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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Deutsche Bauernsiedelung in den baltischen Provinzen

Handwerkerstellen von 3 Hektar, so können darauf etwa 50 000 Bauern- und
Handwerkerfamilien angesiedelt werden, oder wenn man die Familie zu sechs
Köpfen rechnet, 300 000 Menschen. Die Bevölkerungsdichtigkeit würde dadurch
von 27 aus rund 40 Menschen auf 1 Quadratkilometer gesteigert werden. In
Livland würde die Abtretung von einem Drittel des Areals der Rittergüter
700 000 Hektar ergeben; rechnet man dazu ein Drittel der Domänen
(100 000 Hektar), so erhält man 800 000 Hektar oder rund 65 000 Familien mit
390 000 Köpfen und eine Steigerung der Bevölkerungsdichtigkeit auf 39 Menschen
aus 1 Quadratkilometer. Für Estland sei wegen des rauheren Klimas, schlechteren
Bodens und fast völligen Fehlens von Domänen eine verhältnismäßig geringere
Zahl von neuen Stellen angenommen als für Kurland und Livland, nämlich
etwa 30 000 mit 180 000 Köpfen. Danach erhalten wir für das gesamte
Baltikum 145 000 Stellen mit 870 000 Köpfen. Daß so viele Siedler innerhalb
der nächsten dreißig Fahre aus Deutschland und dem Auslande beschafft werden
können, wurde bereits oben nachgewiesen. Die Entwicklunqsmöglichkeiten des
lettischen und chemischen Volkes würden durch die deutsche Siedlung nicht
ernstlich beschränkt werden, da im Baltikum immer noch für mindestens
1,6 Millionen Menschen Platz bleiben würde und sich nach wie vor hinreichend
Land in keltischen und chemischen Besitz befindet.

Wer foll nun Träger der Siedlungstätigkeit werden? Man kann an eine
staatliche Stelle nach dem Muster der preußischen Ansiedlungskommission oder
an gemeinnützige Landgesellschaften denken, wie ste in allen preußischen Provinzen
bestehen und kürzlich auch in Bayern und Sachsen gegründet worden sind. Von
beiden Rechtsformen verdient die zweite den Vorzug. Die privaten Gesellschaften
sind leichter beweglich und weniger bureaukratisch, der Ansiedler bleibt vor der
demoralisierenden Gefahr bewahrt, sich als Staatspensionär zu fühlen. Die
Gesellschaften sind freier in der Anwerbung der Ansiedler, bei welcher Agenten
nicht entbehrt werden können; Unzufriedenheit der Ansiedler, die bei den
unausbleiblichen Schwierigkeiten der ersten Jahre nach der Ansiedlung leicht
entsteht, richtet sich nicht gegen den Staat selbst, ferner ist bei einer privaten
Gesellschaft die Beteiligung der baltischen Kreise und der Siedlungsgesellschaften
des Mutterlandes mit ihren reichen Erfahrungen leichter möglich als bei einer
staatlichen Stelle. Würde eine staatliche Stelle geschaffen werden, so würde das
Siedlungswerk allzu sehr dem Einfluß der wechselnden politischen Strömungen
und Stimmungen ausgesetzt sein, wodurch die Stetigkeit der Arbeit leiden könnte.

Vorstehende Erwägungen haben dazu geführt, daß als Träger der An¬
siedlung zunächst die Läutgesellschaft Kurland in. b. H. und die Neuland A.-G.
ins Leben gerufen wurden. Die Läutgesellschaft Kurland hat ein Kapital von
30 Mill. M., das demnächst auf 40 Mill. M. erhöht werden foll. Die Gesell¬
schafter zerfallen in drei Gruppen; die erste umfaßt die kurländischen Grund¬
besitzer und Kreditinstitute, die zweite die Neuland-A.-G. und die gemeinnützigen
deutschen Siedlungsgesellschasten, die dritte alle übrigen reichsdeütschen Gesell¬
schafter. Auf jede der drer Gruppen entfällt in der Generalversammlung ein
Drittel der Stimmen. Innerhalb der Gruppen werden die Stimmen nach Ma߬
gabe der Höhe des Stammkapitals der einzelnen Gesellschafter verteilt. Dieser
etwas komplizierte Aufbau ist gewählt worden, damit der gleichmäßige Einfluß
der drei Gruppen innerhalb der Gesellschaft dauernd gesichert ist. Die Neuland-
Aktien-Gesellschaft ist als Zentral-Finanzierungsgesellschaft für alle im Osten
neu entstehenden Landgesellschaften gedacht; selbst siedeln darf sie nicht. Sie hat
vorläufig ein Kapital von 300 000 M., das aber nach den Beschlüssen der letzten
Generalversammlung bis zu 30 Mill. M. erhöht werden soll. Sie gibt Aktien
von 10 000 und 1000 M. aus, ermöglicht also auch kleinen Kapitalisten die Be¬
teiligung, während bei der Kurland-Gesellschaft der geringste Anteil 50 000 M.
beträgt. Die Neuland-Gesellschaft hat sich bereits mit 15 Mill. M. an der Kur¬
land-Gesellschaft beteiligt. Es ist zu hoffen, daß nach den Aktien der neuen
Gesellschaft namentlich in den Kreisen von Handel und Industrie lebhafte Nach¬
frage entstehen wird, zumal da die Beteiligung der Gesellschaft an der Wert-


Deutsche Bauernsiedelung in den baltischen Provinzen

Handwerkerstellen von 3 Hektar, so können darauf etwa 50 000 Bauern- und
Handwerkerfamilien angesiedelt werden, oder wenn man die Familie zu sechs
Köpfen rechnet, 300 000 Menschen. Die Bevölkerungsdichtigkeit würde dadurch
von 27 aus rund 40 Menschen auf 1 Quadratkilometer gesteigert werden. In
Livland würde die Abtretung von einem Drittel des Areals der Rittergüter
700 000 Hektar ergeben; rechnet man dazu ein Drittel der Domänen
(100 000 Hektar), so erhält man 800 000 Hektar oder rund 65 000 Familien mit
390 000 Köpfen und eine Steigerung der Bevölkerungsdichtigkeit auf 39 Menschen
aus 1 Quadratkilometer. Für Estland sei wegen des rauheren Klimas, schlechteren
Bodens und fast völligen Fehlens von Domänen eine verhältnismäßig geringere
Zahl von neuen Stellen angenommen als für Kurland und Livland, nämlich
etwa 30 000 mit 180 000 Köpfen. Danach erhalten wir für das gesamte
Baltikum 145 000 Stellen mit 870 000 Köpfen. Daß so viele Siedler innerhalb
der nächsten dreißig Fahre aus Deutschland und dem Auslande beschafft werden
können, wurde bereits oben nachgewiesen. Die Entwicklunqsmöglichkeiten des
lettischen und chemischen Volkes würden durch die deutsche Siedlung nicht
ernstlich beschränkt werden, da im Baltikum immer noch für mindestens
1,6 Millionen Menschen Platz bleiben würde und sich nach wie vor hinreichend
Land in keltischen und chemischen Besitz befindet.

Wer foll nun Träger der Siedlungstätigkeit werden? Man kann an eine
staatliche Stelle nach dem Muster der preußischen Ansiedlungskommission oder
an gemeinnützige Landgesellschaften denken, wie ste in allen preußischen Provinzen
bestehen und kürzlich auch in Bayern und Sachsen gegründet worden sind. Von
beiden Rechtsformen verdient die zweite den Vorzug. Die privaten Gesellschaften
sind leichter beweglich und weniger bureaukratisch, der Ansiedler bleibt vor der
demoralisierenden Gefahr bewahrt, sich als Staatspensionär zu fühlen. Die
Gesellschaften sind freier in der Anwerbung der Ansiedler, bei welcher Agenten
nicht entbehrt werden können; Unzufriedenheit der Ansiedler, die bei den
unausbleiblichen Schwierigkeiten der ersten Jahre nach der Ansiedlung leicht
entsteht, richtet sich nicht gegen den Staat selbst, ferner ist bei einer privaten
Gesellschaft die Beteiligung der baltischen Kreise und der Siedlungsgesellschaften
des Mutterlandes mit ihren reichen Erfahrungen leichter möglich als bei einer
staatlichen Stelle. Würde eine staatliche Stelle geschaffen werden, so würde das
Siedlungswerk allzu sehr dem Einfluß der wechselnden politischen Strömungen
und Stimmungen ausgesetzt sein, wodurch die Stetigkeit der Arbeit leiden könnte.

Vorstehende Erwägungen haben dazu geführt, daß als Träger der An¬
siedlung zunächst die Läutgesellschaft Kurland in. b. H. und die Neuland A.-G.
ins Leben gerufen wurden. Die Läutgesellschaft Kurland hat ein Kapital von
30 Mill. M., das demnächst auf 40 Mill. M. erhöht werden foll. Die Gesell¬
schafter zerfallen in drei Gruppen; die erste umfaßt die kurländischen Grund¬
besitzer und Kreditinstitute, die zweite die Neuland-A.-G. und die gemeinnützigen
deutschen Siedlungsgesellschasten, die dritte alle übrigen reichsdeütschen Gesell¬
schafter. Auf jede der drer Gruppen entfällt in der Generalversammlung ein
Drittel der Stimmen. Innerhalb der Gruppen werden die Stimmen nach Ma߬
gabe der Höhe des Stammkapitals der einzelnen Gesellschafter verteilt. Dieser
etwas komplizierte Aufbau ist gewählt worden, damit der gleichmäßige Einfluß
der drei Gruppen innerhalb der Gesellschaft dauernd gesichert ist. Die Neuland-
Aktien-Gesellschaft ist als Zentral-Finanzierungsgesellschaft für alle im Osten
neu entstehenden Landgesellschaften gedacht; selbst siedeln darf sie nicht. Sie hat
vorläufig ein Kapital von 300 000 M., das aber nach den Beschlüssen der letzten
Generalversammlung bis zu 30 Mill. M. erhöht werden soll. Sie gibt Aktien
von 10 000 und 1000 M. aus, ermöglicht also auch kleinen Kapitalisten die Be¬
teiligung, während bei der Kurland-Gesellschaft der geringste Anteil 50 000 M.
beträgt. Die Neuland-Gesellschaft hat sich bereits mit 15 Mill. M. an der Kur¬
land-Gesellschaft beteiligt. Es ist zu hoffen, daß nach den Aktien der neuen
Gesellschaft namentlich in den Kreisen von Handel und Industrie lebhafte Nach¬
frage entstehen wird, zumal da die Beteiligung der Gesellschaft an der Wert-


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[0303] Deutsche Bauernsiedelung in den baltischen Provinzen Handwerkerstellen von 3 Hektar, so können darauf etwa 50 000 Bauern- und Handwerkerfamilien angesiedelt werden, oder wenn man die Familie zu sechs Köpfen rechnet, 300 000 Menschen. Die Bevölkerungsdichtigkeit würde dadurch von 27 aus rund 40 Menschen auf 1 Quadratkilometer gesteigert werden. In Livland würde die Abtretung von einem Drittel des Areals der Rittergüter 700 000 Hektar ergeben; rechnet man dazu ein Drittel der Domänen (100 000 Hektar), so erhält man 800 000 Hektar oder rund 65 000 Familien mit 390 000 Köpfen und eine Steigerung der Bevölkerungsdichtigkeit auf 39 Menschen aus 1 Quadratkilometer. Für Estland sei wegen des rauheren Klimas, schlechteren Bodens und fast völligen Fehlens von Domänen eine verhältnismäßig geringere Zahl von neuen Stellen angenommen als für Kurland und Livland, nämlich etwa 30 000 mit 180 000 Köpfen. Danach erhalten wir für das gesamte Baltikum 145 000 Stellen mit 870 000 Köpfen. Daß so viele Siedler innerhalb der nächsten dreißig Fahre aus Deutschland und dem Auslande beschafft werden können, wurde bereits oben nachgewiesen. Die Entwicklunqsmöglichkeiten des lettischen und chemischen Volkes würden durch die deutsche Siedlung nicht ernstlich beschränkt werden, da im Baltikum immer noch für mindestens 1,6 Millionen Menschen Platz bleiben würde und sich nach wie vor hinreichend Land in keltischen und chemischen Besitz befindet. Wer foll nun Träger der Siedlungstätigkeit werden? Man kann an eine staatliche Stelle nach dem Muster der preußischen Ansiedlungskommission oder an gemeinnützige Landgesellschaften denken, wie ste in allen preußischen Provinzen bestehen und kürzlich auch in Bayern und Sachsen gegründet worden sind. Von beiden Rechtsformen verdient die zweite den Vorzug. Die privaten Gesellschaften sind leichter beweglich und weniger bureaukratisch, der Ansiedler bleibt vor der demoralisierenden Gefahr bewahrt, sich als Staatspensionär zu fühlen. Die Gesellschaften sind freier in der Anwerbung der Ansiedler, bei welcher Agenten nicht entbehrt werden können; Unzufriedenheit der Ansiedler, die bei den unausbleiblichen Schwierigkeiten der ersten Jahre nach der Ansiedlung leicht entsteht, richtet sich nicht gegen den Staat selbst, ferner ist bei einer privaten Gesellschaft die Beteiligung der baltischen Kreise und der Siedlungsgesellschaften des Mutterlandes mit ihren reichen Erfahrungen leichter möglich als bei einer staatlichen Stelle. Würde eine staatliche Stelle geschaffen werden, so würde das Siedlungswerk allzu sehr dem Einfluß der wechselnden politischen Strömungen und Stimmungen ausgesetzt sein, wodurch die Stetigkeit der Arbeit leiden könnte. Vorstehende Erwägungen haben dazu geführt, daß als Träger der An¬ siedlung zunächst die Läutgesellschaft Kurland in. b. H. und die Neuland A.-G. ins Leben gerufen wurden. Die Läutgesellschaft Kurland hat ein Kapital von 30 Mill. M., das demnächst auf 40 Mill. M. erhöht werden foll. Die Gesell¬ schafter zerfallen in drei Gruppen; die erste umfaßt die kurländischen Grund¬ besitzer und Kreditinstitute, die zweite die Neuland-A.-G. und die gemeinnützigen deutschen Siedlungsgesellschasten, die dritte alle übrigen reichsdeütschen Gesell¬ schafter. Auf jede der drer Gruppen entfällt in der Generalversammlung ein Drittel der Stimmen. Innerhalb der Gruppen werden die Stimmen nach Ma߬ gabe der Höhe des Stammkapitals der einzelnen Gesellschafter verteilt. Dieser etwas komplizierte Aufbau ist gewählt worden, damit der gleichmäßige Einfluß der drei Gruppen innerhalb der Gesellschaft dauernd gesichert ist. Die Neuland- Aktien-Gesellschaft ist als Zentral-Finanzierungsgesellschaft für alle im Osten neu entstehenden Landgesellschaften gedacht; selbst siedeln darf sie nicht. Sie hat vorläufig ein Kapital von 300 000 M., das aber nach den Beschlüssen der letzten Generalversammlung bis zu 30 Mill. M. erhöht werden soll. Sie gibt Aktien von 10 000 und 1000 M. aus, ermöglicht also auch kleinen Kapitalisten die Be¬ teiligung, während bei der Kurland-Gesellschaft der geringste Anteil 50 000 M. beträgt. Die Neuland-Gesellschaft hat sich bereits mit 15 Mill. M. an der Kur¬ land-Gesellschaft beteiligt. Es ist zu hoffen, daß nach den Aktien der neuen Gesellschaft namentlich in den Kreisen von Handel und Industrie lebhafte Nach¬ frage entstehen wird, zumal da die Beteiligung der Gesellschaft an der Wert-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/303>, abgerufen am 22.07.2024.