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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Das angelsächsische Rulturgcfühl

absichtlich gestaltenden, gleichsam technischen Kraft, die ihnen abgeht und von der
sie vermeinen, daß sie sie nicht brauchen, erblicken die Asiaten immer das Wesent¬
liche und Eigentümliche der europäischen Art. Sie erkennen nicht hinter der
Wirklichkeitshärte die Qual. Sie übersehen darüber den seelischen Vorgang,
welcher der technischen Kraft erst zugrunde liegt, und das innere Werterlebnis,
das sie erzeugt.

Nun aber ist in einem feineren Sinne das blanke, breite Leben der englisch
redenden Welt auf fremden Kontinenten und den britischen Inseln am Ende
unseren Gemütsbeziehungen ferner gerückt, als z, B. das mohammedanisch gewordene
alte Vorderasien, dein unsere Kräfte auf weiten Umwegen und aus dunkelsten
Zeiten die Uranfänge ihrer Bildung verdanken. Wie wäre das zu erklären?

Engländer selber haben geäußert, daß sie kein europäisches Volk mehr seien,
weil ihr Imperium nicht europäisch, sondern ein überwiegend "asiatisches" Reichs-
Wesen ist. Das Bewußtsein ihres Gegensatzes zu einem organischen Entwicklungs¬
prozeß der europäischen Lebenserscheinung geht hieraus hervor. Aber das ist nicht
das Entscheidende. Das Entscheidende ist, daß überhaupt das Gesamtangelsachsentum,
zu dem die Engländer gehören und das sie selbst schufen, vom europäischen
Knltmkreis sich innerlich abgetrennt hat, um ein eigener, überseeisch lebender
Kulturkreis zu sein. Dieser selbständige kulturpsychologische Vorgang kam nicht
von politischen Lebensnotwendigkeiten her, die sich aus dem Dasein des bri¬
tischen Reiches ergaben, sondern neue politische Lebensnotwendigkeiten entstehen
aus ihm.

Er beruht auf folgender Erscheinung. In der inneren Haltung des angel¬
sächsischen Menschen ist die seelische Umschwingung, dieses Charaktermerkmal des
europäischen Typs, abgestorben, so daß vom vollen europäischen Wesen nur die
gleichsam technisch-praktische Handlungskraft übrig blieb und einseitig ausgebildet
wurde. Mit dieser Bemerkung sollen keine Werturteile ausgesprochen, sondern
nur Tatsachen festgestellt werden. Gewiß gibt es anch in: heutigen Engländertum
noch erkennbare Reste der echten alteuropäischen Art; am reinsten erscheint der
neu-angelsächsische Typus bei den llberseevölkcrn ausgebildet und bei den Nord-
amerikanem vielleicht mehr noch als unter den Briten. Aber mit dem angel¬
sächsischen Gesellschaftsleben, das es zweifellos gibt, wirkt diese vollkommenere
Ausbildung auf die Engländer wieder herüber und sondert sie immer mehr vom
Emvpäertmn ab. Und der eigentliche Ursprungspunkt der ganzen Erscheinung
sitzt schließlich doch in ihrer eigenen nationalen Entwicklung. Der erste Anstoß
zu der inneren Abschwenkung muß aus ihnen selber gekommen sein. Denn sonst
hätten sie nicht mit ihrer Kolonisation diesen eigenartig gehaltenen, eben durch
die Abschwenkung seelisch bestimmten Kultur" und Lebenskreis einer neuen Mensch-
heitsgruppe aus ihren nationalen Kräften heraus schaffen können.

Im siebzehnten Jahrhundert setzte es ein. Seit dieser Zeit ist im englischen
Volk eine fortschreitende Zunahme der rein praktischen Tätigkeitsenergie zu be¬
merken und, parallel laufend damit, eine ständige Abnahme der inneren Wert-
gefühle und Werterlebnisse. Die wirkenden Ursachen hiervon lassen sich nach¬
träglich schwer wiederentdecken. Für gewöhnlich ist es üblich bei uus, die Eigen¬
tümlichkeit des englischen Volkscharakters, die niemandem entgeht, aus puritanischen
Einflüssen zu deuten, und gewiß hat der Puritanismus dabei eine ausschlaggebende
Rolle gespielt. Aber er allein kann keine Ausklärung geben. Es bleibt die Frage
offen, warum er diese einzigartige Wirkung nur gerade hier und nicht auch in
anderen Fällen hervorgebracht hat.

Das Gesamtangelsachsentum, d. i. die EinheitZtatsache aller englisch redenden
Völker, ist heute bereits mehr eine gewordene Kulturerscheinimg. als eine immer
noch^werdende Erscheinung der Rasse und des Blutes. Dennoch geht aus dem
besonderen Kulturgefühl ein besonderes Nassenbewußtsein hervor: die Kultur-
nemeinschaft erzeugt eine Rasse. Und vielleicht hatte im allerersten Beginn die
schon vorhandene Rasseustruktur des englischen Volkes diese Kräfte zu einer, eigen¬
tümlichen, kulturell gerichteten Entfaltung erzeugt.


Das angelsächsische Rulturgcfühl

absichtlich gestaltenden, gleichsam technischen Kraft, die ihnen abgeht und von der
sie vermeinen, daß sie sie nicht brauchen, erblicken die Asiaten immer das Wesent¬
liche und Eigentümliche der europäischen Art. Sie erkennen nicht hinter der
Wirklichkeitshärte die Qual. Sie übersehen darüber den seelischen Vorgang,
welcher der technischen Kraft erst zugrunde liegt, und das innere Werterlebnis,
das sie erzeugt.

Nun aber ist in einem feineren Sinne das blanke, breite Leben der englisch
redenden Welt auf fremden Kontinenten und den britischen Inseln am Ende
unseren Gemütsbeziehungen ferner gerückt, als z, B. das mohammedanisch gewordene
alte Vorderasien, dein unsere Kräfte auf weiten Umwegen und aus dunkelsten
Zeiten die Uranfänge ihrer Bildung verdanken. Wie wäre das zu erklären?

Engländer selber haben geäußert, daß sie kein europäisches Volk mehr seien,
weil ihr Imperium nicht europäisch, sondern ein überwiegend „asiatisches" Reichs-
Wesen ist. Das Bewußtsein ihres Gegensatzes zu einem organischen Entwicklungs¬
prozeß der europäischen Lebenserscheinung geht hieraus hervor. Aber das ist nicht
das Entscheidende. Das Entscheidende ist, daß überhaupt das Gesamtangelsachsentum,
zu dem die Engländer gehören und das sie selbst schufen, vom europäischen
Knltmkreis sich innerlich abgetrennt hat, um ein eigener, überseeisch lebender
Kulturkreis zu sein. Dieser selbständige kulturpsychologische Vorgang kam nicht
von politischen Lebensnotwendigkeiten her, die sich aus dem Dasein des bri¬
tischen Reiches ergaben, sondern neue politische Lebensnotwendigkeiten entstehen
aus ihm.

Er beruht auf folgender Erscheinung. In der inneren Haltung des angel¬
sächsischen Menschen ist die seelische Umschwingung, dieses Charaktermerkmal des
europäischen Typs, abgestorben, so daß vom vollen europäischen Wesen nur die
gleichsam technisch-praktische Handlungskraft übrig blieb und einseitig ausgebildet
wurde. Mit dieser Bemerkung sollen keine Werturteile ausgesprochen, sondern
nur Tatsachen festgestellt werden. Gewiß gibt es anch in: heutigen Engländertum
noch erkennbare Reste der echten alteuropäischen Art; am reinsten erscheint der
neu-angelsächsische Typus bei den llberseevölkcrn ausgebildet und bei den Nord-
amerikanem vielleicht mehr noch als unter den Briten. Aber mit dem angel¬
sächsischen Gesellschaftsleben, das es zweifellos gibt, wirkt diese vollkommenere
Ausbildung auf die Engländer wieder herüber und sondert sie immer mehr vom
Emvpäertmn ab. Und der eigentliche Ursprungspunkt der ganzen Erscheinung
sitzt schließlich doch in ihrer eigenen nationalen Entwicklung. Der erste Anstoß
zu der inneren Abschwenkung muß aus ihnen selber gekommen sein. Denn sonst
hätten sie nicht mit ihrer Kolonisation diesen eigenartig gehaltenen, eben durch
die Abschwenkung seelisch bestimmten Kultur» und Lebenskreis einer neuen Mensch-
heitsgruppe aus ihren nationalen Kräften heraus schaffen können.

Im siebzehnten Jahrhundert setzte es ein. Seit dieser Zeit ist im englischen
Volk eine fortschreitende Zunahme der rein praktischen Tätigkeitsenergie zu be¬
merken und, parallel laufend damit, eine ständige Abnahme der inneren Wert-
gefühle und Werterlebnisse. Die wirkenden Ursachen hiervon lassen sich nach¬
träglich schwer wiederentdecken. Für gewöhnlich ist es üblich bei uus, die Eigen¬
tümlichkeit des englischen Volkscharakters, die niemandem entgeht, aus puritanischen
Einflüssen zu deuten, und gewiß hat der Puritanismus dabei eine ausschlaggebende
Rolle gespielt. Aber er allein kann keine Ausklärung geben. Es bleibt die Frage
offen, warum er diese einzigartige Wirkung nur gerade hier und nicht auch in
anderen Fällen hervorgebracht hat.

Das Gesamtangelsachsentum, d. i. die EinheitZtatsache aller englisch redenden
Völker, ist heute bereits mehr eine gewordene Kulturerscheinimg. als eine immer
noch^werdende Erscheinung der Rasse und des Blutes. Dennoch geht aus dem
besonderen Kulturgefühl ein besonderes Nassenbewußtsein hervor: die Kultur-
nemeinschaft erzeugt eine Rasse. Und vielleicht hatte im allerersten Beginn die
schon vorhandene Rasseustruktur des englischen Volkes diese Kräfte zu einer, eigen¬
tümlichen, kulturell gerichteten Entfaltung erzeugt.


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[0149] Das angelsächsische Rulturgcfühl absichtlich gestaltenden, gleichsam technischen Kraft, die ihnen abgeht und von der sie vermeinen, daß sie sie nicht brauchen, erblicken die Asiaten immer das Wesent¬ liche und Eigentümliche der europäischen Art. Sie erkennen nicht hinter der Wirklichkeitshärte die Qual. Sie übersehen darüber den seelischen Vorgang, welcher der technischen Kraft erst zugrunde liegt, und das innere Werterlebnis, das sie erzeugt. Nun aber ist in einem feineren Sinne das blanke, breite Leben der englisch redenden Welt auf fremden Kontinenten und den britischen Inseln am Ende unseren Gemütsbeziehungen ferner gerückt, als z, B. das mohammedanisch gewordene alte Vorderasien, dein unsere Kräfte auf weiten Umwegen und aus dunkelsten Zeiten die Uranfänge ihrer Bildung verdanken. Wie wäre das zu erklären? Engländer selber haben geäußert, daß sie kein europäisches Volk mehr seien, weil ihr Imperium nicht europäisch, sondern ein überwiegend „asiatisches" Reichs- Wesen ist. Das Bewußtsein ihres Gegensatzes zu einem organischen Entwicklungs¬ prozeß der europäischen Lebenserscheinung geht hieraus hervor. Aber das ist nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist, daß überhaupt das Gesamtangelsachsentum, zu dem die Engländer gehören und das sie selbst schufen, vom europäischen Knltmkreis sich innerlich abgetrennt hat, um ein eigener, überseeisch lebender Kulturkreis zu sein. Dieser selbständige kulturpsychologische Vorgang kam nicht von politischen Lebensnotwendigkeiten her, die sich aus dem Dasein des bri¬ tischen Reiches ergaben, sondern neue politische Lebensnotwendigkeiten entstehen aus ihm. Er beruht auf folgender Erscheinung. In der inneren Haltung des angel¬ sächsischen Menschen ist die seelische Umschwingung, dieses Charaktermerkmal des europäischen Typs, abgestorben, so daß vom vollen europäischen Wesen nur die gleichsam technisch-praktische Handlungskraft übrig blieb und einseitig ausgebildet wurde. Mit dieser Bemerkung sollen keine Werturteile ausgesprochen, sondern nur Tatsachen festgestellt werden. Gewiß gibt es anch in: heutigen Engländertum noch erkennbare Reste der echten alteuropäischen Art; am reinsten erscheint der neu-angelsächsische Typus bei den llberseevölkcrn ausgebildet und bei den Nord- amerikanem vielleicht mehr noch als unter den Briten. Aber mit dem angel¬ sächsischen Gesellschaftsleben, das es zweifellos gibt, wirkt diese vollkommenere Ausbildung auf die Engländer wieder herüber und sondert sie immer mehr vom Emvpäertmn ab. Und der eigentliche Ursprungspunkt der ganzen Erscheinung sitzt schließlich doch in ihrer eigenen nationalen Entwicklung. Der erste Anstoß zu der inneren Abschwenkung muß aus ihnen selber gekommen sein. Denn sonst hätten sie nicht mit ihrer Kolonisation diesen eigenartig gehaltenen, eben durch die Abschwenkung seelisch bestimmten Kultur» und Lebenskreis einer neuen Mensch- heitsgruppe aus ihren nationalen Kräften heraus schaffen können. Im siebzehnten Jahrhundert setzte es ein. Seit dieser Zeit ist im englischen Volk eine fortschreitende Zunahme der rein praktischen Tätigkeitsenergie zu be¬ merken und, parallel laufend damit, eine ständige Abnahme der inneren Wert- gefühle und Werterlebnisse. Die wirkenden Ursachen hiervon lassen sich nach¬ träglich schwer wiederentdecken. Für gewöhnlich ist es üblich bei uus, die Eigen¬ tümlichkeit des englischen Volkscharakters, die niemandem entgeht, aus puritanischen Einflüssen zu deuten, und gewiß hat der Puritanismus dabei eine ausschlaggebende Rolle gespielt. Aber er allein kann keine Ausklärung geben. Es bleibt die Frage offen, warum er diese einzigartige Wirkung nur gerade hier und nicht auch in anderen Fällen hervorgebracht hat. Das Gesamtangelsachsentum, d. i. die EinheitZtatsache aller englisch redenden Völker, ist heute bereits mehr eine gewordene Kulturerscheinimg. als eine immer noch^werdende Erscheinung der Rasse und des Blutes. Dennoch geht aus dem besonderen Kulturgefühl ein besonderes Nassenbewußtsein hervor: die Kultur- nemeinschaft erzeugt eine Rasse. Und vielleicht hatte im allerersten Beginn die schon vorhandene Rasseustruktur des englischen Volkes diese Kräfte zu einer, eigen¬ tümlichen, kulturell gerichteten Entfaltung erzeugt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/149>, abgerufen am 22.07.2024.