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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Ideale und Irrtümer der elsciß-lothringischen Frage

Grenze dadurch erschweren, daß wir diese Grenze und damit den Ausgangspunkt
französischer Angriffe weiter zurücklegen und die Festungen, mit denen Frankreich
uns bedroht, als defensive Bollwerke in die Gewalt Deutschlands zu bringen
suchen. Solange Frankreich im Besitz von Straßburg und Metz bleibt, ist seine
Offensive stärker als unsere Defensive bezüglich des ganzen Südens und des links¬
rheinischen Nordens von Deutschland. Straßburg ist im Besitz Frankreichs eine
stets offene Einfallspforte gegen Süddeutschland. In deutschem Besitz gewinnen
Straßburg und Metz dagegen einen defensiven Charakter."

Geschickt entwand Bismarck dem Auslande mit diesen kurzen, bestimmten
Sätzen jede Handhabe, über die staatsrechtliche Zukunft der eroberten Länder
mitzusprechen. Indem er das linksrheinische Vorland lediglich als das Glacis
der deutschen Festung in Anspruch nahm, vermied er sorgfältig jeden Hinweis
auf die nationale Not des deutschen Volkes. Wohl fehlte es auch in den nächsten
Monaten, wie wir bereits wissen, nicht an diplomatischen Anregungen, die,neu-
gewonnenen Länder zu neutralisieren. Doch in strenger Folgerichtigkeit ließ sich
der Kanzler nie und nirgends auch nur auf die geringste Erörterung ein, die zu
leicht eine innere Verfassungsfrage des deutschen Volkes zum Spielball inter¬
nationaler Begehrlichkeiten und Zufälligkeiten gemacht hätte. Als im Februar 1871
im englischen Unterhause nochmals eine Einmischung der Neutralen zugunsten
Frankreichs verlangt wurde, hatte Bismarck bereits die endgültigen Verhandlungen
mit Thiers und Favre begonnen, die von vornherein die vorbehaltlose Abtretung
von Elsaß und Deutsch-Lothringen mit Metz zum Ziele hatten: nicht als Gebiets¬
erweiterung, wie Bismarck in diesen Besprechungen offen betonte, die dein neuen
Besitzer eitel Gewinn und Vorteil bringe, sondern als eine unerfreuliche Fron
mit der er das neue Haus der deutschen Nation von vornherein belasten müsse.
Unbeirrt von den ihn umwallenden Gegensätzen hatte der Gründer und leitende
Staatsmann des Norddeutschen Bundes inzwischen das Deutsche Reich zusammen¬
geschweißt. Und zugleich war damals schon das staatsrechtliche Schicksal der
von Frankreich zu erwerbenden Gebiete so entschieden, wie es dem Kanzler seit
langem vorschwebte.

Auch die Besprechungen zwischen den deutschen Regierungen selbst, die in
gerader Linie der Bearbeitung des Auslandes parallel laufen, waren ja -- das
wird häufig vergessen -- zunächst ebenfalls internationaler Natur. Bei den
Fürsten und Dynastien, nicht bei der Publizistik in Parlament und Presse lag der
Schlüssel zur gesamtdeutschen Politik, solange Norddeutscher Bund und Süd-
staaten selbständige völkerrechtliche Einheiten blieben. Aber geschickt ließ Bismarck
auch in diese diplomatischen Kämpfe die Unterströmung nationaler Begeisterung
ein, die das Schicksal Elsaß und Lothringens seit 181S mit der staatsrechtlichen
Gestaltung des neuen Deutschland selbst verflochten hatte.

Wie Gneisenau und seine Freunde stellte auch der eiserne Kanzler bei der
Befürwortung der Angliederung beider Länder die Glacistheorie in erste Reihe.
Und ähnlich fügt sich die Anschauung vom künftigen "Reichsland", die Bismarck
von vornherein festhielt, ganz zwanglos in die Gedankenreihen ein, die von Belle-
Alliance über die Paulskirche weg in die Zeit der Reichsgründung hineinführen.
"Für Deutschland" schlechthin, so hatte der alte Vorkämpfer von Kaiser und Reich,
der Reichsfreiherr vom Stein, das Geschick der linksrheinischen Lande entscheiden
wollen. Und Görres, der von einer Teilung der Herrschaft im großen Deutschland
zwischen Habsburg und Hohenzollern träumte, wollte Osterreich und Preußen zu
Wächtern des Oberrheins setzen. "Die Festigkeit und Sicherheit Teutschlands",
so schrieb er in der uns schon bekannten Begründung, "wird sich dadurch ver¬
mehren und die innere Lebenskraft unseres Vaterlandes dadurch einen Zuwachs
und einen erhöhten Schwung ihrer Tätigkeit gewinnen." Lückenlos fast fügt sich
dieser Auffassung des großen Publizisten ideengeschichtlich die erste Äußerung an,
die wir von Bismarck über die staatsrechtliche Bestimmung einzelner Teile des
Elsaß besitzen. Eine kurze Notiz nur, die jedoch blitzartig den steinigen Pfad be-


Ideale und Irrtümer der elsciß-lothringischen Frage

Grenze dadurch erschweren, daß wir diese Grenze und damit den Ausgangspunkt
französischer Angriffe weiter zurücklegen und die Festungen, mit denen Frankreich
uns bedroht, als defensive Bollwerke in die Gewalt Deutschlands zu bringen
suchen. Solange Frankreich im Besitz von Straßburg und Metz bleibt, ist seine
Offensive stärker als unsere Defensive bezüglich des ganzen Südens und des links¬
rheinischen Nordens von Deutschland. Straßburg ist im Besitz Frankreichs eine
stets offene Einfallspforte gegen Süddeutschland. In deutschem Besitz gewinnen
Straßburg und Metz dagegen einen defensiven Charakter."

Geschickt entwand Bismarck dem Auslande mit diesen kurzen, bestimmten
Sätzen jede Handhabe, über die staatsrechtliche Zukunft der eroberten Länder
mitzusprechen. Indem er das linksrheinische Vorland lediglich als das Glacis
der deutschen Festung in Anspruch nahm, vermied er sorgfältig jeden Hinweis
auf die nationale Not des deutschen Volkes. Wohl fehlte es auch in den nächsten
Monaten, wie wir bereits wissen, nicht an diplomatischen Anregungen, die,neu-
gewonnenen Länder zu neutralisieren. Doch in strenger Folgerichtigkeit ließ sich
der Kanzler nie und nirgends auch nur auf die geringste Erörterung ein, die zu
leicht eine innere Verfassungsfrage des deutschen Volkes zum Spielball inter¬
nationaler Begehrlichkeiten und Zufälligkeiten gemacht hätte. Als im Februar 1871
im englischen Unterhause nochmals eine Einmischung der Neutralen zugunsten
Frankreichs verlangt wurde, hatte Bismarck bereits die endgültigen Verhandlungen
mit Thiers und Favre begonnen, die von vornherein die vorbehaltlose Abtretung
von Elsaß und Deutsch-Lothringen mit Metz zum Ziele hatten: nicht als Gebiets¬
erweiterung, wie Bismarck in diesen Besprechungen offen betonte, die dein neuen
Besitzer eitel Gewinn und Vorteil bringe, sondern als eine unerfreuliche Fron
mit der er das neue Haus der deutschen Nation von vornherein belasten müsse.
Unbeirrt von den ihn umwallenden Gegensätzen hatte der Gründer und leitende
Staatsmann des Norddeutschen Bundes inzwischen das Deutsche Reich zusammen¬
geschweißt. Und zugleich war damals schon das staatsrechtliche Schicksal der
von Frankreich zu erwerbenden Gebiete so entschieden, wie es dem Kanzler seit
langem vorschwebte.

Auch die Besprechungen zwischen den deutschen Regierungen selbst, die in
gerader Linie der Bearbeitung des Auslandes parallel laufen, waren ja — das
wird häufig vergessen — zunächst ebenfalls internationaler Natur. Bei den
Fürsten und Dynastien, nicht bei der Publizistik in Parlament und Presse lag der
Schlüssel zur gesamtdeutschen Politik, solange Norddeutscher Bund und Süd-
staaten selbständige völkerrechtliche Einheiten blieben. Aber geschickt ließ Bismarck
auch in diese diplomatischen Kämpfe die Unterströmung nationaler Begeisterung
ein, die das Schicksal Elsaß und Lothringens seit 181S mit der staatsrechtlichen
Gestaltung des neuen Deutschland selbst verflochten hatte.

Wie Gneisenau und seine Freunde stellte auch der eiserne Kanzler bei der
Befürwortung der Angliederung beider Länder die Glacistheorie in erste Reihe.
Und ähnlich fügt sich die Anschauung vom künftigen „Reichsland", die Bismarck
von vornherein festhielt, ganz zwanglos in die Gedankenreihen ein, die von Belle-
Alliance über die Paulskirche weg in die Zeit der Reichsgründung hineinführen.
„Für Deutschland" schlechthin, so hatte der alte Vorkämpfer von Kaiser und Reich,
der Reichsfreiherr vom Stein, das Geschick der linksrheinischen Lande entscheiden
wollen. Und Görres, der von einer Teilung der Herrschaft im großen Deutschland
zwischen Habsburg und Hohenzollern träumte, wollte Osterreich und Preußen zu
Wächtern des Oberrheins setzen. „Die Festigkeit und Sicherheit Teutschlands",
so schrieb er in der uns schon bekannten Begründung, „wird sich dadurch ver¬
mehren und die innere Lebenskraft unseres Vaterlandes dadurch einen Zuwachs
und einen erhöhten Schwung ihrer Tätigkeit gewinnen." Lückenlos fast fügt sich
dieser Auffassung des großen Publizisten ideengeschichtlich die erste Äußerung an,
die wir von Bismarck über die staatsrechtliche Bestimmung einzelner Teile des
Elsaß besitzen. Eine kurze Notiz nur, die jedoch blitzartig den steinigen Pfad be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/46>, abgerufen am 03.07.2024.