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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Das politische Weltgleichgewicht als Ziel des Weltkrieges

erzeugnis durch die streng geregelte, trotz steigender Entbehrung willig geleistete
Heimarbeit gesichert wurde, während ihre gewaltigen Entladungen an den Fron¬
ten alle Anstrengungen der Feinde zunichte machten, arbeitete das Herz Europas
gegen den ungeheuren Druck seiner Glieder. Dieser Kraftfülle gegenüber schien
es nichts auszumachen, daß den Mittemächten immer neue Feinde erstanden, daß
unter ihnen sogar das früher Verbündete Italien und Rumänien, der Verhetzung
und Lockung Englands schmählich erliegend, sich ihren Gegnern zugesellten,
während auf der anderen Seite nur Bulgarien dem Beispiele der Türkei folgte
und so den in die weite Zukunft deutenden geographischen und wirtschaftlich¬
politischen Begriff von Mitteleuropa möglich machte. Das Schicksal der schwäche¬
ren Staaten, wie Belgien, Serbien, Rumänien, die machtlos unter dem Tritt des
Krieges in den Staub sanken, zeigte dem Einsichtigen an, daß die Bedeutung der
kleinen politischen Einheiten unwiederbringlich dahin sei, daß künftig nur mehr
Weltmächte das Recht Hütten, in die politische Arena zu treten, und über dem
versinkendem Rund des Weißen Erbteiles die Bildfläche des Gesamtplaneten sich
in das Licht der Weltgeschichte hob.

Man kann nicht sagen, daß England der wachsenden Erkenntnis von der
Überlegenheit Deutschlands, die seine ursprüngliche Ansicht vom Kriege durchaus
umgestaltete, sich gern erschlossen hätte. Im Anfang begnügte es sich, den bekann¬
ten Sinnspruch Palmerstons "Recht oder Unrecht, mein Land" ausschließlich in
Betätigung des Unrechts zu befolgen, indem es in ausgiebigster Weise mit den
vergifteten Waffen der Lüge, der Verleumdung, der Verhetzung gegen den ver¬
haßten, unerwartet starken Nebenbuhler zu Felde zog. Als Beherrscherin der
gesamten Kabelnetze versuchte es, und leider mit einem gewissen Erfolg, den Haß
der ganzen Welt gegen Deutschland zu erregen und dauernd zu unterhalten, in¬
dem es nicht nur plangemäß den "vertierten Hunnen" die scheußlichsten Ver¬
brechen andichtete, sondern auch durch klug berechnete, immer neue Schlagworte
für sich Stimmung zu machen, seine politischen Ziele schlau zu verstecken und die
Sinne der Mitläufer und Neutralen zu benebeln versuchte. Wer kennt nicht die
Parole vom Schutze der überfallenen kleinen Nationen, den Sturmruf gegen den
preußischen Militarismus, die Aufforderung zur Wahrung und Rettung der
Zivilisation und Demokratie, die Mahnung zur Bildung des Weltvölkerbundes
unter Ausschluß des Deutschen Reiches?' Dieser ideellen Propaganda folgte dann
erst ganz allmählich die Ergänzung durch die sich selbst einsetzende Tat. Noch als
die deutschen Freiwilligen-Regimenter mit dem Gesänge "Deutschland über alles"
in Flandern dem Tode entgegenstürmten, Pflegte die englische Jugend in gewohn¬
ter Weise Fußball und Kricket und überließ in vornehmer Zurückhaltung die
Kriegführung den bezahlten Söldnern. Dann aber änderte sich mit der zunehmen¬
den Schwere der Aufgabe das Bild des englischen Zivillebens, die eindringlichen
Werbeplakate Lord Kitcheners begannen auf die öffentliche Meinung zu wirken,
und mit den Freiwilligenmassen der Kolonien, die Abenteuerlust und der geschirrte
Deutschenhaß unter die Fahnen führte, traten zugleich ungezählte Taufende aus
dem Mutterlande in das Festlandsheer ein. Jetzt erkannte "man endlich, daß nicht
ein vornehmlich von den Verbandsgenossen zu führender Kontinentalkrieg, fon¬
dern ein Weltbrand entfesselt war, in dem England selbst um die Zukunft feines
Imperiums zu kämpfen hatte. Und mit dieser Erkenntnis erwachte denn auch
von neuem jene bekannte zähe Bulldoggenuatur des englischen Volkes, die stete
Nothelferin feiner gewaltigen geschichtlichen Erfolge. Jetzt galt der Krieg plötzlich
nicht mehr der Wahrung des europäischen Gleichgewichtes,' jetzt galt er offen der
mitleidsloser Vernichtung des Gegners, dessen Gefährlichkeit durch einen deutschen
Sieg ins Ungemessene wachsen mußte. Einem solchen Gegner gegenüber war
jedes, auch das schmählichste Mittel recht. Der Baralongfall zeigt diese Gesinnung
im kleinen. Aber man arbeitete auch im großen. Im Februar 1915 wurden
alle Lebensmittel für Bannware erklärt, Deutschland und Osterreich sollten er¬
barmungslos durch Hunger zur bedingungslosen Ergebung gezwungen werden,
und als auch dieses Mittel nicht verfing, entschloß man sich im Mai 19 Ill zur Ent¬
führung der allgemeinen Wehrpflicht. Die Antwort Deutschlands auf die erste


Das politische Weltgleichgewicht als Ziel des Weltkrieges

erzeugnis durch die streng geregelte, trotz steigender Entbehrung willig geleistete
Heimarbeit gesichert wurde, während ihre gewaltigen Entladungen an den Fron¬
ten alle Anstrengungen der Feinde zunichte machten, arbeitete das Herz Europas
gegen den ungeheuren Druck seiner Glieder. Dieser Kraftfülle gegenüber schien
es nichts auszumachen, daß den Mittemächten immer neue Feinde erstanden, daß
unter ihnen sogar das früher Verbündete Italien und Rumänien, der Verhetzung
und Lockung Englands schmählich erliegend, sich ihren Gegnern zugesellten,
während auf der anderen Seite nur Bulgarien dem Beispiele der Türkei folgte
und so den in die weite Zukunft deutenden geographischen und wirtschaftlich¬
politischen Begriff von Mitteleuropa möglich machte. Das Schicksal der schwäche¬
ren Staaten, wie Belgien, Serbien, Rumänien, die machtlos unter dem Tritt des
Krieges in den Staub sanken, zeigte dem Einsichtigen an, daß die Bedeutung der
kleinen politischen Einheiten unwiederbringlich dahin sei, daß künftig nur mehr
Weltmächte das Recht Hütten, in die politische Arena zu treten, und über dem
versinkendem Rund des Weißen Erbteiles die Bildfläche des Gesamtplaneten sich
in das Licht der Weltgeschichte hob.

Man kann nicht sagen, daß England der wachsenden Erkenntnis von der
Überlegenheit Deutschlands, die seine ursprüngliche Ansicht vom Kriege durchaus
umgestaltete, sich gern erschlossen hätte. Im Anfang begnügte es sich, den bekann¬
ten Sinnspruch Palmerstons „Recht oder Unrecht, mein Land" ausschließlich in
Betätigung des Unrechts zu befolgen, indem es in ausgiebigster Weise mit den
vergifteten Waffen der Lüge, der Verleumdung, der Verhetzung gegen den ver¬
haßten, unerwartet starken Nebenbuhler zu Felde zog. Als Beherrscherin der
gesamten Kabelnetze versuchte es, und leider mit einem gewissen Erfolg, den Haß
der ganzen Welt gegen Deutschland zu erregen und dauernd zu unterhalten, in¬
dem es nicht nur plangemäß den „vertierten Hunnen" die scheußlichsten Ver¬
brechen andichtete, sondern auch durch klug berechnete, immer neue Schlagworte
für sich Stimmung zu machen, seine politischen Ziele schlau zu verstecken und die
Sinne der Mitläufer und Neutralen zu benebeln versuchte. Wer kennt nicht die
Parole vom Schutze der überfallenen kleinen Nationen, den Sturmruf gegen den
preußischen Militarismus, die Aufforderung zur Wahrung und Rettung der
Zivilisation und Demokratie, die Mahnung zur Bildung des Weltvölkerbundes
unter Ausschluß des Deutschen Reiches?' Dieser ideellen Propaganda folgte dann
erst ganz allmählich die Ergänzung durch die sich selbst einsetzende Tat. Noch als
die deutschen Freiwilligen-Regimenter mit dem Gesänge „Deutschland über alles"
in Flandern dem Tode entgegenstürmten, Pflegte die englische Jugend in gewohn¬
ter Weise Fußball und Kricket und überließ in vornehmer Zurückhaltung die
Kriegführung den bezahlten Söldnern. Dann aber änderte sich mit der zunehmen¬
den Schwere der Aufgabe das Bild des englischen Zivillebens, die eindringlichen
Werbeplakate Lord Kitcheners begannen auf die öffentliche Meinung zu wirken,
und mit den Freiwilligenmassen der Kolonien, die Abenteuerlust und der geschirrte
Deutschenhaß unter die Fahnen führte, traten zugleich ungezählte Taufende aus
dem Mutterlande in das Festlandsheer ein. Jetzt erkannte "man endlich, daß nicht
ein vornehmlich von den Verbandsgenossen zu führender Kontinentalkrieg, fon¬
dern ein Weltbrand entfesselt war, in dem England selbst um die Zukunft feines
Imperiums zu kämpfen hatte. Und mit dieser Erkenntnis erwachte denn auch
von neuem jene bekannte zähe Bulldoggenuatur des englischen Volkes, die stete
Nothelferin feiner gewaltigen geschichtlichen Erfolge. Jetzt galt der Krieg plötzlich
nicht mehr der Wahrung des europäischen Gleichgewichtes,' jetzt galt er offen der
mitleidsloser Vernichtung des Gegners, dessen Gefährlichkeit durch einen deutschen
Sieg ins Ungemessene wachsen mußte. Einem solchen Gegner gegenüber war
jedes, auch das schmählichste Mittel recht. Der Baralongfall zeigt diese Gesinnung
im kleinen. Aber man arbeitete auch im großen. Im Februar 1915 wurden
alle Lebensmittel für Bannware erklärt, Deutschland und Osterreich sollten er¬
barmungslos durch Hunger zur bedingungslosen Ergebung gezwungen werden,
und als auch dieses Mittel nicht verfing, entschloß man sich im Mai 19 Ill zur Ent¬
führung der allgemeinen Wehrpflicht. Die Antwort Deutschlands auf die erste


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[0320] Das politische Weltgleichgewicht als Ziel des Weltkrieges erzeugnis durch die streng geregelte, trotz steigender Entbehrung willig geleistete Heimarbeit gesichert wurde, während ihre gewaltigen Entladungen an den Fron¬ ten alle Anstrengungen der Feinde zunichte machten, arbeitete das Herz Europas gegen den ungeheuren Druck seiner Glieder. Dieser Kraftfülle gegenüber schien es nichts auszumachen, daß den Mittemächten immer neue Feinde erstanden, daß unter ihnen sogar das früher Verbündete Italien und Rumänien, der Verhetzung und Lockung Englands schmählich erliegend, sich ihren Gegnern zugesellten, während auf der anderen Seite nur Bulgarien dem Beispiele der Türkei folgte und so den in die weite Zukunft deutenden geographischen und wirtschaftlich¬ politischen Begriff von Mitteleuropa möglich machte. Das Schicksal der schwäche¬ ren Staaten, wie Belgien, Serbien, Rumänien, die machtlos unter dem Tritt des Krieges in den Staub sanken, zeigte dem Einsichtigen an, daß die Bedeutung der kleinen politischen Einheiten unwiederbringlich dahin sei, daß künftig nur mehr Weltmächte das Recht Hütten, in die politische Arena zu treten, und über dem versinkendem Rund des Weißen Erbteiles die Bildfläche des Gesamtplaneten sich in das Licht der Weltgeschichte hob. Man kann nicht sagen, daß England der wachsenden Erkenntnis von der Überlegenheit Deutschlands, die seine ursprüngliche Ansicht vom Kriege durchaus umgestaltete, sich gern erschlossen hätte. Im Anfang begnügte es sich, den bekann¬ ten Sinnspruch Palmerstons „Recht oder Unrecht, mein Land" ausschließlich in Betätigung des Unrechts zu befolgen, indem es in ausgiebigster Weise mit den vergifteten Waffen der Lüge, der Verleumdung, der Verhetzung gegen den ver¬ haßten, unerwartet starken Nebenbuhler zu Felde zog. Als Beherrscherin der gesamten Kabelnetze versuchte es, und leider mit einem gewissen Erfolg, den Haß der ganzen Welt gegen Deutschland zu erregen und dauernd zu unterhalten, in¬ dem es nicht nur plangemäß den „vertierten Hunnen" die scheußlichsten Ver¬ brechen andichtete, sondern auch durch klug berechnete, immer neue Schlagworte für sich Stimmung zu machen, seine politischen Ziele schlau zu verstecken und die Sinne der Mitläufer und Neutralen zu benebeln versuchte. Wer kennt nicht die Parole vom Schutze der überfallenen kleinen Nationen, den Sturmruf gegen den preußischen Militarismus, die Aufforderung zur Wahrung und Rettung der Zivilisation und Demokratie, die Mahnung zur Bildung des Weltvölkerbundes unter Ausschluß des Deutschen Reiches?' Dieser ideellen Propaganda folgte dann erst ganz allmählich die Ergänzung durch die sich selbst einsetzende Tat. Noch als die deutschen Freiwilligen-Regimenter mit dem Gesänge „Deutschland über alles" in Flandern dem Tode entgegenstürmten, Pflegte die englische Jugend in gewohn¬ ter Weise Fußball und Kricket und überließ in vornehmer Zurückhaltung die Kriegführung den bezahlten Söldnern. Dann aber änderte sich mit der zunehmen¬ den Schwere der Aufgabe das Bild des englischen Zivillebens, die eindringlichen Werbeplakate Lord Kitcheners begannen auf die öffentliche Meinung zu wirken, und mit den Freiwilligenmassen der Kolonien, die Abenteuerlust und der geschirrte Deutschenhaß unter die Fahnen führte, traten zugleich ungezählte Taufende aus dem Mutterlande in das Festlandsheer ein. Jetzt erkannte "man endlich, daß nicht ein vornehmlich von den Verbandsgenossen zu führender Kontinentalkrieg, fon¬ dern ein Weltbrand entfesselt war, in dem England selbst um die Zukunft feines Imperiums zu kämpfen hatte. Und mit dieser Erkenntnis erwachte denn auch von neuem jene bekannte zähe Bulldoggenuatur des englischen Volkes, die stete Nothelferin feiner gewaltigen geschichtlichen Erfolge. Jetzt galt der Krieg plötzlich nicht mehr der Wahrung des europäischen Gleichgewichtes,' jetzt galt er offen der mitleidsloser Vernichtung des Gegners, dessen Gefährlichkeit durch einen deutschen Sieg ins Ungemessene wachsen mußte. Einem solchen Gegner gegenüber war jedes, auch das schmählichste Mittel recht. Der Baralongfall zeigt diese Gesinnung im kleinen. Aber man arbeitete auch im großen. Im Februar 1915 wurden alle Lebensmittel für Bannware erklärt, Deutschland und Osterreich sollten er¬ barmungslos durch Hunger zur bedingungslosen Ergebung gezwungen werden, und als auch dieses Mittel nicht verfing, entschloß man sich im Mai 19 Ill zur Ent¬ führung der allgemeinen Wehrpflicht. Die Antwort Deutschlands auf die erste

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/320>, abgerufen am 22.07.2024.