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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Parlament und Rogiermiz im "angeordnet"" Deutschland

nicht gefunden werden kann -- ihr mangelt heutzutage die nötige Fachkenntnis
und (in der Regel) politische Qualität --, so kommt alles darauf an. das Parlament
aus seiner Ohnmacht und der dadurch bedingten negativen "Interessen- und Trink¬
gelderpolitik" herauszuheben und es entsprechend der obigen Krankheitsdiagnose
erstens zu einer wirklichen Kontrollinstanz der Verwaltung und zweitens zu, einer
Pflanzschule politischer Begabungen, denen "neben der Macht auch die Verant¬
wortung im Staate winkt", zu machen.

Das Endziel ist dabei die Züchtung deS wahren "Politikers". Jener Anreiz
der winkenden Macht und Verantwortung ebenso wie die Möglichkeit positiver
Mitarbeit und dadurch bewirkter Kvntrollfähigkeit des Parlamentes sind nur die,
allerdings auch wichtigen, Voraussetzungen dieser elementaren Hauptforderung.
Die erste Voraussetzung verlangt ihrerseits wiederum den Fortfall des Art. 9 N. V.
als einer mechanischen Hemmung*) für den Aufstieg des wirklichen Politikers zu
den Spitzen der Macht, die zweite verlangt zu ihrer wirksamen Durchführung ein
ausgedehntes Enqueterecht des Parlamentes. Dieses muß Einblick erhalten sowohl
in das (technische) "Fachwissen" des Beamten, wie in sein bisher mit dem Schleier
des Geheimnisses umgebenes "Dienstwissen", worunter die "Kenntnis der für sein
Verhalten maßgebenden konkreten Tatsachen" verstanden wird. Zu diesem Zwecke
müsse man auf dem Wege weiterschreiten, der mit Bildung des "HauptcmsschusseS
des Reichstags" eingeschlagen wurde. Immer innigere Fühlungnahme zwischen
Fachbeamtentum und Berufspolitikern in den Kommissionen eines wirklichen
"Arbeitsparlamentes", ist die Forderung der Zukunft.

Der "Berufspolitiker", von dem Weber hier redet, ist, streng genommen,
mindestens in seinem Elitetypus als politischer "Führer", auf den eS allein ankommt,
noch gar nicht da. Man bereitet ihm ja vorerst nur den Weg, schafft die Gelegenheit der
"Auslesestätte" und setzt nun als sicher an, daß sich unter solchen Bedingungen aus nach
angelsächsischem Rezept gemischten Elementen der ersehnte Wundermensch schon bilden
Werde. Freilich, auch Weber wird uns nicht garantieren können, ob das Experiment
glückt oder der Erfolg schließlich doch nur ein -- Homunculus ist. Auch der durch¬
schnittliche "Berufspolitiker" müßte erst noch, wenn nicht geschaffen, so doch "ent¬
wickelt" werd?n. Treitschke^) sah in ihm "das gemeinschädlichste Element in unseren
Volksvertretungen (mit wenigen rühmlichen Ausnahmen)", für Weber ist er "rein
technisch unentbehrlich", um geschulte Kräfte für den Kampf, in dem das Wesen
der Politik begründet liegt, zur Verfügung zu haben. Ferner wäre für die große
-Wandlung, deren, Ziel die Politisierung unseres Negierungssystems, deren Mittel
nach Ansicht des Verfassers seine Parlamentarisierung ist, erforderlich: die
innere Bereitschaft der Parteien, das Erbe der Verantwortung anzutreten. Von
den hier vorliegenden Hemmungen soll später noch die Rede sein. Und: last not
"der Druck absolut zwingender politischer Umstände", durch den in das feste
Bollwerk der zäh um ihre "Pfründnerinteressen" kämpfenden, vom Großkapital
unterstützten Bureaukratie Bresche gelegt werden müßte. Denn -- "von selbst
kommt die Parlamentarisierung gewiß nicht".

Ein besonderes Kapitel -- das ihm persönlich am wichtigsten erscheint --
widmet Weber der "Beamtenherrschaft in der auswärtigen Politik". Hier haben
wir für die Schäden des Systems den "furchtbarsten Preis zahlen" müssen. Der
letzte Grund aller Mißerfolge liegt nicht in einem Versagen unserer Diplomatie,
dle "im Durchschnitt wahrscheinlich genau so gut" wie in anderen Ländern ist,
auch nicht in den Fehlern und Entgleisungen des autokratischen Negierungssystems,
wildem in der unverzeihlicher Unterlassungssünde der "politischen Leiter", tue
°urch xi^me oder fremde Initiative ins grelle Licht der Öffentlichkeit gezogenen
^aiserwvrte nicht sofort mit ihrem Abschiedsgesuch beantwortet zu haben, wenn
>le der eigenen politischen Überzeugung widersprachen. Weber bezeichnet es als
notorisch, daß "fast alle" maßgebenden Instanzen bei uus, in dem verhangms-




*) Er verbietet bekanntlich die Personalunion zwischen Bundesrat und Reichstag.
**
) Hist. und Pol. Aufs. 3. S. 6SS.
Gveuzbots" II ISIS 2°
Parlament und Rogiermiz im »angeordnet«» Deutschland

nicht gefunden werden kann — ihr mangelt heutzutage die nötige Fachkenntnis
und (in der Regel) politische Qualität —, so kommt alles darauf an. das Parlament
aus seiner Ohnmacht und der dadurch bedingten negativen „Interessen- und Trink¬
gelderpolitik" herauszuheben und es entsprechend der obigen Krankheitsdiagnose
erstens zu einer wirklichen Kontrollinstanz der Verwaltung und zweitens zu, einer
Pflanzschule politischer Begabungen, denen „neben der Macht auch die Verant¬
wortung im Staate winkt", zu machen.

Das Endziel ist dabei die Züchtung deS wahren „Politikers". Jener Anreiz
der winkenden Macht und Verantwortung ebenso wie die Möglichkeit positiver
Mitarbeit und dadurch bewirkter Kvntrollfähigkeit des Parlamentes sind nur die,
allerdings auch wichtigen, Voraussetzungen dieser elementaren Hauptforderung.
Die erste Voraussetzung verlangt ihrerseits wiederum den Fortfall des Art. 9 N. V.
als einer mechanischen Hemmung*) für den Aufstieg des wirklichen Politikers zu
den Spitzen der Macht, die zweite verlangt zu ihrer wirksamen Durchführung ein
ausgedehntes Enqueterecht des Parlamentes. Dieses muß Einblick erhalten sowohl
in das (technische) „Fachwissen" des Beamten, wie in sein bisher mit dem Schleier
des Geheimnisses umgebenes „Dienstwissen", worunter die „Kenntnis der für sein
Verhalten maßgebenden konkreten Tatsachen" verstanden wird. Zu diesem Zwecke
müsse man auf dem Wege weiterschreiten, der mit Bildung des „HauptcmsschusseS
des Reichstags" eingeschlagen wurde. Immer innigere Fühlungnahme zwischen
Fachbeamtentum und Berufspolitikern in den Kommissionen eines wirklichen
„Arbeitsparlamentes", ist die Forderung der Zukunft.

Der „Berufspolitiker", von dem Weber hier redet, ist, streng genommen,
mindestens in seinem Elitetypus als politischer „Führer", auf den eS allein ankommt,
noch gar nicht da. Man bereitet ihm ja vorerst nur den Weg, schafft die Gelegenheit der
„Auslesestätte" und setzt nun als sicher an, daß sich unter solchen Bedingungen aus nach
angelsächsischem Rezept gemischten Elementen der ersehnte Wundermensch schon bilden
Werde. Freilich, auch Weber wird uns nicht garantieren können, ob das Experiment
glückt oder der Erfolg schließlich doch nur ein — Homunculus ist. Auch der durch¬
schnittliche „Berufspolitiker" müßte erst noch, wenn nicht geschaffen, so doch „ent¬
wickelt" werd?n. Treitschke^) sah in ihm „das gemeinschädlichste Element in unseren
Volksvertretungen (mit wenigen rühmlichen Ausnahmen)", für Weber ist er „rein
technisch unentbehrlich", um geschulte Kräfte für den Kampf, in dem das Wesen
der Politik begründet liegt, zur Verfügung zu haben. Ferner wäre für die große
-Wandlung, deren, Ziel die Politisierung unseres Negierungssystems, deren Mittel
nach Ansicht des Verfassers seine Parlamentarisierung ist, erforderlich: die
innere Bereitschaft der Parteien, das Erbe der Verantwortung anzutreten. Von
den hier vorliegenden Hemmungen soll später noch die Rede sein. Und: last not
„der Druck absolut zwingender politischer Umstände", durch den in das feste
Bollwerk der zäh um ihre „Pfründnerinteressen" kämpfenden, vom Großkapital
unterstützten Bureaukratie Bresche gelegt werden müßte. Denn — „von selbst
kommt die Parlamentarisierung gewiß nicht".

Ein besonderes Kapitel — das ihm persönlich am wichtigsten erscheint —
widmet Weber der „Beamtenherrschaft in der auswärtigen Politik". Hier haben
wir für die Schäden des Systems den „furchtbarsten Preis zahlen" müssen. Der
letzte Grund aller Mißerfolge liegt nicht in einem Versagen unserer Diplomatie,
dle „im Durchschnitt wahrscheinlich genau so gut" wie in anderen Ländern ist,
auch nicht in den Fehlern und Entgleisungen des autokratischen Negierungssystems,
wildem in der unverzeihlicher Unterlassungssünde der „politischen Leiter", tue
°urch xi^me oder fremde Initiative ins grelle Licht der Öffentlichkeit gezogenen
^aiserwvrte nicht sofort mit ihrem Abschiedsgesuch beantwortet zu haben, wenn
>le der eigenen politischen Überzeugung widersprachen. Weber bezeichnet es als
notorisch, daß „fast alle" maßgebenden Instanzen bei uus, in dem verhangms-




*) Er verbietet bekanntlich die Personalunion zwischen Bundesrat und Reichstag.
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) Hist. und Pol. Aufs. 3. S. 6SS.
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[0269] Parlament und Rogiermiz im »angeordnet«» Deutschland nicht gefunden werden kann — ihr mangelt heutzutage die nötige Fachkenntnis und (in der Regel) politische Qualität —, so kommt alles darauf an. das Parlament aus seiner Ohnmacht und der dadurch bedingten negativen „Interessen- und Trink¬ gelderpolitik" herauszuheben und es entsprechend der obigen Krankheitsdiagnose erstens zu einer wirklichen Kontrollinstanz der Verwaltung und zweitens zu, einer Pflanzschule politischer Begabungen, denen „neben der Macht auch die Verant¬ wortung im Staate winkt", zu machen. Das Endziel ist dabei die Züchtung deS wahren „Politikers". Jener Anreiz der winkenden Macht und Verantwortung ebenso wie die Möglichkeit positiver Mitarbeit und dadurch bewirkter Kvntrollfähigkeit des Parlamentes sind nur die, allerdings auch wichtigen, Voraussetzungen dieser elementaren Hauptforderung. Die erste Voraussetzung verlangt ihrerseits wiederum den Fortfall des Art. 9 N. V. als einer mechanischen Hemmung*) für den Aufstieg des wirklichen Politikers zu den Spitzen der Macht, die zweite verlangt zu ihrer wirksamen Durchführung ein ausgedehntes Enqueterecht des Parlamentes. Dieses muß Einblick erhalten sowohl in das (technische) „Fachwissen" des Beamten, wie in sein bisher mit dem Schleier des Geheimnisses umgebenes „Dienstwissen", worunter die „Kenntnis der für sein Verhalten maßgebenden konkreten Tatsachen" verstanden wird. Zu diesem Zwecke müsse man auf dem Wege weiterschreiten, der mit Bildung des „HauptcmsschusseS des Reichstags" eingeschlagen wurde. Immer innigere Fühlungnahme zwischen Fachbeamtentum und Berufspolitikern in den Kommissionen eines wirklichen „Arbeitsparlamentes", ist die Forderung der Zukunft. Der „Berufspolitiker", von dem Weber hier redet, ist, streng genommen, mindestens in seinem Elitetypus als politischer „Führer", auf den eS allein ankommt, noch gar nicht da. Man bereitet ihm ja vorerst nur den Weg, schafft die Gelegenheit der „Auslesestätte" und setzt nun als sicher an, daß sich unter solchen Bedingungen aus nach angelsächsischem Rezept gemischten Elementen der ersehnte Wundermensch schon bilden Werde. Freilich, auch Weber wird uns nicht garantieren können, ob das Experiment glückt oder der Erfolg schließlich doch nur ein — Homunculus ist. Auch der durch¬ schnittliche „Berufspolitiker" müßte erst noch, wenn nicht geschaffen, so doch „ent¬ wickelt" werd?n. Treitschke^) sah in ihm „das gemeinschädlichste Element in unseren Volksvertretungen (mit wenigen rühmlichen Ausnahmen)", für Weber ist er „rein technisch unentbehrlich", um geschulte Kräfte für den Kampf, in dem das Wesen der Politik begründet liegt, zur Verfügung zu haben. Ferner wäre für die große -Wandlung, deren, Ziel die Politisierung unseres Negierungssystems, deren Mittel nach Ansicht des Verfassers seine Parlamentarisierung ist, erforderlich: die innere Bereitschaft der Parteien, das Erbe der Verantwortung anzutreten. Von den hier vorliegenden Hemmungen soll später noch die Rede sein. Und: last not „der Druck absolut zwingender politischer Umstände", durch den in das feste Bollwerk der zäh um ihre „Pfründnerinteressen" kämpfenden, vom Großkapital unterstützten Bureaukratie Bresche gelegt werden müßte. Denn — „von selbst kommt die Parlamentarisierung gewiß nicht". Ein besonderes Kapitel — das ihm persönlich am wichtigsten erscheint — widmet Weber der „Beamtenherrschaft in der auswärtigen Politik". Hier haben wir für die Schäden des Systems den „furchtbarsten Preis zahlen" müssen. Der letzte Grund aller Mißerfolge liegt nicht in einem Versagen unserer Diplomatie, dle „im Durchschnitt wahrscheinlich genau so gut" wie in anderen Ländern ist, auch nicht in den Fehlern und Entgleisungen des autokratischen Negierungssystems, wildem in der unverzeihlicher Unterlassungssünde der „politischen Leiter", tue °urch xi^me oder fremde Initiative ins grelle Licht der Öffentlichkeit gezogenen ^aiserwvrte nicht sofort mit ihrem Abschiedsgesuch beantwortet zu haben, wenn >le der eigenen politischen Überzeugung widersprachen. Weber bezeichnet es als notorisch, daß „fast alle" maßgebenden Instanzen bei uus, in dem verhangms- *) Er verbietet bekanntlich die Personalunion zwischen Bundesrat und Reichstag. ** ) Hist. und Pol. Aufs. 3. S. 6SS. Gveuzbots« II ISIS 2°

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/269>, abgerufen am 26.08.2024.