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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Das ZVahlrcchtsproblem nach der zweiten Lesung

erhalten, daß die Negierung diesem Umstände Rechnung tragen muß und bei aller
Loyalität gegenüber ihrem Programm doch auf einen Kompromiß in Ehren bedacht
sein kann. Sie wird sich hoffentlich dabei durch das Geschrei der "R"form"-Presse
über Unfall und Inkonsequenz nicht irre machen lassen, als wenn in dem Begriffe
Kompromiß schon etwas Anrüchiges oder "Unwürdiges"^) läge. Auch der berühmte
"Mittelweg", den man doch den "goldenen" zu nennen pflegt, beruht auf einem
Kompromiß. "Anrüchig" sind vielmehr zurzeit gerade die einseitigen Lösungen
rechts und links von diesem Mittelwege, indem sich die Wahlrechtsfreunde an dem
"plutokratischen". ihre Gegner an dem "gleichen" Rechte stoßen. Es gilt diese
gewissermaßen elektrisch geladenen Kampfbegriffe zu eliminieren, um dadurch die
Spannung zu beseitigen.

Dabei liegt das Entwicklungsmoment zunächst in dem Ausbau der "Siche¬
rungen", was das Zentrum von vornherein als wesentlichen Bestandteil seines
Programms vertreten hat. Es scheint einzutreffen, was die "Kölnische Volks¬
zeitung" (wir machten auf ihren Artikel besonders aufmerksam) seinerzeit
voraussagte.

Der Vizepräsident des Staatsministeriums behielt die endgültige Stellung¬
nahme der Regierung bis zur dritten Lesung vor, denn es könne zwischen der
zweiten und dritten Lesung doch wohl eine Verständigung möglich sein. Und
der Ministerpräsident erklärte, die Regierung müsse zwar "grundsätzlich" am
gleichen Wahlrecht festhalten, wohl aber sei es möglich, "gewisse Sicherungen
vorzunehmen, um die befürchteten, allzu weit gehenden radikalen Folgen, die aus
dem gleichen Wahlrecht sich ergeben könnten, zu beseitigen".
"

Me "in Vorbereitung befindlichen Anträge dieses Inhalts, auf die Graf
Hertling hinwies, sind inzwischen von seiner Partei im Plenum des Abgeordneten¬
hauses eingebracht worden. Es handelt sich dabei um folgende sechs Kautelen:
1. Die Abgrenzung der Wahlbezirke oder die Verteilung der Abgeordneten auf
sie kann nur durch Gesetz geändert werden, wobei eine Stimmenmehrheit von
zwei Dritteln in jeder Kammer erforderlich ist. 2. Die der evangelischen und
römisch-katholischen Kirche zustehenden Befugnisse und Einkünfte werden dauernd
aufrechterhalten. 3. Beide Kirchen bleiben im Besitz ihrer Anstalten, Stiftungen,
Fonds und staatlichen Zuschüsse.^') 4. Der konfessionelle Charakter der öffentlichen
Volksschule wird gewährleistet. 5. Gemeinsame Abstimmung beider Kammern in
vereinigter Sitzung bei strittiger Meinung über einen Posten des Staatshaushalts.
6. Abänderung der Verfassung auf dem ordentlichen Wege der Gesetzgebung,
jedoch nur durch Zweidrittelmehrheit, sofern es sich um TiteNI "Von den Rechten
der Preußen" handelt. Der letzte (ebenso wie der erste) Punkt ist notwendig,
weil, wie die "Germania" erläuternd hervorhebt, die bei Verfassungsänderungen
vorgeschriebene, gewöhnliche, absolute Mehrheit nicht genügt, "um in politisch
bewegten Zeiten die Stetigkeit der Verfassungsgrundlagen sicherzustellen".

Beiläufig: man gedenkt des Wortes "Rußland und die Kirche können
warten" angesichts der glänzend operierenden Taktik des Zentrums. Zunächst
hielt es sich vorsichtig zurück, obwohl, was gewöhnlich vergessen wird, schon bei
der ersten Lesung die Ellbogenfreiheit seiner Mitglieder sichergestellt wurdet)
In der Kommission ließ man die Nationalliberalen bei der Abstimmung über
den konservativen Pluralwahlrechtsantrag "verbluten" und konnte sich auch in
Aweiter Lesung den Luxus populärer Abstimmung leisten (vgl. Heft 16, S. 78).
Jetzt ist für die Partei allmählich ihre Zeit gekommen, die Trümpfe auszuspielen,
und das "Berliner Tageblatt" hat mit seiner Bemerkung ganz recht, daß nunmehr
das "in den Sattel gehobene" Zentrum versuchen könne, die Sicherungen mit der
Rechten und den halben Nationalliberalen, das Wahlrecht mit der Linken und
der anderen Hälfte der Nationalliberalen in das Gesetz hereinzubringen. Es ist
Sum Zünglein an der Wage geworden.





") "Vorwärts" Ur. 126.
**) Noch nicht endgültige FassungI
Daran erinnerte der Abgeordnete Porsch in der zweiten Lesung.
Das ZVahlrcchtsproblem nach der zweiten Lesung

erhalten, daß die Negierung diesem Umstände Rechnung tragen muß und bei aller
Loyalität gegenüber ihrem Programm doch auf einen Kompromiß in Ehren bedacht
sein kann. Sie wird sich hoffentlich dabei durch das Geschrei der „R«form"-Presse
über Unfall und Inkonsequenz nicht irre machen lassen, als wenn in dem Begriffe
Kompromiß schon etwas Anrüchiges oder „Unwürdiges"^) läge. Auch der berühmte
„Mittelweg", den man doch den „goldenen" zu nennen pflegt, beruht auf einem
Kompromiß. „Anrüchig" sind vielmehr zurzeit gerade die einseitigen Lösungen
rechts und links von diesem Mittelwege, indem sich die Wahlrechtsfreunde an dem
„plutokratischen". ihre Gegner an dem „gleichen" Rechte stoßen. Es gilt diese
gewissermaßen elektrisch geladenen Kampfbegriffe zu eliminieren, um dadurch die
Spannung zu beseitigen.

Dabei liegt das Entwicklungsmoment zunächst in dem Ausbau der „Siche¬
rungen", was das Zentrum von vornherein als wesentlichen Bestandteil seines
Programms vertreten hat. Es scheint einzutreffen, was die „Kölnische Volks¬
zeitung" (wir machten auf ihren Artikel besonders aufmerksam) seinerzeit
voraussagte.

Der Vizepräsident des Staatsministeriums behielt die endgültige Stellung¬
nahme der Regierung bis zur dritten Lesung vor, denn es könne zwischen der
zweiten und dritten Lesung doch wohl eine Verständigung möglich sein. Und
der Ministerpräsident erklärte, die Regierung müsse zwar „grundsätzlich" am
gleichen Wahlrecht festhalten, wohl aber sei es möglich, „gewisse Sicherungen
vorzunehmen, um die befürchteten, allzu weit gehenden radikalen Folgen, die aus
dem gleichen Wahlrecht sich ergeben könnten, zu beseitigen".
"

Me „in Vorbereitung befindlichen Anträge dieses Inhalts, auf die Graf
Hertling hinwies, sind inzwischen von seiner Partei im Plenum des Abgeordneten¬
hauses eingebracht worden. Es handelt sich dabei um folgende sechs Kautelen:
1. Die Abgrenzung der Wahlbezirke oder die Verteilung der Abgeordneten auf
sie kann nur durch Gesetz geändert werden, wobei eine Stimmenmehrheit von
zwei Dritteln in jeder Kammer erforderlich ist. 2. Die der evangelischen und
römisch-katholischen Kirche zustehenden Befugnisse und Einkünfte werden dauernd
aufrechterhalten. 3. Beide Kirchen bleiben im Besitz ihrer Anstalten, Stiftungen,
Fonds und staatlichen Zuschüsse.^') 4. Der konfessionelle Charakter der öffentlichen
Volksschule wird gewährleistet. 5. Gemeinsame Abstimmung beider Kammern in
vereinigter Sitzung bei strittiger Meinung über einen Posten des Staatshaushalts.
6. Abänderung der Verfassung auf dem ordentlichen Wege der Gesetzgebung,
jedoch nur durch Zweidrittelmehrheit, sofern es sich um TiteNI „Von den Rechten
der Preußen" handelt. Der letzte (ebenso wie der erste) Punkt ist notwendig,
weil, wie die „Germania" erläuternd hervorhebt, die bei Verfassungsänderungen
vorgeschriebene, gewöhnliche, absolute Mehrheit nicht genügt, „um in politisch
bewegten Zeiten die Stetigkeit der Verfassungsgrundlagen sicherzustellen".

Beiläufig: man gedenkt des Wortes „Rußland und die Kirche können
warten" angesichts der glänzend operierenden Taktik des Zentrums. Zunächst
hielt es sich vorsichtig zurück, obwohl, was gewöhnlich vergessen wird, schon bei
der ersten Lesung die Ellbogenfreiheit seiner Mitglieder sichergestellt wurdet)
In der Kommission ließ man die Nationalliberalen bei der Abstimmung über
den konservativen Pluralwahlrechtsantrag „verbluten" und konnte sich auch in
Aweiter Lesung den Luxus populärer Abstimmung leisten (vgl. Heft 16, S. 78).
Jetzt ist für die Partei allmählich ihre Zeit gekommen, die Trümpfe auszuspielen,
und das „Berliner Tageblatt" hat mit seiner Bemerkung ganz recht, daß nunmehr
das „in den Sattel gehobene" Zentrum versuchen könne, die Sicherungen mit der
Rechten und den halben Nationalliberalen, das Wahlrecht mit der Linken und
der anderen Hälfte der Nationalliberalen in das Gesetz hereinzubringen. Es ist
Sum Zünglein an der Wage geworden.





") „Vorwärts" Ur. 126.
**) Noch nicht endgültige FassungI
Daran erinnerte der Abgeordnete Porsch in der zweiten Lesung.
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[0175] Das ZVahlrcchtsproblem nach der zweiten Lesung erhalten, daß die Negierung diesem Umstände Rechnung tragen muß und bei aller Loyalität gegenüber ihrem Programm doch auf einen Kompromiß in Ehren bedacht sein kann. Sie wird sich hoffentlich dabei durch das Geschrei der „R«form"-Presse über Unfall und Inkonsequenz nicht irre machen lassen, als wenn in dem Begriffe Kompromiß schon etwas Anrüchiges oder „Unwürdiges"^) läge. Auch der berühmte „Mittelweg", den man doch den „goldenen" zu nennen pflegt, beruht auf einem Kompromiß. „Anrüchig" sind vielmehr zurzeit gerade die einseitigen Lösungen rechts und links von diesem Mittelwege, indem sich die Wahlrechtsfreunde an dem „plutokratischen". ihre Gegner an dem „gleichen" Rechte stoßen. Es gilt diese gewissermaßen elektrisch geladenen Kampfbegriffe zu eliminieren, um dadurch die Spannung zu beseitigen. Dabei liegt das Entwicklungsmoment zunächst in dem Ausbau der „Siche¬ rungen", was das Zentrum von vornherein als wesentlichen Bestandteil seines Programms vertreten hat. Es scheint einzutreffen, was die „Kölnische Volks¬ zeitung" (wir machten auf ihren Artikel besonders aufmerksam) seinerzeit voraussagte. Der Vizepräsident des Staatsministeriums behielt die endgültige Stellung¬ nahme der Regierung bis zur dritten Lesung vor, denn es könne zwischen der zweiten und dritten Lesung doch wohl eine Verständigung möglich sein. Und der Ministerpräsident erklärte, die Regierung müsse zwar „grundsätzlich" am gleichen Wahlrecht festhalten, wohl aber sei es möglich, „gewisse Sicherungen vorzunehmen, um die befürchteten, allzu weit gehenden radikalen Folgen, die aus dem gleichen Wahlrecht sich ergeben könnten, zu beseitigen". " Me „in Vorbereitung befindlichen Anträge dieses Inhalts, auf die Graf Hertling hinwies, sind inzwischen von seiner Partei im Plenum des Abgeordneten¬ hauses eingebracht worden. Es handelt sich dabei um folgende sechs Kautelen: 1. Die Abgrenzung der Wahlbezirke oder die Verteilung der Abgeordneten auf sie kann nur durch Gesetz geändert werden, wobei eine Stimmenmehrheit von zwei Dritteln in jeder Kammer erforderlich ist. 2. Die der evangelischen und römisch-katholischen Kirche zustehenden Befugnisse und Einkünfte werden dauernd aufrechterhalten. 3. Beide Kirchen bleiben im Besitz ihrer Anstalten, Stiftungen, Fonds und staatlichen Zuschüsse.^') 4. Der konfessionelle Charakter der öffentlichen Volksschule wird gewährleistet. 5. Gemeinsame Abstimmung beider Kammern in vereinigter Sitzung bei strittiger Meinung über einen Posten des Staatshaushalts. 6. Abänderung der Verfassung auf dem ordentlichen Wege der Gesetzgebung, jedoch nur durch Zweidrittelmehrheit, sofern es sich um TiteNI „Von den Rechten der Preußen" handelt. Der letzte (ebenso wie der erste) Punkt ist notwendig, weil, wie die „Germania" erläuternd hervorhebt, die bei Verfassungsänderungen vorgeschriebene, gewöhnliche, absolute Mehrheit nicht genügt, „um in politisch bewegten Zeiten die Stetigkeit der Verfassungsgrundlagen sicherzustellen". Beiläufig: man gedenkt des Wortes „Rußland und die Kirche können warten" angesichts der glänzend operierenden Taktik des Zentrums. Zunächst hielt es sich vorsichtig zurück, obwohl, was gewöhnlich vergessen wird, schon bei der ersten Lesung die Ellbogenfreiheit seiner Mitglieder sichergestellt wurdet) In der Kommission ließ man die Nationalliberalen bei der Abstimmung über den konservativen Pluralwahlrechtsantrag „verbluten" und konnte sich auch in Aweiter Lesung den Luxus populärer Abstimmung leisten (vgl. Heft 16, S. 78). Jetzt ist für die Partei allmählich ihre Zeit gekommen, die Trümpfe auszuspielen, und das „Berliner Tageblatt" hat mit seiner Bemerkung ganz recht, daß nunmehr das „in den Sattel gehobene" Zentrum versuchen könne, die Sicherungen mit der Rechten und den halben Nationalliberalen, das Wahlrecht mit der Linken und der anderen Hälfte der Nationalliberalen in das Gesetz hereinzubringen. Es ist Sum Zünglein an der Wage geworden. ") „Vorwärts" Ur. 126. **) Noch nicht endgültige FassungI Daran erinnerte der Abgeordnete Porsch in der zweiten Lesung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/175>, abgerufen am 29.06.2024.