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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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ihr "volles Verständnis für die Entschlüsse, die das Ministerium für den Augen¬
blick gefaßt hat" und sieht, wenn die "ultnna rstio" der Auflösung möglichst
hinausgeschoben wird, keine Verschleppung, sondern nur die "Möglichkeit, dabei
zu gewinnen, nämlich schließlich doch noch zu einem Ausgleich zu gelangen."
(Ur. 223.) Vor der Hand scheint allerdings das Entgegenkommen der anderen
als Voraussetzung dieser Verständigung zu gelten. Immerhin, es könnte Wohl
geschehen, daß die oft bedauerten "Mittelparteien", insbesondere die Nationalliberalen,
statt zwischen den "ausgesprochenen" Programmen von rechts und links zerrieben
zu werden, diesmal den Kristallisationskern bilden, zu den: hin schließlich auch
die glatten Ja- und Neinsager sich bequemen müssen. Das verlangt natürlich
ein weitläufiges Kompromiß. Aber liegt darin etwas Unehrenhaftes oder Menschen¬
unmögliches? Wir bestreiten daS -- wie schon nach der zweiten Lesung -- ganz
entschieden. Auch die in gewissen Kreisen so beliebte parlamentarische Regierungs-
weise verläßt zu Zeiten den Boden des alleinseligmachenden Programms der
einen Regierungspartei und bildet -- wenn es sich um großes handelt, z. B. im
Kriege -- ein sogen. Koalitionskabinett. Warum sollte nicht auch die entscheidende
Frage des preußischen Verfassungsrechts durch eine Koalition der Parteiansichteu
gelöst werden?

Der Weg ist in der Presse hier und da unseres Erachtens schon richtig be¬
schrieben worden, obgleich natürlich die praktische Beschreidung immer noch andere
Gesichtspunkte zutage fördern kann. So etwa schon vor Wochen im "Lokalanzeiger":
"Zum Kompromiß wäre nötig, daß das Zentrum seine kulturellen, Freikonservative
und nationalliberale Wahlrechtsgegner gemischte etatsrechtliche und sonstige Siche¬
rungen erhalten, und daß das gleiche Wahlrecht nicht in absolutem Sinne aus¬
gelegt wird". Oder neuerdings in der freikonservativen "Post": "Verständigung
scheint immerhin nicht aussichtslos, aber nur. wenn nun auch Regierung und
Wahlrechtsfreunde positiv entgegenkommen, auf deu Boden eines Wahlrechts, das
auf der Grundlage grundsätzlich anerkannter Wahlrechtsgleichheit Differenzierung
vornimmt." Darin liegt kein Widerspruch, sonst müßte man die allgemein geübte
Rechtsgewohnheit der Gesetjesklausel für hinfällig erklären.

Nun haben ja die Wahlrechtsgegner bereits Vorteile zu hundelt.

Zunächst die von der Regierung halb und halb bewilligte Altersstimme.
Wenn man sich auf den absoluten Standpunkt des gleichen Wahlrechts stellt, ist
auch sie schon unannehmbar, denn "jede Mehrstimme, mag sie vielen oder wenigen
zugute kommen, ist eine Durchbrechung des gleichen Wahlrechts" ("Frankfurter
Zeitung" vom 14. Mai. 2. Morgenblatt). Außerdem mag auf die Benachteiligung
gewisser hygienisch schlechter gestellter Arbeiterkreise und vor allem der in ihrer
Gesundheit geschädigten Kriegsteilnehmer hingewiesen werden. Aber wir können
ja diese absolute Betrachtung gar nicht durchführen, sonst müßte man auch den
unter 25 Jahre alten Preußen und deu Frauen das Wahlrecht geben. Gewisse
"Abstufungen" sind also bereits anerkannt.

Ferner sind die ZentrumSmiträge auf Festlegung der Wahlkreiseinteilung
und auf eine sogenannte "qualifizierte" Mehrheit bei Verfassungsündelungeu
(an Stelle der bisher gültigen absoluten Mehrheit) angensmmen.

Wichtiger, als für gewöhnlich gedacht wird, kann die in zweiter Lesung
beschlossene "Wahlpflicht" sein. Mit Recht begrüßt N. Nordhausen im "Noten
Tag" die Maßregel als "die beste und würdigste aller überhaupt noch möglichen
Sicherungen". Denn "wie die Dinge liegen, nutz gerade das ruhige, zufriedene
und deswegen zur Bequemlichkeit neigende VoWelement mit allen Mitteln ge¬
zwungen werden, auch seine Meinung und seine Suma" in die Wagschale zu
werfen". Nunmehr, wo wir unsere politische Indifferenz nicht mit den barocken
Verwirrungen des Dreiklassenrechts entschuldigsn können, muß es heißen: alle
Mann an Bord des nengetakclten Parlamentsschiffs. Der einzelne darf sich
heute uicht mehr einer staatlichen Funktion entziehen, wenn er sich auch noch so
erhaben dSnkt über den staubigen Kampf der politischen Arena und sich bewußt
den Namen eines "Parteilosen" beilegt. Das möge sich auch der auf seinem


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ihr „volles Verständnis für die Entschlüsse, die das Ministerium für den Augen¬
blick gefaßt hat" und sieht, wenn die „ultnna rstio" der Auflösung möglichst
hinausgeschoben wird, keine Verschleppung, sondern nur die „Möglichkeit, dabei
zu gewinnen, nämlich schließlich doch noch zu einem Ausgleich zu gelangen."
(Ur. 223.) Vor der Hand scheint allerdings das Entgegenkommen der anderen
als Voraussetzung dieser Verständigung zu gelten. Immerhin, es könnte Wohl
geschehen, daß die oft bedauerten „Mittelparteien", insbesondere die Nationalliberalen,
statt zwischen den „ausgesprochenen" Programmen von rechts und links zerrieben
zu werden, diesmal den Kristallisationskern bilden, zu den: hin schließlich auch
die glatten Ja- und Neinsager sich bequemen müssen. Das verlangt natürlich
ein weitläufiges Kompromiß. Aber liegt darin etwas Unehrenhaftes oder Menschen¬
unmögliches? Wir bestreiten daS — wie schon nach der zweiten Lesung — ganz
entschieden. Auch die in gewissen Kreisen so beliebte parlamentarische Regierungs-
weise verläßt zu Zeiten den Boden des alleinseligmachenden Programms der
einen Regierungspartei und bildet — wenn es sich um großes handelt, z. B. im
Kriege — ein sogen. Koalitionskabinett. Warum sollte nicht auch die entscheidende
Frage des preußischen Verfassungsrechts durch eine Koalition der Parteiansichteu
gelöst werden?

Der Weg ist in der Presse hier und da unseres Erachtens schon richtig be¬
schrieben worden, obgleich natürlich die praktische Beschreidung immer noch andere
Gesichtspunkte zutage fördern kann. So etwa schon vor Wochen im „Lokalanzeiger":
„Zum Kompromiß wäre nötig, daß das Zentrum seine kulturellen, Freikonservative
und nationalliberale Wahlrechtsgegner gemischte etatsrechtliche und sonstige Siche¬
rungen erhalten, und daß das gleiche Wahlrecht nicht in absolutem Sinne aus¬
gelegt wird". Oder neuerdings in der freikonservativen „Post": „Verständigung
scheint immerhin nicht aussichtslos, aber nur. wenn nun auch Regierung und
Wahlrechtsfreunde positiv entgegenkommen, auf deu Boden eines Wahlrechts, das
auf der Grundlage grundsätzlich anerkannter Wahlrechtsgleichheit Differenzierung
vornimmt." Darin liegt kein Widerspruch, sonst müßte man die allgemein geübte
Rechtsgewohnheit der Gesetjesklausel für hinfällig erklären.

Nun haben ja die Wahlrechtsgegner bereits Vorteile zu hundelt.

Zunächst die von der Regierung halb und halb bewilligte Altersstimme.
Wenn man sich auf den absoluten Standpunkt des gleichen Wahlrechts stellt, ist
auch sie schon unannehmbar, denn „jede Mehrstimme, mag sie vielen oder wenigen
zugute kommen, ist eine Durchbrechung des gleichen Wahlrechts" („Frankfurter
Zeitung" vom 14. Mai. 2. Morgenblatt). Außerdem mag auf die Benachteiligung
gewisser hygienisch schlechter gestellter Arbeiterkreise und vor allem der in ihrer
Gesundheit geschädigten Kriegsteilnehmer hingewiesen werden. Aber wir können
ja diese absolute Betrachtung gar nicht durchführen, sonst müßte man auch den
unter 25 Jahre alten Preußen und deu Frauen das Wahlrecht geben. Gewisse
„Abstufungen" sind also bereits anerkannt.

Ferner sind die ZentrumSmiträge auf Festlegung der Wahlkreiseinteilung
und auf eine sogenannte „qualifizierte" Mehrheit bei Verfassungsündelungeu
(an Stelle der bisher gültigen absoluten Mehrheit) angensmmen.

Wichtiger, als für gewöhnlich gedacht wird, kann die in zweiter Lesung
beschlossene „Wahlpflicht" sein. Mit Recht begrüßt N. Nordhausen im „Noten
Tag" die Maßregel als „die beste und würdigste aller überhaupt noch möglichen
Sicherungen". Denn „wie die Dinge liegen, nutz gerade das ruhige, zufriedene
und deswegen zur Bequemlichkeit neigende VoWelement mit allen Mitteln ge¬
zwungen werden, auch seine Meinung und seine Suma« in die Wagschale zu
werfen". Nunmehr, wo wir unsere politische Indifferenz nicht mit den barocken
Verwirrungen des Dreiklassenrechts entschuldigsn können, muß es heißen: alle
Mann an Bord des nengetakclten Parlamentsschiffs. Der einzelne darf sich
heute uicht mehr einer staatlichen Funktion entziehen, wenn er sich auch noch so
erhaben dSnkt über den staubigen Kampf der politischen Arena und sich bewußt
den Namen eines „Parteilosen" beilegt. Das möge sich auch der auf seinem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/224>, abgerufen am 01.07.2024.