Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Völkerbund

Vollkommenen Desinteressement gearbeitet hat, um diesen Krieg zu verhüten und
der die Größe der Weltkatastrophe voraussah. Seit Jahren habe er sich bemüht,
auf jede Weise Brücken zu bauen zwischen den streitenden Nationen und Gruppen
und mehr als einmal habe er den Konflikt abgewandt, der sich schließlich (natürlich
durch Deutschlands Schuld) als unvermeidlich herausstellte." Bei uns in Deutsch¬
land ist Grey umgekehrt in weiten Kreisen des Volkes eine Art Popanz oder
schwarzer Mann, der konsequent für den Kriegsausbruch tätig gewesen ist und
die Katastrophe herbeigeführt hat. Wollen wir seinen jetzigen schritt richtig be¬
utteilen, so müssen wir uns von dem einen wie von dem anderen Extrem frei'
hallen. Wir wissen, daß Grey während des ersten Balkankrieges, der böhmischen
und albanischen Krise nicht für den europäischen .Krieg gearbeitet hat, sondern
Deutschlands Anstrengungen für den Weltfrieden unterstützte. Wir wissen aber
Zu gleicher Zeit, daß alles, was England während des letzten Jahrzehntes zum
Zusammenschluß Europas gegen Deutschland getan hat, mit auf die Initiative
und tätige Mitarbeit Greys zurückzuführen ist. Er hat die politische Konstellation
tätig mit vorbereitet, die zum Kriege führen mußte, wobei er bis zuletzt das
moralische Hinterpförtchen für sein eigenes Gewissen offen ließ, daß er den Aus¬
bruch des Krieges selbst nicht gewollt habe. Daß hinter dem von ihm ausgebauten
Schema französische Nevanchelust und russische Gewissenlosigkeit alles taten,
um den Konflikt herbeizuführen und England schließlich eine den Kriegsausbruch
begünstigende nuk den Entschluß seiner Verbündeten fördernde Haltung einnehmen
mußte, 'das alles ist mit auf GreyZ Konto zurückzuführen. Er hat die Funda¬
mente gebaut, die schließlich nur eine Krönung des Gebäudes zuließen, die, von
der König Eduard träumte. Grey wurde zum Verbündeten serbischer Königs¬
mörder, französischer Chauvinisten und russischer Panslawisten, ließ durch seine
soldatischen Kollegen .Konventionen mit Frankreich für den Kriegsfall mit Deutsch¬
tand und dos Zusammenarbeiten zwischeu Frankreich und England bis ins clewil
vorbereiten und legte selbst den Grundstein für eine russisch-englische Marine-
kvnvention. Möglich, sogar wahrscheinlich ist, daß sich Grey bis zuletzt einge¬
bildet hat. trotz allem die Fäden so in der Hand zu halten, daß er im gegebenen
Momente für den Frieden cirbeitm könne, daß er glaubte, um einen seiner Lieb-
lingsausdrücke zu gebrauchen, die Hände frei zu haben. Während der Weltkrise
hat er selbst sehen müssen, daß dies nicht der Fall war. Er wurde durch die
Macht seiner eigenen früheren Taten gezwungen, so zu handeln, wie er nachher
Kanzelte. Grey ist der Mann mit dem Bemühen, das persönliche gute Gewissen
und das Gesicht zu wahren, und seinen Handlungen eine solche äußere Form zu
geben, daß er immer in der Lage zu sein glaubte, persönlich seine doim licies
nachzuweisen. Nach diesem Grundsatz benahm er sich bei seinem halb gelogenen.
aber den Buchstaben nach wahren Erklärungen über das NichtVorhandensein eines
britisch.französischen Vertrages, nach ihm handelte er während der Krise, als er
die Konferenz für Regelung der serbisch-österreichischen Differenz vorschlug, von
der er von vornherein wußte, daß sie für Österreich-Ungarn und Deutschland un¬
annehmbar sein mußte. Er ist der Mann, der bei der Abrechnung auch dem
lieben Herrgott gegenüber schwarz auf weiß sein Alibi und seine Unschuld will
beweisen können, der aber zugleich den englischen Interessen so dienen will, wie
er oder die Leute, die ihn schoben, das für erforderlich hielten und der dabei
schließlich alle Mittel anwendete.

Grey, der einer englischen Regierung angehörte, die jetzt nicht mehr am
Ruder ist, hat in diesen Tagen eine Broschüre über den Völkerbund veröffentlicht,
die überall in England die größte Beachtung gefunden hat, und nicht nur dort,
sondern auch in anderen alliierten und neutralen Ländern. Reuter hat in alle
Welt Auszüge daraus verbreitet. Unsere Presse hat den wesentlichen Inhalt der
Broschüre wiedergegeben. Diese Broschüre ist ein echter Grey. Sie beruhigt das
Gewissen des Staatsmannes, dein ein großer Teil der Verantwortlichkeit für den
Ausbruch des Krieges zufällt. Er kann schwarz auf weiß den Nachweis führen,
°aß er noch während des Krieges für den Frieden der Menschheit gearbeitet hat.


15*
Der Völkerbund

Vollkommenen Desinteressement gearbeitet hat, um diesen Krieg zu verhüten und
der die Größe der Weltkatastrophe voraussah. Seit Jahren habe er sich bemüht,
auf jede Weise Brücken zu bauen zwischen den streitenden Nationen und Gruppen
und mehr als einmal habe er den Konflikt abgewandt, der sich schließlich (natürlich
durch Deutschlands Schuld) als unvermeidlich herausstellte." Bei uns in Deutsch¬
land ist Grey umgekehrt in weiten Kreisen des Volkes eine Art Popanz oder
schwarzer Mann, der konsequent für den Kriegsausbruch tätig gewesen ist und
die Katastrophe herbeigeführt hat. Wollen wir seinen jetzigen schritt richtig be¬
utteilen, so müssen wir uns von dem einen wie von dem anderen Extrem frei'
hallen. Wir wissen, daß Grey während des ersten Balkankrieges, der böhmischen
und albanischen Krise nicht für den europäischen .Krieg gearbeitet hat, sondern
Deutschlands Anstrengungen für den Weltfrieden unterstützte. Wir wissen aber
Zu gleicher Zeit, daß alles, was England während des letzten Jahrzehntes zum
Zusammenschluß Europas gegen Deutschland getan hat, mit auf die Initiative
und tätige Mitarbeit Greys zurückzuführen ist. Er hat die politische Konstellation
tätig mit vorbereitet, die zum Kriege führen mußte, wobei er bis zuletzt das
moralische Hinterpförtchen für sein eigenes Gewissen offen ließ, daß er den Aus¬
bruch des Krieges selbst nicht gewollt habe. Daß hinter dem von ihm ausgebauten
Schema französische Nevanchelust und russische Gewissenlosigkeit alles taten,
um den Konflikt herbeizuführen und England schließlich eine den Kriegsausbruch
begünstigende nuk den Entschluß seiner Verbündeten fördernde Haltung einnehmen
mußte, 'das alles ist mit auf GreyZ Konto zurückzuführen. Er hat die Funda¬
mente gebaut, die schließlich nur eine Krönung des Gebäudes zuließen, die, von
der König Eduard träumte. Grey wurde zum Verbündeten serbischer Königs¬
mörder, französischer Chauvinisten und russischer Panslawisten, ließ durch seine
soldatischen Kollegen .Konventionen mit Frankreich für den Kriegsfall mit Deutsch¬
tand und dos Zusammenarbeiten zwischeu Frankreich und England bis ins clewil
vorbereiten und legte selbst den Grundstein für eine russisch-englische Marine-
kvnvention. Möglich, sogar wahrscheinlich ist, daß sich Grey bis zuletzt einge¬
bildet hat. trotz allem die Fäden so in der Hand zu halten, daß er im gegebenen
Momente für den Frieden cirbeitm könne, daß er glaubte, um einen seiner Lieb-
lingsausdrücke zu gebrauchen, die Hände frei zu haben. Während der Weltkrise
hat er selbst sehen müssen, daß dies nicht der Fall war. Er wurde durch die
Macht seiner eigenen früheren Taten gezwungen, so zu handeln, wie er nachher
Kanzelte. Grey ist der Mann mit dem Bemühen, das persönliche gute Gewissen
und das Gesicht zu wahren, und seinen Handlungen eine solche äußere Form zu
geben, daß er immer in der Lage zu sein glaubte, persönlich seine doim licies
nachzuweisen. Nach diesem Grundsatz benahm er sich bei seinem halb gelogenen.
aber den Buchstaben nach wahren Erklärungen über das NichtVorhandensein eines
britisch.französischen Vertrages, nach ihm handelte er während der Krise, als er
die Konferenz für Regelung der serbisch-österreichischen Differenz vorschlug, von
der er von vornherein wußte, daß sie für Österreich-Ungarn und Deutschland un¬
annehmbar sein mußte. Er ist der Mann, der bei der Abrechnung auch dem
lieben Herrgott gegenüber schwarz auf weiß sein Alibi und seine Unschuld will
beweisen können, der aber zugleich den englischen Interessen so dienen will, wie
er oder die Leute, die ihn schoben, das für erforderlich hielten und der dabei
schließlich alle Mittel anwendete.

Grey, der einer englischen Regierung angehörte, die jetzt nicht mehr am
Ruder ist, hat in diesen Tagen eine Broschüre über den Völkerbund veröffentlicht,
die überall in England die größte Beachtung gefunden hat, und nicht nur dort,
sondern auch in anderen alliierten und neutralen Ländern. Reuter hat in alle
Welt Auszüge daraus verbreitet. Unsere Presse hat den wesentlichen Inhalt der
Broschüre wiedergegeben. Diese Broschüre ist ein echter Grey. Sie beruhigt das
Gewissen des Staatsmannes, dein ein großer Teil der Verantwortlichkeit für den
Ausbruch des Krieges zufällt. Er kann schwarz auf weiß den Nachweis führen,
°aß er noch während des Krieges für den Frieden der Menschheit gearbeitet hat.


15*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0191" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/334036"/>
            <fw type="header" place="top"> Der Völkerbund</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_739" prev="#ID_738"> Vollkommenen Desinteressement gearbeitet hat, um diesen Krieg zu verhüten und<lb/>
der die Größe der Weltkatastrophe voraussah. Seit Jahren habe er sich bemüht,<lb/>
auf jede Weise Brücken zu bauen zwischen den streitenden Nationen und Gruppen<lb/>
und mehr als einmal habe er den Konflikt abgewandt, der sich schließlich (natürlich<lb/>
durch Deutschlands Schuld) als unvermeidlich herausstellte." Bei uns in Deutsch¬<lb/>
land ist Grey umgekehrt in weiten Kreisen des Volkes eine Art Popanz oder<lb/>
schwarzer Mann, der konsequent für den Kriegsausbruch tätig gewesen ist und<lb/>
die Katastrophe herbeigeführt hat. Wollen wir seinen jetzigen schritt richtig be¬<lb/>
utteilen, so müssen wir uns von dem einen wie von dem anderen Extrem frei'<lb/>
hallen. Wir wissen, daß Grey während des ersten Balkankrieges, der böhmischen<lb/>
und albanischen Krise nicht für den europäischen .Krieg gearbeitet hat, sondern<lb/>
Deutschlands Anstrengungen für den Weltfrieden unterstützte. Wir wissen aber<lb/>
Zu gleicher Zeit, daß alles, was England während des letzten Jahrzehntes zum<lb/>
Zusammenschluß Europas gegen Deutschland getan hat, mit auf die Initiative<lb/>
und tätige Mitarbeit Greys zurückzuführen ist. Er hat die politische Konstellation<lb/>
tätig mit vorbereitet, die zum Kriege führen mußte, wobei er bis zuletzt das<lb/>
moralische Hinterpförtchen für sein eigenes Gewissen offen ließ, daß er den Aus¬<lb/>
bruch des Krieges selbst nicht gewollt habe. Daß hinter dem von ihm ausgebauten<lb/>
Schema französische Nevanchelust und russische Gewissenlosigkeit alles taten,<lb/>
um den Konflikt herbeizuführen und England schließlich eine den Kriegsausbruch<lb/>
begünstigende nuk den Entschluß seiner Verbündeten fördernde Haltung einnehmen<lb/>
mußte, 'das alles ist mit auf GreyZ Konto zurückzuführen. Er hat die Funda¬<lb/>
mente gebaut, die schließlich nur eine Krönung des Gebäudes zuließen, die, von<lb/>
der König Eduard träumte. Grey wurde zum Verbündeten serbischer Königs¬<lb/>
mörder, französischer Chauvinisten und russischer Panslawisten, ließ durch seine<lb/>
soldatischen Kollegen .Konventionen mit Frankreich für den Kriegsfall mit Deutsch¬<lb/>
tand und dos Zusammenarbeiten zwischeu Frankreich und England bis ins clewil<lb/>
vorbereiten und legte selbst den Grundstein für eine russisch-englische Marine-<lb/>
kvnvention. Möglich, sogar wahrscheinlich ist, daß sich Grey bis zuletzt einge¬<lb/>
bildet hat. trotz allem die Fäden so in der Hand zu halten, daß er im gegebenen<lb/>
Momente für den Frieden cirbeitm könne, daß er glaubte, um einen seiner Lieb-<lb/>
lingsausdrücke zu gebrauchen, die Hände frei zu haben. Während der Weltkrise<lb/>
hat er selbst sehen müssen, daß dies nicht der Fall war. Er wurde durch die<lb/>
Macht seiner eigenen früheren Taten gezwungen, so zu handeln, wie er nachher<lb/>
Kanzelte. Grey ist der Mann mit dem Bemühen, das persönliche gute Gewissen<lb/>
und das Gesicht zu wahren, und seinen Handlungen eine solche äußere Form zu<lb/>
geben, daß er immer in der Lage zu sein glaubte, persönlich seine doim licies<lb/>
nachzuweisen. Nach diesem Grundsatz benahm er sich bei seinem halb gelogenen.<lb/>
aber den Buchstaben nach wahren Erklärungen über das NichtVorhandensein eines<lb/>
britisch.französischen Vertrages, nach ihm handelte er während der Krise, als er<lb/>
die Konferenz für Regelung der serbisch-österreichischen Differenz vorschlug, von<lb/>
der er von vornherein wußte, daß sie für Österreich-Ungarn und Deutschland un¬<lb/>
annehmbar sein mußte. Er ist der Mann, der bei der Abrechnung auch dem<lb/>
lieben Herrgott gegenüber schwarz auf weiß sein Alibi und seine Unschuld will<lb/>
beweisen können, der aber zugleich den englischen Interessen so dienen will, wie<lb/>
er oder die Leute, die ihn schoben, das für erforderlich hielten und der dabei<lb/>
schließlich alle Mittel anwendete.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_740" next="#ID_741"> Grey, der einer englischen Regierung angehörte, die jetzt nicht mehr am<lb/>
Ruder ist, hat in diesen Tagen eine Broschüre über den Völkerbund veröffentlicht,<lb/>
die überall in England die größte Beachtung gefunden hat, und nicht nur dort,<lb/>
sondern auch in anderen alliierten und neutralen Ländern. Reuter hat in alle<lb/>
Welt Auszüge daraus verbreitet. Unsere Presse hat den wesentlichen Inhalt der<lb/>
Broschüre wiedergegeben. Diese Broschüre ist ein echter Grey. Sie beruhigt das<lb/>
Gewissen des Staatsmannes, dein ein großer Teil der Verantwortlichkeit für den<lb/>
Ausbruch des Krieges zufällt. Er kann schwarz auf weiß den Nachweis führen,<lb/>
°aß er noch während des Krieges für den Frieden der Menschheit gearbeitet hat.</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 15*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0191] Der Völkerbund Vollkommenen Desinteressement gearbeitet hat, um diesen Krieg zu verhüten und der die Größe der Weltkatastrophe voraussah. Seit Jahren habe er sich bemüht, auf jede Weise Brücken zu bauen zwischen den streitenden Nationen und Gruppen und mehr als einmal habe er den Konflikt abgewandt, der sich schließlich (natürlich durch Deutschlands Schuld) als unvermeidlich herausstellte." Bei uns in Deutsch¬ land ist Grey umgekehrt in weiten Kreisen des Volkes eine Art Popanz oder schwarzer Mann, der konsequent für den Kriegsausbruch tätig gewesen ist und die Katastrophe herbeigeführt hat. Wollen wir seinen jetzigen schritt richtig be¬ utteilen, so müssen wir uns von dem einen wie von dem anderen Extrem frei' hallen. Wir wissen, daß Grey während des ersten Balkankrieges, der böhmischen und albanischen Krise nicht für den europäischen .Krieg gearbeitet hat, sondern Deutschlands Anstrengungen für den Weltfrieden unterstützte. Wir wissen aber Zu gleicher Zeit, daß alles, was England während des letzten Jahrzehntes zum Zusammenschluß Europas gegen Deutschland getan hat, mit auf die Initiative und tätige Mitarbeit Greys zurückzuführen ist. Er hat die politische Konstellation tätig mit vorbereitet, die zum Kriege führen mußte, wobei er bis zuletzt das moralische Hinterpförtchen für sein eigenes Gewissen offen ließ, daß er den Aus¬ bruch des Krieges selbst nicht gewollt habe. Daß hinter dem von ihm ausgebauten Schema französische Nevanchelust und russische Gewissenlosigkeit alles taten, um den Konflikt herbeizuführen und England schließlich eine den Kriegsausbruch begünstigende nuk den Entschluß seiner Verbündeten fördernde Haltung einnehmen mußte, 'das alles ist mit auf GreyZ Konto zurückzuführen. Er hat die Funda¬ mente gebaut, die schließlich nur eine Krönung des Gebäudes zuließen, die, von der König Eduard träumte. Grey wurde zum Verbündeten serbischer Königs¬ mörder, französischer Chauvinisten und russischer Panslawisten, ließ durch seine soldatischen Kollegen .Konventionen mit Frankreich für den Kriegsfall mit Deutsch¬ tand und dos Zusammenarbeiten zwischeu Frankreich und England bis ins clewil vorbereiten und legte selbst den Grundstein für eine russisch-englische Marine- kvnvention. Möglich, sogar wahrscheinlich ist, daß sich Grey bis zuletzt einge¬ bildet hat. trotz allem die Fäden so in der Hand zu halten, daß er im gegebenen Momente für den Frieden cirbeitm könne, daß er glaubte, um einen seiner Lieb- lingsausdrücke zu gebrauchen, die Hände frei zu haben. Während der Weltkrise hat er selbst sehen müssen, daß dies nicht der Fall war. Er wurde durch die Macht seiner eigenen früheren Taten gezwungen, so zu handeln, wie er nachher Kanzelte. Grey ist der Mann mit dem Bemühen, das persönliche gute Gewissen und das Gesicht zu wahren, und seinen Handlungen eine solche äußere Form zu geben, daß er immer in der Lage zu sein glaubte, persönlich seine doim licies nachzuweisen. Nach diesem Grundsatz benahm er sich bei seinem halb gelogenen. aber den Buchstaben nach wahren Erklärungen über das NichtVorhandensein eines britisch.französischen Vertrages, nach ihm handelte er während der Krise, als er die Konferenz für Regelung der serbisch-österreichischen Differenz vorschlug, von der er von vornherein wußte, daß sie für Österreich-Ungarn und Deutschland un¬ annehmbar sein mußte. Er ist der Mann, der bei der Abrechnung auch dem lieben Herrgott gegenüber schwarz auf weiß sein Alibi und seine Unschuld will beweisen können, der aber zugleich den englischen Interessen so dienen will, wie er oder die Leute, die ihn schoben, das für erforderlich hielten und der dabei schließlich alle Mittel anwendete. Grey, der einer englischen Regierung angehörte, die jetzt nicht mehr am Ruder ist, hat in diesen Tagen eine Broschüre über den Völkerbund veröffentlicht, die überall in England die größte Beachtung gefunden hat, und nicht nur dort, sondern auch in anderen alliierten und neutralen Ländern. Reuter hat in alle Welt Auszüge daraus verbreitet. Unsere Presse hat den wesentlichen Inhalt der Broschüre wiedergegeben. Diese Broschüre ist ein echter Grey. Sie beruhigt das Gewissen des Staatsmannes, dein ein großer Teil der Verantwortlichkeit für den Ausbruch des Krieges zufällt. Er kann schwarz auf weiß den Nachweis führen, °aß er noch während des Krieges für den Frieden der Menschheit gearbeitet hat. 15*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/191
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/191>, abgerufen am 01.07.2024.