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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Deutsche Bcmernsiedelung in den baltischen Provinzen

kurzen Zeit möglich, in der die Unterbringung der russischen Rückwanderer
erfolgen muß. Wird das jetzige Tempo der inneren Kolonisation beibehalten,
dann werden im Jahrzehnt nach dem Kriege nur 39 000 Familien angesiedelt
werden können. Große Flächen Land, die sofort verfügbar und auch billig genug
sind, gibt es nur in den baltischen Provinzen. Will man daher die deutschen
Rückwanderer nicht den Agenten Kanadas in die Arme treiben und verhüten, daß
deutsche Kraft wieder einmal zur Verstärkung der Macht der Feinde dient, dann
muß die Besudelung der baltischen Provinzen unverzüglich in Angriff genommen
werden. Eine Verschärfung der Leutenot auf dem Lande ist von dem Unter¬
nehmen nicht zu befürchten, da die Personen, welche angesiedelt werden, als Land¬
arbeiter nicht in Frage kommen.

Das Siedlungsunternehmen wird sehr erleichtert durch den weitblickenden
und hochherzigen Beschluß der kurländischen Ritterschaft, ein Drittel des Gro߬
grundbesitzes für Siedlungszwecke zur Verfügung zu stellen. Es ist zu hoffen,
daß dieser Beschluß auch in Livland und Estland Nachfolge finden wird. Das
Land wird zu den Preisen des Jahres 1914 zur Verfügung gestellt; diese werden
vermutlich nur etwa die Hälfte der Preise betragen, die nach Einbeziehung der
neuen Staaten in das deutsche Zollgebiet gezahlt werden dürften. Auf Wunsch
der Ritterschaft hat der Generalquartiermeister am 17. Juni 1918 für Kurland
eine Verordnung erlassen, wonach jeder Rittergutsbesitzer, der mehr als
1000 Lofstellen (-- 360 Hektar) hat, verpflichtet ist, an die neugegründete Läut¬
gesellschaft Kurland in. b. H. zunächst 25 Prozent seiner Fläche abzutreten. Der
Lieferungsanfpruch der Läutgesellschaft erlischt zehn Jahre nach dem allgemeinen
Friedensschlüsse. Die Zahlung des Kaufpreises erfolgt zu 85 Prozent in bar und
zu 15 Prozent in Anteilen der Läutgesellschaft. Der gegenüber einem Drittel
der Fläche zunächst verbleibende Fehlbetrag soll nach Möglichkeit freihändig zum
Friedenspreife durch die Läutgesellschaft erworben werden. Soweit dieses in
Ansehung der Fläche nicht bis zum Ende des Jahres 1922 gelingt, erhöht sich die
Landlieferpflicht des einzelnen Gutes nach Maßgabe des Fehlbetrages. Soweit
es in Ansehung des Preises nicht gelingen sollte, sind die Gutsbesitzer zur Deckung
des Preisunterschiedes nach Maßgabe ihrer durch den freihändigen Ankauf
erzielten Entlastung an abgabepflichtigem Areal verbunden. Ferner hat die
Läutgesellschaft bis Ende 1948 das Vorkaufsrecht auf alle ländliche Liegenschaften,
also auch Bauerngüter. Als Kaufpreis gilt nach Wahl der Läutgesellschaft
entweder der Vertragspreis oder der Friedenspreis zuzüglich 25 Prozent. Für
Bodenverbefserungen wird das Doppelte der Selbstkosten, für Neubauten das
Anderthalbfache der Selbstkosten vergütet. Fideikommissarische Bindungen stehen
der Ausführung der Verordnung nicht im Wege. Es ist bemerkenswert, wieviel
schärfer dieser Erlaß den Großgrundbesitz anfaßt als den bäuerlichen Besitz.
Während der Großgrundbesitz mindestens ein Drittel des durch die Angliederung
an Deutschland hervorgerufenen Wertzuwachses abgeben muß, behält der Bauer,
soweit er nicht sein Gut veräußert, den Wertzuwachs unverkürzt. Es ist das im
praktischen Ergebnis eine Wohl nicht gerechtfertigte Bevorzugung des Bauern
vor dem Großgrundbesitzer. Da auf drehe Weise ein großer Teil des Wertzuwachses
der Gesamtheit entgeht, käme in Frage, ob nicht für die Güter unter 300 Hektar
eine Wertzuwachssteuer eingeführt werden sollte, ebenso für Litauen, wo eine
Landlieferpflicht überhaupt nicht besteht.

Wieviel Land steht nun in Kurland zur Verfügung? Durch den Erlaß
vom 17. Juni 1913 kommen etwa 360 000 Hektar in den Besitz der Läut¬
gesellschaft. Von den kurländischen Domänen in Größe von 500 000 Hektar, die
durch den Frieden von Brest-Litowsk in den Besitz des Deutschen Reiches über¬
gegangen sind, können vielleicht 200 000 Hektar besiedelt werden. Das gleichfalls
jetzt im Besitze des Deutschen Reiches befindliche Land der russischen staatlichen
Bauern-Agrarbank in Größe von 20 000 Hektar dürfte auch der Läutgesellschaft
überwiesen werden. Das sind zusammen annähernd 600 000 Hektar. Hierzu
treten me Flächen, die sich später vielleicht aus dem Vorkaufsrecht ergeben.
Schneidet man aus diesem Areal Bauerngüter von 15 bis 20 Hektar und


Deutsche Bcmernsiedelung in den baltischen Provinzen

kurzen Zeit möglich, in der die Unterbringung der russischen Rückwanderer
erfolgen muß. Wird das jetzige Tempo der inneren Kolonisation beibehalten,
dann werden im Jahrzehnt nach dem Kriege nur 39 000 Familien angesiedelt
werden können. Große Flächen Land, die sofort verfügbar und auch billig genug
sind, gibt es nur in den baltischen Provinzen. Will man daher die deutschen
Rückwanderer nicht den Agenten Kanadas in die Arme treiben und verhüten, daß
deutsche Kraft wieder einmal zur Verstärkung der Macht der Feinde dient, dann
muß die Besudelung der baltischen Provinzen unverzüglich in Angriff genommen
werden. Eine Verschärfung der Leutenot auf dem Lande ist von dem Unter¬
nehmen nicht zu befürchten, da die Personen, welche angesiedelt werden, als Land¬
arbeiter nicht in Frage kommen.

Das Siedlungsunternehmen wird sehr erleichtert durch den weitblickenden
und hochherzigen Beschluß der kurländischen Ritterschaft, ein Drittel des Gro߬
grundbesitzes für Siedlungszwecke zur Verfügung zu stellen. Es ist zu hoffen,
daß dieser Beschluß auch in Livland und Estland Nachfolge finden wird. Das
Land wird zu den Preisen des Jahres 1914 zur Verfügung gestellt; diese werden
vermutlich nur etwa die Hälfte der Preise betragen, die nach Einbeziehung der
neuen Staaten in das deutsche Zollgebiet gezahlt werden dürften. Auf Wunsch
der Ritterschaft hat der Generalquartiermeister am 17. Juni 1918 für Kurland
eine Verordnung erlassen, wonach jeder Rittergutsbesitzer, der mehr als
1000 Lofstellen (— 360 Hektar) hat, verpflichtet ist, an die neugegründete Läut¬
gesellschaft Kurland in. b. H. zunächst 25 Prozent seiner Fläche abzutreten. Der
Lieferungsanfpruch der Läutgesellschaft erlischt zehn Jahre nach dem allgemeinen
Friedensschlüsse. Die Zahlung des Kaufpreises erfolgt zu 85 Prozent in bar und
zu 15 Prozent in Anteilen der Läutgesellschaft. Der gegenüber einem Drittel
der Fläche zunächst verbleibende Fehlbetrag soll nach Möglichkeit freihändig zum
Friedenspreife durch die Läutgesellschaft erworben werden. Soweit dieses in
Ansehung der Fläche nicht bis zum Ende des Jahres 1922 gelingt, erhöht sich die
Landlieferpflicht des einzelnen Gutes nach Maßgabe des Fehlbetrages. Soweit
es in Ansehung des Preises nicht gelingen sollte, sind die Gutsbesitzer zur Deckung
des Preisunterschiedes nach Maßgabe ihrer durch den freihändigen Ankauf
erzielten Entlastung an abgabepflichtigem Areal verbunden. Ferner hat die
Läutgesellschaft bis Ende 1948 das Vorkaufsrecht auf alle ländliche Liegenschaften,
also auch Bauerngüter. Als Kaufpreis gilt nach Wahl der Läutgesellschaft
entweder der Vertragspreis oder der Friedenspreis zuzüglich 25 Prozent. Für
Bodenverbefserungen wird das Doppelte der Selbstkosten, für Neubauten das
Anderthalbfache der Selbstkosten vergütet. Fideikommissarische Bindungen stehen
der Ausführung der Verordnung nicht im Wege. Es ist bemerkenswert, wieviel
schärfer dieser Erlaß den Großgrundbesitz anfaßt als den bäuerlichen Besitz.
Während der Großgrundbesitz mindestens ein Drittel des durch die Angliederung
an Deutschland hervorgerufenen Wertzuwachses abgeben muß, behält der Bauer,
soweit er nicht sein Gut veräußert, den Wertzuwachs unverkürzt. Es ist das im
praktischen Ergebnis eine Wohl nicht gerechtfertigte Bevorzugung des Bauern
vor dem Großgrundbesitzer. Da auf drehe Weise ein großer Teil des Wertzuwachses
der Gesamtheit entgeht, käme in Frage, ob nicht für die Güter unter 300 Hektar
eine Wertzuwachssteuer eingeführt werden sollte, ebenso für Litauen, wo eine
Landlieferpflicht überhaupt nicht besteht.

Wieviel Land steht nun in Kurland zur Verfügung? Durch den Erlaß
vom 17. Juni 1913 kommen etwa 360 000 Hektar in den Besitz der Läut¬
gesellschaft. Von den kurländischen Domänen in Größe von 500 000 Hektar, die
durch den Frieden von Brest-Litowsk in den Besitz des Deutschen Reiches über¬
gegangen sind, können vielleicht 200 000 Hektar besiedelt werden. Das gleichfalls
jetzt im Besitze des Deutschen Reiches befindliche Land der russischen staatlichen
Bauern-Agrarbank in Größe von 20 000 Hektar dürfte auch der Läutgesellschaft
überwiesen werden. Das sind zusammen annähernd 600 000 Hektar. Hierzu
treten me Flächen, die sich später vielleicht aus dem Vorkaufsrecht ergeben.
Schneidet man aus diesem Areal Bauerngüter von 15 bis 20 Hektar und


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[0302] Deutsche Bcmernsiedelung in den baltischen Provinzen kurzen Zeit möglich, in der die Unterbringung der russischen Rückwanderer erfolgen muß. Wird das jetzige Tempo der inneren Kolonisation beibehalten, dann werden im Jahrzehnt nach dem Kriege nur 39 000 Familien angesiedelt werden können. Große Flächen Land, die sofort verfügbar und auch billig genug sind, gibt es nur in den baltischen Provinzen. Will man daher die deutschen Rückwanderer nicht den Agenten Kanadas in die Arme treiben und verhüten, daß deutsche Kraft wieder einmal zur Verstärkung der Macht der Feinde dient, dann muß die Besudelung der baltischen Provinzen unverzüglich in Angriff genommen werden. Eine Verschärfung der Leutenot auf dem Lande ist von dem Unter¬ nehmen nicht zu befürchten, da die Personen, welche angesiedelt werden, als Land¬ arbeiter nicht in Frage kommen. Das Siedlungsunternehmen wird sehr erleichtert durch den weitblickenden und hochherzigen Beschluß der kurländischen Ritterschaft, ein Drittel des Gro߬ grundbesitzes für Siedlungszwecke zur Verfügung zu stellen. Es ist zu hoffen, daß dieser Beschluß auch in Livland und Estland Nachfolge finden wird. Das Land wird zu den Preisen des Jahres 1914 zur Verfügung gestellt; diese werden vermutlich nur etwa die Hälfte der Preise betragen, die nach Einbeziehung der neuen Staaten in das deutsche Zollgebiet gezahlt werden dürften. Auf Wunsch der Ritterschaft hat der Generalquartiermeister am 17. Juni 1918 für Kurland eine Verordnung erlassen, wonach jeder Rittergutsbesitzer, der mehr als 1000 Lofstellen (— 360 Hektar) hat, verpflichtet ist, an die neugegründete Läut¬ gesellschaft Kurland in. b. H. zunächst 25 Prozent seiner Fläche abzutreten. Der Lieferungsanfpruch der Läutgesellschaft erlischt zehn Jahre nach dem allgemeinen Friedensschlüsse. Die Zahlung des Kaufpreises erfolgt zu 85 Prozent in bar und zu 15 Prozent in Anteilen der Läutgesellschaft. Der gegenüber einem Drittel der Fläche zunächst verbleibende Fehlbetrag soll nach Möglichkeit freihändig zum Friedenspreife durch die Läutgesellschaft erworben werden. Soweit dieses in Ansehung der Fläche nicht bis zum Ende des Jahres 1922 gelingt, erhöht sich die Landlieferpflicht des einzelnen Gutes nach Maßgabe des Fehlbetrages. Soweit es in Ansehung des Preises nicht gelingen sollte, sind die Gutsbesitzer zur Deckung des Preisunterschiedes nach Maßgabe ihrer durch den freihändigen Ankauf erzielten Entlastung an abgabepflichtigem Areal verbunden. Ferner hat die Läutgesellschaft bis Ende 1948 das Vorkaufsrecht auf alle ländliche Liegenschaften, also auch Bauerngüter. Als Kaufpreis gilt nach Wahl der Läutgesellschaft entweder der Vertragspreis oder der Friedenspreis zuzüglich 25 Prozent. Für Bodenverbefserungen wird das Doppelte der Selbstkosten, für Neubauten das Anderthalbfache der Selbstkosten vergütet. Fideikommissarische Bindungen stehen der Ausführung der Verordnung nicht im Wege. Es ist bemerkenswert, wieviel schärfer dieser Erlaß den Großgrundbesitz anfaßt als den bäuerlichen Besitz. Während der Großgrundbesitz mindestens ein Drittel des durch die Angliederung an Deutschland hervorgerufenen Wertzuwachses abgeben muß, behält der Bauer, soweit er nicht sein Gut veräußert, den Wertzuwachs unverkürzt. Es ist das im praktischen Ergebnis eine Wohl nicht gerechtfertigte Bevorzugung des Bauern vor dem Großgrundbesitzer. Da auf drehe Weise ein großer Teil des Wertzuwachses der Gesamtheit entgeht, käme in Frage, ob nicht für die Güter unter 300 Hektar eine Wertzuwachssteuer eingeführt werden sollte, ebenso für Litauen, wo eine Landlieferpflicht überhaupt nicht besteht. Wieviel Land steht nun in Kurland zur Verfügung? Durch den Erlaß vom 17. Juni 1913 kommen etwa 360 000 Hektar in den Besitz der Läut¬ gesellschaft. Von den kurländischen Domänen in Größe von 500 000 Hektar, die durch den Frieden von Brest-Litowsk in den Besitz des Deutschen Reiches über¬ gegangen sind, können vielleicht 200 000 Hektar besiedelt werden. Das gleichfalls jetzt im Besitze des Deutschen Reiches befindliche Land der russischen staatlichen Bauern-Agrarbank in Größe von 20 000 Hektar dürfte auch der Läutgesellschaft überwiesen werden. Das sind zusammen annähernd 600 000 Hektar. Hierzu treten me Flächen, die sich später vielleicht aus dem Vorkaufsrecht ergeben. Schneidet man aus diesem Areal Bauerngüter von 15 bis 20 Hektar und

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/302>, abgerufen am 22.07.2024.