Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland

erhält, kann Vorstellungen erheben. Vehcirrt die vorgesetzte Stelle bei ihrer An¬
weisung, so ist es nicht nur seine Pflicht sondern seine Ehre, sie so auszuführen,
als ob sie seiner innersten Überzeugung einspräche ... So will es der Geist des
Amtes. Ein politischer Keiler (industrieller Unternehmer), der so handeln würde,
Verdiente Verachtung. Er wird ost genötigi sein, Kompromisse zu schließen . . .
Bringt er es aber nicht fertig, seinem Herrn zu sagen: entweder ich erholte jetzt
diese Instruktion oder ich gehe, so ist er ein elender Kleber und kein Führer.
Über den Parteien, das heißt aber in Wahrheit: außerhalb des Kampfes um
eigene Macht, soll der Beamte stehen. Kampf um eigene Macht und die aus
dieser Macht folgende EnenvcraiUwortung für seine Sache ist das Lebenselement
des Politikers wie des Unternehmers."

Auf die Tatsache, daß wir von "Beamten" -- im geistigen Sinne -- regiert
wurden, anstatt von "Politikern", glaubt Weber nun das ganze Fiasko der deutschen
Politik zmücksühreu zu sollen. Zu Unrecht mache man um Auslande die deutsche
"Autokrane" verantwortlich-, die bereits erwähnte Methode Bismarcks, sein
cäsaristisches Regime mit der Legitimität des Mmcirchen zu decken", hätten die
Nochfolger, "ihrerseits keine Cäsaren. sondern schlichte Beamte", nachgeahmt, und
so wäre auf das Konto "monarchischer Negierung" gekommen, was "in Wah'heit
nur die Unkonirvlliertheit einer reinen Beamtenherrschaft" bedeutete. Wie Trntschke
im Jahre 1871, so zollt Weber im Weltkriege der "Integrität, Bildung, Gewissen¬
haftigkeit und Intelligenz" dieser Beamten uneingeschränktes Lob; er begründet
damit sogar unsere Überlegenheit über die anderen, die bei Kriegsausbruch in der
Bureaukratisierung noch nicht so weit fortgeschritten waren. Trotzoem wiegen für
ihn die Schäden des Systems schwerer als die Vorzüge, und er sucht nach einem
Gegenmittel, das er eben in dem parlamentarischen System findet.

Schon hier soll gesagt sein, daß Weber in dein Bestreben, den vermeintlichen
Krebsschaden der Bureaukratie zu bessern, die Krankheit doch gefährlicher macht als
sie ist. Geradezu elegische Töne schlägt er an, wenn er fragt, wie es denn angesichts
der allmächtigen, "ihren S'egeszng über die ganze Well" antretenden Tendenz zur
Bureaukratisierung überhaupt noch möglich sei, "irgendwelche Reste einer in irgend¬
einem Sinne "individualistischen" Bewegungsfreiheit zu retten und "Demokratie
in beschiänktem Sinne überhaupt" möglich zu machen (31 f.). Nun soll jener
"Siegeszug" der bureciukrati'chen Lebersform nicht bestritten werden. Wir sehen
s.me Spuren gerade auch außeihalb der staatlich-obrigkeitlichen Einflußzone, bei
den Parteien, vor allem der sozialistischen Massenparlei und in privaten Betrieben.
Erst jüngst wies die "Frankfurter Zeitung"*) auf bureaukratisierende und zentrali¬
sierende Niesenunternehiniingen bei den Banken hin, wo in der Provinz an die
Stelle heimischer Bankiers oder selbständiger Direktoren abhängige Beamte von
den Berliner Zentralen getreten sind. Immerhin darf man daran erinnern, daß
sogar Saieidemann in Stockholm davor gewann hat, die "Ohnmacht" der deutschen
Demokratie gegenüber einem allmächtigen Obrigkeitsstaat zu übertreiben, wie das
Weber geflissentlich tut, indem er den burcaukratisicrten Menschen des zwanzigsten
Jahrhundeits die öde Hörigkeit eines altägyptischen Fellachendaseins voraussagt,
wenn sie nicht energische Abwehrmaßregeln ergreifen.

Auch mit den Motiven jener Männer "von starken Machtinstinkten" ist es
so eine Sache. Mag sein, daß die Aussichtslosigkeit, im Staate eine wahrhaft
politische Führerstellung erringen zu können, sie von der bureaukratischen Karriere
abbringt, neben diesem immerhin doch "ideellen" Motiv spielt aber zweifellos jene
"Hypertrophie des Erwerbssinnes" hinein, die z B. auch auf kommunalen Gebiete
eine sichtliche Unlust und Interesselosigkeit führender wirtschaftlicher Kreise an den
öffentlichen Angelegenheiten als innerste Ursache bedingt.

Der springende Punkt ist also für Weber die Beseitigung der unkontrollierten
und verantwortungsloseil Beamten,herrschaft. Da das Gegengewicht bei der Krone



") Ur. 143, 1. Morgenblatt vom 2S. Mai 1918.
Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland

erhält, kann Vorstellungen erheben. Vehcirrt die vorgesetzte Stelle bei ihrer An¬
weisung, so ist es nicht nur seine Pflicht sondern seine Ehre, sie so auszuführen,
als ob sie seiner innersten Überzeugung einspräche ... So will es der Geist des
Amtes. Ein politischer Keiler (industrieller Unternehmer), der so handeln würde,
Verdiente Verachtung. Er wird ost genötigi sein, Kompromisse zu schließen . . .
Bringt er es aber nicht fertig, seinem Herrn zu sagen: entweder ich erholte jetzt
diese Instruktion oder ich gehe, so ist er ein elender Kleber und kein Führer.
Über den Parteien, das heißt aber in Wahrheit: außerhalb des Kampfes um
eigene Macht, soll der Beamte stehen. Kampf um eigene Macht und die aus
dieser Macht folgende EnenvcraiUwortung für seine Sache ist das Lebenselement
des Politikers wie des Unternehmers."

Auf die Tatsache, daß wir von „Beamten" — im geistigen Sinne — regiert
wurden, anstatt von „Politikern", glaubt Weber nun das ganze Fiasko der deutschen
Politik zmücksühreu zu sollen. Zu Unrecht mache man um Auslande die deutsche
„Autokrane" verantwortlich-, die bereits erwähnte Methode Bismarcks, sein
cäsaristisches Regime mit der Legitimität des Mmcirchen zu decken", hätten die
Nochfolger, „ihrerseits keine Cäsaren. sondern schlichte Beamte", nachgeahmt, und
so wäre auf das Konto „monarchischer Negierung" gekommen, was „in Wah'heit
nur die Unkonirvlliertheit einer reinen Beamtenherrschaft" bedeutete. Wie Trntschke
im Jahre 1871, so zollt Weber im Weltkriege der „Integrität, Bildung, Gewissen¬
haftigkeit und Intelligenz" dieser Beamten uneingeschränktes Lob; er begründet
damit sogar unsere Überlegenheit über die anderen, die bei Kriegsausbruch in der
Bureaukratisierung noch nicht so weit fortgeschritten waren. Trotzoem wiegen für
ihn die Schäden des Systems schwerer als die Vorzüge, und er sucht nach einem
Gegenmittel, das er eben in dem parlamentarischen System findet.

Schon hier soll gesagt sein, daß Weber in dein Bestreben, den vermeintlichen
Krebsschaden der Bureaukratie zu bessern, die Krankheit doch gefährlicher macht als
sie ist. Geradezu elegische Töne schlägt er an, wenn er fragt, wie es denn angesichts
der allmächtigen, „ihren S'egeszng über die ganze Well" antretenden Tendenz zur
Bureaukratisierung überhaupt noch möglich sei, „irgendwelche Reste einer in irgend¬
einem Sinne „individualistischen" Bewegungsfreiheit zu retten und „Demokratie
in beschiänktem Sinne überhaupt" möglich zu machen (31 f.). Nun soll jener
„Siegeszug" der bureciukrati'chen Lebersform nicht bestritten werden. Wir sehen
s.me Spuren gerade auch außeihalb der staatlich-obrigkeitlichen Einflußzone, bei
den Parteien, vor allem der sozialistischen Massenparlei und in privaten Betrieben.
Erst jüngst wies die „Frankfurter Zeitung"*) auf bureaukratisierende und zentrali¬
sierende Niesenunternehiniingen bei den Banken hin, wo in der Provinz an die
Stelle heimischer Bankiers oder selbständiger Direktoren abhängige Beamte von
den Berliner Zentralen getreten sind. Immerhin darf man daran erinnern, daß
sogar Saieidemann in Stockholm davor gewann hat, die „Ohnmacht" der deutschen
Demokratie gegenüber einem allmächtigen Obrigkeitsstaat zu übertreiben, wie das
Weber geflissentlich tut, indem er den burcaukratisicrten Menschen des zwanzigsten
Jahrhundeits die öde Hörigkeit eines altägyptischen Fellachendaseins voraussagt,
wenn sie nicht energische Abwehrmaßregeln ergreifen.

Auch mit den Motiven jener Männer „von starken Machtinstinkten" ist es
so eine Sache. Mag sein, daß die Aussichtslosigkeit, im Staate eine wahrhaft
politische Führerstellung erringen zu können, sie von der bureaukratischen Karriere
abbringt, neben diesem immerhin doch „ideellen" Motiv spielt aber zweifellos jene
„Hypertrophie des Erwerbssinnes" hinein, die z B. auch auf kommunalen Gebiete
eine sichtliche Unlust und Interesselosigkeit führender wirtschaftlicher Kreise an den
öffentlichen Angelegenheiten als innerste Ursache bedingt.

Der springende Punkt ist also für Weber die Beseitigung der unkontrollierten
und verantwortungsloseil Beamten,herrschaft. Da das Gegengewicht bei der Krone



") Ur. 143, 1. Morgenblatt vom 2S. Mai 1918.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0268" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/333751"/>
          <fw type="header" place="top"> Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1045" prev="#ID_1044"> erhält, kann Vorstellungen erheben. Vehcirrt die vorgesetzte Stelle bei ihrer An¬<lb/>
weisung, so ist es nicht nur seine Pflicht sondern seine Ehre, sie so auszuführen,<lb/>
als ob sie seiner innersten Überzeugung einspräche ... So will es der Geist des<lb/>
Amtes. Ein politischer Keiler (industrieller Unternehmer), der so handeln würde,<lb/>
Verdiente Verachtung. Er wird ost genötigi sein, Kompromisse zu schließen . . .<lb/>
Bringt er es aber nicht fertig, seinem Herrn zu sagen: entweder ich erholte jetzt<lb/>
diese Instruktion oder ich gehe, so ist er ein elender Kleber und kein Führer.<lb/>
Über den Parteien, das heißt aber in Wahrheit: außerhalb des Kampfes um<lb/>
eigene Macht, soll der Beamte stehen. Kampf um eigene Macht und die aus<lb/>
dieser Macht folgende EnenvcraiUwortung für seine Sache ist das Lebenselement<lb/>
des Politikers wie des Unternehmers."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1046"> Auf die Tatsache, daß wir von &#x201E;Beamten" &#x2014; im geistigen Sinne &#x2014; regiert<lb/>
wurden, anstatt von &#x201E;Politikern", glaubt Weber nun das ganze Fiasko der deutschen<lb/>
Politik zmücksühreu zu sollen. Zu Unrecht mache man um Auslande die deutsche<lb/>
&#x201E;Autokrane" verantwortlich-, die bereits erwähnte Methode Bismarcks, sein<lb/>
cäsaristisches Regime mit der Legitimität des Mmcirchen zu decken", hätten die<lb/>
Nochfolger, &#x201E;ihrerseits keine Cäsaren. sondern schlichte Beamte", nachgeahmt, und<lb/>
so wäre auf das Konto &#x201E;monarchischer Negierung" gekommen, was &#x201E;in Wah'heit<lb/>
nur die Unkonirvlliertheit einer reinen Beamtenherrschaft" bedeutete. Wie Trntschke<lb/>
im Jahre 1871, so zollt Weber im Weltkriege der &#x201E;Integrität, Bildung, Gewissen¬<lb/>
haftigkeit und Intelligenz" dieser Beamten uneingeschränktes Lob; er begründet<lb/>
damit sogar unsere Überlegenheit über die anderen, die bei Kriegsausbruch in der<lb/>
Bureaukratisierung noch nicht so weit fortgeschritten waren. Trotzoem wiegen für<lb/>
ihn die Schäden des Systems schwerer als die Vorzüge, und er sucht nach einem<lb/>
Gegenmittel, das er eben in dem parlamentarischen System findet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1047"> Schon hier soll gesagt sein, daß Weber in dein Bestreben, den vermeintlichen<lb/>
Krebsschaden der Bureaukratie zu bessern, die Krankheit doch gefährlicher macht als<lb/>
sie ist. Geradezu elegische Töne schlägt er an, wenn er fragt, wie es denn angesichts<lb/>
der allmächtigen, &#x201E;ihren S'egeszng über die ganze Well" antretenden Tendenz zur<lb/>
Bureaukratisierung überhaupt noch möglich sei, &#x201E;irgendwelche Reste einer in irgend¬<lb/>
einem Sinne &#x201E;individualistischen" Bewegungsfreiheit zu retten und &#x201E;Demokratie<lb/>
in beschiänktem Sinne überhaupt" möglich zu machen (31 f.). Nun soll jener<lb/>
&#x201E;Siegeszug" der bureciukrati'chen Lebersform nicht bestritten werden. Wir sehen<lb/>
s.me Spuren gerade auch außeihalb der staatlich-obrigkeitlichen Einflußzone, bei<lb/>
den Parteien, vor allem der sozialistischen Massenparlei und in privaten Betrieben.<lb/>
Erst jüngst wies die &#x201E;Frankfurter Zeitung"*) auf bureaukratisierende und zentrali¬<lb/>
sierende Niesenunternehiniingen bei den Banken hin, wo in der Provinz an die<lb/>
Stelle heimischer Bankiers oder selbständiger Direktoren abhängige Beamte von<lb/>
den Berliner Zentralen getreten sind. Immerhin darf man daran erinnern, daß<lb/>
sogar Saieidemann in Stockholm davor gewann hat, die &#x201E;Ohnmacht" der deutschen<lb/>
Demokratie gegenüber einem allmächtigen Obrigkeitsstaat zu übertreiben, wie das<lb/>
Weber geflissentlich tut, indem er den burcaukratisicrten Menschen des zwanzigsten<lb/>
Jahrhundeits die öde Hörigkeit eines altägyptischen Fellachendaseins voraussagt,<lb/>
wenn sie nicht energische Abwehrmaßregeln ergreifen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1048"> Auch mit den Motiven jener Männer &#x201E;von starken Machtinstinkten" ist es<lb/>
so eine Sache. Mag sein, daß die Aussichtslosigkeit, im Staate eine wahrhaft<lb/>
politische Führerstellung erringen zu können, sie von der bureaukratischen Karriere<lb/>
abbringt, neben diesem immerhin doch &#x201E;ideellen" Motiv spielt aber zweifellos jene<lb/>
&#x201E;Hypertrophie des Erwerbssinnes" hinein, die z B. auch auf kommunalen Gebiete<lb/>
eine sichtliche Unlust und Interesselosigkeit führender wirtschaftlicher Kreise an den<lb/>
öffentlichen Angelegenheiten als innerste Ursache bedingt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1049" next="#ID_1050"> Der springende Punkt ist also für Weber die Beseitigung der unkontrollierten<lb/>
und verantwortungsloseil Beamten,herrschaft. Da das Gegengewicht bei der Krone</p><lb/>
          <note xml:id="FID_55" place="foot"> ") Ur. 143, 1. Morgenblatt vom 2S. Mai 1918.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0268] Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland erhält, kann Vorstellungen erheben. Vehcirrt die vorgesetzte Stelle bei ihrer An¬ weisung, so ist es nicht nur seine Pflicht sondern seine Ehre, sie so auszuführen, als ob sie seiner innersten Überzeugung einspräche ... So will es der Geist des Amtes. Ein politischer Keiler (industrieller Unternehmer), der so handeln würde, Verdiente Verachtung. Er wird ost genötigi sein, Kompromisse zu schließen . . . Bringt er es aber nicht fertig, seinem Herrn zu sagen: entweder ich erholte jetzt diese Instruktion oder ich gehe, so ist er ein elender Kleber und kein Führer. Über den Parteien, das heißt aber in Wahrheit: außerhalb des Kampfes um eigene Macht, soll der Beamte stehen. Kampf um eigene Macht und die aus dieser Macht folgende EnenvcraiUwortung für seine Sache ist das Lebenselement des Politikers wie des Unternehmers." Auf die Tatsache, daß wir von „Beamten" — im geistigen Sinne — regiert wurden, anstatt von „Politikern", glaubt Weber nun das ganze Fiasko der deutschen Politik zmücksühreu zu sollen. Zu Unrecht mache man um Auslande die deutsche „Autokrane" verantwortlich-, die bereits erwähnte Methode Bismarcks, sein cäsaristisches Regime mit der Legitimität des Mmcirchen zu decken", hätten die Nochfolger, „ihrerseits keine Cäsaren. sondern schlichte Beamte", nachgeahmt, und so wäre auf das Konto „monarchischer Negierung" gekommen, was „in Wah'heit nur die Unkonirvlliertheit einer reinen Beamtenherrschaft" bedeutete. Wie Trntschke im Jahre 1871, so zollt Weber im Weltkriege der „Integrität, Bildung, Gewissen¬ haftigkeit und Intelligenz" dieser Beamten uneingeschränktes Lob; er begründet damit sogar unsere Überlegenheit über die anderen, die bei Kriegsausbruch in der Bureaukratisierung noch nicht so weit fortgeschritten waren. Trotzoem wiegen für ihn die Schäden des Systems schwerer als die Vorzüge, und er sucht nach einem Gegenmittel, das er eben in dem parlamentarischen System findet. Schon hier soll gesagt sein, daß Weber in dein Bestreben, den vermeintlichen Krebsschaden der Bureaukratie zu bessern, die Krankheit doch gefährlicher macht als sie ist. Geradezu elegische Töne schlägt er an, wenn er fragt, wie es denn angesichts der allmächtigen, „ihren S'egeszng über die ganze Well" antretenden Tendenz zur Bureaukratisierung überhaupt noch möglich sei, „irgendwelche Reste einer in irgend¬ einem Sinne „individualistischen" Bewegungsfreiheit zu retten und „Demokratie in beschiänktem Sinne überhaupt" möglich zu machen (31 f.). Nun soll jener „Siegeszug" der bureciukrati'chen Lebersform nicht bestritten werden. Wir sehen s.me Spuren gerade auch außeihalb der staatlich-obrigkeitlichen Einflußzone, bei den Parteien, vor allem der sozialistischen Massenparlei und in privaten Betrieben. Erst jüngst wies die „Frankfurter Zeitung"*) auf bureaukratisierende und zentrali¬ sierende Niesenunternehiniingen bei den Banken hin, wo in der Provinz an die Stelle heimischer Bankiers oder selbständiger Direktoren abhängige Beamte von den Berliner Zentralen getreten sind. Immerhin darf man daran erinnern, daß sogar Saieidemann in Stockholm davor gewann hat, die „Ohnmacht" der deutschen Demokratie gegenüber einem allmächtigen Obrigkeitsstaat zu übertreiben, wie das Weber geflissentlich tut, indem er den burcaukratisicrten Menschen des zwanzigsten Jahrhundeits die öde Hörigkeit eines altägyptischen Fellachendaseins voraussagt, wenn sie nicht energische Abwehrmaßregeln ergreifen. Auch mit den Motiven jener Männer „von starken Machtinstinkten" ist es so eine Sache. Mag sein, daß die Aussichtslosigkeit, im Staate eine wahrhaft politische Führerstellung erringen zu können, sie von der bureaukratischen Karriere abbringt, neben diesem immerhin doch „ideellen" Motiv spielt aber zweifellos jene „Hypertrophie des Erwerbssinnes" hinein, die z B. auch auf kommunalen Gebiete eine sichtliche Unlust und Interesselosigkeit führender wirtschaftlicher Kreise an den öffentlichen Angelegenheiten als innerste Ursache bedingt. Der springende Punkt ist also für Weber die Beseitigung der unkontrollierten und verantwortungsloseil Beamten,herrschaft. Da das Gegengewicht bei der Krone ") Ur. 143, 1. Morgenblatt vom 2S. Mai 1918.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/268
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/268>, abgerufen am 26.08.2024.