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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Das angelsächsische Anlwrgefühl

angelsächsische Kultureigenart bekanntermaßen eine unheimliche Anziehungskraft
aus. Diese Anziehungskraft ergibt sich aus den vorbildlichen Wirkungen in der
Selbstgewißheit des problemlosen Menschen, aus der Selbstgerechtigkeit einer
heilig gesprochenen Tätigkeitsenergie, die alles bezwingt. Sie bezwingt durch
ihre stets ausgefertigten Formen, mit denen sie das Dasein ohne Mühe gefügig
macht; und aus den seelisch stärkeren Kontinentalen wirkt der einzelne Engländer
oder Angelsachse mit dem suggestiven Reiz einer nie wankenden Zuversicht ge¬
sicherten Wollens und Tuns. In langer Züchtung ist diese durchgebildete Technik
der Täligkeitskraft und alles praktischen Handelns wieder selbst bildend und gleichsam
zu einem Seelenschatze geworden. Als Wesentlichstes ging daraus hervor: das
OrganisationS- und Berwaltungsgenie und die unwiderstehliche Kolvnisations-
fähigkeit dieser kolonisatorisch lebenden Rasse oder Volksgruppe, so daß es ihr --
den Nordamerikanern nicht minder als den Engländern und überseeischen Briten --
ohne Anstrengungen immer gelang, fremde zugewanderte Menschenkräfte in ihre
Art einzuschmelzen, ohne an der Eigentümlichkeit ihrer eigenen Kraft sich auch nur
das Geringste vergeben zu müssen.

Der Vorgang innerer Umwandlung und Abschwenkung vom echt europäischen
Wesen wurde gerade durch die Kolonisation ohne Frage begünstigt. Aus den
Eigenschaften dieser abschwenkenden, nach außen strebenden Charakterrichtung hat
sich zwar die Kolonisation erst in ihrer Breite entwickelt; aber wechselweise mußte
sie selbst wieder auf eben diese Charakterrichtung einen treibenden und beschleu¬
nigenden Einfluß ausüben. Denn der kolonisatorische Mensch, der sich anfänglich
als einzelner in eine ganz fremde und neue Umgebung hinausgestellt sah, war
daraus angewiesen, sein Gemüt von der Innenwelt abzuwenden und es auf die
äußeren Dinge zu richten. Diese nahmen es gewissermaßen vollständig in An¬
spruch. Er durfte sich nicht mit seelischen Problemen beschweren, sonst wurde er
mit seiner Aufgabe nicht fertig. Und er brauchte schnell haltbare Lebensformen,
um seinem jungen Gemeinschaftsdasein, das keine Landestraditionen vorfand, eine
Sicherheit geben zu können. So ist zu erklären, daß der neue angelsächsische Typ
bei den Nordamerikanern und llberseebriten meist früher und reiner als, bei den
Nationalengländern sich herausbilden mußte. Etliche englische Charakterzüge treten
dort in karikllturcnhaster Übersteigerung auf. Bei den Nordamerikanern ist der
Kultus des äußeren Erfolges zu einer Höchstschätzung des nackten Geldgewinnes
geworden und zu einer wilden Rekordbrecherei um ihrer selbst willen und auf
allen Gebieten.

Es gibt ein feinsinniges Buch über den "amerikanischen Frauenkult" von
Franz Voechting (Jena, Eugen Diederichs, 1913), das in der besonderen Fassung
seines Themas über manche inneren Zusammenhange des angelsächsischen Kultur-
thps sehr gute Aufschlüsse liefert. Daß man dieselben Züge in gradweiser Ab-
schwächung ebenso bei den Engländern antrifft, wird des öfteren hervorgehoben.
Die Frau war für den Kolonisationsmenschen in den Anfängen seines Lebens ein
seltenes und darum besonderes hoch gewertetes Wesen. Sie wurde ihm zur
Trägerin aller höherwertigen und so auch aller geistigen und innerlich feineren
Dinge, ein denen .es ihm selber gebrach. Eine vorteilhafte Folge davon ist die
Zurückhaltung der Angelsachsen gegenüber den sexuellen Problemen, der ihre Scheu
vor der Problemhaftigkeit überhaupt freilich entgegenkommt. Aber eine weniger
borteilhnfte Folge war diese. Der amusisch werdende Mann übergab die Pflege
der Jnnenschätze,' da sich die vorhandene allgemein-menschliche Anlage hierfür nicht
direkt ausrotten ließ, der Obhut der Frau. Hierdurch wurde das seelische, das
gMg-künstlerische Schöpfungsgebiet, welches sowieso bloß in einer verkümmerten
Art weiterlebte, erst recht entmünnlicht und feminisiert. Besonders der angel¬
sächsische Kunstgeschmack wurde sentimental, und diese Sentimentalität übertrug sich
auf die Auffassung und Behandlung aller Lebensbekundungen, die in irgendeiner
-Weise seelisch wertvoll sein können.

^ Arier den Engländern selber war der Umwandlungsprozeß im achtzehnten
Jahrhundert am stärksten bemerkbar; damals hatte sich die innere Achse gedreht.


Das angelsächsische Anlwrgefühl

angelsächsische Kultureigenart bekanntermaßen eine unheimliche Anziehungskraft
aus. Diese Anziehungskraft ergibt sich aus den vorbildlichen Wirkungen in der
Selbstgewißheit des problemlosen Menschen, aus der Selbstgerechtigkeit einer
heilig gesprochenen Tätigkeitsenergie, die alles bezwingt. Sie bezwingt durch
ihre stets ausgefertigten Formen, mit denen sie das Dasein ohne Mühe gefügig
macht; und aus den seelisch stärkeren Kontinentalen wirkt der einzelne Engländer
oder Angelsachse mit dem suggestiven Reiz einer nie wankenden Zuversicht ge¬
sicherten Wollens und Tuns. In langer Züchtung ist diese durchgebildete Technik
der Täligkeitskraft und alles praktischen Handelns wieder selbst bildend und gleichsam
zu einem Seelenschatze geworden. Als Wesentlichstes ging daraus hervor: das
OrganisationS- und Berwaltungsgenie und die unwiderstehliche Kolvnisations-
fähigkeit dieser kolonisatorisch lebenden Rasse oder Volksgruppe, so daß es ihr —
den Nordamerikanern nicht minder als den Engländern und überseeischen Briten —
ohne Anstrengungen immer gelang, fremde zugewanderte Menschenkräfte in ihre
Art einzuschmelzen, ohne an der Eigentümlichkeit ihrer eigenen Kraft sich auch nur
das Geringste vergeben zu müssen.

Der Vorgang innerer Umwandlung und Abschwenkung vom echt europäischen
Wesen wurde gerade durch die Kolonisation ohne Frage begünstigt. Aus den
Eigenschaften dieser abschwenkenden, nach außen strebenden Charakterrichtung hat
sich zwar die Kolonisation erst in ihrer Breite entwickelt; aber wechselweise mußte
sie selbst wieder auf eben diese Charakterrichtung einen treibenden und beschleu¬
nigenden Einfluß ausüben. Denn der kolonisatorische Mensch, der sich anfänglich
als einzelner in eine ganz fremde und neue Umgebung hinausgestellt sah, war
daraus angewiesen, sein Gemüt von der Innenwelt abzuwenden und es auf die
äußeren Dinge zu richten. Diese nahmen es gewissermaßen vollständig in An¬
spruch. Er durfte sich nicht mit seelischen Problemen beschweren, sonst wurde er
mit seiner Aufgabe nicht fertig. Und er brauchte schnell haltbare Lebensformen,
um seinem jungen Gemeinschaftsdasein, das keine Landestraditionen vorfand, eine
Sicherheit geben zu können. So ist zu erklären, daß der neue angelsächsische Typ
bei den Nordamerikanern und llberseebriten meist früher und reiner als, bei den
Nationalengländern sich herausbilden mußte. Etliche englische Charakterzüge treten
dort in karikllturcnhaster Übersteigerung auf. Bei den Nordamerikanern ist der
Kultus des äußeren Erfolges zu einer Höchstschätzung des nackten Geldgewinnes
geworden und zu einer wilden Rekordbrecherei um ihrer selbst willen und auf
allen Gebieten.

Es gibt ein feinsinniges Buch über den „amerikanischen Frauenkult" von
Franz Voechting (Jena, Eugen Diederichs, 1913), das in der besonderen Fassung
seines Themas über manche inneren Zusammenhange des angelsächsischen Kultur-
thps sehr gute Aufschlüsse liefert. Daß man dieselben Züge in gradweiser Ab-
schwächung ebenso bei den Engländern antrifft, wird des öfteren hervorgehoben.
Die Frau war für den Kolonisationsmenschen in den Anfängen seines Lebens ein
seltenes und darum besonderes hoch gewertetes Wesen. Sie wurde ihm zur
Trägerin aller höherwertigen und so auch aller geistigen und innerlich feineren
Dinge, ein denen .es ihm selber gebrach. Eine vorteilhafte Folge davon ist die
Zurückhaltung der Angelsachsen gegenüber den sexuellen Problemen, der ihre Scheu
vor der Problemhaftigkeit überhaupt freilich entgegenkommt. Aber eine weniger
borteilhnfte Folge war diese. Der amusisch werdende Mann übergab die Pflege
der Jnnenschätze,' da sich die vorhandene allgemein-menschliche Anlage hierfür nicht
direkt ausrotten ließ, der Obhut der Frau. Hierdurch wurde das seelische, das
gMg-künstlerische Schöpfungsgebiet, welches sowieso bloß in einer verkümmerten
Art weiterlebte, erst recht entmünnlicht und feminisiert. Besonders der angel¬
sächsische Kunstgeschmack wurde sentimental, und diese Sentimentalität übertrug sich
auf die Auffassung und Behandlung aller Lebensbekundungen, die in irgendeiner
-Weise seelisch wertvoll sein können.

^ Arier den Engländern selber war der Umwandlungsprozeß im achtzehnten
Jahrhundert am stärksten bemerkbar; damals hatte sich die innere Achse gedreht.


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[0153] Das angelsächsische Anlwrgefühl angelsächsische Kultureigenart bekanntermaßen eine unheimliche Anziehungskraft aus. Diese Anziehungskraft ergibt sich aus den vorbildlichen Wirkungen in der Selbstgewißheit des problemlosen Menschen, aus der Selbstgerechtigkeit einer heilig gesprochenen Tätigkeitsenergie, die alles bezwingt. Sie bezwingt durch ihre stets ausgefertigten Formen, mit denen sie das Dasein ohne Mühe gefügig macht; und aus den seelisch stärkeren Kontinentalen wirkt der einzelne Engländer oder Angelsachse mit dem suggestiven Reiz einer nie wankenden Zuversicht ge¬ sicherten Wollens und Tuns. In langer Züchtung ist diese durchgebildete Technik der Täligkeitskraft und alles praktischen Handelns wieder selbst bildend und gleichsam zu einem Seelenschatze geworden. Als Wesentlichstes ging daraus hervor: das OrganisationS- und Berwaltungsgenie und die unwiderstehliche Kolvnisations- fähigkeit dieser kolonisatorisch lebenden Rasse oder Volksgruppe, so daß es ihr — den Nordamerikanern nicht minder als den Engländern und überseeischen Briten — ohne Anstrengungen immer gelang, fremde zugewanderte Menschenkräfte in ihre Art einzuschmelzen, ohne an der Eigentümlichkeit ihrer eigenen Kraft sich auch nur das Geringste vergeben zu müssen. Der Vorgang innerer Umwandlung und Abschwenkung vom echt europäischen Wesen wurde gerade durch die Kolonisation ohne Frage begünstigt. Aus den Eigenschaften dieser abschwenkenden, nach außen strebenden Charakterrichtung hat sich zwar die Kolonisation erst in ihrer Breite entwickelt; aber wechselweise mußte sie selbst wieder auf eben diese Charakterrichtung einen treibenden und beschleu¬ nigenden Einfluß ausüben. Denn der kolonisatorische Mensch, der sich anfänglich als einzelner in eine ganz fremde und neue Umgebung hinausgestellt sah, war daraus angewiesen, sein Gemüt von der Innenwelt abzuwenden und es auf die äußeren Dinge zu richten. Diese nahmen es gewissermaßen vollständig in An¬ spruch. Er durfte sich nicht mit seelischen Problemen beschweren, sonst wurde er mit seiner Aufgabe nicht fertig. Und er brauchte schnell haltbare Lebensformen, um seinem jungen Gemeinschaftsdasein, das keine Landestraditionen vorfand, eine Sicherheit geben zu können. So ist zu erklären, daß der neue angelsächsische Typ bei den Nordamerikanern und llberseebriten meist früher und reiner als, bei den Nationalengländern sich herausbilden mußte. Etliche englische Charakterzüge treten dort in karikllturcnhaster Übersteigerung auf. Bei den Nordamerikanern ist der Kultus des äußeren Erfolges zu einer Höchstschätzung des nackten Geldgewinnes geworden und zu einer wilden Rekordbrecherei um ihrer selbst willen und auf allen Gebieten. Es gibt ein feinsinniges Buch über den „amerikanischen Frauenkult" von Franz Voechting (Jena, Eugen Diederichs, 1913), das in der besonderen Fassung seines Themas über manche inneren Zusammenhange des angelsächsischen Kultur- thps sehr gute Aufschlüsse liefert. Daß man dieselben Züge in gradweiser Ab- schwächung ebenso bei den Engländern antrifft, wird des öfteren hervorgehoben. Die Frau war für den Kolonisationsmenschen in den Anfängen seines Lebens ein seltenes und darum besonderes hoch gewertetes Wesen. Sie wurde ihm zur Trägerin aller höherwertigen und so auch aller geistigen und innerlich feineren Dinge, ein denen .es ihm selber gebrach. Eine vorteilhafte Folge davon ist die Zurückhaltung der Angelsachsen gegenüber den sexuellen Problemen, der ihre Scheu vor der Problemhaftigkeit überhaupt freilich entgegenkommt. Aber eine weniger borteilhnfte Folge war diese. Der amusisch werdende Mann übergab die Pflege der Jnnenschätze,' da sich die vorhandene allgemein-menschliche Anlage hierfür nicht direkt ausrotten ließ, der Obhut der Frau. Hierdurch wurde das seelische, das gMg-künstlerische Schöpfungsgebiet, welches sowieso bloß in einer verkümmerten Art weiterlebte, erst recht entmünnlicht und feminisiert. Besonders der angel¬ sächsische Kunstgeschmack wurde sentimental, und diese Sentimentalität übertrug sich auf die Auffassung und Behandlung aller Lebensbekundungen, die in irgendeiner -Weise seelisch wertvoll sein können. ^ Arier den Engländern selber war der Umwandlungsprozeß im achtzehnten Jahrhundert am stärksten bemerkbar; damals hatte sich die innere Achse gedreht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/153>, abgerufen am 01.07.2024.