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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Gebiete so tüchtige Karl Scheffler gesagt sein lassen, der kürzlich in der "Vossischen
Zeitung" einen von Seltsamkeiten und Irrtümern") erfüllten Protestartikel über
"Wahlpflicht" schrieb. Solange Herr Scheffler nicht auf einer Insel lebt, sondern
vielmehr die sonstigen staatlichen Einrichtungen wie wir alle in Anspruch nimmt,
rann er sich nicht von der Pflicht entbinden, seine Stimme, die zur richtigen
^usbalanzierung des Ganzen wie die jedes anderen Bürgers "otmenoig ist, zur
Verfügung zu stellen. Er muß mit den Wölfen heulen, was ihn an einer eigenen
Tonart ja nicht verhindert. Scheffler sucht die "Ursachen der geringen Wahl¬
beteiligung in der Art des politischen Lebens und Treibens der Parteien, ihren
schlechten Gewohnheiten". Aber abgesehen davon, daß dies nicht der Grund,
sondern höchstens einer neben wichtigeren anderen ist, liegt hier ein Jrrkreis vor.
Denn gerade das apolitische Bciseitejiehen der Scheffler und Genossen läßt jenen
"schlechten Gewohnheiten" nur immer weiteren Spielraum'*).
"

Andere sogenannte "Sicherungen sind noch in der Schwebe. Dazu gehören
die oft erwähnten Kulturfordcrungen des Zentrums, deren Verankerung in der
Verfassung von dieser Seite gewünscht wird. Während die Nationalliberalen dies¬
mal "fast geschlossen" ("Germania" Ur. 228) dafür gestimmt haben, verhalten
und die Konservativen trotz unleugbarer geistiger Verwandtschaft vor der
Hand immer noch ablehnend. Abgesehen davon, daß man hier von der¬
gleichen sekundären Maßregeln sich nicht viel verspricht**"), wenn das Rbel in seiner
Wurzel nicht gebessert wird, bestehen auch sachliche Differenzen über Ausmaß und
^tre der "staatskirchenrechtlichen Verfassnngssicherungen" im evangelischen und
katholischen Lager.f) Es entbehrt außerdem nicht des pikanten Beigeschmackes,
daß die "Germania" neuerdings (Ur. 225) die Notwendigkeit der Zentrumsanträge
?naht nur mit der Abwehr nach links, sondern auch -- nach rechts begründet,
oben sie sich dabei auf eine Schrift des Lizentiaten Alter beruft, die das Christentum
gegen den germanischen Götzenkultus "alldeutscher Demagogen" verteidigt. Alter
gehört zu der Antivaterlandspartei und den Alldcntschenfressern um Delbrück,
Vaumgarten, Hobohm usw. Daß sich die Erzbergersche "Germania" zu diesen
preisen hingezogen fühlt, ist ja weiter nicht verwunderlich, ihre doppelte Front
bringt aber jene geistigen Beziehungen zwischen dem konservativen und katholischen
Kulturprogramm einigermaßen in Verwirrung.

Die andere, trotz vieler Bemühungen noch nicht verwirklichte Schutzmaßregel
uegt in dem Gedanken des Proportionalmahlrechtes. Es ist die Lieblingsforderung
der Nationalliberalen, Wohl gemerkt nur in der Form des Tcilproporzes; denn
von der reinen Landeswahl befürchtet man in diesen Kreisen eine Stärkung der
Sozialdemokratie und ein Aufwuchern aller möglichen Sonderbündeleien. Diese
Gefahr droht in der Ostmark, wo die Verhältniswahl in erster Linie eingeführt
werden soll, nicht, da hier das gemeinsame nationale Interesse die Deutschen
zusammenhalten wird. Man hat nun wohl gemeint, was nützt den Ostmarken
das besondere Wahlverfahren, wenn die allgemeinen Wahlen in Preußen eine laue
Mehrheit für die Polenpolitik zeitigen? Das ist ungefähr auch der freikonservative
Standpunkt. Immerhin rechnet doch ein ehemaliger Angehöriger dieser Fraktion,
der Abgeordnete v. Kardorff, auf einen Gewinn von fünfzehn Mandaten für die
drei alten Kartellparteicn, wenn der Proporz für die Ostmarken, Oberschlesien und
"erim Wirklichkeit wird. Die Konservativen, die auch in dieser Frage (noch mehr
als bei den Zentruinssicherungen) parteipolitisch engagiert sind, lehnen wohl nur
°us taktischen Gründen ab, um halben Freunden des gleichen Wahlrechtes unter






*) Für ihn ist z. B, das gleiche Wahlrecht "ein ziemlich wesenloses Symbol, das am
tun""n Bestand des Staates kaum etwas ändern wird, wenn es die Fassade auch ein wenig
umgestaltet".
'"
" . "') Das betont auch der sonst höchst parteiisch gehaltene "Offene Brief des Abge-
ownelen Oscar Meyer an Scheffler in Ur. 247 der "Vossischen Zeitung".
'
. *") In der Tat hat man von links vielsagend auf die Möglichkeit eines DurchbrennenS
er Sicherungen hingewiesen."
f) Vergl. "Kreuzzeitung" Ur. 143, "Germania" Ur. 141, "Roten Tag Ur. 100 u. 111.

Gebiete so tüchtige Karl Scheffler gesagt sein lassen, der kürzlich in der „Vossischen
Zeitung" einen von Seltsamkeiten und Irrtümern") erfüllten Protestartikel über
»Wahlpflicht" schrieb. Solange Herr Scheffler nicht auf einer Insel lebt, sondern
vielmehr die sonstigen staatlichen Einrichtungen wie wir alle in Anspruch nimmt,
rann er sich nicht von der Pflicht entbinden, seine Stimme, die zur richtigen
^usbalanzierung des Ganzen wie die jedes anderen Bürgers «otmenoig ist, zur
Verfügung zu stellen. Er muß mit den Wölfen heulen, was ihn an einer eigenen
Tonart ja nicht verhindert. Scheffler sucht die „Ursachen der geringen Wahl¬
beteiligung in der Art des politischen Lebens und Treibens der Parteien, ihren
schlechten Gewohnheiten". Aber abgesehen davon, daß dies nicht der Grund,
sondern höchstens einer neben wichtigeren anderen ist, liegt hier ein Jrrkreis vor.
Denn gerade das apolitische Bciseitejiehen der Scheffler und Genossen läßt jenen
»schlechten Gewohnheiten" nur immer weiteren Spielraum'*).
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Andere sogenannte „Sicherungen sind noch in der Schwebe. Dazu gehören
die oft erwähnten Kulturfordcrungen des Zentrums, deren Verankerung in der
Verfassung von dieser Seite gewünscht wird. Während die Nationalliberalen dies¬
mal „fast geschlossen" („Germania" Ur. 228) dafür gestimmt haben, verhalten
und die Konservativen trotz unleugbarer geistiger Verwandtschaft vor der
Hand immer noch ablehnend. Abgesehen davon, daß man hier von der¬
gleichen sekundären Maßregeln sich nicht viel verspricht**"), wenn das Rbel in seiner
Wurzel nicht gebessert wird, bestehen auch sachliche Differenzen über Ausmaß und
^tre der „staatskirchenrechtlichen Verfassnngssicherungen" im evangelischen und
katholischen Lager.f) Es entbehrt außerdem nicht des pikanten Beigeschmackes,
daß die „Germania" neuerdings (Ur. 225) die Notwendigkeit der Zentrumsanträge
?naht nur mit der Abwehr nach links, sondern auch — nach rechts begründet,
oben sie sich dabei auf eine Schrift des Lizentiaten Alter beruft, die das Christentum
gegen den germanischen Götzenkultus „alldeutscher Demagogen" verteidigt. Alter
gehört zu der Antivaterlandspartei und den Alldcntschenfressern um Delbrück,
Vaumgarten, Hobohm usw. Daß sich die Erzbergersche „Germania" zu diesen
preisen hingezogen fühlt, ist ja weiter nicht verwunderlich, ihre doppelte Front
bringt aber jene geistigen Beziehungen zwischen dem konservativen und katholischen
Kulturprogramm einigermaßen in Verwirrung.

Die andere, trotz vieler Bemühungen noch nicht verwirklichte Schutzmaßregel
uegt in dem Gedanken des Proportionalmahlrechtes. Es ist die Lieblingsforderung
der Nationalliberalen, Wohl gemerkt nur in der Form des Tcilproporzes; denn
von der reinen Landeswahl befürchtet man in diesen Kreisen eine Stärkung der
Sozialdemokratie und ein Aufwuchern aller möglichen Sonderbündeleien. Diese
Gefahr droht in der Ostmark, wo die Verhältniswahl in erster Linie eingeführt
werden soll, nicht, da hier das gemeinsame nationale Interesse die Deutschen
zusammenhalten wird. Man hat nun wohl gemeint, was nützt den Ostmarken
das besondere Wahlverfahren, wenn die allgemeinen Wahlen in Preußen eine laue
Mehrheit für die Polenpolitik zeitigen? Das ist ungefähr auch der freikonservative
Standpunkt. Immerhin rechnet doch ein ehemaliger Angehöriger dieser Fraktion,
der Abgeordnete v. Kardorff, auf einen Gewinn von fünfzehn Mandaten für die
drei alten Kartellparteicn, wenn der Proporz für die Ostmarken, Oberschlesien und
«erim Wirklichkeit wird. Die Konservativen, die auch in dieser Frage (noch mehr
als bei den Zentruinssicherungen) parteipolitisch engagiert sind, lehnen wohl nur
°us taktischen Gründen ab, um halben Freunden des gleichen Wahlrechtes unter






*) Für ihn ist z. B, das gleiche Wahlrecht „ein ziemlich wesenloses Symbol, das am
tun««n Bestand des Staates kaum etwas ändern wird, wenn es die Fassade auch ein wenig
umgestaltet".
'"
„ . "') Das betont auch der sonst höchst parteiisch gehaltene „Offene Brief des Abge-
ownelen Oscar Meyer an Scheffler in Ur. 247 der „Vossischen Zeitung".
'
. *") In der Tat hat man von links vielsagend auf die Möglichkeit eines DurchbrennenS
er Sicherungen hingewiesen."
f) Vergl. „Kreuzzeitung" Ur. 143, „Germania" Ur. 141, „Roten Tag Ur. 100 u. 111.
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[0225] Gebiete so tüchtige Karl Scheffler gesagt sein lassen, der kürzlich in der „Vossischen Zeitung" einen von Seltsamkeiten und Irrtümern") erfüllten Protestartikel über »Wahlpflicht" schrieb. Solange Herr Scheffler nicht auf einer Insel lebt, sondern vielmehr die sonstigen staatlichen Einrichtungen wie wir alle in Anspruch nimmt, rann er sich nicht von der Pflicht entbinden, seine Stimme, die zur richtigen ^usbalanzierung des Ganzen wie die jedes anderen Bürgers «otmenoig ist, zur Verfügung zu stellen. Er muß mit den Wölfen heulen, was ihn an einer eigenen Tonart ja nicht verhindert. Scheffler sucht die „Ursachen der geringen Wahl¬ beteiligung in der Art des politischen Lebens und Treibens der Parteien, ihren schlechten Gewohnheiten". Aber abgesehen davon, daß dies nicht der Grund, sondern höchstens einer neben wichtigeren anderen ist, liegt hier ein Jrrkreis vor. Denn gerade das apolitische Bciseitejiehen der Scheffler und Genossen läßt jenen »schlechten Gewohnheiten" nur immer weiteren Spielraum'*). " Andere sogenannte „Sicherungen sind noch in der Schwebe. Dazu gehören die oft erwähnten Kulturfordcrungen des Zentrums, deren Verankerung in der Verfassung von dieser Seite gewünscht wird. Während die Nationalliberalen dies¬ mal „fast geschlossen" („Germania" Ur. 228) dafür gestimmt haben, verhalten und die Konservativen trotz unleugbarer geistiger Verwandtschaft vor der Hand immer noch ablehnend. Abgesehen davon, daß man hier von der¬ gleichen sekundären Maßregeln sich nicht viel verspricht**"), wenn das Rbel in seiner Wurzel nicht gebessert wird, bestehen auch sachliche Differenzen über Ausmaß und ^tre der „staatskirchenrechtlichen Verfassnngssicherungen" im evangelischen und katholischen Lager.f) Es entbehrt außerdem nicht des pikanten Beigeschmackes, daß die „Germania" neuerdings (Ur. 225) die Notwendigkeit der Zentrumsanträge ?naht nur mit der Abwehr nach links, sondern auch — nach rechts begründet, oben sie sich dabei auf eine Schrift des Lizentiaten Alter beruft, die das Christentum gegen den germanischen Götzenkultus „alldeutscher Demagogen" verteidigt. Alter gehört zu der Antivaterlandspartei und den Alldcntschenfressern um Delbrück, Vaumgarten, Hobohm usw. Daß sich die Erzbergersche „Germania" zu diesen preisen hingezogen fühlt, ist ja weiter nicht verwunderlich, ihre doppelte Front bringt aber jene geistigen Beziehungen zwischen dem konservativen und katholischen Kulturprogramm einigermaßen in Verwirrung. Die andere, trotz vieler Bemühungen noch nicht verwirklichte Schutzmaßregel uegt in dem Gedanken des Proportionalmahlrechtes. Es ist die Lieblingsforderung der Nationalliberalen, Wohl gemerkt nur in der Form des Tcilproporzes; denn von der reinen Landeswahl befürchtet man in diesen Kreisen eine Stärkung der Sozialdemokratie und ein Aufwuchern aller möglichen Sonderbündeleien. Diese Gefahr droht in der Ostmark, wo die Verhältniswahl in erster Linie eingeführt werden soll, nicht, da hier das gemeinsame nationale Interesse die Deutschen zusammenhalten wird. Man hat nun wohl gemeint, was nützt den Ostmarken das besondere Wahlverfahren, wenn die allgemeinen Wahlen in Preußen eine laue Mehrheit für die Polenpolitik zeitigen? Das ist ungefähr auch der freikonservative Standpunkt. Immerhin rechnet doch ein ehemaliger Angehöriger dieser Fraktion, der Abgeordnete v. Kardorff, auf einen Gewinn von fünfzehn Mandaten für die drei alten Kartellparteicn, wenn der Proporz für die Ostmarken, Oberschlesien und «erim Wirklichkeit wird. Die Konservativen, die auch in dieser Frage (noch mehr als bei den Zentruinssicherungen) parteipolitisch engagiert sind, lehnen wohl nur °us taktischen Gründen ab, um halben Freunden des gleichen Wahlrechtes unter *) Für ihn ist z. B, das gleiche Wahlrecht „ein ziemlich wesenloses Symbol, das am tun««n Bestand des Staates kaum etwas ändern wird, wenn es die Fassade auch ein wenig umgestaltet". '" „ . "') Das betont auch der sonst höchst parteiisch gehaltene „Offene Brief des Abge- ownelen Oscar Meyer an Scheffler in Ur. 247 der „Vossischen Zeitung". ' . *") In der Tat hat man von links vielsagend auf die Möglichkeit eines DurchbrennenS er Sicherungen hingewiesen." f) Vergl. „Kreuzzeitung" Ur. 143, „Germania" Ur. 141, „Roten Tag Ur. 100 u. 111.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/225>, abgerufen am 29.06.2024.