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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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auf den Parteivorteil an, die Konservativen sollten also d n Verlust für ihre Partei
ruhig mit in Kauf nehmen. Doch die Konservativen erwiesen sich als unzu¬
gänglich. So mußte man es mit den Sozialdemokraten versuchen. Diese dachten
realpolitisch genug, um unter Wahrung ihrer Grundsätze auf den Handel einzu¬
gehen. Denn sie konnten dabei nur gewinnen. Hatte man erst einmal das gleiche
Wahlrecht, so konnte man bei nächster Gelegenheit das allgemeine nachholen.

Nach dem letzten Wahlsiege der Linken im Herbst 1917 wurde sofort von
dem neuen Ministerium Eden-Branting ein Sachverständigenansschutz berufen zur
Ausarbeitung eines Gesetzentwurfes über das Gemeindestimmrecht. Dieser Aus¬
schutz erhielt für seine Arbeit sofort eine gebundene Marschroute, bezeichnet mit
den Schlagworten: Abschaffung des kommunalen Wahlrechtes für Gesellschaften
und Unmündige, Beschränkung des Landsthmgswahlrechtes auf die Gemeinde, in
deren Wahlrechtsverzeichnis der stimmberechtigte eingetragen ist, und Abschaffung
der kommunalen Wahlrechtsabstufung und Ersetzung durch Bestimmungen, wonach
jeder, der seine Steuerpflicht gegenüber der Gemeinde erfüllt hat, eine Stimme
haben soll. Dieser Ausschuß konnte am 10. April 1918 seinen abschließenden
Bericht mit einem Gesetzentwurfe vorlegen.

Da dem Ausschusse vom Ministerium ein gebundener Weg vorgeschrieben
war, konnte natürlich der Inhalt des Gesetzentwurfes keine Überraschungen bieten.
Es steht das darin, was er enthalten sollte.

Um so mehr Interesse verdient in mancher Hinsicht die Begründung. Außer
wiederholten Reichstagsanträgen beruft sich der Ausschuß nämlich auch auf aus¬
ländische Vorbilder. Und da erfahren wir denn zu unserer großen Überraschung,
wie die Gemeindewahlreform jetzt gerade in Preußen eine Rolle spielt. Denn die
Negierung habe dort unter dem Druck der Kriegsereignisse einen Gesetzentwurf
vorgelegt, der das kommunale Wahlrecht Unmündigen und juristischen Personen
entziehe. Kommunale Wahlrechtsfrcigen seien derzeit in Preußen aktuell, die
Regierung habe das gleiche Wahlrecht vorgeschlagen, jedenfalls werde das Pluto- "
kratische Wahlrechtssystem einem demokratischen weichen. Und das müssen wir
Preußen erst auf dem Umwege über Schweden erfahren. Wahrscheinlich ist unsere
eigene Presse zu geknebelt, um darüber berichten zu dürfen. Überdies sei das
bisherige schwedische Gemeindewahlrecht eine Ungerechtigkeit namentlich gegenüber
kleinen Grundbesitzern auf dem Lande und gegenüber gewerblichen Arbeitern in
den Städten. Finanzielle Befürchtungen seien unbegründet,' da die Steuer kleine
Leute verhältnismäßig härter treffe als wohlhabende, und die Arbeiter doch auch
in ihren Fachvereinen kluge Finanzpolitik trieben -- dort wohlgemerkt mit ihrem
eigenen Gelde, in der Kommunalverwaltung mit fremdem. Schließlich komme es,
wenn ein Wahlsystem einmal gerecht sei, nicht darauf an, ob eine Partei geschädigt
werde -- besonders einleuchtend dann, wenn es die Gegenpartei ist, die den
Schaden trägt.

Bei der geschäftlichen Behandlung der Gesetzesvorlagen wirken nun die
beiden Kammern in Schweden viel enger zusammen als in anderen Ländern.
Namentlich werden nach der Reichstagsordnung die meisten und wichtigsten Sachen
von ständigen Ausschüssen vorbereitet, von deren Mitgliedern jede Kammer die
Hälfte aus ihrer Mitte wählt. So geschah es auch hier. Die Vorlage ging an
den Verfassungsausschutz, der eine Mehrheit der Linken hatte. Der Verfassungs¬
ausschuß nahm denn auch die Regierungsvorlage mit einigen unbedeutenden
Änderungen an.

Nach Ansicht des Ausschusses war die Grundlage der bisherigen Kommunal¬
verfassung, daß der Einfluß der Stimmberechtigten nach ihrer Besteuerung abge¬
wogen wird, unhaltbar. Das würde auf eine Auffassung der Gemeinde als einer
Erwerbsgesellschaft hinauslaufen, deren Teilhaber nach Maßgabe ihrer Einlagen
beteiligt sind. Auch steigen mit dem Einkommen nicht Einsicht und Tauglichkeit.
Zudem ist das vierzigstufige Stimmrecht praktisch unbefriedigend, indem es der
Bedeutung des Grundbesitzes und dein Unterschiede von Stadt und Land nicht
gerecht wird. Wenn die Gemeinden auch unter dem bisherigen Wahlrechte eine


auf den Parteivorteil an, die Konservativen sollten also d n Verlust für ihre Partei
ruhig mit in Kauf nehmen. Doch die Konservativen erwiesen sich als unzu¬
gänglich. So mußte man es mit den Sozialdemokraten versuchen. Diese dachten
realpolitisch genug, um unter Wahrung ihrer Grundsätze auf den Handel einzu¬
gehen. Denn sie konnten dabei nur gewinnen. Hatte man erst einmal das gleiche
Wahlrecht, so konnte man bei nächster Gelegenheit das allgemeine nachholen.

Nach dem letzten Wahlsiege der Linken im Herbst 1917 wurde sofort von
dem neuen Ministerium Eden-Branting ein Sachverständigenansschutz berufen zur
Ausarbeitung eines Gesetzentwurfes über das Gemeindestimmrecht. Dieser Aus¬
schutz erhielt für seine Arbeit sofort eine gebundene Marschroute, bezeichnet mit
den Schlagworten: Abschaffung des kommunalen Wahlrechtes für Gesellschaften
und Unmündige, Beschränkung des Landsthmgswahlrechtes auf die Gemeinde, in
deren Wahlrechtsverzeichnis der stimmberechtigte eingetragen ist, und Abschaffung
der kommunalen Wahlrechtsabstufung und Ersetzung durch Bestimmungen, wonach
jeder, der seine Steuerpflicht gegenüber der Gemeinde erfüllt hat, eine Stimme
haben soll. Dieser Ausschuß konnte am 10. April 1918 seinen abschließenden
Bericht mit einem Gesetzentwurfe vorlegen.

Da dem Ausschusse vom Ministerium ein gebundener Weg vorgeschrieben
war, konnte natürlich der Inhalt des Gesetzentwurfes keine Überraschungen bieten.
Es steht das darin, was er enthalten sollte.

Um so mehr Interesse verdient in mancher Hinsicht die Begründung. Außer
wiederholten Reichstagsanträgen beruft sich der Ausschuß nämlich auch auf aus¬
ländische Vorbilder. Und da erfahren wir denn zu unserer großen Überraschung,
wie die Gemeindewahlreform jetzt gerade in Preußen eine Rolle spielt. Denn die
Negierung habe dort unter dem Druck der Kriegsereignisse einen Gesetzentwurf
vorgelegt, der das kommunale Wahlrecht Unmündigen und juristischen Personen
entziehe. Kommunale Wahlrechtsfrcigen seien derzeit in Preußen aktuell, die
Regierung habe das gleiche Wahlrecht vorgeschlagen, jedenfalls werde das Pluto- "
kratische Wahlrechtssystem einem demokratischen weichen. Und das müssen wir
Preußen erst auf dem Umwege über Schweden erfahren. Wahrscheinlich ist unsere
eigene Presse zu geknebelt, um darüber berichten zu dürfen. Überdies sei das
bisherige schwedische Gemeindewahlrecht eine Ungerechtigkeit namentlich gegenüber
kleinen Grundbesitzern auf dem Lande und gegenüber gewerblichen Arbeitern in
den Städten. Finanzielle Befürchtungen seien unbegründet,' da die Steuer kleine
Leute verhältnismäßig härter treffe als wohlhabende, und die Arbeiter doch auch
in ihren Fachvereinen kluge Finanzpolitik trieben — dort wohlgemerkt mit ihrem
eigenen Gelde, in der Kommunalverwaltung mit fremdem. Schließlich komme es,
wenn ein Wahlsystem einmal gerecht sei, nicht darauf an, ob eine Partei geschädigt
werde — besonders einleuchtend dann, wenn es die Gegenpartei ist, die den
Schaden trägt.

Bei der geschäftlichen Behandlung der Gesetzesvorlagen wirken nun die
beiden Kammern in Schweden viel enger zusammen als in anderen Ländern.
Namentlich werden nach der Reichstagsordnung die meisten und wichtigsten Sachen
von ständigen Ausschüssen vorbereitet, von deren Mitgliedern jede Kammer die
Hälfte aus ihrer Mitte wählt. So geschah es auch hier. Die Vorlage ging an
den Verfassungsausschutz, der eine Mehrheit der Linken hatte. Der Verfassungs¬
ausschuß nahm denn auch die Regierungsvorlage mit einigen unbedeutenden
Änderungen an.

Nach Ansicht des Ausschusses war die Grundlage der bisherigen Kommunal¬
verfassung, daß der Einfluß der Stimmberechtigten nach ihrer Besteuerung abge¬
wogen wird, unhaltbar. Das würde auf eine Auffassung der Gemeinde als einer
Erwerbsgesellschaft hinauslaufen, deren Teilhaber nach Maßgabe ihrer Einlagen
beteiligt sind. Auch steigen mit dem Einkommen nicht Einsicht und Tauglichkeit.
Zudem ist das vierzigstufige Stimmrecht praktisch unbefriedigend, indem es der
Bedeutung des Grundbesitzes und dein Unterschiede von Stadt und Land nicht
gerecht wird. Wenn die Gemeinden auch unter dem bisherigen Wahlrechte eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/131>, abgerufen am 02.10.2024.