Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.![]() (Lzernin von Georg Lleinow Ich bin auf meinem Weg ihr Sklave lieber, Coriolmms II, 1 em nachdenklichen mag eine der bedrückendsten Erfahrungen des Grenzboten II 1918 7
![]() (Lzernin von Georg Lleinow Ich bin auf meinem Weg ihr Sklave lieber, Coriolmms II, 1 em nachdenklichen mag eine der bedrückendsten Erfahrungen des Grenzboten II 1918 7
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0093" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/333576"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341907_333482/figures/grenzboten_341907_333482_333576_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> (Lzernin<lb/><note type="byline"> von Georg Lleinow</note></head><lb/> <quote type="epigraph"> Ich bin auf meinem Weg ihr Sklave lieber,<lb/> Als auf dem ihrigen mit ihnen Herrscher.</quote><lb/> <note type="bibl"> Coriolmms II, 1</note><lb/> <p xml:id="ID_309" next="#ID_310"> em nachdenklichen mag eine der bedrückendsten Erfahrungen des<lb/> Weltkrieges die Erkenntnis sein, wie ungeheuer schrankenlos die<lb/> Abhängigkeit der Staaten und Völker von Zufälligkeiten ist. Daß<lb/> der einzelne Soldat, daß die Truppen draußen im Felde oft nicht<lb/> wissen, welche Lebensbedingungen ihnen die nächste Stunde auf¬<lb/> erlegen wird, darein hat sich jedermann schnell gefunden: es ist eben Krieg! Daß<lb/> aber böse oder freundliche Zufälle weit ab vom eigentlichen Kriegsschauplatz, wie<lb/> sie sich in den Eingriffen einzelner Persönlichkeiten äußern, die Zukunft der Na¬<lb/> tionen über alle Leistungen und Opfer hinweg innerhalb von Stunden von Grund<lb/> aus sollen verändern können, diese Notwendigkeit als Begleiterscheinung des Krieges<lb/> will uns nicht mehr einleuchten. Und doch ist es so. Wir müssen uns nur klar<lb/> darüber sein, daß das, was wir als Zufall empfinden, in den meisten Fällen doch<lb/> nur eine Überraschung für uns ist, weil wir nicht imstande sind, alle Verhältnisse, die<lb/> uns umgeben, dauernd zu übersehen und zu kontrollieren und daher geneigt werden,<lb/> Überraschungen als Zufälligkeiten anzusprechen, das ist als Erscheinungen, die voll¬<lb/> ständig außerhalb des Nahmens menschlicher Erwägungen stehen, obwohl sie doch<lb/> ganz folgerichtig aus einer Reihe von Tatsachen hervorgegangen sind. Immerhin<lb/> bleiben eine ganze Reihe von Dingen übrig, die wirklich nur auf Zufälligkeiten<lb/> Zurückzuführen sind und eines der schwierigsten Probleme, das den Heerführern<lb/> gestellt ist, besteht vielleicht in der Notwendigkeit, alle jene Kreise nach Möglichkeit<lb/> zu verengen, auf denen Zufälligkeiten aufwachsen; darin berühren sich merk¬<lb/> würdigerweise auch die Bestrebungen der obersten Heeresleitung mit den For¬<lb/> derungen der Pazifisten, der aristokratischen Führer mit deney der demokratischen<lb/> Massen, nur sind die Mittel, die beide anwenden um dasselbe Ziel zu erreichen,<lb/> verschieden. Eine der Hauptquellen der politischen Zufälligkeiten wird von demo¬<lb/> kratischer Seite in der Geheimdiplomatie bekämpft, während sich die Liberalen<lb/> gegen Beichtväter und Jagdfreunde der Staatsoberhäupter wenden. Der Wunsch,</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1918 7</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0093]
[Abbildung]
(Lzernin
von Georg Lleinow
Ich bin auf meinem Weg ihr Sklave lieber,
Als auf dem ihrigen mit ihnen Herrscher.
Coriolmms II, 1
em nachdenklichen mag eine der bedrückendsten Erfahrungen des
Weltkrieges die Erkenntnis sein, wie ungeheuer schrankenlos die
Abhängigkeit der Staaten und Völker von Zufälligkeiten ist. Daß
der einzelne Soldat, daß die Truppen draußen im Felde oft nicht
wissen, welche Lebensbedingungen ihnen die nächste Stunde auf¬
erlegen wird, darein hat sich jedermann schnell gefunden: es ist eben Krieg! Daß
aber böse oder freundliche Zufälle weit ab vom eigentlichen Kriegsschauplatz, wie
sie sich in den Eingriffen einzelner Persönlichkeiten äußern, die Zukunft der Na¬
tionen über alle Leistungen und Opfer hinweg innerhalb von Stunden von Grund
aus sollen verändern können, diese Notwendigkeit als Begleiterscheinung des Krieges
will uns nicht mehr einleuchten. Und doch ist es so. Wir müssen uns nur klar
darüber sein, daß das, was wir als Zufall empfinden, in den meisten Fällen doch
nur eine Überraschung für uns ist, weil wir nicht imstande sind, alle Verhältnisse, die
uns umgeben, dauernd zu übersehen und zu kontrollieren und daher geneigt werden,
Überraschungen als Zufälligkeiten anzusprechen, das ist als Erscheinungen, die voll¬
ständig außerhalb des Nahmens menschlicher Erwägungen stehen, obwohl sie doch
ganz folgerichtig aus einer Reihe von Tatsachen hervorgegangen sind. Immerhin
bleiben eine ganze Reihe von Dingen übrig, die wirklich nur auf Zufälligkeiten
Zurückzuführen sind und eines der schwierigsten Probleme, das den Heerführern
gestellt ist, besteht vielleicht in der Notwendigkeit, alle jene Kreise nach Möglichkeit
zu verengen, auf denen Zufälligkeiten aufwachsen; darin berühren sich merk¬
würdigerweise auch die Bestrebungen der obersten Heeresleitung mit den For¬
derungen der Pazifisten, der aristokratischen Führer mit deney der demokratischen
Massen, nur sind die Mittel, die beide anwenden um dasselbe Ziel zu erreichen,
verschieden. Eine der Hauptquellen der politischen Zufälligkeiten wird von demo¬
kratischer Seite in der Geheimdiplomatie bekämpft, während sich die Liberalen
gegen Beichtväter und Jagdfreunde der Staatsoberhäupter wenden. Der Wunsch,
Grenzboten II 1918 7
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