Begriff mehr im Hinblick auf intellektuelle, den zweiten mehr im Hinblick<lb/>
auf emotionale Funktionen) gibt, wird selten bestritten, ja die verschiedenen<lb/>
historischen Wissenschaften arbeiten vielfach recht unkritisch damit. Man be¬<lb/>
hauptet, irgend ein Dichter oder ein Bauwerk seien &#x201E;typisch deutsch", ohne daß man<lb/>
einen genauen Beweis dafür erbringen könnte. Die klare Festlegung des Volks¬<lb/>
charakters bleibt noch der Zukunft vorbehalten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_501"> Ebenso unkritisch aber verfährt man dort, wo man von der Begründung<lb/>
oder der Entstehungsgeschichte dieses Bolkscharakters spricht (vorausgesetzt, daß<lb/>
man hier überhaupt ein Problem sieht!). Um die beiden extremsten Ansichten<lb/>
gleich zu konfrontieren, so können wir sagen, die einen fassen den Volkscharakter<lb/>
als angeboren und vererbbar auf, die anderen wollen wenig von diesen Dingen<lb/>
wissen und sehen nur eine von Geschlecht zu Geschlecht fortwirkende äußere Be¬<lb/>
einflussung darin. Jenen erscheint der Volkscharakter als Auswirkung physio¬<lb/>
logischer Momente, der Rasse, diesen als Ausfluß historisch-psychologischer, als<lb/>
Tradition. Beide Ansichten scheinen uns nicht unrichtig, aber einseitig und auch<lb/>
zusammengebogen noch unzureichend."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_502"> Was zunächst den schwankenden Begriff der &#x201E;Rasse anlangt, den wir als<lb/>
die physiologische Kontinuität einer physiologisch einheitlichen Gruppe fassen, so<lb/>
dürfte an seinem Vorhandensein kein Zweifel bestehen. Daneben aber besteht<lb/>
auch kein Zweifel, daß er eine ideale Konstruktion ist, die in der Wirklichkeit nur<lb/>
sehr getrübt vorkommt. Denn erstens ist kaum ein einziges Volk wirklich eine<lb/>
physiologische Einheit, noch gibt es ein solches, was sich ohne Mischung mit<lb/>
anderen Volksangehörigen fortzupflanzen vermöchte. Wir kennen jedenfalls kein<lb/>
einziges Volk der Geschichte, das seinem Ursprung nach oder in seiner Geschichte<lb/>
als absolut rassenrein anzusehen wäre. Infolgedessen ist, selbst wenn man die<lb/>
Bedeutung der Physis für den Charakter noch so hoch einschätzt, die Rasse als fest¬<lb/>
greifbarer Faktor nur mit größter Vorsicht in volkspshchologische Betrachtungen<lb/>
einzuführen. Wir sehen zum Beispiel an den Deutschen, wie sich die Phhsis be¬<lb/>
ständig geändert hat, wie beinahe in allen Jahrhunderten starke Wellen frem¬<lb/>
der Rassen sich mit der angeblich reinen deutschen Rasse gennscht haben, daß sich<lb/>
also Ströme keltischen, römischen, slawischen, jüdischen Blutes mit dem deutschen<lb/>
gemischt haben, was sich in den äußeren Rassemerkmalen ebenso ausprägt,<lb/>
wie man das von den inneren, den intellektuellen und emotionalen Funktionen<lb/>
annehmen muß. Aus keinen Fall kann der Nassebegriff als absolut konstanter<lb/>
Faktor angesehen werden, der allein ausreichte, einen konstanten Volkscharakter<lb/>
zu begründen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_503" next="#ID_504"> Daneben kommt nämlich auch die ebenfalls unbestrittene Tatsache in Be¬<lb/>
tracht, daß Einflüsse der Tradition, die ganz unabhängig sind von der Rasse¬<lb/>
kontinuität, wenn sie sich auch in ihrer Wirkung mit dieser «useinanderzusetzen<lb/>
haben, aufs stärkste den Bolksgsist und den Volkscharakter beeinflußt haben<lb/>
Man erwäge nur, wie tief umbildend die jüdisch-christliche ebenso wie ti&lt;<lb/>
griechisch-römische Tradition die deutsche Art umgeformt haben. Wir geben<lb/>
gern zu, daß das Christentum: auf deutschem Boden sicher ebenso stark germani-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0125] Volkscharakter und Individuum alles Zierliche, Graziöse schön, während man den Geschmack von vorgestern, der vielleicht das Majestätische, Üppige liebte und in der Tracht auszudrücken suchte, > nur lächerlich findet. Und wie der ästhetische Geschmack, so unterliegt auch das ethische Urteil, ja jedes andere Urteil, solchen Modeschwankungen. Die sittlichen Meinungen unserer Väter erscheinen der ganzen Generation der Söhne viel¬ leicht hausbacken und spießbürgerlich. Niemand kann sich, selbst wenn er bewußt dagegen revoltiert, solchen Wandlungen des Zeitgeistes ganz entziehen. Ohne den Ursachen dieser Erscheinung nachzugehen, stellen wir nur das Vorhandensein solcher überindividuellen seelischen Agentien fest, die gleichsam in allen Indi¬ viduen mehr oder weniger eine zweite Subjektivität lausprägen, die sich vor die individuelle Subjektivität stellt und diese bis zu einem gewissen Grade ausschaltet. Daß es leinen solchen Volksgeist oder Volkscharakter (ich verwende den ersteren Begriff mehr im Hinblick auf intellektuelle, den zweiten mehr im Hinblick auf emotionale Funktionen) gibt, wird selten bestritten, ja die verschiedenen historischen Wissenschaften arbeiten vielfach recht unkritisch damit. Man be¬ hauptet, irgend ein Dichter oder ein Bauwerk seien „typisch deutsch", ohne daß man einen genauen Beweis dafür erbringen könnte. Die klare Festlegung des Volks¬ charakters bleibt noch der Zukunft vorbehalten. Ebenso unkritisch aber verfährt man dort, wo man von der Begründung oder der Entstehungsgeschichte dieses Bolkscharakters spricht (vorausgesetzt, daß man hier überhaupt ein Problem sieht!). Um die beiden extremsten Ansichten gleich zu konfrontieren, so können wir sagen, die einen fassen den Volkscharakter als angeboren und vererbbar auf, die anderen wollen wenig von diesen Dingen wissen und sehen nur eine von Geschlecht zu Geschlecht fortwirkende äußere Be¬ einflussung darin. Jenen erscheint der Volkscharakter als Auswirkung physio¬ logischer Momente, der Rasse, diesen als Ausfluß historisch-psychologischer, als Tradition. Beide Ansichten scheinen uns nicht unrichtig, aber einseitig und auch zusammengebogen noch unzureichend." Was zunächst den schwankenden Begriff der „Rasse anlangt, den wir als die physiologische Kontinuität einer physiologisch einheitlichen Gruppe fassen, so dürfte an seinem Vorhandensein kein Zweifel bestehen. Daneben aber besteht auch kein Zweifel, daß er eine ideale Konstruktion ist, die in der Wirklichkeit nur sehr getrübt vorkommt. Denn erstens ist kaum ein einziges Volk wirklich eine physiologische Einheit, noch gibt es ein solches, was sich ohne Mischung mit anderen Volksangehörigen fortzupflanzen vermöchte. Wir kennen jedenfalls kein einziges Volk der Geschichte, das seinem Ursprung nach oder in seiner Geschichte als absolut rassenrein anzusehen wäre. Infolgedessen ist, selbst wenn man die Bedeutung der Physis für den Charakter noch so hoch einschätzt, die Rasse als fest¬ greifbarer Faktor nur mit größter Vorsicht in volkspshchologische Betrachtungen einzuführen. Wir sehen zum Beispiel an den Deutschen, wie sich die Phhsis be¬ ständig geändert hat, wie beinahe in allen Jahrhunderten starke Wellen frem¬ der Rassen sich mit der angeblich reinen deutschen Rasse gennscht haben, daß sich also Ströme keltischen, römischen, slawischen, jüdischen Blutes mit dem deutschen gemischt haben, was sich in den äußeren Rassemerkmalen ebenso ausprägt, wie man das von den inneren, den intellektuellen und emotionalen Funktionen annehmen muß. Aus keinen Fall kann der Nassebegriff als absolut konstanter Faktor angesehen werden, der allein ausreichte, einen konstanten Volkscharakter zu begründen. Daneben kommt nämlich auch die ebenfalls unbestrittene Tatsache in Be¬ tracht, daß Einflüsse der Tradition, die ganz unabhängig sind von der Rasse¬ kontinuität, wenn sie sich auch in ihrer Wirkung mit dieser «useinanderzusetzen haben, aufs stärkste den Bolksgsist und den Volkscharakter beeinflußt haben Man erwäge nur, wie tief umbildend die jüdisch-christliche ebenso wie ti< griechisch-römische Tradition die deutsche Art umgeformt haben. Wir geben gern zu, daß das Christentum: auf deutschem Boden sicher ebenso stark germani-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/125
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/125>, abgerufen am 23.07.2024.