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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Parlament und Regierung im neugeordnetcn Deutschland

die nun im Kriege gegen uns gerichtet werden. Der Mund ist zum mindesten
nicht dicht verbunden gewesen!"

Den in jenem "zu spät liegenden Vorwurf, daß Mischen den "schweren
Schäden" unserer Staateform und dem Ausbruch des Weltkrieges ein mehr oder
weniger intensiver Kausalzusammenhang bestanden haben nutz,' lassen wir dahin-
gestellt sein. Er berührt die noch nicht abgeschlossene "Schulofrage" des Weltkrieges.

Drittens wäre nach Weber das Fortbestehen des bisherigen Zustandes ein
Glück für unsere Feinde: andere (meist konservative) Politiker glauben gerade um¬
gekehrt, datz jene es auf eine Änderung unserer Verfassung abgesehen haben, um
deren militärisch-politische Kraft zu untergraben. Beides 'dürfte richtig sein, es
gUt eben auch hier die Regel, das eine zu tun und das andere nicht zu unter¬
lassen, also unsere Schwächen zu korrigieren, ohne unsere Stärke aufzugeben.
Heutzutage, wo wir in den bislang so scharf geschiedenen Verfasiungsiypen
Europas Anähnelungen über Anähnelungen erleben, wo auch die innerstaatlichen
Parteien die starren Schablonen ihrer Programme zerbrechen, Konservative wie
Herr von Oldenburg für "die Freiheit des Individuums", Linkspolitiker, selbst
solche manchesterlicher Vergangenheit, für den verstaatlichenden Protektionismus
schwärmen, ist absolut falsch nur eines: die Einseitigkeit.

Wenn aber viertens dem verständlichen und oft zu hörenden Hinweis auf
unsere tatsächlichen Erfolge trotz dieses ganz verderbten Systems mit dem Donner-
Worte begegnet wird: für diesmal sei das militärische Experiment infolge des Vor¬
handenseins großer Führer gerade noch geglückt, in Zukunft bestände dafür aber
keinerlei Sicherheit, so bleibt erst recht die Frage: wo gedenkt das "neue" System,
das sich nicht einmal solcher Erfolge und Bewährungen rühmen kann, die sehnlichst
erstrebten Garantien herzunehmen?

So wären wir mitten in prinzipiellen Auseinandersetzungen, noch vor der
eigentlichen Diskusston. Sie eröffnet Weber mit einem historischen Rückblick auf
die Wurzel des gegenwärtigen llbels, nach seiner Meinung die "Erbschaft Bismarcks".
<ZU kaltem Lichte zeigt er -- ähnlich wie Max Lehmann das "alte Preußen"
Friedrichs des Großen -- die Gestalt unseres größten Staatsmannes, dessen Zeit
nun auch schon zum "ancien reZime" geworden ist. Er hinterließ eine Nation
"ohne alle und jede politische Erziehung, ohne allen und jeden politischen Willen,
gewohnt, daß der große Staatsmann an ihrer Spitze für sie die Politik schon be¬
sorgen werde". Er brachte des weiteren durch "mißbräuchliche Benutzung des
Monarchischen Gefühls als Deckschild eigener Machtinteressen" diese. Nation dahin,
an das Regiment einer falschen Firma, genannt "monarchische Regierung", fata-
nstisch zu glauben, ohne die "politische Qualifikation" der späteren Staatsleiter
näher zu prüfen. Er hat das Parlament zur Bedeutungslosigkeit herabgedrückt,
ober bei seiner einsamen staatsmännischen Größe keine Tradition und Schule
hinterlassen.

Wohl erbte jemand seine Macht -- die Bureaukratie, aber nicht mit dem
Geist, sie wahrhaft staatsmännisch zu üben. So erklärt sich der scheinbare Wider¬
spruch, daß Weber (S. 13) behaupten kann, im modernen Staate liege die wirk-
uche Herrschaft notwendig und unvermeidlich in den Händen des Beamtentums,
und später (S. 49) ein Mann von starken Machtinstinkten, wobei auf Hugenberg an-
gespielt wird, müßte "ein Narr" sein, wenn er sich in das "jämmerliche Getriebe tolle-
gnUen Ressentiments und auf das Glatteis höfischer Intrigen" begeben wollte, die mit
einer Ministerstellung gegenwärtig verbunden wären. Denn es ist natürlich eine
urige Ansicht, der man gelegentlich begegnet: als habe heutzutage "Macht" etwa
"nur" der Jndustriegewaltige und der große Handelsherr*) Auch der hohe
Staatsbeamte besitzt sie, nur daß er sie vel uns eben als Staatsbeamter, acht
°is Staatsmann und Politiker, ausübt oder ausüben muß.

Der Unterschied zwischen beiden liegt -- nach Weber -- in der Art der
Verantwortung. "Ein Beamter, der einen nach seiner Ansicht verkehrten Befehl



. *) So z. B. Bernhard, Deutscher Parlamentarismus, "Vossische Zeitung" vom 9. Sep-
tember ihl?.
Parlament und Regierung im neugeordnetcn Deutschland

die nun im Kriege gegen uns gerichtet werden. Der Mund ist zum mindesten
nicht dicht verbunden gewesen!"

Den in jenem „zu spät liegenden Vorwurf, daß Mischen den „schweren
Schäden" unserer Staateform und dem Ausbruch des Weltkrieges ein mehr oder
weniger intensiver Kausalzusammenhang bestanden haben nutz,' lassen wir dahin-
gestellt sein. Er berührt die noch nicht abgeschlossene „Schulofrage" des Weltkrieges.

Drittens wäre nach Weber das Fortbestehen des bisherigen Zustandes ein
Glück für unsere Feinde: andere (meist konservative) Politiker glauben gerade um¬
gekehrt, datz jene es auf eine Änderung unserer Verfassung abgesehen haben, um
deren militärisch-politische Kraft zu untergraben. Beides 'dürfte richtig sein, es
gUt eben auch hier die Regel, das eine zu tun und das andere nicht zu unter¬
lassen, also unsere Schwächen zu korrigieren, ohne unsere Stärke aufzugeben.
Heutzutage, wo wir in den bislang so scharf geschiedenen Verfasiungsiypen
Europas Anähnelungen über Anähnelungen erleben, wo auch die innerstaatlichen
Parteien die starren Schablonen ihrer Programme zerbrechen, Konservative wie
Herr von Oldenburg für „die Freiheit des Individuums", Linkspolitiker, selbst
solche manchesterlicher Vergangenheit, für den verstaatlichenden Protektionismus
schwärmen, ist absolut falsch nur eines: die Einseitigkeit.

Wenn aber viertens dem verständlichen und oft zu hörenden Hinweis auf
unsere tatsächlichen Erfolge trotz dieses ganz verderbten Systems mit dem Donner-
Worte begegnet wird: für diesmal sei das militärische Experiment infolge des Vor¬
handenseins großer Führer gerade noch geglückt, in Zukunft bestände dafür aber
keinerlei Sicherheit, so bleibt erst recht die Frage: wo gedenkt das „neue" System,
das sich nicht einmal solcher Erfolge und Bewährungen rühmen kann, die sehnlichst
erstrebten Garantien herzunehmen?

So wären wir mitten in prinzipiellen Auseinandersetzungen, noch vor der
eigentlichen Diskusston. Sie eröffnet Weber mit einem historischen Rückblick auf
die Wurzel des gegenwärtigen llbels, nach seiner Meinung die „Erbschaft Bismarcks".
<ZU kaltem Lichte zeigt er — ähnlich wie Max Lehmann das „alte Preußen"
Friedrichs des Großen — die Gestalt unseres größten Staatsmannes, dessen Zeit
nun auch schon zum „ancien reZime" geworden ist. Er hinterließ eine Nation
»ohne alle und jede politische Erziehung, ohne allen und jeden politischen Willen,
gewohnt, daß der große Staatsmann an ihrer Spitze für sie die Politik schon be¬
sorgen werde". Er brachte des weiteren durch „mißbräuchliche Benutzung des
Monarchischen Gefühls als Deckschild eigener Machtinteressen" diese. Nation dahin,
an das Regiment einer falschen Firma, genannt „monarchische Regierung", fata-
nstisch zu glauben, ohne die „politische Qualifikation" der späteren Staatsleiter
näher zu prüfen. Er hat das Parlament zur Bedeutungslosigkeit herabgedrückt,
ober bei seiner einsamen staatsmännischen Größe keine Tradition und Schule
hinterlassen.

Wohl erbte jemand seine Macht — die Bureaukratie, aber nicht mit dem
Geist, sie wahrhaft staatsmännisch zu üben. So erklärt sich der scheinbare Wider¬
spruch, daß Weber (S. 13) behaupten kann, im modernen Staate liege die wirk-
uche Herrschaft notwendig und unvermeidlich in den Händen des Beamtentums,
und später (S. 49) ein Mann von starken Machtinstinkten, wobei auf Hugenberg an-
gespielt wird, müßte „ein Narr" sein, wenn er sich in das „jämmerliche Getriebe tolle-
gnUen Ressentiments und auf das Glatteis höfischer Intrigen" begeben wollte, die mit
einer Ministerstellung gegenwärtig verbunden wären. Denn es ist natürlich eine
urige Ansicht, der man gelegentlich begegnet: als habe heutzutage „Macht" etwa
»nur" der Jndustriegewaltige und der große Handelsherr*) Auch der hohe
Staatsbeamte besitzt sie, nur daß er sie vel uns eben als Staatsbeamter, acht
°is Staatsmann und Politiker, ausübt oder ausüben muß.

Der Unterschied zwischen beiden liegt — nach Weber — in der Art der
Verantwortung. „Ein Beamter, der einen nach seiner Ansicht verkehrten Befehl



. *) So z. B. Bernhard, Deutscher Parlamentarismus, „Vossische Zeitung" vom 9. Sep-
tember ihl?.
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[0267] Parlament und Regierung im neugeordnetcn Deutschland die nun im Kriege gegen uns gerichtet werden. Der Mund ist zum mindesten nicht dicht verbunden gewesen!" Den in jenem „zu spät liegenden Vorwurf, daß Mischen den „schweren Schäden" unserer Staateform und dem Ausbruch des Weltkrieges ein mehr oder weniger intensiver Kausalzusammenhang bestanden haben nutz,' lassen wir dahin- gestellt sein. Er berührt die noch nicht abgeschlossene „Schulofrage" des Weltkrieges. Drittens wäre nach Weber das Fortbestehen des bisherigen Zustandes ein Glück für unsere Feinde: andere (meist konservative) Politiker glauben gerade um¬ gekehrt, datz jene es auf eine Änderung unserer Verfassung abgesehen haben, um deren militärisch-politische Kraft zu untergraben. Beides 'dürfte richtig sein, es gUt eben auch hier die Regel, das eine zu tun und das andere nicht zu unter¬ lassen, also unsere Schwächen zu korrigieren, ohne unsere Stärke aufzugeben. Heutzutage, wo wir in den bislang so scharf geschiedenen Verfasiungsiypen Europas Anähnelungen über Anähnelungen erleben, wo auch die innerstaatlichen Parteien die starren Schablonen ihrer Programme zerbrechen, Konservative wie Herr von Oldenburg für „die Freiheit des Individuums", Linkspolitiker, selbst solche manchesterlicher Vergangenheit, für den verstaatlichenden Protektionismus schwärmen, ist absolut falsch nur eines: die Einseitigkeit. Wenn aber viertens dem verständlichen und oft zu hörenden Hinweis auf unsere tatsächlichen Erfolge trotz dieses ganz verderbten Systems mit dem Donner- Worte begegnet wird: für diesmal sei das militärische Experiment infolge des Vor¬ handenseins großer Führer gerade noch geglückt, in Zukunft bestände dafür aber keinerlei Sicherheit, so bleibt erst recht die Frage: wo gedenkt das „neue" System, das sich nicht einmal solcher Erfolge und Bewährungen rühmen kann, die sehnlichst erstrebten Garantien herzunehmen? So wären wir mitten in prinzipiellen Auseinandersetzungen, noch vor der eigentlichen Diskusston. Sie eröffnet Weber mit einem historischen Rückblick auf die Wurzel des gegenwärtigen llbels, nach seiner Meinung die „Erbschaft Bismarcks". <ZU kaltem Lichte zeigt er — ähnlich wie Max Lehmann das „alte Preußen" Friedrichs des Großen — die Gestalt unseres größten Staatsmannes, dessen Zeit nun auch schon zum „ancien reZime" geworden ist. Er hinterließ eine Nation »ohne alle und jede politische Erziehung, ohne allen und jeden politischen Willen, gewohnt, daß der große Staatsmann an ihrer Spitze für sie die Politik schon be¬ sorgen werde". Er brachte des weiteren durch „mißbräuchliche Benutzung des Monarchischen Gefühls als Deckschild eigener Machtinteressen" diese. Nation dahin, an das Regiment einer falschen Firma, genannt „monarchische Regierung", fata- nstisch zu glauben, ohne die „politische Qualifikation" der späteren Staatsleiter näher zu prüfen. Er hat das Parlament zur Bedeutungslosigkeit herabgedrückt, ober bei seiner einsamen staatsmännischen Größe keine Tradition und Schule hinterlassen. Wohl erbte jemand seine Macht — die Bureaukratie, aber nicht mit dem Geist, sie wahrhaft staatsmännisch zu üben. So erklärt sich der scheinbare Wider¬ spruch, daß Weber (S. 13) behaupten kann, im modernen Staate liege die wirk- uche Herrschaft notwendig und unvermeidlich in den Händen des Beamtentums, und später (S. 49) ein Mann von starken Machtinstinkten, wobei auf Hugenberg an- gespielt wird, müßte „ein Narr" sein, wenn er sich in das „jämmerliche Getriebe tolle- gnUen Ressentiments und auf das Glatteis höfischer Intrigen" begeben wollte, die mit einer Ministerstellung gegenwärtig verbunden wären. Denn es ist natürlich eine urige Ansicht, der man gelegentlich begegnet: als habe heutzutage „Macht" etwa »nur" der Jndustriegewaltige und der große Handelsherr*) Auch der hohe Staatsbeamte besitzt sie, nur daß er sie vel uns eben als Staatsbeamter, acht °is Staatsmann und Politiker, ausübt oder ausüben muß. Der Unterschied zwischen beiden liegt — nach Weber — in der Art der Verantwortung. „Ein Beamter, der einen nach seiner Ansicht verkehrten Befehl . *) So z. B. Bernhard, Deutscher Parlamentarismus, „Vossische Zeitung" vom 9. Sep- tember ihl?.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/267>, abgerufen am 27.08.2024.