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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Das preußische Zollgesetz vom 2S> Mai 1^8

gegen den legitimen Träger des Titels, den Großfürsten-Thronfolger, noch seine
Stellung zum Großrussentum berührt.

Wir Deutsche könnten mit dieser sich anbahnenden Entwicklung einverstanden
sein, unter der Voraussetzung, daß es uns gelingt, einen erheblichen Einfluß auf ihren
Fortgang zu gewinnen. Täusche ich mich nicht, so ist die Möglichkeit gegeben,
das Schwergewicht Rußlands vom Norden nach dem Süden zu verlegen und das
neue Rußland aus einem Ostseestaat zu einem Levantestaat zu machen. Aber
über alle diese Fragen wird man erst urteilen können, wenn die Einzelheiten
bekannt sind, die zum Sturze der Rada durch Skoropadski geführt haben und
wenn sich die oben ausgesprochenen Ansichten als zutreffend erweisen. Überschätzen
wir die Tatsache nicht, daß die führenden Kreise Rußlands gegenwärtig eine
Stütze an uns und Schutz bei uns suchen, weil sie in ihrer Existenz durch die
Maximalisten bedroht sind. Es ist sehr ernst zu überlegen, ob wir uns dazu
verstehen dürfen durch die Übernahme ihres Schutzes, uns in die sozialen Aus¬
einandersetzungen des russischen Volkes einzumischen. Die Dinge liegen hier
anders wie in den baltischen Provinzen, wo wir eine hohe deutsche Kultur zu
retten hatten. Jede Intervention zugunsten der hier in Frage kommenden
Kreise würde von uns in erster Linie Opfer fordern, ohne Aussicht zunächst auf
eine entsprechende Gegenleistung. Können dagegen Garantien für einen Ausgleich
der Lasten gegeben werden, so mögen unsere Diplomaten des Wortes eingedenk
sein, daß man dem geschlagenen Gegner goldene Brücken bauen soll. Rußland
und Deutschland hatten vor dem Kriege keinen ernsthaften Grund zur Feindschaft,
aber ungeheuer weitgehende "gemeinsame Interessen. Die positiven Grundlagen
der Jnterssengemeinschaft sind auch durch den Krieg nicht vernichtet.




Das preußische Zollgesetz vom 26. Mai M8, seine
Bedeutung für Preußen und den Deutschen Zollverein
Line Erinnerung zum
ol-. ZV. Menn von

l iemals vermögen internationale Konferenzen den Notwendigkeiten
nationalen Lebens gerecht zu werden. Uns Deutschen sollte der
traurige Abschluß der Napoleonischen Kriege im Wiener.Kongreß
allzeit ein warnendes Beispiel sein. Das klägliche Machwerk des
Bundestages und der Bundesakte, die wohlweislich nicht auf Macht
^und Bedeutung der Staaten, sondern lediglich auf sogenanntem
'"echt aufgebaut waren, brachte dem deutschen Volke keine Förderung. Nicht ein¬
mal Preußen, der Einzelstaat, der mit Fug größere Ansprüche erheben konnte,
yatte Ursache, mit den Ergebnissen des Kongresses zufrieden zu sein. Welch ein
^culte war aus ihm gewordenI Im Osten schnitt fremdes Gebiet unnatürlich
"^s in seine Grenzen ein, im Süden war der neue Regierungsbezirk Erfurt einM
^


Das preußische Zollgesetz vom 2S> Mai 1^8

gegen den legitimen Träger des Titels, den Großfürsten-Thronfolger, noch seine
Stellung zum Großrussentum berührt.

Wir Deutsche könnten mit dieser sich anbahnenden Entwicklung einverstanden
sein, unter der Voraussetzung, daß es uns gelingt, einen erheblichen Einfluß auf ihren
Fortgang zu gewinnen. Täusche ich mich nicht, so ist die Möglichkeit gegeben,
das Schwergewicht Rußlands vom Norden nach dem Süden zu verlegen und das
neue Rußland aus einem Ostseestaat zu einem Levantestaat zu machen. Aber
über alle diese Fragen wird man erst urteilen können, wenn die Einzelheiten
bekannt sind, die zum Sturze der Rada durch Skoropadski geführt haben und
wenn sich die oben ausgesprochenen Ansichten als zutreffend erweisen. Überschätzen
wir die Tatsache nicht, daß die führenden Kreise Rußlands gegenwärtig eine
Stütze an uns und Schutz bei uns suchen, weil sie in ihrer Existenz durch die
Maximalisten bedroht sind. Es ist sehr ernst zu überlegen, ob wir uns dazu
verstehen dürfen durch die Übernahme ihres Schutzes, uns in die sozialen Aus¬
einandersetzungen des russischen Volkes einzumischen. Die Dinge liegen hier
anders wie in den baltischen Provinzen, wo wir eine hohe deutsche Kultur zu
retten hatten. Jede Intervention zugunsten der hier in Frage kommenden
Kreise würde von uns in erster Linie Opfer fordern, ohne Aussicht zunächst auf
eine entsprechende Gegenleistung. Können dagegen Garantien für einen Ausgleich
der Lasten gegeben werden, so mögen unsere Diplomaten des Wortes eingedenk
sein, daß man dem geschlagenen Gegner goldene Brücken bauen soll. Rußland
und Deutschland hatten vor dem Kriege keinen ernsthaften Grund zur Feindschaft,
aber ungeheuer weitgehende «gemeinsame Interessen. Die positiven Grundlagen
der Jnterssengemeinschaft sind auch durch den Krieg nicht vernichtet.




Das preußische Zollgesetz vom 26. Mai M8, seine
Bedeutung für Preußen und den Deutschen Zollverein
Line Erinnerung zum
ol-. ZV. Menn von

l iemals vermögen internationale Konferenzen den Notwendigkeiten
nationalen Lebens gerecht zu werden. Uns Deutschen sollte der
traurige Abschluß der Napoleonischen Kriege im Wiener.Kongreß
allzeit ein warnendes Beispiel sein. Das klägliche Machwerk des
Bundestages und der Bundesakte, die wohlweislich nicht auf Macht
^und Bedeutung der Staaten, sondern lediglich auf sogenanntem
'"echt aufgebaut waren, brachte dem deutschen Volke keine Förderung. Nicht ein¬
mal Preußen, der Einzelstaat, der mit Fug größere Ansprüche erheben konnte,
yatte Ursache, mit den Ergebnissen des Kongresses zufrieden zu sein. Welch ein
^culte war aus ihm gewordenI Im Osten schnitt fremdes Gebiet unnatürlich
"^s in seine Grenzen ein, im Süden war der neue Regierungsbezirk Erfurt einM
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[0187] Das preußische Zollgesetz vom 2S> Mai 1^8 gegen den legitimen Träger des Titels, den Großfürsten-Thronfolger, noch seine Stellung zum Großrussentum berührt. Wir Deutsche könnten mit dieser sich anbahnenden Entwicklung einverstanden sein, unter der Voraussetzung, daß es uns gelingt, einen erheblichen Einfluß auf ihren Fortgang zu gewinnen. Täusche ich mich nicht, so ist die Möglichkeit gegeben, das Schwergewicht Rußlands vom Norden nach dem Süden zu verlegen und das neue Rußland aus einem Ostseestaat zu einem Levantestaat zu machen. Aber über alle diese Fragen wird man erst urteilen können, wenn die Einzelheiten bekannt sind, die zum Sturze der Rada durch Skoropadski geführt haben und wenn sich die oben ausgesprochenen Ansichten als zutreffend erweisen. Überschätzen wir die Tatsache nicht, daß die führenden Kreise Rußlands gegenwärtig eine Stütze an uns und Schutz bei uns suchen, weil sie in ihrer Existenz durch die Maximalisten bedroht sind. Es ist sehr ernst zu überlegen, ob wir uns dazu verstehen dürfen durch die Übernahme ihres Schutzes, uns in die sozialen Aus¬ einandersetzungen des russischen Volkes einzumischen. Die Dinge liegen hier anders wie in den baltischen Provinzen, wo wir eine hohe deutsche Kultur zu retten hatten. Jede Intervention zugunsten der hier in Frage kommenden Kreise würde von uns in erster Linie Opfer fordern, ohne Aussicht zunächst auf eine entsprechende Gegenleistung. Können dagegen Garantien für einen Ausgleich der Lasten gegeben werden, so mögen unsere Diplomaten des Wortes eingedenk sein, daß man dem geschlagenen Gegner goldene Brücken bauen soll. Rußland und Deutschland hatten vor dem Kriege keinen ernsthaften Grund zur Feindschaft, aber ungeheuer weitgehende «gemeinsame Interessen. Die positiven Grundlagen der Jnterssengemeinschaft sind auch durch den Krieg nicht vernichtet. Das preußische Zollgesetz vom 26. Mai M8, seine Bedeutung für Preußen und den Deutschen Zollverein Line Erinnerung zum ol-. ZV. Menn von l iemals vermögen internationale Konferenzen den Notwendigkeiten nationalen Lebens gerecht zu werden. Uns Deutschen sollte der traurige Abschluß der Napoleonischen Kriege im Wiener.Kongreß allzeit ein warnendes Beispiel sein. Das klägliche Machwerk des Bundestages und der Bundesakte, die wohlweislich nicht auf Macht ^und Bedeutung der Staaten, sondern lediglich auf sogenanntem '"echt aufgebaut waren, brachte dem deutschen Volke keine Förderung. Nicht ein¬ mal Preußen, der Einzelstaat, der mit Fug größere Ansprüche erheben konnte, yatte Ursache, mit den Ergebnissen des Kongresses zufrieden zu sein. Welch ein ^culte war aus ihm gewordenI Im Osten schnitt fremdes Gebiet unnatürlich "^s in seine Grenzen ein, im Süden war der neue Regierungsbezirk Erfurt einM ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/187>, abgerufen am 01.07.2024.