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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Die englische Umklammerung Europas

Imperialismus auf die Dauer ebenbürtig wird die Spitze bieten können. Seit
die Union um die Jahrhundertwende zielbewußt zum Imperialismus einschwenkte,
ist auf der Westfeste der Erde nicht mehr England die allein gebietende Macht.
Man rechnet zweifellos damit, daß eine Zeit kommen könnte, in der die britische
Flagge vom amerikanischen Festland und ihrer nahen Inselwelt gänzlich vom
Sternenbanner verdrängt werden könnte.

Daher tritt immer klarer als nächstes Ziel der britischen Weltpolitik die
Stärkung seiner europäischen Stellung, oder besser: seiner Stellung auf der Ost¬
feste (einschließlich Australien) hervor. Es scheint fast so, als ob die "plane¬
tarische" Politik mehr und mehr zu einer osthemisphärischen sich verengere, in
dem Bestreben, durch diese Konzentration der Kräfte die während des Krieges hart
bedrohte Weltstellung von neuem zu stärken und zu festigen. Der Indische Ozean
und die europäische Atlantis find die Angelpunkte dieser neu orientierten britischen
Weltpolitik. In einer möglichst engen und festen Verknüpfung des "Jndia-
meerreiches" und des nordatlantischen Machtgebietes beruht die Stärkung der
britischen osthemisphärischen Machtstellung.

Das Machtgebiet um den Indischen Ozean mit seinen drei Eckpfeilern in
Australien, Indien und Südafrika zu stärken und seine gesicherte Verbindung mit
dem Herz des Weltreiches, dem britischen Mutterland, dauernd zu gewährleisten,
war seit der Politik Disraelis im letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts
der Kern der britisch.ozeanischen Weltpolitik. Ihre gegenwärtige festländische
Richtung ist das neue Moment, das dem gleichen Zwecke dienen soll.

Beides zusammen bedeutet aber nichts anderes als eine britische Umklamme¬
rung Europas, als einen Versuch der Ausschaltung des festländischen Europa in
der Behandlung weltpolitischer Machtfragen. Geographisch gesprochen geht die
Umklammerung von der großbritannischen Inselwelt aus in zwei Richtungen um
den Erdteil: die eine, eine vorwiegend ozeanischs, umgreift die atlantische und
mittelmeerische Seite und erstrebt über die vorderasiatische und ägyptische Land¬
brücke gleichzeitig die Verbindung des britisch-europäischen mit dein britisch-indischen
Machtzentrum! die andere Klammer ist eine vorwiegend festländische, von der
europäischen Eismeertüste der Nordatlantis aus über die breite russische Festlands¬
wurzel und die uralokaspische senke gleichfalls nach dem indischen Machtzemrum.

Weitaus am stärksten wirkt die britische Umklammerung Europas im Nord¬
westen vermöge der Lage der großbritannischen Inselwelt selbst. Sie legt sich
quer vor Europas Haupttor, die Nordsee, über die der gesamte Überseeverkehr
Nordeuropas und des weitaus größten Teiles von Mitteleuropa flutet. In keinem
Meeresteile der Erde schließen sich die Schiffahrtslinien zu einem so dichten und
so festen Bündel zusammen, in keinem ist der Schiffsverkehr so gewaltig entwickelt
wie in diesem europäischen Nandmeer des Atlantischen Ozeans. Das Bündel der
Linien wird zu einem einzigen Strang am Hauptausgang, an der Straße von
Dover--Calais. Das ist erklärlich, wenn man bedenkt, baß hier nahezu der
gesamte Überseeverkehr Deutschlands, Skandinaviens, Nordrußlands, Hollands,
Belgiens und des östlichen England sich hindurchzwängt, soweit er sich nicht
Zwischen diesen Ländern selbst abwickelt. Fast der gesamte Schiffsverkehr der
großen Seehäfen Nordeuropas ist, da der Weg um Schottland unter normalen
Verhältnissen ausscheidet, auf den Weg durch die franko-britische Meerenge an¬
gewiesen. Eine Beherrschung, möglichst eine alleinige Beherrschung des Nordsee-
tvres, kommt einer englischen Beaufsichtigung des gesamten nordeuropäischen
Handels gleich, die zugunsten des englischen sehr wohl ausgenutzt werden könnte.
Die "Kanalsrage", d. h. die Frage der freien Durchfahrt durch die Straße und
den "Kanal" ins offene Meer, ist daher eine Lebensfrage nicht nur für Deutschland
als dem wichtigsten und ausschlaggebenden Seehandelsstaat des festländischen
Europa, sondern aller Staaten Nord- und Mitteleuropas. Ihr entspringt ti^ für
alle zukünftige politische und wirtschaftliche Entwicklung der genannten Staaten
lebenbedingende weltpolitische Machtfrage, ob England weiter in der Lage sein
soll, die Nordseesperre aufrecht zu erhalten oder nicht. Gemäß der geographischen


Die englische Umklammerung Europas

Imperialismus auf die Dauer ebenbürtig wird die Spitze bieten können. Seit
die Union um die Jahrhundertwende zielbewußt zum Imperialismus einschwenkte,
ist auf der Westfeste der Erde nicht mehr England die allein gebietende Macht.
Man rechnet zweifellos damit, daß eine Zeit kommen könnte, in der die britische
Flagge vom amerikanischen Festland und ihrer nahen Inselwelt gänzlich vom
Sternenbanner verdrängt werden könnte.

Daher tritt immer klarer als nächstes Ziel der britischen Weltpolitik die
Stärkung seiner europäischen Stellung, oder besser: seiner Stellung auf der Ost¬
feste (einschließlich Australien) hervor. Es scheint fast so, als ob die „plane¬
tarische" Politik mehr und mehr zu einer osthemisphärischen sich verengere, in
dem Bestreben, durch diese Konzentration der Kräfte die während des Krieges hart
bedrohte Weltstellung von neuem zu stärken und zu festigen. Der Indische Ozean
und die europäische Atlantis find die Angelpunkte dieser neu orientierten britischen
Weltpolitik. In einer möglichst engen und festen Verknüpfung des „Jndia-
meerreiches" und des nordatlantischen Machtgebietes beruht die Stärkung der
britischen osthemisphärischen Machtstellung.

Das Machtgebiet um den Indischen Ozean mit seinen drei Eckpfeilern in
Australien, Indien und Südafrika zu stärken und seine gesicherte Verbindung mit
dem Herz des Weltreiches, dem britischen Mutterland, dauernd zu gewährleisten,
war seit der Politik Disraelis im letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts
der Kern der britisch.ozeanischen Weltpolitik. Ihre gegenwärtige festländische
Richtung ist das neue Moment, das dem gleichen Zwecke dienen soll.

Beides zusammen bedeutet aber nichts anderes als eine britische Umklamme¬
rung Europas, als einen Versuch der Ausschaltung des festländischen Europa in
der Behandlung weltpolitischer Machtfragen. Geographisch gesprochen geht die
Umklammerung von der großbritannischen Inselwelt aus in zwei Richtungen um
den Erdteil: die eine, eine vorwiegend ozeanischs, umgreift die atlantische und
mittelmeerische Seite und erstrebt über die vorderasiatische und ägyptische Land¬
brücke gleichzeitig die Verbindung des britisch-europäischen mit dein britisch-indischen
Machtzentrum! die andere Klammer ist eine vorwiegend festländische, von der
europäischen Eismeertüste der Nordatlantis aus über die breite russische Festlands¬
wurzel und die uralokaspische senke gleichfalls nach dem indischen Machtzemrum.

Weitaus am stärksten wirkt die britische Umklammerung Europas im Nord¬
westen vermöge der Lage der großbritannischen Inselwelt selbst. Sie legt sich
quer vor Europas Haupttor, die Nordsee, über die der gesamte Überseeverkehr
Nordeuropas und des weitaus größten Teiles von Mitteleuropa flutet. In keinem
Meeresteile der Erde schließen sich die Schiffahrtslinien zu einem so dichten und
so festen Bündel zusammen, in keinem ist der Schiffsverkehr so gewaltig entwickelt
wie in diesem europäischen Nandmeer des Atlantischen Ozeans. Das Bündel der
Linien wird zu einem einzigen Strang am Hauptausgang, an der Straße von
Dover—Calais. Das ist erklärlich, wenn man bedenkt, baß hier nahezu der
gesamte Überseeverkehr Deutschlands, Skandinaviens, Nordrußlands, Hollands,
Belgiens und des östlichen England sich hindurchzwängt, soweit er sich nicht
Zwischen diesen Ländern selbst abwickelt. Fast der gesamte Schiffsverkehr der
großen Seehäfen Nordeuropas ist, da der Weg um Schottland unter normalen
Verhältnissen ausscheidet, auf den Weg durch die franko-britische Meerenge an¬
gewiesen. Eine Beherrschung, möglichst eine alleinige Beherrschung des Nordsee-
tvres, kommt einer englischen Beaufsichtigung des gesamten nordeuropäischen
Handels gleich, die zugunsten des englischen sehr wohl ausgenutzt werden könnte.
Die „Kanalsrage", d. h. die Frage der freien Durchfahrt durch die Straße und
den „Kanal" ins offene Meer, ist daher eine Lebensfrage nicht nur für Deutschland
als dem wichtigsten und ausschlaggebenden Seehandelsstaat des festländischen
Europa, sondern aller Staaten Nord- und Mitteleuropas. Ihr entspringt ti^ für
alle zukünftige politische und wirtschaftliche Entwicklung der genannten Staaten
lebenbedingende weltpolitische Machtfrage, ob England weiter in der Lage sein
soll, die Nordseesperre aufrecht zu erhalten oder nicht. Gemäß der geographischen


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[0171] Die englische Umklammerung Europas Imperialismus auf die Dauer ebenbürtig wird die Spitze bieten können. Seit die Union um die Jahrhundertwende zielbewußt zum Imperialismus einschwenkte, ist auf der Westfeste der Erde nicht mehr England die allein gebietende Macht. Man rechnet zweifellos damit, daß eine Zeit kommen könnte, in der die britische Flagge vom amerikanischen Festland und ihrer nahen Inselwelt gänzlich vom Sternenbanner verdrängt werden könnte. Daher tritt immer klarer als nächstes Ziel der britischen Weltpolitik die Stärkung seiner europäischen Stellung, oder besser: seiner Stellung auf der Ost¬ feste (einschließlich Australien) hervor. Es scheint fast so, als ob die „plane¬ tarische" Politik mehr und mehr zu einer osthemisphärischen sich verengere, in dem Bestreben, durch diese Konzentration der Kräfte die während des Krieges hart bedrohte Weltstellung von neuem zu stärken und zu festigen. Der Indische Ozean und die europäische Atlantis find die Angelpunkte dieser neu orientierten britischen Weltpolitik. In einer möglichst engen und festen Verknüpfung des „Jndia- meerreiches" und des nordatlantischen Machtgebietes beruht die Stärkung der britischen osthemisphärischen Machtstellung. Das Machtgebiet um den Indischen Ozean mit seinen drei Eckpfeilern in Australien, Indien und Südafrika zu stärken und seine gesicherte Verbindung mit dem Herz des Weltreiches, dem britischen Mutterland, dauernd zu gewährleisten, war seit der Politik Disraelis im letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts der Kern der britisch.ozeanischen Weltpolitik. Ihre gegenwärtige festländische Richtung ist das neue Moment, das dem gleichen Zwecke dienen soll. Beides zusammen bedeutet aber nichts anderes als eine britische Umklamme¬ rung Europas, als einen Versuch der Ausschaltung des festländischen Europa in der Behandlung weltpolitischer Machtfragen. Geographisch gesprochen geht die Umklammerung von der großbritannischen Inselwelt aus in zwei Richtungen um den Erdteil: die eine, eine vorwiegend ozeanischs, umgreift die atlantische und mittelmeerische Seite und erstrebt über die vorderasiatische und ägyptische Land¬ brücke gleichzeitig die Verbindung des britisch-europäischen mit dein britisch-indischen Machtzentrum! die andere Klammer ist eine vorwiegend festländische, von der europäischen Eismeertüste der Nordatlantis aus über die breite russische Festlands¬ wurzel und die uralokaspische senke gleichfalls nach dem indischen Machtzemrum. Weitaus am stärksten wirkt die britische Umklammerung Europas im Nord¬ westen vermöge der Lage der großbritannischen Inselwelt selbst. Sie legt sich quer vor Europas Haupttor, die Nordsee, über die der gesamte Überseeverkehr Nordeuropas und des weitaus größten Teiles von Mitteleuropa flutet. In keinem Meeresteile der Erde schließen sich die Schiffahrtslinien zu einem so dichten und so festen Bündel zusammen, in keinem ist der Schiffsverkehr so gewaltig entwickelt wie in diesem europäischen Nandmeer des Atlantischen Ozeans. Das Bündel der Linien wird zu einem einzigen Strang am Hauptausgang, an der Straße von Dover—Calais. Das ist erklärlich, wenn man bedenkt, baß hier nahezu der gesamte Überseeverkehr Deutschlands, Skandinaviens, Nordrußlands, Hollands, Belgiens und des östlichen England sich hindurchzwängt, soweit er sich nicht Zwischen diesen Ländern selbst abwickelt. Fast der gesamte Schiffsverkehr der großen Seehäfen Nordeuropas ist, da der Weg um Schottland unter normalen Verhältnissen ausscheidet, auf den Weg durch die franko-britische Meerenge an¬ gewiesen. Eine Beherrschung, möglichst eine alleinige Beherrschung des Nordsee- tvres, kommt einer englischen Beaufsichtigung des gesamten nordeuropäischen Handels gleich, die zugunsten des englischen sehr wohl ausgenutzt werden könnte. Die „Kanalsrage", d. h. die Frage der freien Durchfahrt durch die Straße und den „Kanal" ins offene Meer, ist daher eine Lebensfrage nicht nur für Deutschland als dem wichtigsten und ausschlaggebenden Seehandelsstaat des festländischen Europa, sondern aller Staaten Nord- und Mitteleuropas. Ihr entspringt ti^ für alle zukünftige politische und wirtschaftliche Entwicklung der genannten Staaten lebenbedingende weltpolitische Machtfrage, ob England weiter in der Lage sein soll, die Nordseesperre aufrecht zu erhalten oder nicht. Gemäß der geographischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/171>, abgerufen am 22.07.2024.